Posts mit dem Label Fritz J. Raddatz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Fritz J. Raddatz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 2. März 2015

»Unruhestifter« von Fritz J. Raddatz

Unruhestifter: Erinnerungen
Unruhestifter
Erinnerungen

Fritz J. Raddatz zählte zu den großen Feuilletonisten und Literaturkritikern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Fast fünfzig Jahre lang hat er in unterschiedlicher Funktion dem deutschen Literaturbetrieb wichtige Impulse gegeben, heftige Debatten ausgelöst, Maßstäbe gesetzt.

Der langjährige Programmchef des Rowohlt-Verlags hat Autoren wie Hubert Fichte, Walter Kempowski, Rolf Hochhuth und Elfriede Jelinek entdeckt und gefördert, zugleich internationale Autoren wie Philip Roth, Yukio Mishima, Vargas Llosa oder Isaak B. Singer erstmals den deutschen Lesern vorgestellt.

Als Feuilletonchef der ZEIT hat der hellwache Geist das intellektuelle Klima in unserem Land entscheidend geprägt und mit seinen großen Essays und legendären Interviews glanzvolle Höhepunkte gesetzt. Doch war er auch das <i>enfant terrible</i> des deutschen Kulturbetriebes.

Er hat die Verkommenheit des Kulturbetriebs mit seinem Spott aufgespießt,  die Lügen und Intrigen, die Eitelkeiten und die Verletzbarkeiten. Scharfsinnig, scharf und immer etwas überwürzt war sein Urteil, auch über sich. In allem, was Fritz J. Raddatz beschrieb, spiegelte er sich selbst.

Er war ein wacher Geist voll produktiver Rastlosigkeit. Wo er hinkam, stiftete er Unruhe - aber eine aufklärerische, anregende, produktive. Furios und brillant wie eh und je führt Fritz J. Raddatz durch sein bewegtes Leben.

Alle Großen aus Literatur und Publizistik der vergangenen Jahrzehnte treten auf: von James Baldwin bis Henry Miller, von Christa Wolf bis Günter Grass. Ein kulturhistorisches Kaleidoskop unserer Zeit - glamourös, amüsant, bewegend.

Literatur:

Unruhestifter: Erinnerungen
Unruhestifter: Erinnerungen
von Fritz J. Raddatz


Tagebücher 1982-2001
Tagebücher 1982-2001
von Fritz J. Raddatz

Samstag, 28. Februar 2015

Literaturkritiker Fritz J. Raddatz ist tot

Literaturkritiker Fritz J. Raddatz

Er war einer der streitbarsten und eloquentesten Literaturkritiker des Landes. Nun ist Fritz J. Raddatz im Alter von 83 Jahren gestorben. Der langjährige Feuilleton-Chef der "Zeit" schrieb mehrere Romane und gilt als Entdecker einiger berühmter Schriftsteller.

Tagebücher 1982-2001

Fritz J. Raddatz war ein legendärer und begnadeter Feuilletonist und Großkritiker, der intellektuelle Schärfe stets mit seinem Willen zur Eleganz und Eitelkeit auf das Beste zu paaren wusste. Er war ein wahrhafte Geistesgröße, doch im Kulturbetrieb dieses Landes wirkte er jedoch eher wie ein Unruhestifter.

Raddatz war nicht nur eine brilliante Geistesgröße, sondern er polarisierte auch in der Medienlandschaft. Legendär ist auch sein Hang zur Eitelkeit, der nicht nur das Feuilleton ungemein bereicherte, sondern ihn auch verletzlich machte. Heute wirkt er wie der Vertreter einer anderen Gesellschaft.

Fritz J. Raddatz wurde nach dem Krieg fast vom Schulhof weg Journalist, Lektor, Kultur im "besseren Deutschland", das er wie der etwas jüngere Wolf Biermann in Ost-Berlin vorzufinden glaubt. Er war ehrgeizig und tatendurstig und scheiterte doch an den vorherrschenden Alt-Kommunisten, ging schließlich 1958 in den Westen, wo er seinen atemberaubenden Aufstieg im Kulturbetrieb begann.

Berühmt wurde der Intellektuelle Fritz J. Raddatz vor allem als Feuilletonchef der Wochenzeitschrift "DIE ZEIT". Selten hat eine Geistesgröße soviel Einfluss auf das Feuilleton ausgeübt. Raddatz hat in seinen acht Jahren als Feuilletonchef der "ZEIT" das literarisch-politische Feuilleton neu erfunden - er hat das Feuilleton politisiert.

2014 beendete der Literaturkritiker und Publizist Fritz J. Raddatz nach mehr als 60 Jahren seine journalistische Tätigkeit. "Ich habe mich überlebt", schrieb er in einem Beitrag für die Tageszeitung "Die Welt".

Die Bücher waren sein Leben und zwar durchaus im doppelten Sinne des Wortes - sind geronnenes Leben wie Lebensausgabe.

Stehe ich eines Tages bei Petrus auf der Himmelsleiter und er fragt mich: Was hast du in deinem Leben gemacht?, dann werde ich nicht sagen: Ich habe mit Leidenschaft Verlagsprogramme entworfen; ich habe mit Temperament ein Feuilleton inszeniert; ich habe mit Anstand mein Gelöbnis eingehalten und Jahrzehnte die Stiftung geleitet, die das Ansehen an Kurt Tucholsky lebendig hielt. Ich werde wohl von der Liebe murmeln, die ich einigen Menschen entgegenbrachte und ich werde sagen: Meine Bücher sollten von ihr Zeugnis geben - und von der zerbrechlichen Würde, vom hochflieenen Scheitern, von der zerscherbelnden Zärtlichkeit auf dieser Welt.


Literatur:


Tagebücher 1982-2001
Tagebücher 1982-2001
von Fritz J. Raddatz

TUnruhestifter: Erinnerungen
Unruhestifter: Erinnerungen
von Fritz J. Raddatz

Mittwoch, 7. September 2011

»Tagebücher 1982-2001« von Fritz J. Raddatz

Als der ehemalige "DIE ZEIT"-Feuilletonist Fritz J. Raddatz, der 1985 seinen Posten wegen eines falschen Goethe-Zitates räumen musste, hat er seine Tagebücher veröffentlicht, die fast ausschließlich von dieser Kränkung und dem Versuch, diese Wunde zu lecken, handeln.

Die Tagebücher 1982-2001 dokumentieren in einer Rückschau den Kulturbetrieb der alten Bundesrepublik als eine Welt, die an eine Vorhölle erinnert. Es ist das eindrucksvoll erschütternde Dokument eines erstarrten Kulturbetriebes.

Tagebücher 1982-2001

Ein Buch wie dieses hat es noch nicht gegeben. In diesem Bildungsroman verarbeitet er seine Erfahrungen im deutschen Literaturbetrieb. Von Rudolf Augstein bis Marion Dönhoff, von Günter Grass bis Hans Magnus Enzensberger zeigt es die deutschen Intellektuellen, ja überhaupt die ganze bundesrepublikanische Gesellschaft, wie sie so hellsichtig nie beschrieben worden ist: wahrgenommen mit dem Sensorium eines Hochempfindsamen, subjektiv und treffend, anteilnehmend, scharfzüngig. Das Buch, das von der Kritik immer erhofft, von den Schriftstellern aber nie geschrieben worden ist - der große Gesellschaftsroman der Bundesrepublik, das Balzac'sche Porträt unserer Zeit -, hier ist es. Und vermutlich war niemand so geeignet, es zu schreiben, wie Fritz J. Raddatz.

Die Tagebücher 1982-2001 sind ein dunkler Roman aus dem Herzen der alten BRD, voll von Schmähungen, Lob und Freundschaft. Ein böses Sittengemälde und Medienpanorama aus jenen Jahren, als Geist und Macht noch alliiert waren und ein Streit zwischen Federn zur Staatsaffäre werden konnte. Ein Hamburger Sittengemälde in dieser gellenden Epoche. Und das Leidensbuch eines Mannes, der immer wieder Angst hat, an Deutschland krank oder verrückt zu werden.
»Nur wer unter Schriftstellern gelebt hat, weiß was Hass ist.«
Emile Zola
Raddatz erzählt von den Dramen der verbandelten, verfeindeten, ineinander verbissenen Hamburger Medien-Granden. Diese Dramen machen einen wesentlichen Teil der Tagebücher aus. Eine hermetisch, fast höfisch geprägte Welt tritt einem da entgegen, geprägt von Eifersucht, Egoismus, Intrigen. Da werden Briefe gewechselt, da werden die Messer in den Salons gewetzt, da redet man schlecht übereinander und stößt schließlich doch mit Champagner an.

Wie ein roter Faden zieht sich Raddatzs Verhältnis zur Wochenzeitschrift "Die ZEIT" durch das ganze Buch. Der einstige Feuilletonchef der "Zeit" musste 1985 seinen Posten wegen eines falschen Goethe-Zitates räumen. Der Großmeister und Neuerfinder des Feuilletons sinniert über die Gründe seines Falls. In der Kulturszene galt Raddatz wegen seines aufwendigen Lebensstils und seiesn Hangs zur Eitelkeit schon länger als Störenfried. Er war ein Störenfried im deutschen Kulturschrebergarten.

Am 12. Oktober 1985 bricht der "Skandal" los, über den Raddatz schließlich seinen Posten als Feuilletonchef der "Zeit" verliert: Er hatte Goethe in die Epoche der Eisenbahn versetzt. Ein kleiner - eigentlich banaler - Fehler mit großer Wirkung für Raddatz berufliche Karriere. Das war die Gelegenheit, den Störenfried mit seinem "Pörschlein", wie er sein Auto nannte, loszuwerden. "Gespenstisch, meine Vorahnungen", notiert er und sieht sich bestätigt, dass Nachkriegsdeutschland regiert wird vom "alltäglichen Faschismus".

"Seine Eitelkeit hat uns Qualitäten beschert, aber ihn auch dazu verlockt, bis an den Rand zu gehen und darüber hinaus", sagt Theo Sommer von der "Zeit", wo Raddatz 1977 als Feuilletonchef begann - und einen leidenschaftlichen, streitbaren, aufklärerischen, emphatischen, subjektiv geprägten Kulturteil prägte, neben dem die Streber- und Stipendiatenfeuilletons von heute noch papierener wirken.


Tagebücher 1982-2001



Fritz J. Raddatz: Tagebücher 1982-2001«

Rowohlt Verlag, September 2010.
944 Seiten, 34,95 EUR
ISBN-13: 978-389-805781-7