Samstag, 24. Juli 2021

"Big Brother is watching you"


Nineteen Eighty-four

Winston Smith, die Hauptfigur des Romans, ist ein 39 Jahre alter, ausgemergelter, gebrechlicher, grüblerischer und resignierter Mann, der an den von der Partei ausgegebenen Parolen und ihrem Führer, dem Großen Bruder, zweifelt. Die Metapher vom "Big Brother" ist die große Allegorie in dem dystopischen Roman.

Um den tatsächlichen Verlauf der Dinge festhalten zu können (gegenüber der pausenlosen Geschichtsfälschung der Partei, die er aus seiner Arbeit im „Ministerium für Wahrheit“ kennt), beginnt er, Tagebuch zu schreiben. Er wünscht sich den Umsturz der Regierung und den Niedergang des Großen Bruders und sucht daher nach Gleichgesinnten, die er in Julia und O’Brien zu finden glaubt.

Big Brother

Winston ist in seinem Widerstand bemüht zu verstehen, wie die Partei eine solch totale Macht ausüben kann. Seine Überlegungen kreisen häufig um die Möglichkeit, Sprache zur Gedankenkontrolle zu benutzen („Neusprech“).

Protagonist der Handlung ist Winston Smith, ein einfaches Mitglied der diktatorisch herrschenden, sozialistischen Staatspartei, der sich der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz seine Privatsphäre sichern will sowie etwas über die reale nicht redigierte Vergangenheit erfahren möchte und dadurch in Konflikt mit dem System gerät, das ihn einer Gehirnwäsche unterzieht.

1984
1984

"1984", erschienen im Juni 1949, ist ein dystopischer Roman von George Orwell, in dem ein totalitärer Überwachungsstaat in einer ferner Zukunft im Jahre 1984 dargestellt wird. In Ozeanien regiert die Einheitspartei diktatorisch unter Anwendung von Methoden des Überwachungsstaates.

Der Klassiker über einen allmächtigen Überwachungsstaat ist und bleibt beklemmend aktuell: Mit seiner düsteren Dystopie "1984" schuf George Orwell eines der einflußreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. "1984" hat im Laufe der Geschichte zu ganz unterschiedlichen Zeiten aufgrund der Themen staatliche Wahrheit, Lüge, Sprache, Surveillance und Bewußtseinsveränderung immer wieder starke Beachtung gefunden.

Literatur:

1984
1984
von George Orwell


Weblinks:

George Orwell-Biografie - www.die-biografien.de

George Orwell-Zitate - www.die-zitate.de


Blog-Artikel:

»1984« von George Orwell

Mittwoch, 21. Juli 2021

»Der Sturm« von William Shakespeare


»Der Sturm« (»The Tempest«) von William Shakespeareist eine Romanze über Grenzen und Triumphe der Menschlichkeit, über Herrschaftsphantasien und Machtansprüche, über zwischenmenschliche Beziehungen, über Wunder und Magie. Schauplatz ist eine einsame, von Geistern bewohnte Insel, auf der Menschen nur Besucher sind.

König Alonso von Neapel erleidet mit seinem Gefolge Schiffbruch. Begleitet wird der König auch von Antonio, Herzog von Mailand. Vor zwölf Jahren hatte dieser seinen Bruder Prospero und dessen 3-jährige Tochter Miranda in einem Boot ausgesetzt. Auf einer Insel haben sie überlebt.

„Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind und unser Leben ist nur ein Moment.“


4. Akt, 1. Szene / Prospero

Durch Zauberkraft hat Prospero die Herrschaft über die Insel übernommen. Mit Hilfe seiner Magie hat er auch den Sturm herbeigeführt, die Schiffbrüchigen landen auf seiner Insel. Während um den Thron ein harter Kampf ausbricht, wächst zwischen Ferdinand, Sohn des Königs, und Miranda eine innige Liebe.

Auf geheimnisvolle Weise lässt Prospero einstige Widersacher auf seiner Insel stranden, um Rache zu nehmen und Reue zu erzwingen. Eine Romanze über den Wandel der Gefühle und die Schwierigkeit des Vergebens.


Durch eine politische Intrige verschlägt es Prospero, den rechtmäßigen Herzog von Mailand, auf eine Insel. Hier herrscht er über Geister, Wind, Wasser und Luft, während er seine Tochter Miranda in Unwissenheit über die Welt und ihre Menschen aufwachsen lässt, bis er die Zeit für gekommen hält, sie aufzuklären.

Mit Hilfe des Luftgeistes Ariel entfacht Prospero einen gewaltigen Sturm, der einen Schiffbruch auslöst und seine ehemaligen politischen Widersacher an den Strand der Insel spült. Hier lässt Prospero die Schiffbrüchigen ein fantastisches Gefühlschaos durchleben: aus Hass lässt er Liebe, aus Dummheit Gewalt, aus Neugier Starrsinn und aus Treue Aufbegehren werden. Ariel braucht seine ganze Kraft, um den Zauber durchzuführen und Prosperos Inszenierung planmäßig ablaufen zu lassen. Währenddessen begegnet seine Tochter Miranda dem gestrandeten Königssohn Ferdinand und entdeckt das Wesen Mann und damit den Schmerz und die Liebe.

Shakespeares Romanze handelt von der Schwierigkeit zu vergeben und ist ein Stück über das Theater, das Spiel mit der Illusion und den Zauber der Kulisse. Mit einer einfachen Bühne als Insel, auf der Prospero durch Ariel eine Versuchsanordnung inszeniert, um seine Opfer zur Reue zu zwingen, begegnet das königliche Gefolge seinen eigenen Abgründen.

Die Figuren, in zeitlos modernen Kostümen, sind nicht zu verorten, sondern könnten sich mit ihren Utopien, Rivalitäten und Eitelkeiten an jedem Ort der Welt begegnen. Hier werden sie einander schonungslos gegenübergestellt, wodurch auch absurder Slapstick und musikalisch untermalte Komik entstehen.


William Shakespeares »Der Sturm« zählt zu den bekanntesten romantischen Komödien der Weltliteratur. Es ist Shakespeares letzter und wahrscheinlich auch originellster Dramentext. In der Geschichte um den mächtigen Zauberer Prospero findet sich alles, was Shakespeare auch heute noch aktuell und lesenswert macht: Sein Werk ist Familiendrama, Liebeskomödie und Märchengeschichte in einem und kreist dabei um die moralische Frage nach der Begründung von Herrschaft und deren zweifelhafter Legitimität.


Literatur:

Der Sturm
Der Sturm, oder Die bezauberte Insel


 Der Sturm. Shakespeare von William Shakespeare und August Wilhelm Schlegel

Samstag, 17. Juli 2021

»Saint Tropez« von Wolf Wondratschek


Saint Tropez: und andere Erzählungen


»Saint Tropez« ist ein autobiografischer Roman von Wolf Wondratschek - ein traurig leuchtend schöner Erzählungsband.

Wolf Wondratschek schreibt Lebensgeschichten - Meisterliche Erzählungen über das Schicksal von Menschen, die durch unerhörte Begebenheiten aus der Bahn gekippt werden. Mit großer stilistischer Brillanz erzählt Wondratschek von der Macht und der Magie des Zufalls im Leben eines jeden Menschen.

"Es ist seltsam, wie viel erfinden müssen, um das Leben zu verstehen, denn was wäre die Realität ohne die Einsicht ihrer Erfindung, was für einen Wert hätte die Wahrheit ohne den Komfort des Humors und welche Wahrheit die Liebe ohne das Schicksal jener, die leiden?"

Wolf Wondratschek

Die Geschichte „Saint Tropez“ ist insofern autobiographisch, weil der Autor tatsächlich die Wintermonate in der Wohnung seines Freundes in Saint Tropez verbringt. Es beginnt mit einem Spiel, drei Worte auf einen Zettel schreiben, Keimzelle eines späteren Satzes oder einer ganzen Geschichte. Und dann galoppiert der Text haltlos wild, kreuz und quer dahin. Am Ende der Erzählung begegnet der Autor einem Jungen. Dieses Kind geht auf einen Fischer los der einen Oktopus auf einem Stein weich schlägt. Das kleine neunjährige Kind, hoch sensibilisiert, glaubt das der Fischer das Tier quält. Das Bild zeigt eigentlich, wie reagiert man auf dieser Welt, wenn man nicht genug Informationen hat, wenn man nur mit der Seele auf der Welt ist.


Weblink:


Saint Tropez: und andere Erzählungen
von Wolf Wondratschek

Martin Walker und sein Perigord

Martin Walker

Martin Walker - 1947 in Schottland geboren - ist ein schottischer Historiker, politischer Journalist und Schriftsteller. Er wohnt mit seiner Familie in Le Bugue in Süd-Frankreich in seiner Wahlheimat, dem weinseligen Périgord.

Der schottischer Schriftsteller Martin Walker hat seiner Wahlheimat, dem französischen Périgord, ein literarisches Denkmal gesetzt. Nun führt er an die Schauplätze seiner Romane.

Der in Schottland geborene Schriftsteller wurde erst in Frankreich zum Kriminalautor. 1999 ließ er sich mit seiner Familie in einem kleinen Ort im Périgord nieder. Dort spielen seine erfolgreichen Kriminalfälle rund um den Dorfpolizisten Bruno.


Es geht es um den sympathischen Polizisten Bruno und das Perigord, um Landschaft und Essen, Freundschaften und so nebenbei um eine Krimihandlung. Diese sind etwas zu sehr konstruiert, aber nicht unspannend und meist mit viel Historie angereichert,

Bei Martin Walker ist die Rezeptur in seinen Romanen fein verteilt. Im Roman fließt wenig Blut, es geschehen wenige Morde, dafür ein charaktervoller Kommissar und dazwischen gibt es schöne Kochrezepte aus der französischen Küche.

Martin Walkers Romane spielen im geschichtsträchtigen Périgord mit seinen herrlich trutzigen Burgen. Die Romane sind Annäherungen an das Perigord. Sie behandeln die reiche Geschichte und die kulinarischen Spezialitäten des Périgord. Die Bücher rund um den Chef de Police Bruno liefern wie immer gute Inspirationen für einfache, schmackhafte Gerichte.

Inspiriert von den Bewohnern und der langen historischen Vergangenheit der Region schrieb Walker 2008 seinen ersten Kriminalroman: "Bruno - Chef de Police".

Mittlerweile sind zehn weitere Kriminalromane von Martin Walker dazugekommen. Wer gerne Kriminalromane liest, ein Gefühl für Südfrankreich und seine Lebensart entwickelt hat, dazu gerne kocht und nach guten Inspirationen für einfachen, schmackhaften Gerichten sucht, der ist mit den Krimis von Maritn Walker sehr gut bedient. - Bon appetit!


Literatur:

Reiner Wein: Der sechste Fall für Bruno, Chef de police
Reiner Wein: Der sechste Fall für Bruno, Chef de police
von Martin Walker

Weblink:

Martin Walker über das Herz Frankreichs - Youtube

»Die Inseln« von Jean Grenier


Die Inseln

»Die Inseln« von Jean Grenier sind eine Anthologie von philosophischen Essays, in denen Grenier der grotesken, tragischen Lebenswelt mit humorvoller Finesse begegnet. Mit einem satirischen Erzählduktus wandert Grenier von einer Lebensinsel zu anderen, vom Lebensanfang bis zum Lebensende.

Seine skeptisch-pessimistische Grundeinstellung sucht im Tierwesen des Katers Mouloud und des Hundes Taiaut eine Naturverbundenheit, die eine symbolische Bedeutung für den Menschen bekommt. Mit der symbolischen Einheit der Mensch-zu-Tierperspektive meditiert Jean Grenier eine Einheit mit dem Tier, welche die Einsamkeit in der gemeinsamen Lebenswelt besser ertragen lässt.

In den Essays wird spürbar, wie der Mensch in einer abweisenden, paradoxen, absurd erscheinenden Lebenswelt aus Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit Selbstvertrautheit und Antworten auf existentielle Fragen gewinnen kann.


Weblink:


Die Inseln
von Jean Grenier

»Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« von Marcel Proust


Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Marcel Prousts Hauptwerk »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« (»À la recherche du temps perdu«) in sieben Bänden, dieser monumentale und epochale Roman gilt als eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts. Es ist eine monumentale Darstellung der Pariser Aristokratie und des Großbürgertums in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

Von 1905 bis zu seinem Tod im Jahr 1922 verfasste Marcel Proust in den abgedunkelten, stickigen Zimmern seiner Pariser Wohnung mit »À la recherche du temps perdu« (»Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«) eines der größten Werke der Literatur. »Das Leben ist zu kurz und Proust zu lang«, schrieb Anatole France 1913 bei der Veröffentlichung des ersten Bandes von »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« zu einem Zeitpunkt also, als die restlichen sechs Bände noch gar nicht erschienen waren. Niemand, nicht einmal der Autor selbst, ahnte damals, was die quälend lange Suche nach dem Sinn und Wesen der Kunst letzten Endes hervorbringen würde. Nämlich ein literarisches Universum, das nahezu alle philosophischen und psychologischen Fragen seiner Zeit behandelte oder vorwegnahm.

Marcel Proust gilt als Schriftsteller der Moderne, also hat er die Literatur modernisiert und irgendwo in der Litarurlandschaft Neuland betreten. Proust unternahm den damals literarisch neuartigen Versuch, die gesamte menschliche Gesellschaft seiner Zeit in einer gewaltigen Romanfolge, aus dem Blickwinkel der Erinnerungen seines Lebens, darzustellen.

Proust zog sich schon früh in die Welt seiner Erinnerungen zurück. Für den Schriftsteller liegt die Kunst des Schreibens darin, sich seinen Erinnerungen hinzugeben. Diese Erinnerungen tauchen unangekündigt auf und sind flüchtiger Natur.

Proust schrieb einen Roman mit einer zentralen Idee und unterwarf ihr alle Elemente des traditionellen Romans - er revolutionierte ihn damit. Er beschreibt das gesellschaftliche Leben, nicht wie es war, sondern wie es erinnert wird.


Das monumentale Romanwerk ist als fiktive Autobiographie aus der Perspektive des Ich-Erzählers und seinen Erinnerungen geschrieben . Der Erzähler besticht »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« vor allem durch seine präzisen und einfühlsamen Beschreibungen.

In dem Romanwerk geht es um die Subjektivität der Wirklichkeitserfahrung, die Macht des Unbewussten, um Liebe, Eifersucht, Krankheit, Krieg, Homosexualität, Päderastie, Vergänglichkeit und Tod' oder auch nur um die kreative Potenz eines Sandtörtchens. Kaum ein anderer Autor hat mit solcher Besessenheit und Detailtreue sämtliche Winkel der menschlichen Existenz ausgeleuchtet. Das führt zu Längen, bei denen einem schon mal die Luft ausgehen kann. Doch ein Versuch, in Prousts Universum einzutauchen, lohnt sich ' und ist garantiert keine verlorene Zeit.

Während sich die historisch zuerst entstandenen Anfangs- und Schlussteile des Romans hauptsächlich mit dem Thema der Erinnerung befassen, tritt dieses Thema im Mittelteil, etwa ab »Sodom und Gomorrha«, in den Hintergrund zugunsten einer präzisen, immer wieder ironischen Beschreibung der mondän-dekadenten Gesellschaft der Jahrhundertwende.

Der Rückzug aus dem sozialen Leben im Jahr 1905, nach dem Tod der Mutter, in die Einsamkeit im schallisolierten Zimmer am Boulevard Haussmann machten (seit 1908) die Arbeit an dem Roman zum einzigen Inhalt dieser Existenz.

Im März 1922 beendete der Romancier das epochale Werk - nachdem er seine Zeit gefunden hatte - und betrachtete dies als Erfüllung seines Lebens. Damit war auch sein literarisches Leben ausgehaucht. Marcel Proust starb im November 1922 in Paris.

Donnerstag, 15. Juli 2021

»Abend« von Reiner Maria Rilke



Der Abend wechselt langsam die Gewänder ,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält ;
du schaust und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins , das fällt ;
und lassen dich , zu keinem gnaz gehörend ,
nicht ganz dunkel wie das Haus , das schweigt ,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das , was Stern wird jede Nacht und steigt -
und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend ,
so dass es , bald begrenzt und bald begreifend ,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Rainer Maria Rilke, »Abend«



Dieser Artikel ist nur noch zehn Tage verfügbar!

Samstag, 10. Juli 2021

»Freelander« von Miljenko Jergovic

Freelander
Freelander

Der Kroate Miljenko Jergovic, der zu den größten osteuropäischen Autoren zählt, ist ein wirklich großer Erzähler, der sich durch seine grandiose, erzählerische Phantasie auszeichnet, wobei es ihm seine Menschenkenntnis erlaubt auch immer wieder die Finger in die Wunden zu legen, die die jüngere Geschichte des Balkans gerissen hat. Die Botschaft in »Freelander« ist wieder unmissverständlich zwischen den Zeilen platziert. Krieg ist totaler Irrsinn, den Sieg erringt derjenige der den Krieg vermeidet, denn durch den Krieg wird dem Menschen alles genommen.

Wie schon sein Roman
»Buick Rivera«, so nimmt auch Freelander, sehr schnell rasante Fahrt auf. Der Protagonist Professor Karlo Adum, pensionierter Gymnasiallehrer für Geschichte. 1975 hatte er sich in einem Anflug von jugendlichem Leichtsinn den auf dem Cover abgebildeten Volvo gekauft, ein Auto das sich damals eigentlich niemand leisten konnte. Das Auto ist gleichzeitig ein Symbol dafür, dass sein Leben nach vielen Höhen und Tiefen aufgehört hat. Die Fronten sind komplex - das Auto ist westlich, die Geisteshaltung des Lehrers schwer definierbar.

Er bekommt eines Tages ein Telegramm aus seiner Geburtsstadt Sarajewo. Sein Onkel, von dem er glaubte er sei schon längst tot, ist im Alter von 102 Jahren gestorben. Er wird nun gebeten, als einer von drei Erben, das Erbe anzutreten. Unter schrecklichen Umständen musste er als Kind Sarajewo verlassen und ist in Zagreb gelandet. Widerwillig, mit großen inneren Ängsten entschließt er sich letztendlich sich auf den Weg nach Sarajewo zu machen. Weil er glaubt nun durch Feindesland zu kommen bewaffnet er sich mit einer Pistole. Vielleicht war diese Entscheidung richtig.


»Freelander« von Miljenko Jergović ist eine Schilderung einer Reise in die Vergangenheit - eine Reise nach Sarajewo in einem alten, geliebten und auch gehassten Volvo. Eine Reise in die blutige Vergangenheit der Region, die Balkan genannt wird. Und eine Reise in die eigene Vergangenheit. Karlo Adum macht sich auf diese Reise und hängt dabei seinen Gedanken und Erinnerungen nach. Dieses assoziative Erzählen zieht einen von Anfang an in den Bann, denn es ist wild, böse, archaisch, mal liebevoll, mal pathetisch. Ich werde mir die anderen Werke von Jergovic besorgen, unbedingt.

Karlo Adum, pensionierter Geschichtslehrer aus Zagreb, wird zu einer Testamentseröffnung nach Sarajevo zitiert. Widerwillig setzt er sich in seinen alten Volvo und macht sich auf die Reise. Während der abenteuerlichen Fahrt steigen bittersüße Erinnerungen in ihm hoch – an seine grausame »Mama Cica«, den verrückt gewordenen Vater und seine eigenen Verfehlungen in einer Welt voller nationaler Animositäten.

Ein einsamer pensionierter Geschichtslehrer fährt von Zagreb zu einer Testamentseröffnung in Sarajewo. In der bosnischen Hauptstadt wurde er einst geboren und hier verlebte er - wie wir durch die vielen Erinnerungsrückblenden während der Autofahrt erfahren - seine Kindheit. Mit einem Vater, der nach einer Verstümmelung durch den Bruder geistig verwirrt ist, und mit einer Mutter, die sich opportunistisch zunächst mit Nazis und der Ustasha umgibt und sich nach dem Krieg problemlos mit den neuen Machthabern arrangiert. 

Der Protagonist ist arm dran, gesundheitlich angeschlagen und irgendwie durchaus sympathisch. Vor allem durch den Einblick in die Gedanken und Erinnerungen des alten Lehrers bekommt der Leser jedoch nach und nach einen durchaus ambivalenten Eindruck von der Hauptfigur. Wenn der Reisende im Volvo über seine Vorbehalte gegenüber Türken und Bosnier nachdenkt, wird er zwar nicht zum Schurken, zeigt aber schon ein beachtliches Scheuklappendenken und charakterliche Macken.

Ganz hervorragend gelingt es dem Autor, den Leser durch die Erinnerungen und Gedanken des Lehrers auf eine sehr zurückhaltende Weise mit der geistig-kulturellen Gemengelage der Gegend vertraut zu machen. Auch wenn es bei der Wahl eines Geschichtslehrers als Hauptfigur nahegelegen hätte, geschieht dies nicht durch ausgedehnte historische Exkurse. 


Die Verweise auf Kriege, auf vermeintlich und tatsächlich offene Rechnungen zwischen den Völkern der Region, werden nur eher knapp angedeutet. Aber es reicht, um zu ahnen, wie weit die historische Erinnerung in Jugoslawien zurückreicht und welche Ängste und wütenden Projektionen den Krieg in den 90er Jahren befeuert haben.

Literatur:

Freelander
Freelander
von Miljenko Jergović

»Eine Straße in Moskau« von Michail Ossorgin


»Eine Straße in Moskau« von Michail Ossorgin ist eine Entdeckung: ein Roman aus dem Jahr 1928, erschienen in der Pariser Emigration und nun neu aus dem Russischen übersetzt. »In einer fremden Stadt entlieh ich den Titel meines ersten großen Romans bei einer der bemerkenswertesten Straßen meiner Heimatstadt« – schrieb Michail Ossorgin, der bereits 1922 auf Lenins Befehl hin die Sowjetunion verlassen musste und es mit diesem Roman zu internationaler Berühmtheit brachte. Die Straße in Moskau heißt »Siwzew Wrazhek«.

Es ist eine kleine Straße im Zentrum von Moskau, doch seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit großer literarischer Tradition: Der junge Tolstoj lebte hier, genauso wie Marina Zwetajewa und Pasternaks »Doktor Schiwago« spielte hier zum Teil. Im Frühjahr 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, beginnt »Eine Straße in Moskau« und endet im Frühlingserwachen des Jahres 1920: Weltkrieg, Revolution und der Kampf zwischen den »Roten« und »Weißen« ist auch durch diese Moskauer Straße gegangen, hat ihre Bewohner zu anderen Menschen gemacht.


Wie durch ein Brennglas werden die epochalen Ereignisse im Mikrokosmos eines Professorenhaushalts um den Ornithologen Iwan Alexandrowitsch und seine Enkelin »Tanjuscha« verwundert betrachtet und zu einem Mosaik aus 86 Bildern und Szenen meisterhaft montiert: ein Film in Prosa, ein dramatisches Personal, unvergessliche Szenen, realistisch direkt oder symbolisch-parabelhaft überhöht. »Eine Straße in Moskau« ist ein Zeitroman und die literarische Chronik eines wiederentdeckten großen russischen Stilisten.

1878 als Spross einer Adelsfamilie in Perm/Ural geboren, wurde Michail Ossorgin (eigentlich Iljin) in der Zeit der revolutionären Unruhen des Jahres 1905 als Sozialrevolutionär verhaftet; er floh ins Ausland und kehrte erst mehr als ein Jahrzehnt später nach Russland zurück. Als Kritiker der Bolschewiki wurde Ossorgin zunächst verbannt, dann 1922 mit einer großen Gruppe Intellektueller auf dem berühmten »Philosophenschiff« außer Landes gebracht. Nach einer Zeit in Berlin ließ er sich in Paris nieder und starb als staatenloser Flüchtling 1942 im zentralfranzösischen Chabris.


Literatur:

Eine Straße in Moskau
Eine Straße in Moskau
von Michail Ossorgin

Marcel Proust 150. Geburtstag



Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil, einem Vorort von Paris, geboren. Marcel Proust war ein berühmter französischer Schriftsteller und Romancier zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Der aus einer vermögenden Familie stammende Autor begann sich erst im Alter von über 30 Jahren, nach einem Leben als Snob und Dandy samt verpatztem Jura-Studium, ganz der Literatur zu widmen. Dazu trug entscheidend sein an Dramatik zunehmendes Asthmaleiden nach dem Tod der Eltern bei.

Proust unternahm den Versuch, die gesamte menschliche Gesellschaft seiner Zeit in einer gewaltigen Romanfolge darzustellen. Sein Romanzyklus »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« gilt als ein Klassiker der modernen französischen Literatur und eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts.


Als 1913 der erste Teil im Eigenverlag erschien, war die Aufmerksamkeit noch gering. Doch erlebte Proust dann noch, dass er weltberühmt wurde. Sogar der »Prix Goncourt«, immerhin bis heute die wichtigste französische Auszeichnung für Literaten, wurde ihm verliehen. Er und der Ire James Joyce (»Ulysses«) gelten als die bedeutendsten Neuschöpfer in der Epik des 20. Jahrhunderts.

Im Juni 1896 erschien Prousts erstes Buch »Les plaisirs et les jours« im Eigenverlag. Aufmachung und Preis des exquisiten Buches waren mehr als luxuriös.

Unterwegs zu Swann Am 13. November 1913 erschien »Du côté de chez Swann« als erster Band des Romanwerks »A la recherche du temps perdu« auf Prousts eigene Kosten.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erscheinen dort der zweite Band der Recherche im November 1918 »À l’ombre des jeunes filles en fleurs« und 1919 eine Neuauflage von »Du côte de chez Swann«.

Von 1920 bis 1922 erscheinen vier weitere Teilbände des Romanzyklus der Recherche. Bis zu seinem Tod wurde nur etwa die Hälfte von »A la recherche du temps perdu« veröffentlicht.

Proust besaß eine herausragende Stellung in der modernen Literatur. Das postmoderne Monumentalwerk ist vor allem in philosophischer Hinsicht interessant.

Der Romancier Marcel Proust starb am 18. November im Alter von 51 Jahren 1922 in Paris. Am 22. November wurde Proust als »Ritter der Ehrenlegion« mit militärischen Ehren auf dem Friedhof Père-Lachaise neben seinen Eltern beigesetzt.


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Weblinks:

Marcel Proust-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Marcel Proust-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Prousts Weg zur Einkehr - orf.at

Proust verfallen - orf.at

Marcel Proust Gesellschaft - www.marcel-proust-gesellschaft.de


Literatur:


Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
von Marcel Proust


Unterwegs zu Swann Unterwegs zu Swann von Marcel Proust


Die wiedergefundene Zeit
Die wiedergefundene Zeit
von Marcel Proust

Donnerstag, 8. Juli 2021

»Eigensinn« von Hermann Hesse




"Einzig der Eigensinn ist es, der nach von Menschen gegebenen Gesetzen nicht fragt.

Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen,

dem Gesetz in sich selbst, dem ,Sinn' des ,Eigenen'."

»Eigensinn« von Hermann Hesse, (1917)


Hermmann Hesse ist entschiedener und engagierter Anwalt des Individuums und des Innenlebens in einer immer schnellebiger werdenden Gesellschaft, die ihre Mitglieder mit starken Konformitätszwängen in normierte Lebensläufe pressen will.

Freitag, 2. Juli 2021

Ernest Hemingway 60. Todestag

Ernest Hemingway

Ernest Hemingway starb vor 60 Jahren am 2. Juli 1961 in Ketchum in Idaho. Ernest Hemingway war ein berühmter amerikanischer Schriftsteller und Erzähler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Hemingway gilt neben Francis Scott Fitzgerald, Gertrude Stein, John Dos Passos und William Faulkner als einer der Hauptvertreter der amerikanischen Moderne und wird mit diesen zur sog. »Verlorenen Generation« (»Lost Generation«) gezählt, die sich in den zwanziger Jahren von Amerika abwandte, um in Europa das Leben der Bohème auszukosten.

Er war außerdem Reporter und Kriegsberichterstatter, Erzähler, zugleich ein Abenteurer, Jäger, Hochseefischer, Großwildjäger und vieles mehr. Sein Vater war Landarzt, seine Mutter Opernsängerin; er lernte früh jagen und angeln und liebte das Leben in der Natur.

Schon von Jugend an unternahm er gefahrvolle Abenteuerreisen. Hemingway wurde immer wieder von seiner Abenteuerlust gepackt. 1918 ging er als Freiwilliger des Roten Kreuzes an die italienische Front und danach in den Nahen Osten.

Hemingway blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg als Reporter tätig. So berichtete er zum Beispiel als Reporter im Griechisch-Türkischen Krieg 1922 und im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939). Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Kriegsberichterstatter teil.

Der Roman »In einem anderen Land«, in dem die Erlebnisse eines amerikanischen Freiwilligen im Sanitätskorps der italienischen Armee verwoben werden mit seiner (tragisch endenden) Liebesbeziehung zu einer britischen Krankenschwester gilt als "Klassiker" des desillusionierten Kriegsromans. Krieg als Heldentum ist für ihn schlicht Illusion, die angesichts des unwürdigen technologisierten Massensterbens im Ersten Weltkrieg nicht aufrecht zu erhalten ist.

1925 schrieb er die ersten der Short Stories, die seinen Ruhm begründeten, später zusammengefasst in der Sammlung »The first Forty-Nine« (dt. »49 Stories«, 1950). Im knappen Format der Kurzgeschichte entwickelte er eine unverwechselbare Schreibweise, zu der eine minimale Handlung mit existentiellem Tiefgang gehört, eine distanzierte, oft neutrale Erzählperspektive und die extrem verknappte Sprache (deren Aussparungen und Leerstellen allerdings Raum für Emotionen lässt).

In Spanien entdeckte Hemingway seine Liebe zum Stierkampf, der sog. Fiesta, der er oft beiwohnte. Der Höhepunkt des Festes Sanfermines in Pamplona, von Hemingway wunderbar in »Fiesta« besungen, ist der Stierlauf, der eine Woche lang morgens um acht durch die Altstadtgassen führt.

Fiesta

Ein junger amerikanischer Soldat wird während eines Kriegseinsatzes verwundet. Er muss nicht nur die Kriegsgräuel verarbeiten und die Rekonvaleszenz überstehen, sondern auch hinnehmen, dass er durch die Verwundung zeugungsunfähig geworden ist. Immer mehr verliert der Mann den Glauben an einen Lebenssinn.

1925/1926 verbrachte Hemingway zwei Winter im österreichischen Montafon-Tal, wo er seinen Roman »Fiesta« schrieb. Mit diesem Roman gelang ihm 1927 der Durchbruch, was unter anderem seinem damals modischen, schnörkellos-knappen, simplifizierten Stil zuzuschreiben war.

Spanischer Bügerkrieg
Ein wichtiges Erlebnis in seinem Leben war die Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939. Dort wurde er mehrfach verwundet.

In seinen Romanen dominieren Liebe, Krieg und Tod in immer neuen Verwicklungen. In seinen Romanen und Kurzgeschichten schildert er das Leben als Selbstbewährung in Abenteuer und Gefahr. Seine nüchterne und sparsame Art zu schreiben wurde vorbildlich für den modernen Roman und die Kurzgeschichte.

Seine literarischen Helden sind typische Beispiele der »«Lost Generation« (Gertrude Stein). Sie versuchen, ihr Leben zu meistern, und ertragen ihr Schicksal mit Fassung, was durch Hemingways knappem Schreibstil besonders betont wird.

Seine Romane sind der vitale Ausdruck seiner Abenteuerlust und Weltgewandheit, die ihn zu Orten auf der ganzen Welt führten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er wieder als Reporter unterwegs war, lebte Hemingway in Kuba. Über zwanzig Jahre lang lebte Ernest Hemingway auf seiner Hacienda in der Nähe Havannas. Auf der Zuckerinsel konnte der Jäger seiner Leidenschaft des Hochseeangelns nachgehen. So entstand auch eines der berühmtesten Werke Hemingways.

»Der alte Mann und das Meer« ist eine Novelle von Ernest Hemingway. Sie wurde 1951 auf Kuba geschrieben und im Jahr 1952 unter dem englischen Titel »The Old Man and the Sea« veröffentlicht. Die Novelle ist das letzte Werk des Autors, das zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde, und sein bekanntestes Werk überhaupt.

1954 erhielt Hemingway für die Novelle »Der alte Mann und das Meer« den Nobelpreis für Literatur. Diese spielt in Hemingways Wahlheimat Kubaund das Vorbild für den Helden seines Buches war ein kubanischer Fischer namens Santiago.

Wem die Stunde schlägt

Zu seinen Hauptwerken gehören der Roman »Wem die Stunde schlägt« (1940), »Über den Fluss und die Wälder« (1950) und die Erzählung »Der alte Mann und das Meer« (1952).

Seine nüchterne und sparsame Art zu schreiben, wurde vorbildkich für den modernen Roman und die Kurzgeschichte.

Hemingway verließ Kuba 1959 nach der Revolution und wurde nirgends mehr richtig heimisch. Noch einmal fuhr er nach Paris und nach Spanien.

Zwei Klinikaufenthalte in den USA brachten ihm auch keine Besserung. Depressionen und Alkohol begleiteten ihn die meiste Zeit seines Lebens, das er nach langer Krankheit selbst beendete.

Seine letzte Zuflucht fand er in den Rocky Mountains in den Bergen von Idaho, wo er seinen Leidenschaften, dem Jagen und Fischen, nachgehen konnte.

Ernest Hemingway erschoss sich im Alter von 61 Jahren, nachdem er in vielen Kriegen kein Risiko und kaum eine Verletzung ausgespart hatte.

Ernest Hemingway wurde am 21. Juli 1899 in Oak Park / Illinois geboren.