Mittwoch, 28. Juni 2017

»Mitternachtskinder« von Salman Rushdie

Mitternachtskinder
Mitternachtskinder

»Mitternachtskinder« ist der Roman von Salman Rushdie, mit dem er weltberühmt wurde. Rushdie galt nach Erscheien des Buches als das indische Pendant zu Gabriel García Márquez.

Mitternachtskinder sind sie, geboren zwischen Null und Ein Uhr am 15. August 1947, dem Tag der Indien seine Unabhängigkeit bescherte. Und alle haben sie eine einzigartige, herausragende, nur ihnen bekannte Fähigkeit. So lehrt das Leben etwa unserem Helden und Ich-Erzähler Saleem Sinai, der Rotznase in die Gedanken seiner Mitmenschen einzutauchen.

Salman Rushdie erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus reicher Familie, von hohem Stand, der von der ambitionierten jungen Hebamme Mary Pereira kurzerhand mit dem zugleich geborenen Shiva getauscht wird, der in den Straßen Bombays aufwachsen wird, ohne Chance auf ein besseres Leben. Schon bald hat die junge Frau ihren Irrtum erkannt, ihr Gewissen jedoch ließ sie elf weitere Jahre mit der Untat leben.

Der Roman ist in drei Teile gegliedert, wobei im ersten Teil der Familienstammbaum mit dem Großvater beginnt, der in Heidelberg Medizin studiert hatte, um dann nach Kaschmir zurück zu kommen und ein junges Mädchen zu heiraten, das er durch ein Loch in einem Laken Stück für Stück ertasten konnte. Der zweite Teil erzählt die schelmische Geschichte der Kindheit des Ich-Erzählers, um schließlich im dritten Teil in einem Krieg, sein altes Leben von der Erde zu fegen und ihn dorthin zu verbannen, wo er von Geburtsrecht her leben sollte, in die Straßen und unter die Brücken Bombays.

Nicht zu Unrecht wird der Roman mit Marquez' »Hundert Jahren Einsamkeit« verglichen. Die Charaktere sind einzigartig, extravagant, durchwegs individuell und liebenswürdig. Ein ums andere Mal fügen sie sich in unbeschreiblicher Situationskomik ihren Lebensplagen und entwirren geduldig die zahlreichen, verspielt in der Handlung platzierten Verstrickungen, die immer wieder angedeutet, plötzlich mit ungehemmtem Hurra über mich Leser hereinbrechen. Selten habe ich so zufrieden in einen Roman hineingeschmunzelt! Doch der dritte Teil lässt alle Leichtigkeit hinter sich, ganz unvermutet, nur wenige Bomben reichen aus, eine ganz andere Geschichte aus dem zu bauen, was nach dem Krieg übrig geblieben war.

Die Geschichte der Familie Sinai ist auch die Geschichte Indiens, die Geschichte vom Weg zur Unabhängigkeit, von der Abspaltung des islamischen Pakistan, von den Kriegen und den Militärs und der Gründung Bangladesch's. Es ist die Geschichte des Lebens nach Möglichkeit der Geburtsstunde oder vielmehr des Geburtsrechtes. Der Kontrast aus unbeschwerter Kindheit in reichem Elternhaus und dem rastlosem Leben in den Slums Indiens Tag um Tag, die größte Kunst beherrschend: das Unsichtbarsein.

Ein Roman, der die unterschiedlichen Stimmungen eines Lebens erfunden haben mag, der im gleichen Atemzug höchste Zufriedenheit stimuliert wie er seinen Charakteren das Leben aushaucht, der in gleichem Maße humorvoll und spitzzüngig wie bitter und traurig ist!


Literatur:

Mitternachtskinder
Mitternachtskinder
von Salman Rushdie


Blog-Artikel:

Salman Rushdie 70. Geburtstag

Magischer Realismus in der Literatur

»Hundert Jahre Einsamkeit« von Gabriel García Márquez

»Die satanischen Verse« vor 25 Jahren erschienen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen