Donnerstag, 29. September 2011

»Prinz Friedrich von Homburg« von Heinrich Kleist

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg

Der »Prinz Friedrich von Homburg« ist ein in den Jahren 1809/1810 von Heinrich von Kleist verfasste Drama gegen Militarismus und Absolutimus vor dem Hintergrund der Schlacht von Fehrbellin mit dem Sieg des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm über die schwedische Armee. Kleists letztes Drama beschäftigt sich mit einer Geschichte um Staatsräson, um die Herrschaft des Gesetzes anstelle von Willkür, um individuelle Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung.

Der tapfere Reiterführer des Großen Kurfürsten, der junge Prinz von Homburg, ist oft von traumhaften Zuständen befallen. Ein Scherz, den der Kurfürst mit dem Prinzen in solcher Stunde ausführt, wobei diesem der Handschuh der Prinzessin von Oranien, die er liebt, ohne zu wissen wie in den Fingern bleibt, macht ihn im wachen Zustande zerstreut, und er überhört im Kriegsrat den wichtigen Befehl, dass er am nächsten Schlachttage nicht ohne ausdrückliche Order den Feind angreifen solle.

Als die Schlacht um Fehrbellin tobt, glaubt der Prinz seinen Zeitpunkt gekommen, greift mit der Reiterei ein und erringt einen glänzenden Sieg über die Schweden. Doch der Kurfürst, dem die militärische Disziplin über alles geht und dem der voreilige Angriff den Plan der vollständigen Vernichtung des Feindes zerstörte, lässt den Prinzen gefangen setzen und zum Tode verurteilen.

»Prinz Friedrich von Homburg« ist kein völkisches oder militaristisches Stück, wohl aber ein ungutes Beispiel dafür, wie auch ein feiner Geist wie Heinrich von Kleist den Auswüchsen von Preußens Glanz und Gloria nicht widerstehen konnte und aus seinem kaum verborgenen Hass gegenüber dem napoleonischen Frankreich eine Steilvorlage für das spätere Deutschtum lieferte, das Europa in eine größere Katastrophe stürzte, als es Napoleon je möglich gewesen wäre.

Dieses Drama gehört nicht unbedingt zu Kleists besten Werken, doch - ein Jahr vor seiner Selbsttötung fertig gestellt - lässt es einen tieferen Blick in die romantischen, gesellschaftlichen und militärischen Sehnsüchte und Ängste des Dichters zu, als alle anderen seiner Arbeiten. Die komödienhafte Darstellung der Adeligen war bei der damals herrschenden Klasse unpopulär.

Die patriotische Dichtung »Prinz Friedrich von Homburg« aus dem Jahre 1809/11 ist das letzte verfasste Drama von Heinrich von Kleist, das erst zehn Jahre nach seinem Tod, also 1821 in Wien uraufgeführt werden konnte.


Weblinks:

Prinz Friedrich von Homburg: Heinrich von Kleist - writer.germanblogs.de


Literatur:

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg
von Heinrich Kleist

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg
von Heinrich Kleist


Montag, 26. September 2011

»Liebesgrüße aus Deutschland« von Wladimir Kaminer

Liebesgrüße aus Deutschland
Liebesgrüße aus Deutschland

Wladimir Kaminer, seit 1990 in Deutschland lebender Schriftsteller russischer Herkunft, schreibt über Eigentümliches in seiner neuen Heimat. Er ist in Moskau aufgewachsen und sieht Deutschland damit durch eine andere Brille. Seine Erkenntnisse wirken wie ein Spiegel, der den Deutschen vorgehalten wird.

Der Wahlberliner Wladimir Kaminer hat sich auf die Suche nach einem liebenswerten Deutschland begeben und darüber ein Buch mit dem Titel »Liebesgrüße aus Deutschland« geschrieben.

Kaminer beschäftigt sich in »Liebesgrüße aus Deutschland« mit all dem, was typisch deutsch ist. Deutschland ist Land der ausgeprägten Ordnungsliebe. und des Perfektionismus. Wer sich mit dem Perfektionismus anfreunden kann, für den mag Deutschland ja durchaus ein liebenswertes Land sein. Es gibt auch die perfekte Form der Schriftgutverwaltung.

Schließlich ist ein Land ein schwieriges Unternehmen, und um es in den Griff zu bekommen, braucht man Erfindungsgeist. So erfanden die Amerikaner den Colt, die Russen das Destilliergerät und die Deutschen den Leitz-Ordner.

Für Kaminer hat Deutschland viel Liebenswertes zu bieten: Sparkassenberater, die von jeder Geldanlage abraten, Zeitungsenten aus Plüsch, ein findiges Finanzamt oder Vegetarier, die gerne Fleisch essen – nur nicht das von Tieren.

Wladimir Kaminer sieht seine Wahlheimat mit viel Verständnis für deren Schrullen und Besonderheiten. Und so sind wir am Ende von uns selbst ganz bezaubert. Denn wer hätte gedacht, was für ein lustiges Volk wir im Grunde sind!

Weblink:

Liebesgrüße aus Deutschland
Liebesgrüße aus Deutschland
von Wladimir Kaminer

Freitag, 23. September 2011

»In Zeiten des abnehmenden Lichts« von Eugen Ruge

In Zeiten des abnehmenden Lichts
In Zeiten des abnehmenden Lichts

Eugen Ruge erzählt in seinem eindringlichen, brillant verfassten Familien-Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts", daß das Licht der Utopie, der sozialistischen Verheißung, abgenommen habe und verwendet in seinem Roman eine Allegorie über die schwindenede Leuchtkraft des real existierenden Sozialismus, welcher Ruge wie ein abnehmendes Licht erschien.

"In Zeiten des abnehmenden Lichts" ist ein großer und eindringlicher Deutschland-Roman über drei Generationen, der ein halbes Jahrhundert gelebter Geschichte erzählt: Von den fünfziger Jahren über das Wendejahr 1989 bis zum Beginn des neuen Jahrtausends reicht dieser Roman einer Familie.

Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Generationen unter der Herrschaft des real existierenden Sozialismus: Die Großeltern, noch überzeugte Kommunisten, kehren aus dem mexikanischen Exil in die junge DDR heim, um dort mit viel Idealismus ihren Anteil am Aufbau der neuen Republik zu leisten.

Ihr Sohn, als junger Mann nach Moskau emigriert und später in ein sibirisches Lager verschleppt, tritt die Reise vom anderen Ende der Welt, dem Ural, an. Er kehrt mit seiner russischen Frau zurück in eine Kleinbürgerrepublik, an deren Veränderbarkeit er weiterhin glauben will.

Dem Enkel wird die Wahlheimat von Eltern und Großeltern indes zusehends zu eng - bis er, ausgerechnet am neunzigsten Geburtstag des Patriarchen, in den Westen geht. Die Strahlkraft der politischen Utopie scheint sich von Generation zu Generation zu verdunkeln: Es ist die Zeit des abnehmenden Lichts.



In Zeiten des abnehmenden Lichts






"In Zeiten des abnehmenden Lichts"
von Eugen Ruge



Rowohlt-Verlag,
1. September 2011,
19,95 EUR.

ISBN-13: 978-3498057862





Montag, 19. September 2011

William Golding 100. Geburtstag


William Golding wurde vor 100 Jahren am 19. September 1911 in St. Columb Minor in England geboren. William Golding ist ein berühmter englischer Schriftsteller, Dramatiker und Dichter.

Er begann im Alter von sieben Jahren zu schreiben. Er studierte aber später zunächst Naturwissenschaften und Englisch an einem Oxforder College. Ein erstes Buch mit Gedichten erschien ein Jahr vor seinem Studienabschluss.

Ab 1939 lehrte er in Salisbury Englisch. Golding nahm als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Diese Kriegserfahrung waren prägend für sein weiteres Schaffen.

Die Grausamkeit des Menschen, vom Autor auch direkt im Kriegseinsatz erlebt, war Grundthema bei Golding, und er setzte sich damit zeitlebens auseinander. Der studierte Natur- und Literaturwissenschaftler war lange als Lehrer aktiv, ab 1961 wendete er sich ganz dem Schreiben zu.

Der Romancier Golding geht in seinen Romanen in symbolischer-allegorischer Gestaltung metaphysischen Grundlagen der Existenz, wie Überleben, Schuld, Sühne, Erlösung nach.

William Golding wurde mit seinem Bestseller "Herr der Fliegen" (1954) international bekannt. Das Buch um eine schiffbrüchige Gruppe von Jugendlichen auf einer einsamen Insel, die sich in grausamen Machtkämpfen zerfleischt, wurde auch eindrucksvoll verfilmt.

William Goldings erster und erfolgreichster Roman "Herr der Fliegen" beschreibt das Ende der Unschuld und ist eine dunkle Parabel auf die verborgene Barbarei zivilisierter Gesellschaften.


"Je älter ich werde, desto absurder kommt mir das Leben vor,

und diese Absurditäten lassen sich nur mit Humor ertragen."


William Golding erhielt 1983 den Nobelpreis der Literatur für sein literarisches Schaffen. Daneben steht der britische Booker-Prize als weitere qualitative Auszeichnung und schließlich der Ritterschlag durch die britische Königin.

Bestens für seinen Roman "Der Herr der Fliegen" bekannt, gewann er einen Nobelpreis für Literatur, und wurde auch mit dem "Booker Prize für Literatur" im Jahr 1980 für seinen Roman "Rites of Passage" ausgezeichnet, das erste Buch aus seiner Meer-Trilogie "Zu den Enden die Erde".

William Golding ist deutschen Lesern allerdings überwiegend und beinahe ausschließlich durch sein bekanntestes und mit Abstand erfolgreichstes Werk ein Begriff, dem Roman "The Lord of the Flies". Der Titel referiert auf Satan, den Herrn der Fliegen, was die Bedeutung des hebräisch-griechischen Wortes Beelzebub ist.

Golding starb am 19. Juni 1993 mit 81 Jahren in Perranarworthal, Cornwall.

Weblink:

Herr der Fliegen
Herr der Fliegen
von William Golding

Sonntag, 18. September 2011

»Der Krieg« von Georg Heym

Georg Heym gilt als einer der wichtigsten Lyriker des frühen literarischen Expressionismus. Georg Heym hinterließ rund 500 Gedichte und lyrische Entwürfe.

Unter den Gedichten der Hauptschaffensphase, also ab Januar 1910, finden sich die bildgewaltig-düsteren und holzschnittartigen Visionen von Krankheit, Krieg, menschlichem Zerfall, dem Untergang des Einzelnen und dem Triumph der anonymen Masse.

Ab Januar 1910 entstanden die bildgewaltigen lyrischen Kunstwerke, die Georg Heym posthum unsterblich machten, so die metapherngeladene Versapokalypse »Der Krieg« in der Fassung I vom September 1911, die vor dem Hintergrund der Zweiten Marokko-Krise letzte Gestalt fand.

    Der Krieg I

    Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
    Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
    In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,
    Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

    In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
    Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
    Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
    Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

    In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
    Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
    In der Ferne ein Geläute dünn
    Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

    Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an
    Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.
    Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
    Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

    Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
    Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
    Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
    Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

    Über runder Mauern blauem Flammenschwall
    Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
    Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
    Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

    In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
    Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
    Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
    Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

    Und mit tausend roten Zipfelmützen weit
    Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
    Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
    Fegt er in die Feuerwälder, daß die Flamme brenne mehr.

    Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
    Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
    Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
    In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

    Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
    Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
    Aber riesig über glühnden Trümmern steht
    Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

    Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
    In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
    Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
    Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

 

Georg Heym, der vielleicht wichtigste Lyriker des frühen literarischen Expressionismus, hat 1911, ein Jahr vor seinem frühen Tod - gerade mal 24-jährig - das Grauen des ersten Weltkriegs mit erschütterndem sprachlichem Bilderreichtum vorausgeahnt

Samstag, 17. September 2011

»Der Traum des Kelten« von Mario Vargas Llosa

Der Traum des Kelten
Der Traum des Kelten





Der neue Roman »Der Traum des Kelten« (»El sueño del celta«")von Mario Vargas Llosa ist eine historische Erzählung, die sich dem Leben des Diplomaten und Abenteurers, irischen Nationalisten und englischen Verräters Roger Casement (1864–1916) widmet. Llosas Kelte ist Roger Casement, eine historische Gestalt, dessen Leben und Wirken viele Facetten hatte und sich gut als literarische Figur eignet.

Der 454 Seiten umfassende Roman handelt vom Leben des irischen Diplomaten, einer schillernden Figur, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Gräueltaten im Kongo während der Kolonial-Herrschaft des belgischen Königs Leopold II. sowie später die Ausbeutung der Indios bei der Kautschuk-Gewinnung im Amazonasgebiet anprangerte.

Erzählt wird dieser Roman aus der Perspektive der Erinnerung. Der Roman beginnt in der Todeszelle eines Londoner Gefängnisses Pentonville Prison und endet auch dort. Roger Casement erinnert sich an sein Leben und in Rückblenden erzählt der Autor in der historischen Reihenfolge die aus seiner Sicht wichtigsten Stationen. Gequält von Mückenstichen, Schlafentzug und Verzweiflung sitzt Roger Casement 1916 in einer Gefängniszelle im Londoner Pentonville Prison und wartet auf seine Hinrichtung. Der einstige Held ist zum Geächteten geworden.

Roger Casement

Nun erinnert sich Roger Casement an sein Leben als Diplomat und Abenteurer, der sich dem Kampf gegen die grausamen Kolonialherren im Kongo und Amazonas gewidmet hatte. Und dem Kampf gegen die Habgier, Brutalität und Unersättlichkeit, die die Eroberer gegenüber den Eingeborenen walten ließen.

Roger Casement denkt weiter zurück an seine Kindheit in Ulster, an die Zerrissenheit seiner Herkunft mit einem streng protestantischen Vater und einer tiefgläubigen katholischen Mutter. 1906 erhielt Casement erneut einen humanitären Auftrag, um die Greuel einer mit britischem Kapital in Brasilien tätigen Firma aufzudecken. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs sucht der ehemalige Diplomat die Unterstützung der deutschen Regierung für die irische Unabhängigkeitsbewegung. Er reist mitten im Krieg der Weltmächte heimlich nach Berlin; sein Begleiter und Geliebter Eivind Adler Christensen verrät ihn an den britischen Geheimdienst.

Zurück in Großbritannien, wird Casement verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und anhand seiner geheimen Tagebücher überfuhrt, seine Homosexualität wird aufgedeckt. »Der Traum des Kelten« besteht in der irischen Unabhängigkeit, die er nicht mehr erleben durfte. Am 3. August 1916 wurde Roger Casement in London hingerichtet. Erst 5 Jahre später, am 6. Dezember 1921, wurde Irland eine größere innenpolitische Eigenständigkeit garantiert .





Der Traum des Kelten







»Der Traum des Kelten«
von Mario Vargas Llosa«
,

Suhrkamp,
1. Auflage, 12. September 2011,
447 Seiten, 24,90 EUR
ISBN-13: 978-351-842270-0




Weblink:

Gut geölt, aber ohne Herzblut - www.sueddeutsche.de/kultur - Rezension

Freitag, 16. September 2011

»Open City« von Teju Cole ist ein Roman über Erinnern und Vergessen

Der Autor und Fotograf Teju Cole hat sein Debütroman über das Grundgefühl New Yorks geschrieben: »Open City« ist ein <font color="000090">Roman über Erinnern und Vergessen</font>, zehn Jahre nach dem 11. September 2001.

Teju Cole sucht in New York Momente der Gegenwart und Spuren der Vergangenheit. "Städte versuchen immer nach vorne zu blicken", sagt der Autor. "Sie vergessen die Vergangenheit. Jede Stadt in der Welt wäre ein Traum für Archäologen, wenn man sie nur graben ließe." In New York ist viel lebendige Geschichte begraben, glaubt der Autor.

In seinem Debütroman lässt Cole einen deutsch-nigerianischen Therapeuten durch ein von Migration geprägtes New York spazieren. Die Idee für "Open City" kam Cole durch den 11. Septenber, doch diese Chiffre dient ihm nur als Ausgangspunkt, um über das Erinnern und Vergessen nachzudenken. "Es ist viel einfacher, an die Verbrechen von jemand anderem zu erinnern", so Cole.

Der Roman hält ein Plädoyer für eine Erinnerungskultur. "An vielen Orten der USA finden Sie Museen, die dem Holocaust gewidmet sind, aber kein Museum, das an die Sklaverei erinnert. Das liegt einfach zu nah vor der eigenen Haustür."

Teju Cole wandelt auf den Spuren seiner Ahnen und stellt dabei eine Verbidnung her zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit New Yorks. Er sucht die erste Siedlung freier Sklaven in New York: Seneca Village liegt auf dem Gebiet des heutigen Central Parks. 1820 hatten hunderte ehemaliger Sklaven erstmals eigenen Grund und Boden erworben, kurz darauf musste ihr Dorf dem Park weichen. Erst 2011 haben hier Wissenschaftler gegraben. Zehn Jahre lang hatten sie vor Gericht um die Erlaubnis gekämpft. Heute wächst schon wieder Gras über diese Geschichte.

Eine Passantin muss Cole den Ort Ground Zero zeigen. "Wir denken über so etwas wie 9/11 als eine Art heiliger Ort nach", sagt der Autor, "etwas, das nie vergessen werden darf. Wenn man aber hierher kommt, hat man das Gefühl, wir sollen so schnell wie möglich vergessen. Was denken Sie, wie New York sich entscheidet, bestimmte Dinge zu vergessen?", fragt Cole die Dame. "Als hier gegraben wurde, habe ich mich gefragt, ob sie hier etwas finden werden und was darüber berichtet wird", sagt diese.

Ganz in der Nähe von Ground Zero befand sich im 18. Jahrhundert einer der ersten Friedhöfe für Afro-Amerikaner. Durch Zufall stießen Bauarbeiter hier 1991 auf Skelette, doch die Bauverwaltung wollte weiter bauen. Schließlich wurde nur ein Bruchteil des Friedhofs ausgegraben und eine Gedenkstätte errichtet. Der Rest sind Regierungsgebäude, erbaut auf Sklaven-Gräbern.

Nach seiner Suche nach Spuren der Vergangenheit, kommt er zu seinem Fazit: "Es ist ein merkwürdiger Ort der Erinnerung", sagt Teju Cole.

Dienstag, 13. September 2011

»Extrem Laut Und Unglaublich Nah« von Jonathan Safran Foer

Extrem laut und unglaublich nah
Extrem laut und unglaublich nah




Jonathan Safran Foer bekennt sich als erster New Yorker Autor direkt zum Schrecken des Terrors. Jonathan Safran Foer ist 1977 geboren, er ist 28 Jahre alt, als er den Roman »Extrem Laut Und Unglaublich Nah« 2005 geschrieben hat und »9/11« ist ein sehr großes Thema für einen Mann in seinem Alter. Da ist es gut, wenn man sich bei der Annäherung und Bearbeitung an Vorbilder halten kann: der Plot ist an Paul Auster angelehnt und die Figur des Oskar an Günter Grass.







Ins Zentrum seines Romans stellt er Bilder, die sich uns allen in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Bilder, die an Schrecken nicht zu überbieten sind und die wir unauslöschlich gespeichert haben. So kreist der Roman um eine zentrale Szene, deren Vorstellung seit dem 11. September 2001 zum kollektiven Repertoire des Schreckens gehört:





Der Vater ist in einem der oberen Stockwerke des World-Trade-Centers gefangen und ruft zu Hause an – um sich zu verabschieden. Dies ist eine Szene, die unsere Vorstellungskraft sprengt. Der Tod kommt, wenn er mitten im Leben kommt, entweder überraschend, oder aber langsam. Er kommt nicht mit einem verzögerten Schlag, der es uns erlaubt, noch einmal im Vollbesitz unserer Kräfte von allen Lieben Abschied zu nehmen und ein paar letzte Worte zu sagen. Diese Erfahrung hat uns 9/11 beschert.




Auffällig ist das Buch vor allem aufgrund seiner postmodernen Referenzsysteme: Bilder, Schrifttypen und leere Seiten fungieren als Teil des Textkorpus' und Paratext zugleich.




"Natürlich habe ich die Hauptfigur an Oskar Matzerath ausgerichtet, »Die Blechtrommel« ist eines meiner Lieblingsbücher. Doch bei Grass möchte die Figur nicht wachsen und verfällt dem Wahnsinn, mein Oscar hingegen möchte so schnell wie möglich erwachsen werden und findet am Ende seine geistige Gesundheit."



Der große Erfolg von »Extrem Laut Und Unglaublich Nah« in den USA verspricht wohl eine neue Welle der Literatur über 9-11, gerade weil es Foer tatsächlich vorzüglich gelingt, experimentelle Literatur mit Creative-Writing-Mainstream zu verbinden. img title="«Extrem Laut Und Unglaublich Nah« von Jonathan Safran Foer " src="http://www.die-zitate.de/images/nav/quadrat-rot.gif">









Extrem laut und unglaublich nah







»Extrem laut und unglaublich nah«

von Jonathan Safran Foer,

Kiepenheuer & Witsch,
1. Auflage, 19. August 2005,
432 Seiten, 22,90 EUR
ISBN-13: 978-346-203607-6




Sonntag, 11. September 2011

Literatur zum 11. September - Nine-Eleven-Literatur

Literatur zum 11. September - Nine-Eleven-Literatur




Der 11. September 2001 hat auch in der Literatur seinen  Niederschlag gefunden, obwohl für dieses Schrecknis des Terrors durchaus die <font color="000099">Diktion Adornos</font> gelten könnte, ob es einem Autor überhaupt möglich sei, über den 11. September zu schreiben. - Aber die Welt der Literatur macht auch vor dem Terror nicht halt und so gab es einige literarische Nachbeben zum Anschlag vom 11. September.

Nicht alle Autoren nähern sich dabei so spektakulär wie der 2003 erschienene Roman „Windows of the World“ des französischen Skandalautors Frédéric Beigbeder, der ein Flugzeug in ein Gebäude rasen lässt, während ein Vater mit seinen beiden Söhnen in der 106. Etage des Nordturms im Restaurant „Windows of the World“ sitzt. Sein Minutenprotokoll in 109 Kapiteln ist gleichzeitig zynisch und banal - eine ausgedachte Inszenierung des Schreckens.

Bücher, die sich dem Thema indirekt nähern, erfassen auch die anhaltenden Zerstörungen des 11. Septembers. Zum Beispiel Don DeLillos „Falling Man“; von 2007. Seine Hauptfigur entkommt zwar den brennenden Türmen, wird aber zum sozialen Wrack. Der Roman vermeidet aber schnelle Schlussfolgerungen - und projiziert den Schrecken in die Aktion eines Künstler, der das Bild eines in den Tod springenden Mannes (»Falling Man«) nachspielt.

Der New Yorker Schriftsteller Jonathan Safran Foer bekennt sich als erster Autor direkt zum Schrecken des Terrors. In seinem Roman Extrem laut und unglaublich nah“ von 2005 verbindet Jonathan Safran Foer die Ereignisse des 11. Septembers mit der Bombardierung Dresdens. Die Geschichte eines neunjährigen Jungen, der dem sinnlosen Tod des Vaters hinterherforscht, weitet sich bei ihm ins Historische.

Mittwoch, 7. September 2011

»Tagebücher 1982-2001« von Fritz J. Raddatz

Als der ehemalige "DIE ZEIT"-Feuilletonist Fritz J. Raddatz, der 1985 seinen Posten wegen eines falschen Goethe-Zitates räumen musste, hat er seine Tagebücher veröffentlicht, die fast ausschließlich von dieser Kränkung und dem Versuch, diese Wunde zu lecken, handeln.

Die Tagebücher 1982-2001 dokumentieren in einer Rückschau den Kulturbetrieb der alten Bundesrepublik als eine Welt, die an eine Vorhölle erinnert. Es ist das eindrucksvoll erschütternde Dokument eines erstarrten Kulturbetriebes.

Tagebücher 1982-2001

Ein Buch wie dieses hat es noch nicht gegeben. In diesem Bildungsroman verarbeitet er seine Erfahrungen im deutschen Literaturbetrieb. Von Rudolf Augstein bis Marion Dönhoff, von Günter Grass bis Hans Magnus Enzensberger zeigt es die deutschen Intellektuellen, ja überhaupt die ganze bundesrepublikanische Gesellschaft, wie sie so hellsichtig nie beschrieben worden ist: wahrgenommen mit dem Sensorium eines Hochempfindsamen, subjektiv und treffend, anteilnehmend, scharfzüngig. Das Buch, das von der Kritik immer erhofft, von den Schriftstellern aber nie geschrieben worden ist - der große Gesellschaftsroman der Bundesrepublik, das Balzac'sche Porträt unserer Zeit -, hier ist es. Und vermutlich war niemand so geeignet, es zu schreiben, wie Fritz J. Raddatz.

Die Tagebücher 1982-2001 sind ein dunkler Roman aus dem Herzen der alten BRD, voll von Schmähungen, Lob und Freundschaft. Ein böses Sittengemälde und Medienpanorama aus jenen Jahren, als Geist und Macht noch alliiert waren und ein Streit zwischen Federn zur Staatsaffäre werden konnte. Ein Hamburger Sittengemälde in dieser gellenden Epoche. Und das Leidensbuch eines Mannes, der immer wieder Angst hat, an Deutschland krank oder verrückt zu werden.
»Nur wer unter Schriftstellern gelebt hat, weiß was Hass ist.«
Emile Zola
Raddatz erzählt von den Dramen der verbandelten, verfeindeten, ineinander verbissenen Hamburger Medien-Granden. Diese Dramen machen einen wesentlichen Teil der Tagebücher aus. Eine hermetisch, fast höfisch geprägte Welt tritt einem da entgegen, geprägt von Eifersucht, Egoismus, Intrigen. Da werden Briefe gewechselt, da werden die Messer in den Salons gewetzt, da redet man schlecht übereinander und stößt schließlich doch mit Champagner an.

Wie ein roter Faden zieht sich Raddatzs Verhältnis zur Wochenzeitschrift "Die ZEIT" durch das ganze Buch. Der einstige Feuilletonchef der "Zeit" musste 1985 seinen Posten wegen eines falschen Goethe-Zitates räumen. Der Großmeister und Neuerfinder des Feuilletons sinniert über die Gründe seines Falls. In der Kulturszene galt Raddatz wegen seines aufwendigen Lebensstils und seiesn Hangs zur Eitelkeit schon länger als Störenfried. Er war ein Störenfried im deutschen Kulturschrebergarten.

Am 12. Oktober 1985 bricht der "Skandal" los, über den Raddatz schließlich seinen Posten als Feuilletonchef der "Zeit" verliert: Er hatte Goethe in die Epoche der Eisenbahn versetzt. Ein kleiner - eigentlich banaler - Fehler mit großer Wirkung für Raddatz berufliche Karriere. Das war die Gelegenheit, den Störenfried mit seinem "Pörschlein", wie er sein Auto nannte, loszuwerden. "Gespenstisch, meine Vorahnungen", notiert er und sieht sich bestätigt, dass Nachkriegsdeutschland regiert wird vom "alltäglichen Faschismus".

"Seine Eitelkeit hat uns Qualitäten beschert, aber ihn auch dazu verlockt, bis an den Rand zu gehen und darüber hinaus", sagt Theo Sommer von der "Zeit", wo Raddatz 1977 als Feuilletonchef begann - und einen leidenschaftlichen, streitbaren, aufklärerischen, emphatischen, subjektiv geprägten Kulturteil prägte, neben dem die Streber- und Stipendiatenfeuilletons von heute noch papierener wirken.


Tagebücher 1982-2001



Fritz J. Raddatz: Tagebücher 1982-2001«

Rowohlt Verlag, September 2010.
944 Seiten, 34,95 EUR
ISBN-13: 978-389-805781-7

Mark Twain in politisch korrekter Auflage

Mark Twain

Gut 100 Jahre nach dem Tode Mark Twains erscheinen nun seine beiden bekanntesten Bücher in den USA jetzt in einer überarbeiteten und "politisch korrekten" Version.

Die neue Auflage der Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn werde um zwei "schädliche Beiworte" bereinigt sein, teilte der Verlag NewSouth Books mit. Welche Worte das seien, ging aus der Erklärung nicht hervor.

Es ist aber bekannt, dass die Worte "Nigger" und "Injun", die als Schimpfwörter für Schwarze und für Indianer gelten, nicht mehr in den Büchern vorkommen. Statt des Wortes "Nigger" soll jetzt das Wort "Sklave" im Text stehen, statt der "Injun" das Wort "Indianer".

Stellt sich Frage, warum der Verlag erst jetzt auf die Idee gekommen ist, die Bücher zu überarbeiten, um sie von ihren "Schimpfwörtern" zu befreien.
"Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann."

Weblnks:

Mark Twain-Biografie

Mark Twain-Zitate

Mark Twain - Lesen und hören. - www.twain-lesen.de

Mark Twain - Alle Artikel, Hintergründe und Fakten