Jaromil ist ein Dichter, glaubt seine Mutter, seitdem er die ersten Worte spricht. Er selbst glaubt es auch, und vielleicht würde es ihm gelingen - Talent, Phantasie und Sprachgefühl besitzt er - wäre er nicht ein Muttersöhnchen. - Und damit beginnt die Tragödie des Dichters Jaromil.
Milan Kundera erzählt in diesem Buch Das Leben ist anderswo die Geschichte von Jaromil - einem jungen Mann, der nicht erwachsen wird. Als Kind sonnt er sich in der uneingeschränkten Bewunderung seiner Mutter, die, selbst schon nicht beziehungsfähig, eine innige Symbiose mit dem Sohn eingeht, den sie als Stück ihrer selbst empfindet. Sie schüttet ihn zu mit ungeteilter Aufmerksamkeit, besitzergreifender Liebe und endloser Bewunderung. Streng bewacht sie ihn und ordnet ihm jedes eigene Interesse unter.
Ob sie damit ihre Schuldgefühle kompensiert, denn Jaromil war ein ungewolltes Kind, das sie in die Ehe mit einem ungeliebten Mann zwang, lässt der Autor offen. Im Verlauf von Jaromils Kindheit spielt der Vater keine Rolle, zumal er früh stirbt.
Jaromil wird als Heranwachsender von zweierlei getrieben: Der Suche nach Liebe und der Sucht nach Anerkennung. Liebe bedeutet für ihn jedoch Ausschließlichkeit. Das Objekt seiner Zuwendung und Begierde hat allein für ihn dazusein, hat seine familiären Bande zu zerschneiden und darf, außer für ihn, keinerlei Gedanken oder Gefühle hegen. Dabei treibt ihn seine Eifersucht sogar zum Verrat: Lieber verliert er die Geliebte ganz als dass er ein Quentchen ihres Herzens einem anderen überlässt.
Seine Sucht nach Anerkennung und Applaus treibt ihn dazu, sorgfältig diejenigen zu studieren, die anerkannt, beliebt und wortführend sind. Er kopiert deren Sätze, Gesten und Aussagen, um sie publikumswirksam bei passenden Gelegenheiten als eigene Gedanken zu präsentieren. Sobald er hinterfragt wird, widerlegt oder nur geringe Beachtung erfährt, stürzt er in ein Loch aus Verzweiflung.
Zwar weist er mehr und mehr die Kontrolle durch seine Mutter zurück, setzt sich selbst aber an deren Stelle und versucht, durch genaue Planung, Vorausdenken und Ausschalten möglicher Zufälle, die Situationen und Ereignisse schon im Vorfeld in den Griff zu bekommen. Der ständige Druck, sich auf dem in gemeinsamer Arbeit mit der Mutter errichteten Sockel zu halten, bestimmt sein Leben.
Jaromil wäre gern ein selbstständiger Denker und Vorreiter neuer umwälzender Ideen, doch auch sein politisches Engagement versickert in Mitläufertum und endet, wenn er nicht umjubelt wird. Das Verhalten seines Protagonisten öffnet Kundera die Pforte zur Kritik an der Politik seines Heimatlandes. Er bewertet nicht, er zeigt nicht mit dem Finger, er prangert nicht an; er lässt nur Jaromil agieren. Was aber reichte, um dem Roman in der ehemaligen Tschechoslowakei nicht veröffentlichen zu dürfen.
Weblinks:
Das Leben ist anderswo von Milan Kundera
Milan Kundera-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de
Milan Kundera-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de
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