Freitag, 4. März 2011

Max Frisch - Rückblick auf sein Leben

Es sei ein Glück, hat er einmal gesagt, wenn man die Schriftstellerei nicht als "Berufung" empfinde, sondern einfach als einen Beruf, den Leute wie er "ausüben, weil ihnen schreiben noch eher gelingt als leben". Was immer er schrieb, war zuerst und zuletzt auf ihn selber bezogen; er sträubte sich gegen die Rollen, die der Erfolg jedem Autor aufdrängt, die Rollen als öffentlicher Besserwisser, Seelsorger, Eheberater oder Rattenfänger; er erlag nicht der Versuchung des Ruhms, sich selber als Größe zu setzen.

Der 1911 in Zürich geborene Frisch arbeitete zunächst als Architekt, bevor er mit dem Roman "Stiller" im Jahr 1954 erfolgreich war. Fortan konzentrierte er sich auf das Schreiben. Frisch galt als streitbarer Moralist. Seine bekanntesten Stücke für das Theater sind wohl "Biedermann und die Brandstifter" (1958), eine entlarvende Analyse des Spießbürgers, der das Eindringen des Bösen in seine Welt nicht wahrnehmen will, und "Andorra" (1961), das sich mit dem Antisemitismus auseinandersetzt. Nahezu in Vergessenheit geraten ist "Die Chinesische Mauer" (1946), in dem Frisch die menschheitsvernichtende Gefahr der Atombombe in den Mittelpunkt rückt.

Berühmt wurden neben "Stiller" seine Romane "Mein Name sei Gantenbein" (1964) und "Homo Faber" (1957). In letzterem wird der rationalitätsgläubige Ingenieur Walter Faber, geprägt vom technisch-wissenschaftlichen Weltbild, mit der unlogischen Macht des Schicksals konfrontiert und scheitert. Frischs literarische "Tagebücher" (1946-49 und 1966-71) machen einen wesentlichen Bestandteil seines Oeuvres aus. Sie verknüpfen autobiografische und fiktionale Elemente, viele spätere Werke sind hier bereits skizzenartig angelegt. Weitere, 1982 begonnene Aufzeichnungen, wurden unter dem Titel "Entwürfe zu einem dritten Tagebuch" im vergangenen Jahr posthum veröffentlicht.
Der breite internationale Erfolg in den fünfziger und sechziger Jahren, den ihm einerseits die farbigen, facettenreichen Romane "Stiller" (1954) und "Homo Faber" (1957), andererseits die theaterkräftigen Politparabeln "Biedermann und die Brandstifter" (1958) und "Andorra" (1961) brachten, hat Max Frisch zu einer öffentlichen Figur gemacht, neben Böll zum angesehensten deutschschreibenden Autor seiner Generation.

Daß er Schweizer war, gab ihm seine Sonderstellung, wenn er sich zu Wort meldete, weil ihm eine Sache wichtig war: nicht als Künstler, sondern als Zeitgenosse, als skeptischer Demokrat, der Zivilcourage nicht als Phrase verstand. Wenn er Stellung bezog zu Erschütterungen im Ostblock, zu Miseren der westlichen Luxusgesellschaft, mit besonderer Neugier zu Deutschlands Selbstwerdungs-Problemen, mit besonderem Groll, bis zuletzt, gegen den Eigendünkel der Schweiz, dann hatten seine Bedenken Gewicht. Ein untersetzter Mann mit eigentümlich breitem Gesicht trat da auf, den Blick hinter schwerer Brille geschützt, und die Bedächtigkeit seiner Rede kam nicht nur aus dem Schweizer Naturell: Sein Impuls war der Zweifel, sein Stil nicht die klotzige Feststellung, die einen Sachverhalt plattmacht, lieber die vorsichtige Formulierung, in der eine Frage mitschwingt. "Ohne Utopie wären wir Lebewesen ohne Transzendenz."

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