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Samstag, 14. November 2015

»Die Stadt der Blinden« von José Saramago

José Saramago

José Saramagos gesellschaftskritischer Roman »Die Stadt der Blinden« gilt als sein literarisch überzeugendstes Werk, denn der Roman ist eine gelungene Parabel über die Blindheit der Menschen. »Die Stadt der Blinden« ist José Saramagos Antwort auf den düsteren Roman »Die Pest« von Albert Camus. Beide Werke schildern eine gesellschaftliche Dystopie. Der Romancier, Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Essayist erhielt 1998 den Nobelpreis für Literatur.

Der Roman beginnt,daß ein Mann mit seinem Auto an einer Ampel steht. Von einer Sekunde auf die nächste, ohne erklärbaren Grund, erblindet er. Wie ihm ergeht es immer mehr Menschen in seiner Heimatstadt. Wie eine Seuche greift die Blindheit um sich. Die Regierenden wissen sich nicht anders zu helfen, als die Betroffenen in einer verlassenen Irrenanstalt einzuquartieren - unter der Bewachung von Soldaten, die auf jeden schießen, der fliehen will.

Die Situation spitzt sich allmählich zu. Je mehr Blinde dort zusammengepfercht werden, desto schlimmer, desto unmenschlicher wird die Situation. Inmitten dieses grausamen Chaos befindet sich ein Augenarzt mit seiner Frau - die als Einzige noch sehen kann.

José Saramago, portugiesischer Literaturnobelpreisträger, beschreibt die Entwicklungen im Verhalten der Menschen nach dem die rätselhafte Krankheit ausgebrochen ist. Mitten in der Stadt erblindet plötzlich ein Autofahrer an einer Ampel. Kurz darauf Passanten, seine Frau, der Arzt - eine Epidemie greift um sich. Der Staat reagiert zunächst brutal, er kaserniert die Kranken, es kommt sogar zu Erschießungen. Schließlich bricht der Staat selbst zusammen, das Ende versinkt in völliger Anarchie.

Da diese Krankheit höchst ansteckend ist, sperrt die Regierung die bereits Erblindeten und alle, die mit ihnen in Kontakt gekommen sind in eine stillgelegte Irrenanstalt. Nach und nach kommen immer mehr Blinde hinzu und während sich die "Weiße Seuche" draußen weiter verbreitet, beginnt in der Anstalt ein Kampf um Leben und Tod. Doch es besteht auch Hoffnung, denn es gibt eine Sehende unter ihnen, die die Krankheit nur vorgetäuscht hat, um bei ihrem Mann zu bleiben.




Die Stadt gleitet ab in eine Welle voller Gewalt. Ein übernervöses Militär arbeitet nur nach Befehl, lässt auch sinnvolle Ausnahmen nicht zu. Unter den Blinden machen sich Hass und Übervorteilung breit - es gilt das Recht des Stärkeren, was unter Anderem in der Erpressung 'Nahrung gegen Vergewaltigung' gipfelt. Einer der Schlüsselsätze ist die Aussage: "Wir waren schon blind in dem Augenblick, in dem wir erblindet sind". Und auch: "Kämpfen war immer mehr oder weniger eine Form der Blindheit".

All diesem Horror hat Saramago Passagen von unübertroffener Schönheit entgegengesetzt.
Einen Kontrast dazu stellt eine Frau dar, die ihre Sehkraft bewahrt hat, darüber vor Angst jedoch schweigt. Sie ist eine Schlüsselfigur in dem Roman. Als Einzige wahrt sie die Würde und schafft es, für eine kleine Gruppe Blinder die Menschlichkeit zu bewahren.

Saramago beschreibt in seiner Parabel über die menschliche Blindheit eine Welt, in der die Menschen blind geworden sind. Er macht in seinem Roman die Blindheit zu einer ansteckenden Krankheit, gebraucht aber den Begriff Blindheit im übergeordneten Sinn .Der Leser muss jedoch erstaunt feststellen, dass viele aber schon blind waren , obwohl sie alles sahen.

»Die Stadt der Blinden« von José Saramago ist im September 2015 auch als Taschenbuch im btb-Verlag in einer Neuauflage erschienen.

Literatur:

Die Stadt der Blinden
Die Stadt der Blinden
von José Saramago

Samstag, 7. November 2015

»Nullnummer« von Umberto Eco

Nullnummer
Nullnummer

Umberto Eco, Philosoph, Semiotikprofessor und renommierter Schriftsteller, hat mit 83 Jahren seinen neuen Roman "Nullnummer" vorgelegt. Nach dem Welterfolg "Der Name der Rose", Romanen wie "Das Foucaultsche Pendel" oder "Der Friedhof von Prag" sowie zahlreichen Essays und philosophischen Exkursen katapultiert uns Eco mit "Nullnummer" ins Italien des Jahres 1992 zurück.

In seinem Roman geht es voll hinein ins Journalistenleben! Und hinein in eine ziemlich seltsame Zeitungsredaktion in Mailand. Chefredakteur Simei und die Hauptfigur des Buches, der nicht gerade erfolgsverwöhnte Übersetzer und "Schreiberling" Colonna, wissen als Einzige, dass die Zeitung immer nur Nullnummern produzieren und nie wirklich erscheinen soll.

Bei dem Journalisten Colonna ist eingebrochen worden. Die Diskette mit brisanten Informationen hat man nicht gefunden, Colonna sieht jetzt sein eigenes Leben bedroht. Auch er spielt ein Doppelspiel: Er soll eine Zeitung lancieren, die mit schmutzigen Gerüchten über die gute Gesellschaft arbeitet. Zugleich schreibt er als Ghostwriter ein Enthüllungsbuch über den programmierten Skandal. Umberto Eco entwickelt eine rasante Kriminalgeschichte zwischen Wirtschaft, Politik und Presse. Und einen ironischen, provozierenden Roman über das 21. Jahrhundert: Je absurder die Nachrichten, desto deutlicher erkennt man die Gesellschaft von heute.

Korruption, Intrigen, Verschwörungstheorien: Umberto Eco porträtiert die "gute Gesellschaft" von heute in einem rasanten Kriminalroman - einfach brillant! Umberto Ecos Roman ist eine Parabel und eine Abrechnung mit dem Zeitungswesen und dem Journalismus. Eco könnte bei neuen seinem Roman glatt historische Anleihen bei Balzac genommen haben.

In dem Roman fehlt nichts, was eine gute Geschichte haben sollte. Er überzeugt durch eindringliche Schilderungen der Gesellschaft und des gesellschaftlichen Lebens. Ein durch und durch spannendes Werk des Menschenkenners Eco.

Etwas Wehmut klingt in dem neuen Roman auch mit. Es wird sein letzter sein, denn Eco plant, danach kein weiteres Werk mehr zu veröffentlichen.

Literatur:

Nullnummer

Nullnummer von Umberto Eco


Rezension:

Nullnummer Rezension

Nullnummer Rezension« von Joachim Weiser


Samstag, 24. Oktober 2015

»Exil« von Lion Feuchtwanger




Lion Feuchtwanger

"Exil" ist ein Klassiker der Exil-Literatur. "Exil" ist der letzte Teil der "Wartesaal"-Trilogie Die Wartesaal-Trilogie: Erfolg / Die Geschwister Oppermann / Exil (Feuchtwanger GW in Einzelbänden)."Exil" von Lion Feuchtwanger ist ein Schlüsselroman über das Leben deutscher Emigranten.

Schauplatz dieses Romans ist Paris, die Stadt, die für Tausende deutscher Flüchtlinge zum Exilort wurde. Im Frühjahr 1935 wird Friedrich Benjamin, ein bekannter Publizist und Redakteur einer deutschen Emigrantenzeitung, von den Nazis verschleppt. Sepp Trautwein, der von seinem Münchner Lehrstuhr vertriebene Musikprofessor und Komponist, gibt die Musik auf, um Benjamins Sache zu seiner eigenen zu machen.

Er kämpft einen fast hoffnungslosen Kampf, der sich schließlich als Ansporn und Bestätigung in seiner Kunst niederschlägt. Er komponiert die Sinfonie "Der Wartesaal", eine Metapher für die Zeit des Exils. Feuchtwanger wählte einen authentischen Fall als Ausgangspunkt für eine differenzierte Darstellung der Situation deutscher Exilanten, ihrer Existenznöte, ihrer politischen Zerrissenheit und ihres "ohnmächtigen und ein bißchen lächerlichen" Kampfes gegen einen riesigen Staat und seinen übermächtigen Apparat.

Exil

Exil von Lion Feuchtwanger

Als er den Roman schrieb, war Lion Feuchtwanger selbst seit mehreren Jahren im Exil in Frankreich, seit er während einer Reise von der nationalsozialistischen Machtergreifung überrascht wurde und nicht mehr – nie mehr – nach Deutschland zurückkehrte. Erneut, wie bereits in "Erfolg" (1930), wie in "Die Geschwister Oppermann" (1933), schrieb er in einem Roman die politische Entwicklung mit, mehr und mehr "im Wettlauf mit dem Krieg", wie er einmal bemerkt hat.

Der Autor in seinem Exil in Sanary-sur-Mer und seine Figuren in ihrem Exil in Paris warten auf die große Eruption. Zu Recht: Die ersten Teile der russischen Ausgabe von "Exil" erscheinen 1939 vor, die deutsche Ausgabe erscheint nach Kriegsbeginn. Feuchtwanger wird zusammen mit anderen Ausländern im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert und "Exil" markiert damit auch das Ende des französischen Abschnittes seiner Biographie. 1940 entkommt er dem Vichy-Regime nach New York.

Was Lion Feuchtwanger über das Flüchtlingsleben schreibt, ist heute so gültig und treffend wie vor 75 Jahren. Empathisch und skeptisch zugleich, die typische Feuchtwanger-Mischung, erzählt der Autor vom Exil als einem Zustand, der jeden an seine Grenzen treibt – auch die, die Exil gewähren, auch die, die mit den Verfolgern gemeinsame Sache machen. Sehr genau zeichnet der Roman den politischen Graubereich von Diplomatie und blinden Flecken nach, von Kompromiss und Kompromittierung, in dem gleichzeitig Hilfe geleistet und Hilfe verwehrt wird.

Die „Barbarei“ – immer wieder benutzt Feuchtwanger diesen Begriff, wie ein Ostinato, mit dem er der Welt die Wahrheit über das Hitler-Regime einzuhämmern versucht – die Barbarei in Deutschland scheint in Frankreich merkwürdig weit weg. Hier trifft man auf gebildete, kultivierte Nazis und ihre Handlanger, den Journalisten Wiesener zum Beispiel.

Auch in dessen innere Logik zwingt der Autor seine Leser hinein, in eine erschreckende Mischung aus Verlogenheit und Skrupellosigkeit. Der Plot von "Exil" wurde von tatsächlichen Ereignissen inspiriert, mindestens genauso wichtig wie die Handlung aber ist der umfassende Panoramablick auf den "Zustand Exil", den Feuchtwanger in diesem Roman entwirft.


Literatur:

Exil

Exil von Lion Feuchtwanger


Rezension:

»Exil« von Lion Feuchtwanger - Rezension - literatur-rezensionen.blogspot.de


Weblink:

"Exil" von Lion Feuchtwanger - Axel Milberg liest - www.br.de/radio

Samstag, 21. März 2015

»Eugenie Grandet« von Honoré de Balzac

Eugenie Grandet
Eugenie Grandet

Honoré de Balzacs berühmter Roman »Eugénie Grandet« ist 1833 entstanden und Teil der "Szenen aus dem Provinzleben". »Eugénie Grandet« ist um eine erstaunlich balazacsche Gestalt herum gebaut: den Vater Grandet. Die Originalausgabe erschien 1834. »Eugénie Grandet« ist die Geschichte einer Leidenschaft, die eine ganze Familie zerstört.

Herr Grandet, Eugenies Vater, ist die Personifizierung des Geizes. Seine ganze Liebe gehört allem, was wertvoll ist und insbesondere dem Geld. Er ist ein älterer und sehr reicher Weinhändler, der mit seiner Ehefrau und seiner Tochter Eugenie, seinem Einzelkind, in der provinziellen französischen Stadt Saumur lebt. Niemand, und insbesondere seine Familie nicht, weiß genau über wie viel Geld Grandet verfügt.

Im Mittelpunkt steht der reicher Weinhändler Grandet aus Saumur, der es im Laufe seines Lebens durch Spekulation und menschlich deformierenden Geiz zu einem Millionenvermögen bringt und dabei das Glück seiner einzigen Tochter Eugenie, die Erfüllung ihrer Liebe zu dem eleganten, aber arm gewordenen Cousin Charles ruiniert.

Eugénie, lebt als völlig unbedarftes Mädchen unter der gestrengen Aufsicht ihres erzgeizigen Vaters in der Kleinstadt Saumur. Das Drama beginnt, als Eugénie sich in ihren durch unglückliche Umstände arm gewordenen Cousin Charles verliebt und diesem mit viel Geld - welches ihr steinreicher Vater eigentlich für ihre Mitgift zurückgelegt hatte - hilft, in die Kolonien zu gehen, damit Charles dort wieder finanziell auf die Beine kommen kann.




»Fühlen, lieben, leiden und sich erniedrigen
wird immer der Inhalt des Lebens einer Frau sein.«




Dies alles natürlich, nachdem Eugénie sich nach einer harmlosen Liebesszene - die auf unsere Heldin jedoch einen sehr starken Eindruck macht und ihre leidenschaftliche Liebe für Charles begründet - ausmalt, dass Charles bald zurückkommen wird, um sie zu heiraten. Für diesen Traum nimmt sie mutig den Kampf gegen ihren tyrannischen Vater auf.

Als Charles in den Kolonien ein Vermögen erwirbt, denkt er allerdings nur noch wenig an seine Cousine Eugénie, die für sein Glück so viel Unbill auf sich genommen hat. Was wird Eugénie tun, als sie erfährt, dass Charles - aus den Kolonien zurückgekehrt - daran denkt, eine zwar hässliche, dafür aber reiche und adlige Erbin zu ehelichen?

Zunächst wirkt ein Mädchen wie Eugénie völlig unspektakulär, doch Balzac schafft es, aus ihr eine ganz große Figur der Literaturgeschichte zu machen. Das Buch ist äußerst spannend bis zum Schluss und zu guter Letzt handelt Eugénie so, wie es niemand von ihr erwartet hätte.

Das Buch ist eine große Erzählung und Balzac ist ein großer Erzähler. Er schildert das innere und äußere Leben seiner Charaktere, den wahnsinnigen Geiz des hässlichen alten Grandet, die Demut seiner einfachgestrickten Gattin und die idealistische Weltsicht Eugenies, die schließlich an der Realität zerbricht.

Weblink:

Eugenie Grandet
Eugenie Grandet
von Honoré de Balzac

Samstag, 20. Dezember 2014

»Die schönsten Weihnachtsgeschichten« von Peter Härtling

<center><a title="»Die schönsten Weihnachtsgeschichten«
von Peter Härtling (Herausgeber), Philip Waechter (Illustrator)" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3351040903/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Die schönsten Weihnachtsgeschichten" src="http://images-eu.amazon.com/images/P//3351040903.03.TZZZZZZZ.jpg" width="75" border="0"/><br />Die schönsten Weihnachtsgeschichten</a></center>

Peter Härtling hat in diesem Buch seine persönliche Weihnachtsbibliothek zusammengestellt. Entstanden ist ein großes Hausbuch, das – quer durch alle Epochen – einen Schatz an Weihnachtsgeschichten zwischen seinen Buchdeckeln aufbewahrt.

Peter Härtling hat besonderen Wert darauf gelegt, dass die Sammlung für jeden etwas bereithält: den Vorleser, den Zuhörer, kleine und große Leser, damit das Selberlesen und vor allem auch das gemeinsame Lesen zur Weihnachtszeit zu einem stimmungsvollen Moment werden kann. Philip Waechter begleitet die Texte mit seinen warmen und humorvollen Illustrationen.

»Die schönsten Weihnachtsgeschichten« beinhalten Geschichten von Hans Christian Andersen, Hans Fallada, James Krüss, Astrid Lindgren, Janosch, J. R. R. Tolkien, Paul Maar, Elke Heidenreich, Erwin Strittmatter, Gerhard Polt, Otfried Preußler, Agatha Christie, Wilhelm Busch, Robert Gernhardt, Cornelia Funke, Erich Kästner, Christine Nöstlinger, Michael Ende u. v. a.

Weblink:

<a title="»Die schönsten Weihnachtsgeschichten«
von Peter Härtling (Herausgeber), Philip Waechter (Illustrator)" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3351040903/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Die schönsten Weihnachtsgeschichten" src="http://images-eu.amazon.com/images/P//3351040903.03.TZZZZZZZ.jpg" width="60" border="0"/><br />Die schönsten Weihnachtsgeschichten</a> von Peter Härtling (Herausgeber), Philip Waechter (Illustrator)

Freitag, 14. November 2014

Lutz Seilers Roman »Kruso«

Kruso

An Lutz Seilers erstem und gleich mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnetem Roman »Kruso« scheiden sich die Geister. »Kruso« ist sein erster Roman und zugleich das Werk eines Lyrikers. Ob Meisterwerk oder Langweiler - die Diskussion hat das auf der Ostseeinsel Hiddensee im Wendejahr 1989 spielende Epos jedenfalls tüchtig befeuert, denn »Kruso« ist ein ebenso vielschichtiges wie mehrdeutiges Buch.

Der Roman »Kruso« von Lutz Seiler spielt auf der Insel Hiddensee im Milieu der Saisonarbeiter und gesellschaftlichen Aussteiger zur Zeit des Zusammenbruchs der DDR 1989. Er erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Germanistik-Studenten Edgar Bendler und dem Küchenmitarbeiter Alexey Krusowitsch, genannt »Kruso«, der in der Gemeinschaft der Saisonarbeiter als Autorität anerkannt ist. Beide sind vom Verlust eines ihnen nahe stehenden Menschen traumatisiert.

Die Gaststätte »Zum Klausner« mit großen grünen Garten und Terasse mit Sitzgelgenheiten für die für Tagesausflügler liegt idyllisch am Waldrand und in unmittelbarer Nähe zum Strand von Hiddensee, der nur eiene Steinwurf entfernt istt. Der Pächter sieht die Gaststätte als Schiff und die Angestellten als deren Besatzung an und entsprechend seemännisch fällt seine Wortwahl beim täglichen Appell aus: »Ab in die Wanten!«. Die Angestellten des Klausner sind wie die Mitglieder einer Schiffsbesatzung eine verschworene Gemeinschaft.

Der Romanheld, der psychisch labile, selbstmordgefährdete Germanistik-Studenten Edgar Bendler findet in der Gaststätte »Zum Klausner« eine Anstellung als Abwäscher. Sein charismatischer Mitarbeiter Kruso hat auf der Insel so etwas wie eine Auffangstation für alle Schiffbrüchigen errichtet, womit jene gemeint sind, die auf irgendeine Weise im DDR-Regime angeeckt sind oder das Land verlassen wollen.

»Kruso« entwickelt eine Freiheits-Utopie, in deren Sog der junge Edgar gerät. Gemeinsam kümmern sie sich um die „Schiffbrüchigen“ – all jene, die mit dem Staat abgeschlossen haben oder auf verschiedene Weisen gescheitert sind. Zwischen beiden Männern wächst eine tiefe Freundschaft, die sie fast übersehen lässt, dass rings um sie der Staat zerbricht und immer mehr Gefährten das Land verlassen. Kruso wird darüber krank und Ed übernimmt seine Aufgabe.

Am Ende muß die Gaststätte »Zum Klausner« schließen, das Klausner wird Kiel geholt und Kruso und Ed, die weiterhin dort wohnen und sich durchschlagen, sind ihrem Schicksal überlassen.

Das Feuilleton hat dieses Buch als Roman der Jahres ekstatisch in den Literaturhimmel gejubelt, doch der Roman ist problematisch in der Einordnung, denn er ist weder ein Bildungs- oder Initiationsroman - mit dem »Zauberberg« ist das Buch ja von einer verzückten Kritikerin verglichen worden - noch ein Wenderoman, weil sich das historische Geschehen nur ganz am Rande im Hintergrund abspielt.

Viele Feuilletonisten haben in diesen vielschichtigen Roman mehr hineininterpretiert, als dieser von der eigentlichen Erzählung über einen Studenten, der sich an der Ostseeküste in der Gastronomie verdingt und vom Rahmen der Handlung hergibt. Wer sich das Buch besorgt und zu lesen beginnt, sich auf eine außerordentliche, fesselnde Lektüre freut, wird enttäuscht.

Seilers Roman zeichnet sich durch eine hohe sprachliche Genauigkeit aus und verbindet historische Konkretheit mit surrealen Zügen. Im Erscheinungsjahr erhielt der Roman den »Uwe-Johnson-Preis« sowie den Deutschen Buchpreis.

Roman:

Kruso
Kruso
von Lutz Seiler


Rezension:

Kruso Rezension
Kruso Rezension
von Joachim Weiser

Samstag, 11. Oktober 2014

»La place de l'étoile« von Patrick Modiano

<center><!-- img title="»La place de l'étoile« von Patrick Modiano" src="http://www.texaswatertowers.com/kayandlyn/imagespostcards/postcard_france_4.jpg" width="280" height="" alt="La Place de l'Etoile "/ --><a title="Patrick Modiano La place de l'étoile" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/342314100X/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="La place de l'étoile" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/342314100X.03.TZZZZZZZ.jpg" width="75" border="0"/><br />La place de l'étoile</a></center>
 
Patrick Modiano gehört heute zu den bedeutendsten französischen Schriftstellern der Gegenwart. Bekannt wurde Modiano 1968 durch die Veröffentlichung seines Romans <a title="Patrick Modiano La place de l'étoile" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/342314100X/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank">»La place de l'étoile«"</a> - eine Reminiszenz auf den sternförmigen Platz rund um den Arc de Triumph, den Triumphbogen von Paris. <!-- 22-jährig schrieb er 1967 seinen Debütroman »Place de l'Étoile«. -->

Der Roman spielt in Paris zur Zeit des Nationalsozialismus und er sorgte für gewaltiges Aufsehen, denn der jüdische Autor lässt durch den jüdischen Erzähler Raphael Schlemilovitch, der in der deutschen Besatzungszeit zum Nazispitzel wird, in einer vorgegaukelten Autobiografie facettenreich die Lebensentwürfe verschiedener Juden Revue passieren.

Der Roman zeigt die Misere französischer Juden während der Herrschaft des Nationalsozialsmus und der Besetzung Frankreichs schillernd und in vielen Facetten auf. Alle Verwirrungen französischer Intellektueller während des Zweiten Weltkriegs kommen zum Vorschein und werden in einer kaleidoskopartigen Seelenschau noch einmal durchlebt.

In den übertrieben dargestellten Figuren wird mit viel Ironie und Apercu der Judenhass verdeutlicht. Ob "Feld-und-Flur-Jude" oder "Kollaborationsjude", die gemeinten Vorbilder sind für Eingeweihte unschwer erkennbar, wie zum Beispiel die Nazi-Sympathisanten Simone Weil-Céline und Maurice Sachs, wie der distinguierte Jude Proust-Daniel Halévy-Maurrois oder der Militärjude Dreyfus-Stroheim.

Der Roman spielt mit dem Stilmittel der Übertreibung und ist eine aufsehenerregende Parodie auf den Antisemitismus. Es ist ein unglaublich virtuoses Buch mit einer Fülle von Anspielungen, welche die alt überlieferten Annahmen und Vorstellungen auf den Kopf stellen und durchaus zu Irritationen beim Leser führen können.

Den deutschsprachigen Lesern wurde Patrick Modiano erst durch die Vermittlung Peter Handkes bekannt, der auch zwei seiner Romane übersetzte. Die beiden Romane »Place de l'Étoile« (2010) und »Im Café der verlorenen Jugend« (2012) sind mittlerweile auf Deutsch erschienen.

Weblink:

<a title="Patrick Modiano La place de l'étoile" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/342314100X/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="La place de l'étoile" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/342314100X.03.TZZZZZZZ.jpg" width="65" border="0"/><br />La place de l'étoile</a> von Patrick Modiano

Donnerstag, 10. Juli 2014

»Jud Süß« von Lion Feuchtwanger

Jud Süß
Jud Süß

»Jud Süß« ist ein 1925 erschienener Roman von Lion Feuchtwanger, der das Leben des württembergischen Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer erzählt . Der Roman erzählt ein Sittenbild jüdischen Lebens in der württembergische Hofgesellschaft. Im Mittelpunkt steht die Figur Jud Süß, der tägliche Antisemitismus, der ihm begegnet, sowie seine langsame Hinwendung zur jüdischen Religion. »Jud Süß« wurde zum Weltbestseller und begründete Feuchtwangers Geltung als Romancier.

Der erste historische Roman von Lion Feuchtwanger stellt die Geschichte vom Aufstieg und Fall des jüdischen Finanzrats Josef Süß Oppenheimer als exemplarisch für das Schicksal des jüdischen Volks dar. In Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg lieferte der Autor eine als Warnung zu verstehende, beklemmende Analyse antisemitischer Mechanismen.

Jud Süß
Josef Süß Oppenheimer steigt dank seiner Finanzbegabung und gewandten Umgangsformen in den 1730er Jahren als geheimer Finanzrat von Herzog Karl Alexander (1684 bis 1737) zum mächtigsten Mann Württembergs auf. Mit dem Herzog durch ein Band wechselseitigen Nutzens verbunden und ebenso machthungrig, genusssüchtig und prunkliebend wie dieser, beschafft Jud Süß durch ausgeklügelte Methoden zur steuerlichen Ausbeutung des Landes die Mittel für Karl Alexanders militärpolitische wie repräsentative Vorhaben.

Doch als der Herzog seiner Tochter Naemi nachstellt und diese sich nur durch einen Sprung in den Tod vor der Vergewaltigung zu retten weiß, kommt es zum Bruch. Jud Süß verrät Karl Alexanders Pläne, im protestantischen Württemberg eine katholische Militärautokratie zu errichten, und lässt sich nach dem plötzlichen Tod des Herzogs gefangen nehmen. Lange aufgestauter Unmut entlädt sich nun gegen ihn, den Handlanger fürstlicher Willkür, der als Angehöriger einer allseits verachteten und vielfach verfolgten Minderheit zum Sündenbock gemacht wird. Unter Beugung des Rechts wird er zum Tod verurteilt.

Die mögliche Rettung durch einen Übertritt zum Christentum schlägt Jud Süß aus, denn er hat nach Naemis Tod zu seinen jüdischen Wurzeln, seiner kulturellen Identität zurückgefunden und hält an seinem Glauben fest.
In fünf Büchern entwickelt Feuchtwanger ein lebendiges Panorama gesellschaftlichen und politischen Lebens sowie sozialer und religiöser Gegensätze im frühen 18. Jahrhundert. Seine Darstellung, die auf einer Oppenheimer-Biografie von 1874 fußt, hält sich weitgehend an die historische Überlieferung. Doch auch erfundene Figuren und Begebenheiten, wie etwa Naemi und ihr Schicksal, tragen zur Entwicklung der Handlung bei.

Der chronologisch erzählte Werdegang von Josef Süß Oppenheimer lässt sich unter dem Aspekt von Assimilation und (gescheiterter) jüdischer Emanzipation lesen, als Auseinandersetzung mit den Verlockungen der Macht und ihrem Preis oder als Weg vom Aktivismus zu einer kontemplativen Lebensphilosophie, die Feuchtwanger nach dem Ersten Weltkrieg als vorbildlich erschien, da das Handeln durch den Krieg diskreditiert worden war.

»Jud Süß« ist das ambitionierteste Werk von Lion Feuchtwanger. In dem historischen Roman verbindet er die Spannung seiner kürzeren Romane (»Der falsche Nero«, »Die Brüder Lautensack«) mit Tiefgang und einem opulenten Ambiente.

Feuchtwanger, selber Jude, weswegen die Nazis alle seine Romane verboten hatten, hat einen Roman geschaffen, der harte Kost ist und durch seinen expressiven Stil manchen Leser aufstören mag. Dennoch war er Feuchtwangers erster grosser Erfolg und machte ihn schlagartig berühmt. Der gleichnamige 1940 entstandene antisemitische Hetzfilm »Jud Süß« von Veit Harlan (1899–1964) beruhte nicht, wie oft angenommen, auf Feuchtwangers Roman.


Weblinks:

Jud Süß
Jud Süß
von Lion Feuchtwanger

Jud Süß von Lion Feuchtwanger - www.histo-couch.de

Mittwoch, 25. Juni 2014

»Das goldene Ei« von Donna Leon

Das goldene Ei
Das goldene Ei

»Das goldene Ei« - Commissario Brunettis zweiundzwanzigster Fall - ist zugleich Brunettis privatester Fall: ein Mord im näheren Umfeld des Commissarios direkt vor seiner Haustüre. Alles sieht zunächst – nach einem Unfall aus und niemand in der Umgebung des Opfers will bei diesem verdeckten Mord etwas gewusst haben, doch auch Nichtstun kann zum Verhängnis führen.

In der Nachbarschaft ist ein behinderter junger Mann gestorben, den Brunettis Frau Paola oft gesehen hatte, weil der Junge in der Wäscherei aushalf, obwohl er nicht sprechen konnte und geistig zurückgeblieben wirkte. Er ist an Schlaftabletten gestorben, wobei es unklar ist, ob er sie absichtlich eingenommen hatte, oder aus Versehen, weil sie bunt überzogen waren und wie Bonbons aussahen.

Ein junger Mann ist in Venedig zu Tode gekommen. Commissario Brunetti und auch seine Frau Paola kannten ihn seit einigen Jahren. Weil der taubstumme Junge als Aushilfe in der Reinigung arbeitete, die die Familie Brunetti fast wöchentlich frequentiert. Paola ist schockiert darüber, dass man so wenig über den toten Jungen wusste und bittet ihren Mann, mehr über ihn herauszufinden.

Der Tod des Jungen durch Schlaftabletten soll als Unfall wie so oft zu den Akten gelegt werden. Gleichzeitig will Vice-Questore Guiseppe Patta seinem Freund dem Bürgermeister einen großen Gefallen tun und gibt Brunetti einen zweifelhaften Auftrag, der aber in Italien offenbar zum Alltag gehört. hat daran großes Interesse. Während Brunetti diesen Auftrag schnell erledigt hat, lässt ihn aber der Tod des Jungen nicht ruhen

Von seiner Schöpferin seit nunmehr 21 Bänden ihrer Krimireihe mit ungewöhnlichem Instinkt ausgestattet, wittert Brunetti hinter diesem Tod etwas anderes, obwohl es zunächst einmal reine private Neugier ist, die ihn mit der Mutter des Jungen Kontakt aufnehmen lässt. Der Junge dürfte eigentlich gar nicht existiert haben, denn es gibt keine einzige offizielle Erwähnung. Weder Geburt noch Taufe sind dokumentiert und auch keine Krankenversicherung etc.

Wieder einmal löst er einen Fall, indem er Schicht um Schicht zu der Wahrheit vordringt. Aber wie schon so oft, kann er seine Schlussfolgerungen nicht beweisen, und es kommt - wie so oft in Italien - zu keinen strafrechtlichen Folgen für diese Tat.

Verpackt in einen Unterhaltungsroman ist auch dieser Kriminalfall eine schreiende Anklage gegen das italienische System, die Regierung, die Korruption, das Beamtentum, die Vetternwirtschaft die sich in alle soziale Schichten drängt.

Donna Leon ist es gelungen dies wieder in einem Beispiel der menschlichen Tragödie zu verpacken, die auch vor Menschenverachtung, Mord und der Spekulation mit allen Mitteln nach dem "Goldenen Ei" - dem Mammon - zu greifen, nicht haltmacht.

Weblink:

Das goldene Ei
Das goldene Ei
von Donna Leon

Samstag, 21. Juni 2014

»Sommernachtstraum« von William Shakespeare

Ein Sommernachtstraum
Ein Sommernachtstraum

von William Shakespeare

Der »Sommernachtstraum« von William Shakespeare ist eine turbulente Komödie über die Liebe und ihre Irrungen und Wirrungen im Elfenwald, welche Shakespeare durch zahlreiche Verwicklungen gechickt zu steigern weiß - eine Komödie aus dem Land der Feen, Elfen und Trolle, bei der ein Sturm die Gefühle kräftig aufwirbelt. Vor allem die romantische Liebe oder das Gefühlslabyrinth, in dem sich die Menschen verirren, interessiert den Autor.»Ein Sommernachtstraum« handelt davon, daß ein Liebestrank in die Augen der Feenkönigin geträufelt wird und diese sich nun in den Esel verliebt. Die Komödie ist eine Feenposse um grillenhafte Eifersucht und wohl das heiterste Stück, das Shakespeare überhaupt geschrieben hat.

Im »Sommernachtstraum« tummeln sich in der lauen, wundersamen Nacht allerlei Gestalten: edle Paare aus der höfischen Welt, einfache Handwerker, zauberhafte Wesen aus dem Reich der Elfen. Shakespeare verwebt diese unterschiedlichen Personenkreise überaus kunstvoll miteinander. Knüpft hier eine Verbindung zwischen zwei Liebenden, knotet dort eine Verwirrung in die Beziehung und löst am Ende alle verworrenen Fäden mit genialem Geschick zum Wohlgefallen aller wieder auf.

Hermia soll Demetrius heiraten, doch Hermia ist in Lysander verliebt. Lysander erwidert diese Liebe und die beiden fliehen. Demetrius verfolgt das Liebespaar und wird von Helena verfolgt, die ihn begehrt. Im Wald liegen die Elfenkönigin Titania und ihr Gemahl Oberon in heftigem Streit. Oberon und sein Gehilfe Puck bringen auch noch ein Liebeszaubermittel ins Spiel, das die Gefühle schließlich vollends verwirrt…

Die liebestollen Besucher des Shakespeareschen Zauberwaldes geraten in furchtbare Gefühlsverwirrung, um schließlich erschöpft aus dem Dickicht wieder hervorzutaumeln. Über 400 Jahre ist dieser Traum um verwirrte Liebende alt, und doch hat er nichts von seiner strahlenden Schönheit eingebüßt. Auch heute erfreut Puck, der Kobold, uns mit seinem Schabernack, läßt uns die anrührende Unbeholfenheit der Handwerker herzlich lachen, bangen wir mit den Liebenden, daß sich die richtigen Paare zusammenfinden mögen.

»Wie kann das Glück so wunderlich doch schalten!
Ich werde für so schön als sie gehalten.
Was hilft es mir, solang Demetrius
Nicht wissen will, was jeder wissen muß?
Wie Wahn ihn zwingt, an Hermias Blick zu hangen,
Vergöttr ich ihn, von gleichem Wahn befangen.
Dem schlechteren Ding an Art und an Gehalt
Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.
Sie sieht mit dem Gemüt, nicht mit den Augen,
Und ihr Gemüt kann nie zum Urteil taugen.
Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind.«
William Shakespeare,
»Ein Sommernachtstraum«
Erster Aufzug, Erste Szene
Die Komödie hat eine helle und eine dunkle Seite: die helle, erheiternde Seite liegt auf der heiteren Oberfläche, die dunkle, lehrhafte Seite liegt im Untergrund des Stückes verborgen.

Der »Sommernachtstraum«, eine Komödie über die Liebe, ist so voller turbulent komischer Szenen und wundersamer Einfälle, daß man zunächst gar nicht bemerkt, welch zynische Auffassung hier zugrunde liegt: Die Menschen sind den Launen der durch und durch amoralischen Elfenwesen wehrlos ausgeliefert. Und die Liebe ist nichts als Narrheit. Trieb, der nicht zu kontrollieren ist - schon gar nicht mit Vernunft!

Abermals wählte Shakespeare die Liebe als Thema des Stückes und natürlich, wie könnte es auch anders sein, ihr Wege voll Irrungen und Wirrungen. Auf dem Programm steht Liebe als komplettes Verwirrspiel. Im Prinzip scheint es schon zu Anfangs verwirrend genug, doch kommt es, dass das im Rampenlicht stehende nette Liebespaar "durch brennt". Das würde nun Niemanden stören oder wundern, wenn ihnen nicht ein Vehrer auf den Versen wäre, der wiederum von einer anderen Verehrerin verfolgt wird.

»Ein Sommernachtstraum« ist eine Komödie in Form einer Groteske. Die Komödie erfährt hier ihre höchste groteske Form in der Darstellung einer heillosen Verwirrung um mehrere Liebespaare. Das Geschehen ist hier grotesk übersteigert,denn die Beteiligten sind nicht mehr Herr ihrer Gefühle.

»Amor steckt von Schalkheit voll,
Macht die armen Weiblein toll.«

William Shakespeare,
»Ein Sommernachtstraum«
Dritter. Aufzug, Zweite Szene
Shakespeares Komödie »Ein Sommernachtstraum« gehört zu den wohl berühmtesten Werken des Dramatikers und zu den wenigen Stücken, die regelmäßig auf deutschen Bühnen inszeniert werden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass von diesem Stück ein ganz besonderer Zauber ausgeht, der entsteht, wenn sich Wunderbares mit Komischem vereint.

»Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare gehört zu den meistgespielten Stücken der Weltliteratur. Es ist eine märchenhafte Komödie um die Liebe und um die Verwirrungen, die die Liebe auslösen kann.

Weblinks:

Ein Sommernachtstraum
Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare

Ein Sommernachtstraum
Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare

Rezension:

Ein Sommernachtstraum Rezension
Ein Sommernachtstraum Rezension

Mittwoch, 11. Juni 2014

Münchhausen-Geschichten von Gottfried August Bürger

Baron Münchhausen

Die populären Münchhausen-Geschichten von Gottfried August Bürger erzählen von den fantastischen Reiseberichten eines Lügenbarons und Aufschneiders, der in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Sie wurden zum erzählerischen Gemeingut und regten etliche Nachfolger zu neuen Erfindungen um den großspurigen Aufschneider an.
Münchhausen
Münchhausen
von Gottfried August Bürger

Der Leser wird Zeuge von abenteuerlichen Geschichten eines leibhaftigen Barons aus Bodenwerder an der Weser, der frei erfundene Geschichten auftischt, daß sich die Balken nur so biegen. Auf einer beschwerlichen Reise nach Russland findet Münchhausen sein Pferd, das er an einen Stecken angebunden zu haben glaubte, nach der plötzlichen Schneeschmelze auf der Kirchturmspitze wieder, holt es mit einem Schuss durch den Halfter herunter und reitet zu weiteren Abenteuern.

Von ähnlicher Qualität sind seine unwahrscheinlichen Jagderfolge und Erlebnisse mit wilden oder fabelhaften Tieren. Das Glück bleibt ihm auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen treu. Wenn sein Hengst entzweigehauen wird, reitet der Held auf dem Vorderteil weiter, während das Hinterteil sich selbstständig und an einem Dutzend Stuten zu schaffen macht.

Baron Münchhausen

Zwar gerät Münchhausen in türkische Gefangenschaft, doch kehrt er nach vielen mit List und Körperkraft bestandenen Gefahren wohlbehalten in seine Heimat zurück. Seine Seeabenteuer führen ihn durch alle Meere und Kontinente sowie zu den Mächtigen der Erde, als neuen Jonas durch den Bauch von riesigen Fischen, in den Krater des Ätna und sogar bis auf den Mond.

In lockerer anekdotischer Reihung berichtet Münchhausen von seinen Abenteuern, beglaubigt durch die Ich-Form, die auch das Unglaublichste als selbst Erlebtes präsentiert. Im ersten Teil dominieren die Tiere, die der aktive Held besiegt oder als Helfer benutzt. Im zweiten Teil stehen die fremden Welten im Vordergrund, deren Herausforderungen der Erzähler neugierig begegnet.

Als erfolgreicher und tatenlustiger Kraftkerl, der mit seiner Respektlosigkeit gegenüber politischen Herrschern und seiner ursprünglichen, unverbildeten Intelligenz allen Unbilden der Natur und der Zivilisation trotzt, ist der fiktive Münchhausen ein typisches Produkt des Sturm und Drang. Bürgers volkstümlich-witziger Sprachgestus machte ihn zu einer Identifikationsfigur des aufstrebenden Bürgertums.

1788 veröffentlichte er eine erweiterte Fassung des Werkes, dessen Episoden in der Tradition der Lügenliteratur und der fantastischen Reiseberichte zum erzählerischen Gemeingut wurden und etliche Nachfolger zu neuen Erfindungen um den großsprecherischen Aufschneider inspirierten.

Bürger hat sich selbst zu seiner Autorschaft an diesem Werk nicht bekannt, einerseits um sich als Verfasser von Lügengeschichten in seiner ungesicherten gesellschaftlichen Position nicht in Verruf zu bringen, andererseits aus Rücksicht auf den in Bodenwerder an der Weser lebenden realen Karl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen (1720 bis 1797).

Die populären Münchhausen-Geschichten sicherten Gottfried August Bürger seinen Nachruhm, auch wenn er als deren Autor fast in Vergessenheit geriet.

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Münchhausen
Münchhausen
von Gottfried August Bürger

Montag, 2. Juni 2014

»Hotel Savoy« von Joseph Roth

Hotel Savoy

Der 1924 erschienene Roman »Hotel Savoy« von Joseph Roth erzählt eine pessismistische Heimkehrer-Geschichte aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen - jener Wirtschaftskrisenzeit, die Roth als Wartesaal voller radikalisierter Hoffnungen und unerfüllter Träume deutet. Der Roman erzählt von einer entwurzelten, zerfallenden Gesellschaft, von der Suche nach Heimat und Identität. Das Hotel ist dabei ein Spiegel der Gesellschaft - für die einen Absteige, für die anderen vornehme Residenz.

Ein Hotel wird in diesem frühen Roman Joseph Roths zur Metapher für die aus den Fugen geratene Welt nach dem Ersten Weltkrieg. In einem polnischen Städtchen nahe der russischen Grenze gelegen, nach außen mit seiner prunkvollen Fassade noch Zeuge der Vorkriegsepoche, beherbergt es im Innern die bunten Existenzen einer durcheinandergeratenen Zeit: Soldaten, Bankrotteure, Devisenschieber, Halbkünstler und leichte Mädchen.

»Meine Heimat war ein großes Haus mit vielen
Zimmern für viele Arten von Menschen.«
Gabriel Dan, Sohn russischer Juden, der in Wien großgeworden ist, betritt im Herbst 1919 nach langem Fußmarsch wieder die europäische Bühne. Nach fünf Jahren Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt, teilt sein Zimmer mit einem anarchischem Kommunisten und wird in die Aktivitäten der Armen und Reichen verstrickt. Alle aber warten auf die Ankunft des Milliardärs Bloomfield aus Amerika. Am Ende geht das Hotel in Flammen auf und wird so zu einem Symbol für die untergegangene Vorkriegswelt.

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Hotel Savoy
Hotel Savoy
von Joseph Roth

Mittwoch, 14. Mai 2014

»Der Rote Ritter« von Adolf Muschg


Adolf Muschg erzählt die alte Geschichte von Parzival und Grâl in seiner Parzifal-Adaption neu. Sein Roman folgt dem mitalterlichen Epos von Wolfram von Eschenbach, und folgt ihm ebenso nicht. Muschgs »Parzival« ist ein ganz anderer Parzival als die allseits bekannte historische Figur.

Nicht nur der Name des »Roten Ritters« verweist darauf, auch das gesamte hundertfältige Personal ist zur Stelle: die Grâls- und Artussage, die Märchen, Legenden und Fabeln. Die Geschichte greift in den vollen und überlieferten Stoff, doch freizügig und selbstbewußt.

Muschg versteht es prächtig, den Artusroman Wolframs von Eschenbach ins rechte Licht zu rücken, neu zu konturieren und dabei der Vorlage aus dem hohen Mittelalter treu zu bleiben, will heißen: keinen Zwang anzutun.

Die Grundintention der wohl facettenreichsten Dichtung des deutschen Mittelalters arbeitet er hervor, indem er bildgewaltig, anspielungsreich sein beeindruckendes Fachwissen über Literatur und Leben in »Den roten Ritter« einfließen lässt.

Weblink:

»Der Rote Ritter«
»Der Rote Ritter«
von Adolf Muschg

Mittwoch, 2. April 2014

»Das Leben ist anderswo« von Milan Kundera

Milan Kundera

Jaromil ist ein Dichter, glaubt seine Mutter, seitdem er die ersten Worte spricht. Er selbst glaubt es auch, und vielleicht würde es ihm gelingen - Talent, Phantasie und Sprachgefühl besitzt er - wäre er nicht ein Muttersöhnchen. - Und damit beginnt die Tragödie des Dichters Jaromil.

Milan Kundera erzählt in diesem Buch Das Leben ist anderswo die Geschichte von Jaromil - einem jungen Mann, der nicht erwachsen wird. Als Kind sonnt er sich in der uneingeschränkten Bewunderung seiner Mutter, die, selbst schon nicht beziehungsfähig, eine innige Symbiose mit dem Sohn eingeht, den sie als Stück ihrer selbst empfindet. Sie schüttet ihn zu mit ungeteilter Aufmerksamkeit, besitzergreifender Liebe und endloser Bewunderung. Streng bewacht sie ihn und ordnet ihm jedes eigene Interesse unter.

Ob sie damit ihre Schuldgefühle kompensiert, denn Jaromil war ein ungewolltes Kind, das sie in die Ehe mit einem ungeliebten Mann zwang, lässt der Autor offen. Im Verlauf von Jaromils Kindheit spielt der Vater keine Rolle, zumal er früh stirbt.

Jaromil wird als Heranwachsender von zweierlei getrieben: Der Suche nach Liebe und der Sucht nach Anerkennung. Liebe bedeutet für ihn jedoch Ausschließlichkeit. Das Objekt seiner Zuwendung und Begierde hat allein für ihn dazusein, hat seine familiären Bande zu zerschneiden und darf, außer für ihn, keinerlei Gedanken oder Gefühle hegen. Dabei treibt ihn seine Eifersucht sogar zum Verrat: Lieber verliert er die Geliebte ganz als dass er ein Quentchen ihres Herzens einem anderen überlässt.

Seine Sucht nach Anerkennung und Applaus treibt ihn dazu, sorgfältig diejenigen zu studieren, die anerkannt, beliebt und wortführend sind. Er kopiert deren Sätze, Gesten und Aussagen, um sie publikumswirksam bei passenden Gelegenheiten als eigene Gedanken zu präsentieren. Sobald er hinterfragt wird, widerlegt oder nur geringe Beachtung erfährt, stürzt er in ein Loch aus Verzweiflung.

Zwar weist er mehr und mehr die Kontrolle durch seine Mutter zurück, setzt sich selbst aber an deren Stelle und versucht, durch genaue Planung, Vorausdenken und Ausschalten möglicher Zufälle, die Situationen und Ereignisse schon im Vorfeld in den Griff zu bekommen. Der ständige Druck, sich auf dem in gemeinsamer Arbeit mit der Mutter errichteten Sockel zu halten, bestimmt sein Leben.

Jaromil wäre gern ein selbstständiger Denker und Vorreiter neuer umwälzender Ideen, doch auch sein politisches Engagement versickert in Mitläufertum und endet, wenn er nicht umjubelt wird. Das Verhalten seines Protagonisten öffnet Kundera die Pforte zur Kritik an der Politik seines Heimatlandes. Er bewertet nicht, er zeigt nicht mit dem Finger, er prangert nicht an; er lässt nur Jaromil agieren. Was aber reichte, um dem Roman in der ehemaligen Tschechoslowakei nicht veröffentlichen zu dürfen.






Weblinks:

Das Leben ist anderswo
Das Leben ist anderswo
von Milan Kundera

Milan Kundera-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de


Milan Kundera-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Freitag, 7. März 2014

»Der Mann mit der Ledertasche« von Charles Bukowski

Charles Bukowski

»Der Mann mit der Ledertasche« (»Post Office«) ist Charles Bukowskis erster und wichtigster Roman, mit dem er 1971 den Sprung von Dichtung zu Prosa vollzog und der ihn weltberühmt machen sollte.

Das gesamte Personal der Post muss in seiner völligen Hingabe an das Interesse der Öffentlichkeit immer standhaft und rechtschaffen bleiben. Vom Personal der Post wird erwartet, dass es nach den höchsten sittlichen Grundsätzen handelt, die Gesetze der Vereinigten Staaten achtet und sich im Übrigen an die Vorschriften und Richtlinien der Postverwaltung hält.

Der Briefträger Henry Chinaski alias Charles Bukowski bleibt unsittlich: Trotz zahlreicher Auseinandersetzungen mit seinem Chef frönt er seinem exzessiven Leben; er raucht, trinkt und versucht erfolglos, eine dauerhafte sexuelle Beziehung aufzubauen. Zunächst als Briefträger nicht nur bissigen Hunden ausgesetzt, verbringt er später seine Nächte an der Sortiermaschine.

Schließlich quittiert er den Dienst, um einen Roman zu schreiben. Der Klassiker der Untergrundliteratur hat nichts von seinem anarchischen Witz und seiner rauen Wirkung eingebüßt.

Weblink:

Der Mann mit der Ledertasche
»Der Mann mit der Ledertasche«
von Charles Bukowski

Mittwoch, 26. Februar 2014

»Mutmassungen über Jakob« von Uwe Johnson

Mutmassungen über Jakob
Mutmassungen über Jakob

Der Roman »Mutmassungen über Jakob« von Uwe Johnson schildert einen Lebensabschnitt des Bahnangestellten Jakob Abs, der nach und nach in die Fänge der Staatssicherheit gerät. In kunstvoll miteinander verwobenen Dialogstücken, Monologen und Beschreibungen erzählt Uwe Johnson aus ganz unterschiedlichen Erzählperspektiven vom Leben des stillen und pflichtbewussten Jakob Abs. Am Ende stirbt Jakob bei einem Zugunglück - ein Ereignis, das bereits am Anfang der Erzählung vorausgenommen wird, wobei sich die Frage stellt, ob hier wirklich nur ein Unfall geschehen ist.

»Mutmassungen über Jakob« ist einer der großen Romane der Nachkriegszeit und das Debüt eines der wichtigsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Der Roman wurde von seinem Verfasser noch in der DDR niedergeschrieben, bevor der Autor kurz danach nach West-Berlin übergesiedelt ist. Als sein richtiger Name auf die Titelseite des Buches in der BRD gedruckt wurde, zog er nach West-Berlin um – als Flüchtling wollte er nicht gelten.

Kaum ein Autor hat wohl die Lebensumstände der Menschen in der DDR prägnanter und zugleich einfühlsamer gefaßt als Uwe Johnson. Sein vielleicht berühmtestes Werk »Mutmassungen über Jakob« ist 1959 in der Bundesrepublik erschienen. Uwe Johnsons Debütroman »Mutmassungen über Jakob« war die aufsehenerregende Neuerscheinung des Suhrkamp Verlags zur Frankfurter Buchmesse 1959.

Weblink:
Mutmassungen über Jakob
Mutmassungen über Jakob
von Uwe Johnson

Mittwoch, 19. Februar 2014

»Das Blutbuchenfest« von Martin Mosebach

Das Blutbuchenfest
»Das Blutbuchenfest«

Martin Mosebachs aktueller Roman »Das Blutbuchenfest« ist ein Gesellschaftsroman, der um ein sommerliches Fest in Frankfurt handelt. Dort bereitet eine Gruppe von mehr oder weniger bürgerlichen Angehörigen der "Gesellschaft" ein Fest vor, während in Bosnien der Krieg ausbricht. Verbunden werden beide Orte der Handlung durch eine bosnische Putzfrau namens Ivana.

Es ist die Zeit Anfang der neunziger Jahre. Kaum war die Berliner Mauer gefallen und die Welt begann von einem neuen friedlichen Zeitalter zu träumen, da beginnen im zerfallenden Jugoslawien Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Ethnien und religiösen Gruppen, die man in Europa so nie mehr für möglich gehalten hätte.
Das Blutbuchenfest
»Das Blutbuchenfest«
von Martin Mosebach

Mitten in der Stadt, im Garten unter der blutroten Buche, organisiert ein windiger Geschäftemacher ein teures Fest. Das ist der Auslöser für erotische Verwicklungen, Liebe, Betrug und Eifersucht. Der Erzähler, ein verbummelter Kunsthistoriker, verliebt sich in die zerbrechliche Winnie. Marusha, eine schillernde Figur, dient gleich mehreren Herren als Geliebte. Hochstapler treffen auf Kreative und Verliebte auf Verlassene.

Und bei allen putzt Ivana aus Bosnien, die ihren Kundenstamm energisch zusammenhält und auch auf dem Fest für Ordnung sorgen soll. Doch während die Kunden feiern, beginnt auf dem Balkan der Krieg.

Es ist die weibliche Protagonistin des Buches, Ivana, die, seit vielen Jahren schon illegal Frankfurt lebend, für viele andere Figuren aus dem Roman putzt, die die Verbindung herstellt zwischen dem einen Handlungsort Frankfurt und der demgegenüber fast archaisch anmutenden Heimat Ivanas in den bosnischen Bergen.

Martin Mosebach überrascht mit einem neuartigen Ton, wechselnd zwischen Komik und Härte, Ironie und Trauer. Es ist ein Buch voll hintergründigem Witz und es zeugt in der Schilderung seiner unterschiedlichen Protagonisten von einer tiefen und reflektierten Menschenkenntnis seines Autors.

Weblink:

Das Blutbuchenfest
»Das Blutbuchenfest«
von Martin Mosebach

Sonntag, 2. Februar 2014

"Ole Bienkopp" von Erwin Strittmatter

Erwin Strittmatter

Der Roman "Ole Bienkopp" des sorbischen Schriftstellers Erwin Strittmatter ist ein Roman über die Nachkriegszeit und die "Wirren" der Bodenreform in der ehemaligen DDR.
Beschrieben werden die schwierigen Aufbaujahre des DDR-Sozialismus anhand einer LPG, welche Ole mitaufbaut.

In "Ole Bienkopp" wird von Strittmatter eindrucksvoll erzählt, aus welcher Not heraus die Bauern sich zusammen schließen, weil man gemeinsam mehr erreicht und mit welchen Schwierigkeiten die Menschen zu kämpfen hatten. Ole ist ein kleiner "Querschläger", er sieht die Welt oft anders als seine Mitmenschen.

Es ist nicht ohne Komik, wie die verschiedenen Menschen des Dorfes nach dem Kriege auf Neues reagieren und - trotz Parteidisziplin oder gerade deswegen - die alten Verhaltensweisen beibehalten und kultivieren. Daran scheitert letztendlich auch Ole Bienkopp auf tragische Weise.

Ole Bienkopp glaubt an Gerechtigkeit. Für ihn ist vernünftig, was Menschen nutzt. Voll Trotz und Zorn tritt er gegen den allmächtigen Parteiapparat an, der ihn im Stich gelassen und tödlich enttäuscht hat. Allein versucht er, einen Plan umzusetzen, der ihm gut, den anderen aber schädlich erscheint.

Man erfährt auch, daß nicht jede gutgemeinte Anstrengung von Erfolg gekrönt war und daß es keinen gibt, der immer alles richtig anpackt und ganz im Recht ist. Gerade diese Schwächen der Figuren machen sie liebenswert und den Reiz dieses Klassikers von Erwin Strittmacher aus.

Weblink:

Ole Bienkopp
Ole Bienkopp
von Erwin Strittmatter

Samstag, 25. Januar 2014

„Picknick auf dem Eis" von Andrej Kurkow

Andrej Kurkow


»Picknick auf dem Eis« ist ein Roman zur depressiven Stimmungslage in der Ukraine und liest sich wie eine bittere Satire auf die von Armut und Korruption geprägte ukrainische Gesellschaft. In „Picknick auf dem Eis" von Andrej Kurkow geht es um die Auseinandersetzung des Protagonisten, des arbeitslosen Journalisten und Dichters Viktor mit der Mafia und ihren Praktiken.

Als Tagträumer hat es Viktor schwer im Kiew der Neureichen und der Mafia: Ohne Geld und ohne Freundin lebt er mit dem Pinguin Mischa und schreibt unvollendete Romane für die Schublade. Zum Überleben verfasst er für eine große Tageszeitung Nachrufe über Berühmtheiten, die allerdings noch gar nicht verstorben sind. Wie jeder Autor möchte Viktor seine Texte auch veröffentlicht sehen - ein Wunsch, der beängstigend schnell in Erfüllung geht.

Dieser Roman ist eine originelle Mischung von Kriminalroman, Thriller und Familiengeschichte mit einer witzigen Nebenfigur: einem Pinguin namens Mischa. Dieser ist Viktors Begleiter, seit der örtliche Zoo begann, seine Tiere zu verschenken, als er sie nicht mehr ernähren konnte. Viktor hat sich Mischa zugelegt, um nicht alleine und einsam zu sein. Doch eines Tages steht sein Bekannter Mischa mit seiner Tochter Sonja vor der Tür. Um ihn von dem anderen Mischa, dem Pinguin, zu unterscheiden, heißt er Mischa-Nicht-Pinguin.

Nur für ein paar Tage, so beschwört er Viktor, soll seine vierjährige Tochter Sonja bei ihm wohnen. Aus den Tagen werden Wochen und Monate, bis Viktor von Mischa-Nicht-Pinguins Ableben erfährt, einem unnatürlichen Ableben, selbstverständlich. Dafür muß der andere Mischa einspringen: der Pinguin: ihn benötigt die Mafia als Trauergast für Begräbnisse und zahlt pro „Ausflug" 1000 Dollar an Viktor. Doch dieser bleibt stoisch-gelassen, auch als sich die Gewitterwolken immer mehr um sein eigenes Haupt zusammenziehen.

Für Freunde der russischen bzw. ukrainischen Literatur ein literarischer Genuss: skurrile Charaktere und Geschichten und gleichzeitig Einblicke in ein von Korruption geprägtes Land - allerdings immer mit einem liebevollen Augenzwinkern und ohne moralischen Zeigefinger.

Literatur:

Picknick auf dem Eis
Picknick auf dem Eis
von Andrej Kurkow