Lew Kopelew starb vor 20 Jahren am 18. Juni 1997 in Köln. Lew Kopelew war ein russischer Germanist, Schriftsteller und Humanist mit dem Werdegang eines Dissidenten. Er war ein Zeitzeuge des Jahrhunderts. Ab 1980 lebte er im unfreiwilligen Exil in Deutschland und wurde zu einer bedeutsamen Figur im bundesdeutschen Geistesleben. Der enge Freund Heinrich Bölls und Marion Gräfin Dönhoffs setzte sich unermüdlich für Verständnis und Aussöhnung zwischen Ost und West ein.
Seit Mitte der sechziger Jahre setzte er sich zunehmend für Andersdenkende wie Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn sowie für den Prager Frühling ein. Hierdurch geriet er in immer stärkere Opposition zu dem sich wieder verhärtenden Regime. Er verlor immer mehr den Glauben an den Kommunismus und wurde, als er gegen den Einmarsch anderer kommunistischer Länder in die Tschechoslowakei und die brutale Zerschlagung aller Reformerfolge protestierte, mit Parteiausschluss, Schreibverbot und dem Verlust seiner Stelle am Institut für Kunstgeschichte bestraft. Damit endeten für ihn die letzten Hoffnungen, die er in den Kommunismus gesetzt hatte.
Kopelew wollte in den Westen reisen, aber er wollte auf keinen Fall seine Heimat aufgeben und ins Exil gehen. Eine Einladung von Böll und Marion Gräfin Dönhoff zu einer Studienreise nach Deutschland, der ein langes diplomatisches Ringen um eine Rückkehr-Garantie vorausgegangen war, ließ Kopelew 1980 das Wagnis eingehen, mit seiner Frau ins Ausland zu reisen. Nachdem Kopelew sich zu Anfang des Jahres mit anderen Intellektuellen für Andrej Sacharow eingesetzt hatte, wurden ihm und seiner Frau überraschend im Oktober die Genehmigung zur Ausreise erteilt. Mitte November traf das Ehepaar in Köln ein.
Doch schon Anfang 1981 wurde die Auslandsreise zum Exil – man hatte das Ehepaar ausgebürgert. Nach einer Reise in die USA wurde Köln die neue Bleibe für das Ehepaar Kopelew-Orlowa. Raissa Orlowa hatte wesentlich größere Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen, als ihr mit der deutschen Kultur aufs beste vertrauter Mann. Sie berichtet in einem Buch über das ihr nur langsam zur Gewohnheit werdende Leben in Deutschland. Kopelew wurde kurz nach Ankunft deutscher Staatsbürger.
Aufgrund der Perestroika Gorbatschows erhielt Kopelew 1989 die Erlaubnis, seine alte Heimatstadt Moskau zu seinem 77. Geburtstag zu besuchen. 1990 konnte er Russland ein zweites Mal besuchen. Er reiste durch das Land und besuchte alte Freunde, doch das Land war ihm inzwischen fremd geworden. Da seine Frau Raissa 1989 gestorben war, ging er schließlich wieder nach Köln zurück, um dort seine Arbeit zur Versöhnung der Völker fortzusetzen.
Am 18. Juni 1997 starb Lew Kopelew in Köln. Seine Urne wurde nach Moskau überführt, wo die Asche auf dem Donskoi-Friedhof neben seiner Frau Raissa Orlowa beigesetzt wurde.
Geboren wurde der Humanist und Weltbürger Lew Kopelew am 9. April 1912 in Kiew.
Literatur:
Lew Kopelew: Humanist und Weltbürger von Reinhard Meier
Aufbewahren für alle Zeit! von Lew Kopelew und Heinrich Böll
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