Samstag, 29. Juni 2019

»Westend« von Martin Mosebach


»Westend« ist ein vor beinahe dreißig Jahren weitgehend unbeachtet erschienen Roman von Martin Mosebach, der jetzt neu zu entdecken ist. Ein fabelhaftes Epos über die Verwandlung einer städtischen Gesellschaft in den Aufbaujahren der Bundesrepublik und ein Hauptwerk Martin Mosebachs.

»Westend« spielt in dem in der Gründerzeit erbauten Frankfurter Stadtteil, der zwischen Palmengarten und der Alten Oper liegt. Es ist nicht das Westend der 68er, sondern das sich verändernde Wohnviertel der Nachkriegszeit. Milieu

Eduard Has sieht sich als Glückskind: Der Krieg hat seine Heimatstadt Frankfurt zwar gründlich zerstört, aber das eröffnet der eigenen Immobilienfirma ungeahnte Chancen. Seinen Erfolg adelt er mit einer stattlichen Sammlung des eben noch verfemten Expressionismus, neben die kühl-elegante Ehefrau tritt eine sinnliche Geliebte, die Tochter Lilly betet er an. Warum nur kann das Leben nicht ewig so weitergehen?


Im Geist der großen europäischen Gesellschaftsromane ist in »Westend« der eigentliche Gegenstand die Stadt Frankfurt mit ihren Bürgern aller Schichten. Eine ganze Epoche deutscher Nachkriegsgeschichte wird im Schicksal der Figuren lebendig: Spekulanten und Kunsthändler, Müllsammler, Hausmeister und Putzfrauen, die letzten Vertreter Altfrankfurter Bürgerlichkeit und ein jugendliches Liebespaar, das an den Sünden der Väter trägt und sie zu überwinden lernt. Ein fulminantes Epos über die Verwandlung einer städtischen Gesellschaft in den Aufbaujahren der Bundesrepublik.

So fließt auch jede Menge Lokalkolorit in den Roman. Man merkt, dass Mosebach hier über ein Milieu schreibt, das er genau kennt und liebt.

Literatur:

Westend
Westend
von Martin Mosebach

342313240X

Mittwoch, 26. Juni 2019

»Abend« von Ludwig Tieck

Wie ist es denn, daß trüb und schwer
So alles kommt, vorüberzieht,
Und wechselnd, quälend, immer leer,
Das arme Herz in sich verglüht?

Kaum gekommen
Soll ich scheiden,
Kaum entglommen
Löschen wieder
Alle Freuden
und der Leiden
Dunkle Wolke senkt sich nieder.

Aus den Lichtern in die Nacht,
Aus den Augen, die mir tagen,
Die mein ganzes Herz durchlacht,
Bin ich wieder allen Plagen,
Dem dürren Leben
Zurück gegeben.
Wie flücht'ge Augenblicke
Mein Glücke!
Wie lange, lange Dauer
Der Trennung, düstre schwere Trauer! –
Zurückzukehren
Und dich entbehren!

O als ich dich noch nicht gesehn,
Da durfte Sehnsucht bei mir sein,
Ein Hoffnungswind in meinen Wünschen wehn,
Die Zukunft war ein heller Schein:
Jetzt muss ich vom Erinnern kaufen,
Was ich kaum zerstreut empfand;
Wieder durch die wüsten Haufen,
Durch ein unbewohntes Land,
Soll ich irre, klagend, schweigen,
Und des Glückes goldne Streifen
Auch die letzten, abgewandt.
Noch fühl' ich deine Hand,
Noch wie im Traume deine Küsse,
Noch folgen mir die holden Blicke,
Und die Empfindung, daß ich alles misse,
Bleibt bei mir zurücke.

O Hoffen, Schmachten, Liebesleid und Sehnen,
Wie dürst' ich nach den süßen Tränen!
O tröste mich doch, eitles Wähnen,
So leer du bist, so tot, so nichtig!
Verlaßt ihr alle mich so flüchtig?

O Gegenwart, wie bist du schnell!
Vergangenheit, wie bist du klein!
O Zukunft, wie wirst du unendlich sein?
Unendlich wie am Himmelsbogen
Die Sterne in die ew'gen Räume steigen,
So fühl' ich Stunden, Tage, Monden hergezogen,
Und durch mein tiefstes Sein das trübe Schweigen,
Um mich ein unvergänglich Meer von schwarzen Wogen,
Und ach! kein grünes Ufer will sich zeigen!

Ludwig Tieck (1773 - 1853), deutscher Dichter, Dramatiker, Kritiker und Theoretiker der Romantik

Samstag, 22. Juni 2019

»West-östlicher Divan« von Johann Wolfgang Goethe

West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819


Der »West-östliche Divan« von Johann Wolfgang Goethe ist eine orientalische Gedichtsammlung und ein berühmter Lyrikzyklus. Die Erstfassung aus dem Jahr 1819 wurde von Joseph Kiermeier-Debre herausgegeben. Der »West-östliche Divan« erschien erstmals 1819 und im Jahr 1827 in einem erweiterten Umfang. Es ist Goethes umfangreichste Gedichtesammlung. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert, der etwa von 1320 bis 1389 gelebt hat.

Der persische Dichter Hafis war ein erklärter Liebhaber der Sprache, und diesem Gedanken gab er im 14. Jahrhundert allegorische Gestalt: In seinem Diwan tritt die "Wortbraut" als mystische Verkörperung der Lyrik auf, um Gott, Wein und Liebe zu besingen:"Bräuten in der Locken Ranken,/ denen Schleier, leicht und licht, / Halb nur hüllen den Gedanken, / gleicht, o Hafis, dein Gedicht".

Die Noten und Abhandlungen zum besseren Verständnis seines West-östlichen Divans eröffnet Goethe mit den Worten: "Wer das Dichten will verstehen / Muß ins Land der Dichtung gehen; / Wer den Dichter will verstehen / Muß in Dichters Lande gehen."

Dieser wunderschöne Vierzeiler, den er dem prosaischen Teil des »Divan« vorausschickt, ist aber nicht nur für den Divan-Leser von Bedeutung, sondern auch für uns. Denn wenn wir verstehen wollen, an was sich die Orientbegeisterung Goethes manifestierte, wodurch sie sich bedingt und letztendlich in die Produktion eines seiner herausragendsten Werke mündete, muss der Mensch Goethe und natürlich die Zeit, in der er sich bewegt hat, ergründet werden.

Beflügelt von dem Toleranzgedanken der Aufklärung und wirkungsmächtigen Gestalten wie Voltaire, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit Goethes zeitlebens auf die Kunst. Er begeisterte sich für die schönen Dinge im Leben – solche, die ihm Freude bereiteten, die ihn auf intellektuelle Reisen schicken konnten und seine Wissbegierde nährten.



Berauscht von der Lektüre des »Diwans« im Juni 1814 übernahm Johann Wolfgang von Goethe auch das romantische Bild von der "Wortbraut" und stellte es als gleichnishaftes Motto dem Buch Hafis seines West-Östlichen Divans (1819/1827) voran: "Sei das Wort die Braut genannt" - eine Hommage an den persischen "Zwilling", die der Weimarer Geheime Rat auch als Verpflichtung für das eigene Schreiben verstand.


Tatsächlich ist Goethe in seiner Auseinandersetzung mit Hafis ein überaus sinnliches Stück Weltliteratur gelungen, dessen Verfasser das gesamte Spektrum literarischer Möglichkeiten wie ein Bräutigam umgreifen will und in souveräner Beherrschung von alltäglicher und gehobener, euphorischer und ironischer Rede die "Lieb-, Lied- und Weinestrunkenheit" im Harem der Worte zu vermählen sucht.



Die orientalische Gedichtsammlung ist in zwölf Bücher eingeteilt. Ein Anteil der Gedichte geht auf Goethes Briefwechsel mit Marianne von Willemer (1784 – 1860) zurück, von der auch unmittelbar einige Gedichte des Divan stammen, zum Beispiel: ‚Sag ihm, aber sag's bescheiden: / Seine Liebe sei mein Leben! / Freudiges Gefühl von beiden / Wird mir seine Nähe geben.‘ (Buch 8) Anders als der Dichter Rudyard Kipling (‚Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander kommen‘) begegnet Goethe dieser persischen Dichtung mit Gelassenheit: ‚Gottes ist der Orient! / Gottes ist der Occident! / Nord- und südliches Gelände / Ruht im Frieden seiner Hände!‘ (Buch 1).

Am deutlichsten wird diese quasi erotische Verbindung von Werk und Schöpfer im Buch Suleika, jenem autobiographisch an die 30jährige Marianne von Willemer gerichteten Meisterstück, das den Austausch mit der Geliebten zum leidenschaftlichen Dialog des 66jährigen Dichters auch mit der Sprache werden läßt: "Sich liebend aneinander zu laben / Wird Paradieses Wonne sein".

Daß Marianne - wie man inzwischen weiß - einige der schönsten Gedichte zum Buch Suleika beisteuerte, hebt das Zwiegespräch zwischen der jungen Suleika und dem greisen Hatem innerhalb der Sammlung auf ein neues, pikant-intimes Niveau.

"Den berauschendsten Lebensgenuß hat Goethe hier in Verse gebracht", schrieb Heinrich Heine 1836 in der Romantischen Schule, "und diese sind so leicht, so glücklich, so hingehaucht, so ätherisch, daß man sich wundert, wie dergleichen in der deutschen Sprache möglich war". Möglich war dieser unbeschreibliche Zauber des Divans nur als trunkene, raumzeitlich losgelöste Liebeserklärung des Dichters an die unendliche, Orient und Okzident, Geist und Humor, Jugend und Alter, Liebhaber und Geliebte in jeder Strophe neu vereinende Poesie.

Der Schwiegertochter Ottilie erläuterte Goethe am 21. Juni 1818 die Absicht seiner Dichtung: "Ihre Bestimmung ist es, uns von der Gegenwart abzulösen und uns für den Augenblick dem Gefühl nach in die grenzenlose Freiheit zu versetzen. Dies ist zu einer jeden Zeit wohltätig, besonders zu der unseren". Wenn dies mit einer derart lyrischen Virtuosität wie im West-Östlichen Divan gelingt, gilt dieser Auspruch bis heute.

Die orientalische Gedichtsammlung ist mehr als lyrische Spielerei, als tändelnde Liebelei, denn als kultureller Brückenschlag zu verstegen.


Literatur [ >> ]:

West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
von Johann Wolfgang Goethe

Weblink:

Was den Dichter in die geistige Ferne trieb - Quantara.de

Donnerstag, 20. Juni 2019

»Mondbeglänzte Zaubernacht« von Ludwig Tieck



Caspar David Friedrich




Mondbeglänzte Zaubernacht ,
die den Sinn gefangen hält ,
wundervolle Märchenwelt ,
steig auf in der alten Pracht !

Liebe lässt sich suchen , finden ,
niemals lernen , oder lehren,
wer da will die Flamm entzünden
ohne selbst sich zu versehren ,
muß sich reinigen der Sünden .

Alles schläft , weil er noch wacht ,
wenn der Stern der Liebe lacht ,
goldene Augen auf ihn blicken ,
schaut er trunken vor Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Ludwig Tieck



Tieck war zu bewegt, er konnte nach Allem, was er heut erlebt hatte, nicht schlafen. Die Naturgeister wachten auf. Er öffnete das Fenster. Es war die laueste, herrlichste Sommernacht. Das Mondenlicht floß in vollen Strahlen auf ihn nieder. Da lag sie vor ihm, mondbeglänzte Zaubernacht, die Natur mit ihren uralten und ewig jungen Märchen und Wundern!

Quelle:

Zweites Buch. Dichterleben. 1792-1800. - www.gnu.franken.de
Video:

LUDWIG TIECK - MONDBEGLÄNZTE ZAUBERNACHT

Pascal Mercier 75. Geburtstag

Peter Bieri

Pascal Mercier wurde vor 75 Jahren am 23. Juni 1944 in Bern geboren. Pascal Mercier heißt im richtigen Leben Peter Bieri und ist Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin. Bieri ist ein Schweizer Philosoph und Schriftsteller.

Als Pascal Mercier erwies sich Peter Bieri - so der Geburtsname des Schweizers - als ein Romancier unter Philosophen. Man merkt den Philosophen Bieri hinter Mercier - fein gemacht, schön geschrieben, treffend eingefangen, tief beobachtet.

Nach seinem Abitur ging er für ein Jahr nach London, bevor er in Heidelberg sein Studium der Philosophie, Indologie, der Klassischen Philologie und Anglistik begann. Dort hat er auch 1971 promoviert und 1981 habilitiert. Während eines Forschungssemesters Ende der achtziger Jahre begann Peter Bieri sich mehr auf sein literarisches Werk zu konzentrieren.

Nach einer Reise nach Venedig beschloss er Romane zu schreiben, um „der Schwerkraft der Gefühle“ zu folgen und seinem inneren Drang nachzugeben. Er sagt selbst über sich, dass er zur Entwicklung einer Geschichte nur eine kleine Portion Welt benötigt.

Seinen ersten Roman »Perlmanns Schweigen« veröffentlichte er 1995 unter dem Pseudonym Pascal Mercier, lüftete dies aber bereits bei seinem zweiten Werk »Der Klavierstimmer«. Der Durchbruch zum Bestsellerautor gelang ihm dann 2004 mit dem Buch »Nachtzug nach Lissabon«, welches in 15 Sprachen übersetzt wurde.

Der Roman um den Berner Altsprachenlehrer Raimund Gregorius, der eines Tages aus dem eingefahrenen Trott ausbricht und sich auf eine abenteuerliche Sinnsuche begibt, wurde weltweit zu einem der meistverkauftesten Bücher eines Schweizer Schriftstellers.

Peter Bieri hat bisher vier Romane veröffentlicht: (1995), »Der Klavierstimmer« (1998), »Nachtzug nach Lissabon« (2004) und »Lea« (2007).

Bieri ist verheiratet mit der Malerin Heike Bieri-Quentin, er lebt mit seiner Frau in Berlin. Im Jahr 2006 erhielt der Schweizer für sein literarisches Werk den »Marie-Luise-Kaschnitz-Preis«.

Literatur:

Nachtzug nach Lissabon
Nachtzug nach Lissabon
von Pascal Mercier

Perlmanns Schweigen
Perlmanns Schweigen
von Pascal Mercier

Weblink:

Dem Autor Peter Bieri zum Siebzigsten - FAZ - www.faz.net

Samstag, 15. Juni 2019

»Mrs. Dalloway« von Virginia Woolf


Im Mai 1926 erschien Virginia Woolfs berühmtester Roman »Mrs. Dalloway«. Mit der virtuosen Schilderung der Innenwelten seiner Hauptfiguren gehört »Mrs. Dalloway« zu den Meilensteinen der modernen Literatur. Virginia Woolfs berühmtester Roman spielt an einem Junitag des Jahres 1923 in London, strukturiert durch den Stundenschlag des Big Ben.

Clarissa Dalloway, eine Dame der upper class im Herbst ihres Lebens, bereitet eine ihrer berühmten Abend
gesellschatten vor. Parallel dazu wird das Schicksal des von seinen Kriegseindrücken verfolgen Veteranan Septimus Warren-Smith geschildert, von Virginia Woolf als eine Doppelgänger Clarissas angelegt.

An einem sonnigen Juni-Morgen des Jahres 1923 beginnt die begüterte Clarissa Dalloway mit den Vorbereitungen für eine elegante Abendgesellschaft. Im Verlauf des geschäftigen Tages überlässt sie sich immer wieder ihren Erinnerungen und Gedanken, und während der Big Ben unbeirrt seine Stunden schlägt, wird sie sich der Vergänglichkeit aller Dinge und der Enge ihres Daseins schmerzlich bewusst. Mit der virtuosen Schilderung der Innenwelten seiner Hauptfiguren gehört »Mrs Dalloway« zu den Meilensteinen der modernen Literatur.


»Mrs. Dalloway« gilt als Virginia Woolfs doppeltes literarisches Selbstportrait als junger Mann und ältere Dame.

Erstmals wich sie in dieser Arbeit von den damals - wie auch bei ihr selbst - üblichen Methoden des Schreibens, des Aufbaus ab und experimentierte großartig mit einer sehr freien Art einen Roman zu erschaffen.

Mrs. Dalloway




Wer Bücher über Fragen des Ichs und des Seins und über die Themen und Rätsel der Verschlungenheiten der menschlichen Seele lesen möchte, ist bei Virginia Woolf bestens aufgehoben und bei Milan Kundera. Melancholie und tiefgründiger Witz machen den Klassiker von Virginia Woolf zu einem Lesegenuss der besonderen Art.


Literatur:

Mrs. Dalloway
Mrs. Dalloway
von Virginia Woolf

Mrs. Dalloway
Mrs. Dalloway
von Virginia Woolf

Sonntag, 9. Juni 2019

»1984« von George Orwell vor 70 Jahren erschienen

Nineteen Eighty-four

Sein bekanntester Roman »1984« - die einfache Umkehrung der Jahreszahl seiner Entstehung - in dem er das Bild einer totalitären Welt - der sog. Orwell-Gesellschaft zeichnete - erschien im Juni 1949.

»1984« von George Orwell ist ein als Satire geschriebener utopischer Roman über die Entwicklung der Gesellschaft mit einem düsteren Zukunftsszenario über einen totalitären Weltstaat, in dem die Menschen bewusst manipuliert, überwacht wurden und jegliches Aufbegehren abgeblockt wurde.

Es handelt sich um einen dystopischen Roman, in dem ein totalitärer Überwachungsstaat im Jahre 1984 dargestellt wird. Der Roman ist ein als Satire verfasste zivilisatorische Gesellschaftskritik. Orwell übt in seinem düsteren Roman offene Kritik an den zivilisatorischen Zuständen.

Darin zeichnete Orwell das düstere Bild einer modernen Industriegesellschaft auf dem Weg in einen totalitären Staat mit Zügen totaler Überwachung und Unterdrückung. Berühmt wurde der Roman allerdings durch seine Utopie. Inspiriert von der Russischen Revolution zeichnete Orwell in dem als Satire geschriebenen Roman das düstere Bild einer modernen Industriegesellschaft auf dem Weg in einen totalitären Staat - den heute sog. Orwell-Staat. In der Gesellschaft, die Orwell beschreibt, befindet sich jeder unter der vollständigen Überwachung durch die Behörden. Der "Große Bruder" ist allgegenwärtig und verfolgt die Bürger bis in die intimsten Bereiche ihres Lebens.

Er zeichnete in dieser pessimistischen Utopie eine Welt der Menschenverachtung und der perfekten Überwachung.
Seine gessellschaftlichen Visionen aus der Anfangszeit des Kalten Krieges sind von der Realität noch vor dem realen Jahr 1984 längst ein- und überholt worden.


Das düstere Zukunftsszenario stammt aus dem Jahr 1948 - George Orwell hat damals die Jahreszahlen einfach umgedreht und einen fiktionalen und utopischen Roman über das fern in der Zukunft liegende Jahr 1984 geschrieben.

In der Gesellschaft, die Orwell beschreibt, befindet sich jeder unter der vollständigen Überwachung durch die Behörden. Der Große Bruder ist allgegenwärtig und verfolgt die Bürger bis in die intimsten Bereiche ihres Lebens.



Dieser visionäre Roman handelt von dem 39-jährigen Winston Smith, der ein normaler Angestellter im Ministerium der Wahrheit ist. Er gerät in Konflikt mit dem Staat und bekommt Zweifel am System, die immer weiter anschwellen. Das Verstecken dieser Zweifel, der innere Kampf, die Suche nach einer Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und die ständige Angst sind Inhalte des Romans.

Winston Smith versucht, sich dem zu entziehen und öffnet sich einem vermeintlichen Widerstand. Nach und nach stellt sich jedoch heraus, dass der "Große Bruder" weit mehr Macht hat, als er sich jemals vorstellen konnte.

Auch fast 80 Jahre nach seinem Erscheinen hat George Orwells Roman »1984« noch immer nichts von seiner Brisanz und Aktualität verloren. Es ist die dystopische Version einer totalitären Welt, in der jedwedes Denken und Handeln der Partei und der von ihr ins Leben gerufene Gedankenpolizei kontrolliert wird. Statt eines individuellen Ichs gibt es nur noch ein gefühlloses und gleichgeschaltetes Wir.

Sein wohl bekanntestes Werk wurde im Juni 1949 - ein halbes Jahr vor seinem Tod - veröffentlicht. Sein bekanntester Roman »1984« - die einfache Umkehrung der Jahreszahl seiner Entstehung - in dem er das Bild einer totalitären Welt, der sog. Orwell-Gesellschaft zeichnete erschien im Juni 1949.

Literatur:

1984
1984
von George Orwell

Donnerstag, 6. Juni 2019

Alexander Puschkin 220. Geburtstag

Alexander Puschkin

Alexander Puschkins Geburtstag jährt sich am 6. Juni zum 220. Male. Alexander Puschkin wurde am 6. Juni 1799 in Moskau als Sohn eines adligen Gardeoffiziers geboren.

Puschkin gilt als russischer Nationaldichter und Begründer der modernen russischen Literatur und gilt für die meisten seiner Landsleute als der russische Nationaldichter. Der russische Nationaldichter gilt als Begründer der modernen russischen Kunstprosa. Er ist ein Wegbereiter des Realismus und war der westeuropäischen Literatur zugetan.

Puschkins unvollendetes Leben endete auf tragische Weise. Puschkin wurde im Duell mit Georges-Charles de Heeckeren d'Anthès tödlich verwundet, einem französischen Offizier, der dem Chevalier Guard Regiment diente, der versuchte, die Frau des Dichters Natalia Pushkina zu verführen.


Als Lyriker und Schriftsteller war er zeitlebens provokant, seine Werke unterlagen der Zensur. Er ist einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller, zu seinen bekanntesten Werken zählen u. a. Eugen Onegin, Boris Godunow und Die Hauptmannstochter.

Puschkin bereitete in seinen Gedichten, Dramen und Erzählungen der Verwendung der Umgangssprache den Weg; er schuf einen erzählerischen Stil, der Drama, Romantik und Satire mischte – ein Stil, der seitdem untrennbar mit der russischen Literatur verbunden ist und zahlreiche russische Dichter massiv beeinflusste. Seine romantischen Zeitgenossen waren Byron und Goethe. Er wurde beeinflusst von Voltaire und den Shakespeareschen Tragödien.


Während er sich unter der strengen Überwachung der politischen Polizei des Zaren befand, und er nicht in der Lage war, Bücher zuveröffentlichen, schrieb Puschkin sein bekanntestes Stück, das Drama »Boris Godunov«. Seinen Versroman, »Eugen Onegin«, schrieb er zwischen 1825 und 1832.

Puschkin starb am 10. Februar 1837 in Sankt Petersburg an den Folgen einer Schussverletzung nach einem Duell.

Literatur:

Jewgeni Onegin: Roman in Versen
Jewgeni Onegin: Roman in Versen
von Alexander Puschkin

Erzählungen
Erzählungen
von Alexander Puschkin

Dienstag, 4. Juni 2019

»Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand« von Liao Yiwu



»Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand« ist eine Sammlung bislang unveröffentlichte Texte von Liao Yiwu aus Anlaß des 30. Jahrestages des Massakers am Tianammen-Platz - Chinas offene Wunde. Vor 30 Jahren beendeten die Machthaber in China die seit Monaten andauernden und absolut friedlich verlaufenden Stundenproteste.

Die Studenten wollten für sich und ihre Mitbürger nur ein kleines Stück Rechtsstaat einfordern. Ein kleines Stück von dem, was für uns in den westlichen Demokratien selbstverständlich ist.

Am frühen Morgen des 4. Juni 1989 mobilisierte die chinesische Regierung die Volksbefreiungsarmee, um die friedlichen Demonstrationen Zehntausender Studenten niederzuschlagen, die mehr Freiheit und Demokratie forderten. Die Staatsmacht zeigte Härte und ließ Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens auffahren.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 eröffnete die chinesische Volksbefreiungsarmee am Platz des Himmlischen Friedens das Feuer auf wehrlose Demonstranten.


Am Platz des Himmlischen Friedens richteten sie ein Massaker an, das die Welt schockierte. Wie viele Menschen die Panzer niederrollten, wie viele Studenten von Soldaten erschossen oder zu Tode geprügelt wurden, gab die chinesische Regierung nie bekannt.

Bis heute wirken die Folgen des Massakers vom 4. Juni 1989 am Platz des Himmlischen Friedens in der chinesischen Wirklichkeit nach.


Am Morgen des 5. Juni 1989 stellt sich ein Mann im weißen Hemd in Peking einer Panzerkolonne der chinesischen Armee entgegen.

Liao Yiwu schreibt über den bisher nicht identifizierten Mann, der sich allein, mit Einkaufstüten in den Händen, einem Konvoi von Panzern der Volksbefreiungsarmee in den Weg gestellt hat und damit zu einer Ikone des Widerstands wurde. Er gibt dem Unbekannten auf dem Platz einen Namen und nennt ihn Herrn Wang. Was geht in Herrn Wang vor?

Liao Yiwu, der über das Massaker ein Gedicht verfasste und dafür vier Jahre inhaftiert wurde, erzählt von dem Leben seiner Knastbrüder und veröffentlicht erstmals Briefe, die er damals aus dem Gefängnis an seine Frau schrieb, ohne sie je abgeschickt zu haben.

Der Schriftsteller Liao Yiwu schildert sein Land und vor allem die Zeitgeschichte wirklichkeitsnah und packend. Das schmale Buch ist jedoch ein Restprodukt von Texten, die er bisher sonst nicht unterbringen konnte. Wesentlich umfangreicher ist da schon die 2014 erschienene Textsammlung »Die Kugel und das Opium«. Liao Yiwu hat in diesem Werk zahlreiche Interviews aus vielen Jahren intensiver Recherche über die Opfer des Tiananmen-Massakers 4. Juni 1989 zusammengetragen.

Literatur:


Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand
von Liao Yiwu

Die Kugel und das Opium
Die Kugel und das Opium: Leben und Tod am Platz des Himmlischen Friedens
von Liao Yiwu

Samstag, 1. Juni 2019

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch


Niemand hat das versunkene Habsburgerreich mit zärtlicherer Sympathie wie eine rückwärtsgewandte Utopie mythisiert als Joseph Roth (1894 bis 1939), der große Erzähler, Trinker und Monarchist aus dem Kronland Galizien. Seine Romane »Radetzkymarsch« (1932) und »Die Kapuzinergruft« (1938) halten eine delikate Balance zwischen tragischer Ironie und Sentimentalität, sie schweben zwischen Zerrbild und Musterbild.

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth ist ein Marsch des Abgesangs der Donaumonarchie. Mit seinem Roman »Radetzkymarsch« gelangte Joseph Roth zu internationalem Ruhm. Roth zeichent drain die Veränderungen in der Habsburger Monarchie beginennd mit der Schlacht von Solferino 1865 bis zum Ende nach.

Mit Leib und Seele ist der feinfühlige Offizier Carl Joseph Trotta ein Kind Österreich-Ungarns: Der Großvater, der als Soldat dem damals noch jungen Franz Joseph I. das Leben rettete, ziert als 'Held von Solferino' die Geschichtsbücher, der Vater steht als Beamter ganz im Dienst des Kaiserreichs.

Während die einst mächtige Donaumonarchie ihren schleichenden Niedergang erlebt, keimen in dem Sohn Schwermut und Schuldgefühle. Joseph Roths kunstvoll-melancholischer Roman von 1932 zählt wegen seiner stilistischen Brillanz zu den Glanzstücken der europäischen Literatur.

Bei Roth vollzieht sich das Schicksal des Beamten- und Offiziers-Clans derer von Trotta übrigens parallel zum Untergang der Monarchie: Bezirkshauptmann Franz von Trotta, ein treuer Staatsdiener, der seinem Kaiser bis hin zur Backenbartmode untertänigst nacheifert, stirbt nicht zufällig am Tag der Beisetzung Franz Josephs im Jahr 1916.

Ein sehr schöner Klassiker, der die Zeiten des alten Österreichs noch einmal aufleben lässt und anhand der sehr schön gestalteten Charaktere ein tolles Sittengemälde von damals wiedergibt.

Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Literatur:

Radetzkymarsch


Radetzkymarsch von Joseph Roth