Donnerstag, 15. Juli 2021

»Abend« von Reiner Maria Rilke



Der Abend wechselt langsam die Gewänder ,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält ;
du schaust und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins , das fällt ;
und lassen dich , zu keinem gnaz gehörend ,
nicht ganz dunkel wie das Haus , das schweigt ,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das , was Stern wird jede Nacht und steigt -
und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend ,
so dass es , bald begrenzt und bald begreifend ,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Rainer Maria Rilke, »Abend«



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