Sonntag, 22. April 2012

Bram Stoker zum 100. Todestag

Bram Stoker

Vor 100 Jahren, am 20. April 1912, starb der irische Schriftsteller Bram Stoker. Stoker war ein Schriftsteller, der hauptsächlich durch seinen Roman »Dracula« bekannt wurde.

Stoker gilt als der Schöpfer des Grafen Dracula, Graf von Transsylvanien, und Vampyr, auch Nachzehrer genannt. Dracula ist eine Urgestalt des Vampyrs und eine Schöpfung der Moderne. Der blutrünstige Graf ist ein Mythos der Fantasiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Schrecken trifft hier auf Romantik, die Wissenschaft ringt mit dem Glauben, der Westen mit dem Osten, das Sichtbare mit dem Unsichtbaren.

1890 traf Stoker den ungarischen Professor Arminius Vámbéry, der ihm von der Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Draculea (Dracula) erzählte. Aus diesem Charakter entwickelte Stoker die Figur des Vampirs Dracula. Sieben Jahre arbeitete Stoker an diesem Vampir-Roman, bis er am 18. Mai 1897 veröffentlicht wurde.



  In Zeiten des abnehmenden LichtsDie Nacht der Erinnerungen Der Friedhof von Prag Der Traum des Kelten

Vampyre sind als Schreckgestalten und Geschöpfe des Grauens zum Fürchten und oft lächerlich zugleich. Sie entfalten ihren Schrecken stets im Dunklen der Nacht, bei Licht betrachtet zeigen sie sich als absurde Typen mit Plastikzähnen aus dem Reich der Finsternis und zugleich am Rand der Lächerlichkeit. Geradezu verbissen mimen sie das notorisch Böse.

Vampyr-Erfinder Bram Stoker verbrachte sein Leben damit, seine Kindheit zu verarbeiten, ebenso ans Bett gefesselt wie Dracula an die Gruft. Vampyre sind für ihn romantische Wesen, alles andere als kaltblütig. Ans Licht dürfen sie aber nur im Kino.

Vampyre sind für Stoker Kinder der Nacht, so wie sich das für Alpträume gehört. Der Vampyr - eine Geburt des Unbewussten - wirft Schatten des Horrors. Dabei gibt es so simple Methoden, sich seine Liebe vom Hals zu halten: mit Knoblauch.

In unzähligen Filmen, Hörspielen, Musicals und Opern wurde der Vampyr zum Anti-Helden. Die Inszenierung ist dabei stets Dracula als Untoter. Sein Schicksal: grauenhaft, weder genug zum Leben, noch zum Sterben. Dracula: ein Albtraum, den sich die Moderne schuf.

Samstag, 14. April 2012

»Freiheit« von Jonathan Franzen

Jonathan Franzen hat mit »Freiheit« seinen nunmehr vierten Roman veröffentlicht. Mit »Freiheit« ist eine weitere, abermals episch breit gefächerte abgewandelte Familiengeschichte aus der Feder des begnadeten Neo-Traditionalisten auf deutsch erschienen. In seinem neuen Roman erweist sich Franzen als Chronist amerikanischer Zustände.

Franzen ist ein Autor, der sich bekanntlich die Freiheit herausnimmt, sich Zeit für seine neue Romane zu lassen. Dies gilt als sein Erfolgsrezept. Seit seinem Sensationserfolg mit seinem Roman »Korrekturen« im Jahr 2001 hat der 51-jährige Autor mit »Freiheit« gerade einmal seinen vierten Roman vorgelegt – das ist bei dem Druck, dem ein Autor nach einem Bestseller-Debüt ausgesetzt ist, schon etwas Besonderes.

Patty und Walter Berglund - Vorzeigeeltern und Umweltpioniere, fast schon ideale Nachbarn in ihrer selbst renovierten viktorianischen Villa in St. Paul - geben plötzlich Rätsel auf: Ihr halbwüchsiger Sohn zieht zur proletenhaften republikanischen Familie nebenan, Walter lässt sich zum Schutz einer einzigen Vogelart auf einen zwielichtigen Pakt mit der Kohleindustrie ein, und Patty, ehemalige Basketball-Sportlerin und Eins-a-Hausfrau, entpuppt sich als wahrlich sonderbar. Hat Walters bester Freund, ein Rockmusiker, damit zu tun?

Auf einmal lebt Patty ihre kühnsten Träume, führt sie ein Leben ohne Selbstbetrug. In diesem Roman einer Familie, der zugleich ein Epos der letzten dreißig Jahre amerikanischer Geschichte ist, erzählt Jonathan Franzen von Freiheit - dem Lebensnerv der westlichen Kulturen - und auch dem Gegenteil von ihr, zeigt die tragikomischen Verwerfungen zeitgenössischer Liebe und Ehe, Freundschaft und Sexualität.

Freiheit ist das große Thema seines Romans und der Name ist hier zugleich auch Programm des Autors. Die Freiheit, sich Zeit zu nehmen, spiegelt sich aber auch im Buch selbst wieder: Franzen erzählt episch, ohne zu langweilen. Und er ist noch in der Lage, ein großes psychologisches Panorama seiner Figuren zu entwerfen – und ein großes Panorama der amerikanische Zeitgeschichte. In diesem großen Roman einer Familie erzählt Jonathan Franzen von Freiheit - dem Lebensnerv der westlichen Kulturen - und auch von deren Gegenteil. Oder wie Hegel sagte: "Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit."


Franzen hat mit »Freiheit« den großen amerikanischen Familienroman neu belebt und mit feiner Ironie das tragende Grundgerüst, die Familie gleichwohl abgeschafft. Im Mittelpunkt stehen Patty und Walter Berglund mit ihren Kindern: eine linksliberal orientierte Familie im Mittleren Westen. In einer renovierten Villa lebend, haben die Berglunds einem heruntergekommen Viertel in St. Paul/Minnesota - nicht zuletzt dank Pattys Engagement - zu neuem Glanz verholfen. Und Walter hat auf seine Karriere verzichtet, um für ökologische Organisationen tätig zu sein. Die Freiheit ist immer auch ein Kompromiss.

Freiheit

Freiheit

Der Roman erzählt von einem Familienidyll einer Familie in einem Vorort einer amerikanischen Großstadt. Wieder steht eine Familie mit ihren Neurosen im Mittelpunkt: die Berglunds aus St. Paul. Wieder werden ihre jeweiligen Geschichten in Einzelporträts vorgestellt, bis in die achtziger Jahre zurück, wenngleich es in erster Linie um eine Darstellung des Jetztzeit-Amerikas vor allem der Post-9/11-Nullerjahre geht.


Natürlich bekommt das moralisch scheinbar unangreifbare Familienidyll schnell Risse. Patty kann sich von ihrer traurigen Vergangenheit nicht lösen und versucht, ihre Depressionen im Alkohol zu ertränken. Walter erliegt aus guter Absicht einem unmoralischen Angebot der Kohleindustrie. Und Sohn Joey verlässt die Familie und zieht ins Haus der einzigen verbliebenen „asozialen“ Familie der Gegend. Später wird er dubiose Geschäfte im Irak-Krieg machen.

Franzens Erzählkunst liegt darin, auf knapp 800 Seiten viel mehr als einen traditionellen Familienroman zu entfalten. Über Generationen hinweg entwirft er zwei Protagonisten mit all ihrer Wut, ihren Fehlern, ihren Schwächen und den - kurz aufblitzenden - guten Seiten. Meisterhaft verwebt er die konträre Kindheit von Walter und Patty, den steinigen Weg ihrer Beziehung, die Trennung. So überaus präzise legt Franzen alle Abgründe des menschlichen Charakters frei, dass sie einem mehr als vertraut werden.

In all dem, was seine Figuren tun und sagen, lässt der Autor in Seitenheiben auch gezielt wutentbrannte Attacken auf die amerikanische Regierung aufkommen: die Regierung Bush, das nicht vorhandene Umweltbewusstsein sowie der absurde Irak-Krieg sind einige dieser Punkte. Zu keiner Zeit gibt es einem erhobenen Zeigefinger: der Roman ist und bleibt menschlich entlarvend, präzise beobachtet und äußerst mitreißend.

Jonathan Franzens Roman »Freiheit« ist ein gelungener Freiheitsentwurf. Die Geschichte der amerikanischen Familie Berglund ist ein anschaulich und plastisch geschriebenes Sittengemälde und eine präzise Beschreibung des Zustandes des heutigen Amerika und wie es dazu kam.

Franzen spannt dabei zeitlich wie thematisch einen weiten Bogen, vom Anfang des vorigen Jahrhunderts bis heute. Die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten sind immer in einen größeren Kontext eingebettet: Ökologie, Ökonomie, Immobilien- und andere Blasen, Religion, Irak- und andere Kriege, Präsidentschaften.


Literatur:

Freiheit
Freiheit
von Jonathan Franzen

Rezensionen:

Mustermann, geh' du voran - www.sueddeutsche.de/kultur/

Vorsicht, Freiheit! - www.nzz.ch