Samstag, 23. September 2023

»Siddhartha« Hermann Hesse vor 100 Jahren erschienen

Siddharta

Siddharta

Der 1922 veröffentlichte Roman »Siddharta« von Hermann Hesse ist die eigentliche Frucht seiner Indienreise im Jahr 1911, ein Roman und eine indische Dichtung über einen asketischen Mönch auf der Suche nach dem Sinn in seinem Leben und nach Erkenntnis über das Leben und sich selbst. Sein suchender Mönch Siddharta gelangt nicht durch Spiritualität, sondern durch Selbsterkenntnis zur Erleuchtung. Der Roman beschreibt die Stationen auf dem Weg der Weisheit, bei dem der Umweg das Ziel ist.

Hesse beschreibt in seinem Roman »Siddharta« die lange Suche eines Mannes, des zukünftigen Buddhas, nach seinem persönlichem Glück. Er sucht es in der Askese, in der körperlichen Liebe, im Handel, im Alkoholrausch und im Glücksspiel. Doch jederzeit merkt er, dass ihn all dies nicht befriedigen kann. Sowohl das asketische Leben im Bettelorden der Samanas und die Zusammenkunft mit dem erleuchteten Buddha Gotama führen Siddharta nicht an sein Ziel, dem Erlangen der Selbsterkenntnis und Weisheit im Sinne des Buddhismus, also der Erleuchtung, die nach dem Tod ins Nirwana führt, der Befreiung aus dem irdischen Kreislauf der Wiedergeburt.


Der Mönch ändert daraufhin seinen Lebenswandel: seine Geistesgaben, gestärkt durch jahrelange Askese, lassen ihn zu einem zwar nicht überzeugten, aber dennoch erfolgreichen Kaufmann werden; Reichtum, Verschwendungssucht, sexuelle und andere Ausschweifungen, also völlig freie Lebensverhältnisse sind die Folge. Siddharta erkennt alsbald, daß dieser an sich doch hohle Lebenswandel voller Ausschweifungen gerade nicht zur Weisheit, sondern zur inneren Abstumpfung und Verarmung führt.


"Die meisten Menschen sind wie ein fallendes Blatt, das weht und dreht sich durch die Luft und schwankt und taumelt zu Boden. Ander aber, wenige, sind wie Sterne, die gehen eine feste Bahn, kein Wind errreicht sie, in sich selber haben sie ihr Gesetz und ihre Bahn." Siddharta


Erst auf seiner Rückkehr zum Fährmann Vasudeva, den er in seiner Jugend bereits getroffen hatte, an den großen Fluss zurückkehrt, um mit ihm im Einklang mit der Natur und in Stille und innerer Einkehr zu leben, erlangt er auf dem Wege der Umkehr die Erkenntnis über das Leben und sich selbst, was sich an dieser Stelle als der eigentliche Sinn des Lebens offenbart - übrigens nicht nur für Siddharta, sondern auch für jeden anderen Menschen. Der Roman lehrt, dass es viele Wege zum Glück und genauso viele Sucher wie Wege gibt.


Hermann Hesses indischer Roman lässt sich auch so beschreiben: Ein Suchender hat sich auf den Weg in die Welt gemacht, auf einen lange Reuse begeben und nach langer Zeit seinen Weg und sein persönliches Glück gefunden. Siddhartha, die Legende von der Selbstbefreiung eines jungen Menschen aus familiärer und gesellschaftlicher Fremdbestimmung zu einem selbständigen Leben, zeigt, dass Erkenntnis nicht durch Lehren zu vermitteln ist, sondern nur durch eigene Erfahrung erworben werden kann.


Literatur:

Siddharta
Siddharta
von Hermann Hesse

Siddhartha Rezension
Siddhartha Rezension
von Joachim Weiser

Samstag, 16. September 2023

»Der zerbrochene Krug« von Heinrich Kleist

»Der zerbrochene Krug« von Heinrich Kleist

»Der zerbrochene Krug« ist ein Lustspiel von Heinrich Kleist, das 1811 vollendet wurde. »Der zerbrochene Krug« ist eines der bekanntesten aus dieser Tradition des deutschen bürgerlichen Lustspiels hervorgegangenen Lustspiele. Im Unterschied zu gröberen Gattungen bemüht sich das Lustspiel um verfeinerte Komik und um realistische Handlungen und Figuren. Die Rührung behält die Oberhand über die Komik.

Die Komödie ist in Blankversen verfasst. Es ist ein Werk ganz aus Kleists Eigenart heraus geschrieben. »Der zerbrochene Krug« gilt als Kleist populärstes Stück. Das Stück spielt um 1685 in der Gerichtsstube in Huisum, einem fiktiven niederländischen Dorf in der Provinz Utrecht.

Der priffig-robuste Dorfrichter Adam möchte das schöne Evchen verführen, das mit Ruprecht, dem Sohn des Bauern Veit Tümpel verlobt ist. Gerade aber diesen Umstand nützt der Mädchenjäger aus, indem er Evchen glauben läßt, ihr Ruprecht würde zum Heer nach Ostindien eingezogen und dürfte wohl kaum mit dem Leben davonkommen, wenn er, der Dorfrichter ihr nicht ein Dirpens-Schreiben für Ruprecht ausschreiben würde. Unter diesem Vorwand schleicht er sich nachts in Eves Kammer ein, wird aber von Ruprecht überrascht, der von draußen an die Tür donnert.

Beim Sprung aus dem Fenster reißt Adam den Majolika-Krug von Eves Mutter, Frau Marthe Rull, vom Gesims. Ruprecht stürmt herein, vermag dem Springenden, der die Perücke verliert, noch mit der Türklinke eins über den Schädel zu schlagen, springt dann nach, bekommt aber vom Fliehenden eine Handvoll Sand in die Augen, so daß er nicht weiß, wer nachts bei seiner Braut gewesen ist. Eve schweigt, weil sie Ruprecht damit vom Kriegsdienst zu retten glaubt. Der eifersüchtige Ruprecht beschimpft sie als liederliche Metze. Eve schweigt auch vor ihrer Mutter und aus dem selben Grund vor dem Dorfrichter, bei dem sie als Zeugin vernommen wird. Denn Frau Marthe Rull hat wegen ihres zerbrochenen Kruges Anklage er hoben, und ausgerechnet der Dorfrichter Adam soll nun die Sache entscheiden.

Ein für ihn unglücklicher Zufall will, daß der Gerichtsrat Walter zur Inspektion im Dorf erscheint und er Gerichtsverhandlung beiwohnt. Adam wendet eine Fülle von Ausreden und Lügen an, um den Verdacht von sich abzulenken. Er beschuldigt Ruprecht, danach den Flickschuster Leberecht und tut alles, um Evchen als Zeugin durch heimliches Zureden und Drohen zu beeinflussen. Seine eigene böse Schädelverletzung erklärt er ebenso durch Lügen wie seine fehlende Perücke.

»Der zerbrochene Krug« von Heinrich Kleist

Den Anstoss für das Lustspiel »Der zerbrochene Krug« bot Kleist ein französischer Kupferstich aus dem 18.Jahrhundert.Es fing alles an mit einer Art Wettstreit. Zu dritt betrachteten die Literaturkundigen das Gemälde. Einer schrieb dazu eine Satire, ein anderer eine Erzählung und Kleist eben jenes Lustspiel, welches auch den Wettstreit gewann. Auf dem Kupferstich zu sehen ist ein Richter auf einem hohen Richterstuhl, eine Frau als Klägerin mit einem zerbrochenen Krug (daher der Titel) , deren Tochter als Zeugin, jedoch mit merklich schlechtem Gewissen an der Mutter hängend, der Angeklagte, ein Bauerssohn und der Schreiber, der den Richter schief von der Seite anschaut. Der Ort ist ein niederländisches Dorf bei Utrecht, da Kleist das Gemälde auch aus diesem Land vermutete.

Kleists Lustspiel »Der zerbrochene Krug« gehört zu den wenigen klassischen Lustspielen deutscher Sprache. Das Lustspiel lässt die körperbetonten und musikalischen Elemente des Theatralischen zurücktreten und konzentriert sich auf den Dialog der Figuren. Daher steht das Lustspiel im engen Zusammenhang mit der Überwindung der Ständeklausel und der Emanzipation des Bürgertums seit der Französischen Revolution.Es handelt sich um ein Lustspiel mit Sinn für das Groteske: Der Richter als Angeklagter.

Die Uraufführung war ein Mißerfolg, was zu Lasten Goethes geht, der das Stück offensichtlich mißverstand, indem er den Einakter in drei Akte zerlegte, von denen der letzte fast neunzig Minuten dauerte. Er hatte dem letzten Akt eine Variante - mit breiter Exposition der Rolle Eves -zugrunde gelegt, die von Kleist eliminiert worden war.

»Der zerbrochene Krug« wurde am 2. März 1808 am Hoftheater in Weimar erstmals aufgeführt. Der Regisseur des Lustspiels war Goethe. Einen prominenteren Platz konnte Kleist schwer finden, einen prominenteren Regisseur schon gar nicht, ein bühnengerchteres Stück hatte er auch nicht vorzuweisen. Das Stück entschied über das Schicksal des Dramatikers.

Die Uraufführung war ein Mißerfolg, was zu Lasten Goethes geht, der das Stück offensichtlich mißverstand, indem er den Einakter in drei Akte zerlegte, von denen der letzte fast neunzig Minuten dauerte. Er hatte dem letzten Akt eine Variante - mit breiter Exposition der Rolle Eves -zugrunde gelegt, die von Kleist eliminiert worden war.

Literatur:

Der zerbrochene Krug. Ein Lustspiel.
Der zerbrochene Krug
von Heinrich Kleist



Samstag, 9. September 2023

»Beale Street Blues« von James Baldwin



»Beale Street Blues« von James Baldwin - benannt nach der Beale Street, einem oft besungenen und verfilmten Vergnügungsviertel von New Orleans. Der Roman ist eine »Harlem Love Story« - eine junge Liebe gegen die Willkür einer weißen Justiz.

Der Roman erzählt die Geschichte von Tish und Fonny, 19 und 22, und ihrem Kampf gegen die Willkür. Tish ist 19 Jahre alt und schwanger. Der Vater ihres Kindes, Fonny, selbst erst 22, sitzt im Gefängnis. Unschuldig. Einfach, weil er schwarz ist und sich mit einem weißen Polizisten angelegt hat, der ihm nun ein Verbrechen in die Schuhe geschoben hat. Eine Tat, die zwei junge Liebende trennt, eine Familie zerstört, die andere nahe an die Grenze des Machbaren schubst. Doch dabei offenbart sich nur, wie gefangen alle in ihrem eigenen Leben sind. Und dass es daraus kein Entkommen gibt …

James Baldwin hat »If Beale Street Could Talk«, so der Originaltitel, 1973 in Südfrankreich geschrieben, nachdem er miterlebt hat, wie einer seiner Freunde unschuldig eines Mordes verdächtigt wurde und sechs Jahre im Gefängnis saß, bis die Anklage fallen gelassen wurde. Etwas, das zu der damaligen Zeit nicht selten war, wenn man die „falsche“ Hautfarbe hatte. Vorschnell gefällte Urteile, Rasismus, Diskriminierung von Frauen, Gewalt gegen Frauen passen auch in die heutige Zeit.

Beale Street

All das ist Teil von »Beale Street Blues«. Eine Sozialstudie der damaligen Zeit, die unangenehm an die heutige erinnert. Rassismus an jeder Ecke, sogar innerhalb der eigenen Familie. Hellhäutigere Schwestern, die ihren Bruder verachten, weil er dunkler als sie ist. Männer, die ihre Frauen züchtigen, wenn ihnen etwas nicht passt, sogar vor den Nachbarn, die das achselzuckend hinnehmen. Der Hass einer Mutter auf ihr ungeborenes Enkelkind, weil dessen Mutter nicht die richtige Wahl für den Sohn ist. Der geschmähte Polizist, der vor aller Augen blamiert wird und deshalb auf Rache sinnt.

»Beale Street Blues« von James Baldwin ist kein einfacher Roman, denn dieser wird nicht geradlinig erzählt, er bricht Erzählstrukturen, hat durchaus langatmige Stellen und an und für sich erzählt er gar wenig. Ein Spannungsbogen ist so gut wie nicht vorhanden, denn dieser Roman will nicht unterhalten – er will etwas zeigen. Die Welt einer Gruppe von Menschen, die von anderen als weniger wichtig eingestuft wurden. Menschen, die um ihre Position im Leben kämpfen und dies auch innerhalb ihrer Gruppe. Menschen, für die Familie und Freunde alles sind. Menschen, die sich in ihrer Zugehörigkeit teilweise eingesperrt fühlen.

James Baldwin hat ein fast poetisches Werk geliefert, in einfacher Sprache gehalten, aber fast zu ruhig, um ein wirklicher Weckruf zu sein. Es ist ein Buch, das an manchen Stellen wehtut, während es einen an anderen fast kalt lässt, weil die Verbindung zu den Charakteren nicht tief genug ist. Es hätte eine durchaus einschlagendere Wirkung haben können als nur ein ruhig erzählte, traurige Lovestory. Und dennoch ist dieses Buch so aktuell, dass es einfach nur erschreckend ist – und das 50 Jahre, nachdem es geschrieben wurde.

Weblink:

Beale Street Blues von James Baldwin | dtv - www.dtv.de

Video:

Beale Street Blues James Baldwin