Posts mit dem Label Erzählung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Erzählung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 2. Mai 2023

»Das Maskenspiel der Genien« von Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Das Maskenspiel der Genien
Das Maskenspiel der Genien

Die habsburgische Vergangenheit beherrscht weiterhin das literarische Bewusstsein Österreichs. Der 1929 abgeschlossene Roman »Das Maskenspiel der Genien« von Fritz Herzmanovsky-Orlando ist ein Werk der phantastischen Literatur, das in der neuerwachten Gotik der Levante spielt. Es ist sein Hauptwerk und zugleich ein Hauptwerk der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts, ein von Einfällen und Witz überquellender, wunderschöner Alptraum. Ein Werk in der Tradition des österreichischen Humors und unter dem Einfluß von Alfred Kubins fin de siecle-Roman »Die andere Seite«.

»Das Maskenspiel der Genien« thematisiert die Spiegelung von Traum und Realität und ist eine Mischung aus antikem Mythos und Commedia dell` arte zum Zwecke der Vervballhornung der Habsburger Monarchie und ihres willfährigen und selbstgefälligen Beamtentums. Es ist die Wiederauferstehung des Mittelalters mit seinen Gauklerfiguren unter der Maske der Commedia dell` arte. Der Roman ist ein wahres Königtum des phantasievollen Einfallsreichtums und frechen Gauklertums. Die K.u.K.-Groteske spielt in der Tarockei. Der zu Lebzeiten unveröffentlichte und zunächst deutlich gekürzt publizierte Großroman »Das Maskenspiel der Genien« wurde 2011 in einer für breite Leserschichten angelegten unkommentierten "Volksausgabe" veröffentlicht.


Den ersten Teil der Reise führt den Abenteurer und Forscher Cyriak von Pizzicolli, eine literarische Verfremdung des Vorbildes Cyriacus von Ancona, in die Tarockei. Den zweiten Teil der Reise führt Pizzicolli nach Arkadien und in das antike Griechenland. Ins Bizarre gleitet die Reise nach Griechenland zur Zeit der Gotik ab. Hier spielt das Maskenspiel in der neuerwachten Gotik der Levante. Durch ungeheure Tragik gerät er in ein antikes Göttermysterium.

Arkadien ist ein ägäisches Wunderland voller mondäner Feste, bizarrer Einsiedler, berückender Landschaft und undeutlicher politischer Zugehörigkeit – die Türken werden nicht wirklich geleugnet, spielen aber nur eine untergeordnete dekorative Rolle – ist die eigentliche politisch-surrealistische Erfindung Herzmanovskys vorgelagert: die Tarockei, ein vom Fürsten Metternich geschaffener Pufferstaat im Süden der Donaumonarchie, der den Namen von seiner monarchischen Konstitution her trägt: Er wird nach den Regeln des Tarock-Spieles regiert.

Die Tarockei ist keine Insel der Seligen, obwohl von der Außenwelt der Nachbarstaaten gut abgeschirmt. Sie enthält natürlich Elemente einer Satire auf das alte Österreich mit seiner im Rückblick von heute bewunderten Bürokratie, die vor allem durch die von ihr entwickelte Sprache zu ihrer Zeit aber auch in manchem administrativen Exzess im Gedächtnis geblieben ist.


Die vier Könige des Landes werden ausschließlich nach ihrer physiologischen Ähnlichkeit mit den Spielkarten ausgesucht, und so gelangen die erstaunlichsten Personnagen auf den Thron. Hinter den Tetrarchen aber steht der eigentliche Machthaber, ein unheimlicher, nie erblickter Rat der Drei, bestehend aus den Tarockkarten Sküs, Mond und Pagat.

Durch eine Kastentür gelangt der verwaiste, ledige Cyriak von Pizzicolli, der sein Leben lang nie weit von Graz weggekommen ist, auf Traumpfaden in die Tarockei, „das einzige Nachbarland der Welt“, ein magisch bevölkertes Phantasiegebilde eines österreichisch-byzantinischen Utopia, dessen Verfassung auf den Regeln des Tarockspiels gründet. Was ihm dort widerfährt, nachdem er der atemberaubend schönen Cyparis - einer Verkörperung und Wiedergängerin der Helena - ansichtig wird, und warum er am Ende ein Hirschgeweih auf dem Kopf trägt, kann Ihnen nur dieses Buch erzählen und niemand anderer als Fritz von Herzmanovsky-Orlando. „

Pizzicolli landet am Ende auf der Insel Kreta. Dort erfolgt auch die Auflösung des geheimnisvollen Mysterienspieles /. des Mysteriums am Ende. Geheimes Wissen um eine versunkene Welt. Ein Mann in einer Mönchskutte offenbart ihm das geheime Wissen um eine versunkene Welt und das Wissen, wie sich die Dinge für ihn zusammenfügen. In der Offenbarung des Mönches in der weißen Kutte Fra Hugo ging Pizzicolli nun ein Licht auf über den geheimen Sinn der Mysterienspiele.

Die ganze religiöse Geschichte hat einen Angelpunkt: das Erscheinen des Erlöses, des Jesus Christos. Alle antiken Mysterien sind nutzlos. Hier in diesem weltvergessenen Stück Europas leben, sehr verborgen, die seltsamsten Bewahrer uralten mystischen Wissens der Tempeleisen, der Träger heiligster Traditionen, von Dingen, die am europäischen Kontinent längst abgeschafft und vorläufig noch vergessen sind.


Nach der Offenbarung gehen dem eingeweihten Pizzicolli nun zahlreiche Spukbilder durch den Kopf. Zum Schluss dann der Auftritt der Harlekine, welche die Maske lüpfen und das Rätsel der Mysterien auflösen. Bald erfuhr Pizzicolli, daß die Herren aus der ganzen Welt an dieser Stelle zusammengekommen seien. S. 487

"Man plane eine Durchwebung der antiken Mysterien mit den Figuren der Commedia dell`Arte ... wie wenn es geworden wäre, wenn Venedig wirklich den ganzen Orient für immer beherrscht hätte."

Am Ende trägt er selbst ein Hirschgeweih auf dem Kopf.


Fritz von Herzmanovsky-Orlando hat 1929 seinen weithin berühmten, jedoch vollkommen unbekannten Roman »Das Maskenspiel der Genien« abgeschlossen. Der Roman ist ein wahres Königtum des phantasievollen Einfallsreichtums. Die K.u.K.-Groteske spielt in der Tarockei. Der zu Lebzeiten unveröffentlichte und zunächst deutlich gekürzt publizierte Großroman »Das Maskenspiel der Genien« wurde 2011 in einer unkommentierten "Volksausgabe" veröffentlicht.

Der Abkömmling der Donaumonarchie hat der Monrachie mit seinem Werk ein groteskes Denkmal gesetzt. Ein traumhaftes Werk nicht nur für phantasiebegabte Leser mit Sinn für Ironie und Komik. Sehr empfehlenswerter Lesestoff für alle, die wirklich gute phantastische Literatur und nicht nur "Fantasy" lesen wollen.



Blog-Artikel:

Fritz von Herzmanovsky-Orlando 140. Geburtstag

»Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil


Weblink:

Cyriacus von Ancona – Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki


Literatur:

Das Maskenspiel der Genien
Das Maskenspiel der Genien
von Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext
Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext
von Bernhard Fetz und Klaralinda Ma



Tarockspiel:

Tarock - Wikipedia - de.wikipedia.org

Samstag, 18. Juni 2022

»Die Vermessung der Welt« von Daniel Kehlmann - in einzelnen Kapiteln

1. DIE REISE

Widerwillig macht sich der berühmte Mathematikprofessor Gauß 1828 mit seinem Sohn Eugen von Göttingen aus auf den Weg nach Berlin. Alexander von Humboldt hatte Gauß gedrängt, dort an einem Naturforscherkongress teilzunehmen. Die Reise wird für Gauß wie erwartet qualvoll. Er beleidigt Eugen und wirft dessen Buch über Turnkunst aus dem Fenster der Kutsche. Gauß besitzt keinen Pass und ein Gendarm will ihm die Einreise von Hannover nach Preußen verwehren. Dank eines unbekannten Mannes, der den Polizisten provoziert und ablenkt, können Vater und Sohn ihre Reise fortsetzen. In Berlin versucht Daguerre, einer der Erfinder der Fotografie, ein Foto von Humboldt und Gauß zu machen. Ein Polizist tritt dazwischen und das Bild misslingt.

2. DAS MEER

Das zweite Kapitel schildert, wie Alexander von Humboldt und sein älterer Bruder Wilhelm aufwachsen. Während Alexander zum Naturwissenschaftler erzogen wird, erhält sein Bruder Sprachenunterricht und ist das Lieblingskind aller. Als Alexander den Entschluss fasst, den Fluss Orinoko entlangzufahren und zu erforschen, wird er von Wilhelm verspottet. Alexander von Humboldt studiert in Frankfurt an der Oder und an der Bergbauakademie in Freiberg. Er wird an das Sterbebett seiner Mutter gerufen und beschließt nach ihrem Tod, in die Neue Welt zu reisen. In Paris begegnet er zufällig dem Naturwissenschaftler Bonpland und macht ihn zu seinem Reisegefährten. In Spanien besteigen sie ein Schiff und kommen zunächst nach Teneriffa, wo Humboldt gerührt einen uralten Baum umarmt. Auf der Weiterfahrt bricht auf dem Schiff ein gefährliches Fieber aus. Die gesamte Besatzung und auch Bonpland erkranken. Nur Humboldt ignoriert das Virus und bleibt gesund. Er seziert unterdessen Quallen und nimmt Messdaten von Luftdruck und Wassertiefe.

3. DER LEHRER

Gauß stammt aus einfachen Verhältnissen. Schon als Kind vollzieht er überragende Gedankengänge und entwickelt sich vom begabten Grundschüler zum genialen Mathematiker. Alle anderen Menschen sind seiner Meinung nach nur zu bequem zum Denken. Ein Stipendium des Herzogs von Braunschweig ermöglicht Gauß ein Universitätsstudium. Als einer der ersten Ballonfahrer nach Braunschweig kommt, erbittet Gauß sich erfolgreich einen Platz im Korb. Während der Fahrt beobachtet er begeistert den Sternenhimmel.

4. DIE HÖHLE
Die Expedition führt Humboldt und Bonpland zunächst nach Neuandalusien (heute Venezuela). Sie überreden einige Indianer, sie durch eine als »Totenreich« verschrieene Höhle zu führen. Je weiter sie hineingehen, desto weniger Indianer folgen ihnen, bis sie schließlich ganz allein sind. Als Humboldt seine Mutter halluziniert, verlassen sie die Höhle. Jetzt will Humboldt mit Hilfe einer Sonnenfinsternis ihren genauen Standort messen und den sagenumwobenen Kanal zwischen dem Orinoko und dem Amazonas finden. Humboldt schreibt einen begeisterten Brief an seinen Bruder und einen weiteren an Immanuel Kant. Durch den Angriff eines Eingeborenen wird Bonpland verletzt, die Messinstrumente zu Humboldts Erleichterung jedoch nicht beschädigt.

5. Die Zahlen

Im Alter von 19 Jahren löst Gauß eines der ältesten mathematischen Probleme, ein 17-Eck nur mit Lineal und Zirkel zu konstruieren. Er schließt sein Studium summa cum laude ab und veröffentlicht als Zwanzigjähriger bereits sein Lebenswerk, ein Buch über die Grundlagen der Arithmetik. Seinen Unterhalt verdient er als Landvermesser. Das Mädchen Johanna lehnt den Heiratsantrag des kauzigen Wissenschaftlers ab. Nach einem deprimierenden Besuch bei dem von ihm verehrten Immanuel Kant in Königsberg, macht Gauß Johanna einen zweiten Antrag. Im Fall einer erneuten Absage will Gauß sich mit Curare vergiften, das auf Umwegen in seine Hände gelangt ist. Humboldt hatte es aus Südamerika nach Berlin gesandt. Johanna nimmt den Antrag jedoch an.

6. DER FLUSS

Humboldt und Bonpland reisen wochenlang durch den Urwald, um den legendären Kanal zu kartieren. Die Tour ist strapaziös, Moskitoschwärme und Krokodile sind allgegenwärtig und mehrfach geraten die Wissenschaftler in Lebensgefahr. Unterwegs finden sie Aufnahme in Missionsstationen. Von einem Curaremeister lernen sie alles über Herstellung und Wirkung des Giftes. Nach dem Erreichen des Kanalendes will Humboldt kein Risiko mehr eingehen und die Aufzeichnungen über die Expedition, Präparate und Herbarien so schnell wie möglich nach Europa senden. Der einsetzende Dauerregen hindert sie jedoch zunächst an der Weiterreise. Hilflos sehen sie von einer kleinen Insel aus zu, wie ihr Boot mitsamt den Ruderern fortgeschwemmt wird.

7. DIE STERNE

Gauß heiratet Johanna und zieht mit ihr nach Göttingen. Er will Direktor der dort geplanten Sternwarte werden. Unterdessen überziehen die vorrückenden Truppen Napoleons das Land mit Krieg. Das Observatorium wird nicht gebaut und Gauß stattdessen verpflichtet, Studenten zu unterrichten. In seiner Weltabgewandtheit versäumt Gauß die Geburt seines ersten Sohnes. Im Alter von dreißig ist Gauß kränklich und leidet unter Konzentrationsschwäche. Er meint, dass er nicht alt werde. Johanna stirbt bei der Geburt ihres dritten Kindes. Gauß erwägt, wieder zu heiraten, damit die Kinder versorgt seien.

8. Der Berg

Bonpland und Humboldt besteigen den Chimborazo, der damals als höchster Berg der Welt gilt. Infolge des Sauerstoffmangels in der Höhe werden sie von Wahnvorstellungen gequält. Sie brechen ab, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Sie erwägen, der Welt trotzdem zu erzählen, sie hätten den Berg bestiegen. Wieder unten schreiben sie nach Europa, sie seien von allen Menschen am höchsten gelangt.

9. DER GARTEN

Gauß hat Johannas Freundin Minna geheiratet. Er kann sie nicht ausstehen und ist nur ungern zu Hause. Deshalb arbeitet er wieder als Landvermesser. Sein Sohn Eugen hilft ihm dabei, doch Gauß ärgert sich über dessen beschränkten Verstand. Als er auf das Land des Grafen von der Ohe zur Ohe kommt, stehen seiner Vermessungsarbeit ein Schuppen und einige Bäume im Weg. Im Gespräch mit dem Grafen stellt sich heraus, dass dieser genau weiß, wer Gauß ist. Der Graf überlässt ihm kostenlos Schuppen und Bäume und Gauß wundert sich über seine eigene Berühmtheit.

10. Die Hauptstadt

Humboldt und Bonpland gelangen nach Acapulco (damals Neuspanien, heute Mexico). Humboldt ist voller Elan, während man dem rasch alternden Bonpland die Strapazen der Reise ansieht. Inzwischen begleiten internationale Zeitungsreporter die Expedition und die Wissenschaftler sind zu Gast beim Vizekönig. Humboldt will jetzt einen Atlas von Neuspanien erstellen. Er vermisst und erforscht das Land, darunter Silberminen und das Erbe der Azteken. In der prähistorischen Stadt Teotihuacan entdeckt er einen riesigen Kalender. Auf dem Vulkan Jorullo seilt er sich in den Krater ab und behauptet anschließend, den Neptunismus widerlegt zu haben. Mit Kisten voller Gesteins- und Pflanzenproben sowie Käfigen mit exotischen Tieren treten Humboldt und Bonpland die Heimreise nach Europa an. Unterwegs werden sie im nordamerikanischen Philadelphia von Präsident Jefferson empfangen, dem sie Bericht über das neu erforschte Gebiet erstatten sollen. Humboldt will fortan in Paris leben.

11. DER SOHN

Nach Humboldts Rückkehr treffen er und Gauß in Berlin aufeinander. Sie sitzen bei Tisch und unterhalten sich über ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien. Nach schwierigen Jahren in Paris ist Humboldt jetzt Kammerherr des preußischen Königs Friedrich Wilhelms. Im Gegensatz zu Napoleon schätzt dieser Humboldts Forschungen. Gauß beleidigt wiederholt seinen ebenfalls anwesenden Sohn Eugen, der schließlich gekränkt den Raum verlässt. Humboldt erzählt, dass Bonpland sich nach der Reise im bürgerlichen Leben nicht mehr zurechtgefunden habe, nach Südamerika zurückgekehrt sei und in Paraguay unter Hausarrest stehe.

12. DER VATER

Nach den Beleidigungen durch seinen Vater zieht Eugen verdrossen durch Berlin. Durch Zufall begegnet er Studenten, die ihn zu einer geheimen politischen Veranstaltung mitnehmen. Eugen erkennt in dem Redner den Mann wieder, der ihn und seinen Vater am Vortag an der Grenzstation davor bewahrt hat, festgenommen zu werden. Das Treffen ist von den »Jungen Patrioten« organisiert, die polizeilich verfolgt werden. Als die Gendarmerie eintrifft, wird Eugen mit allen anderen Beteiligten verhaftet.

13. DER ÄTHER

In Berlin hält Humboldt vor einem illustren Publikum einen Vortrag über seine Erkenntnisse der Welt und des Kosmos. Auch Gauß ist anwesend. Beim Verlassen des Saals hält Humboldt ihn auf und stellt ihn zahllosen Berühmtheiten vor, darunter auch seinem Bruder Wilhelm von Humboldt. Die vielen Menschen sind eine Qual für Gauß und endlich gelingt es ihm, zu entkommen. Er irrt durch die Straßen Berlins und findet zu Humboldts Haus zurück. Als Humboldt ebenfalls eintrifft, kommt es zu einem disput darüber, was Wissenschaft eigentlich sei. unterbrochen werden die beiden von der nNchricht, dass eugen verhaftet worden sei.

14. DIE GEISTER

Gauß und Humboldt brechen auf, um sich bei dem Gendarmeriekommandanten Vogt für Eugen einzusetzen. Sie treffen ihn bei einer spiritistischen Sitzung an. Humboldt bittet Vogt um die Freilassung von Eugen. Vogt zögert und Gauß unterstellt ihm Bestechlichkeit. Es kommt zum Streit; Humboldt und Gauß machen sich unverrichteter Dinge auf den Heimweg. Unterwegs sprechen sie über ihre jeweiligen Zukunftspläne.

15. DIE STEPPE

Humboldt reist zu Forschungszwecken nach Russland. Der Zar finanziert das Unternehmen, legt aber zugleich die Reiseroute fest und stellt Humboldt unter Aufsicht. Der alternde Wissenschaftler wird zwar überall im Land als Berühmtheit gefeiert, von seinen Begleitern jedoch belächelt. Man lässt ihm keine Zeit für die Forschung und es gelingt ihm nicht, seine Untersuchungen des Magnetismus sinnvoll durchzuführen. Unterdessen stellt Gauß, mit dem

Unternehmen, legt aber zugleich die Reiseroute fest und stellt Humboldt unter Aufsicht. Der alternde Wissenschaftler wird zwar überall im Land als Berühmtheit gefeiert, von seinen Begleitern jedoch belächelt. Man lässt ihm keine Zeit für die Forschung und es gelingt ihm nicht, seine Untersuchungen des Magnetismus sinnvoll durchzuführen. Unterdessen stellt Gauß, mit dem Humboldt in regem Briefkontakt steht, eigene Versuche zum Magnetismus an. Später verlegt Gauß sich auf Sterbestatistiken. Gegen Ende der Reise gerät das Schiff mit Humboldt und seinen Begleitern im Kaspischen Meer in dichten Nebel. Humboldt erhält Gelegenheit, seine Fähigkeiten als Navigator unter Beweis zu stellen.

16. DER BAUM

Seit seiner Verhaftung befindet Eugen sich in der Gewalt der Geheimpolizei. Humboldt kann ihm eine Ausreisemöglichkeit nach Übersee verschaffen. Anders als Gauß und Humboldt zeigt Eugen kein Interesse für das Neue, das ihm unterwegs begegnet. Der Baum in Teneriffa, den Humboldt umarmt hatte, lässt ihn kalt. Er fühlt sich vom Vater verlassen und hat Heimweh. Der Kapitän seines Schiffes besitzt einen Chronometer und verkündet, die Zeit der großen Navigatoren sei vorbei. Während der Überfahrt nach Amerika lernt Eugen einen Iren kennen. Die beiden schmieden Pläne für eine gemeinsame Firma.


In prägnanten Szenen und mit knappen Sätzen skizziert Daniel Kehlmann das Leben der Zeitgenossen Gauß und Humboldt. Die beiden Wissenschaftler kannten sich flüchtig. Beide wollten die Welt vermessen, der eine im Königreich Hannover, der andere im südamerikanischen Urwald, beide wollten den Erdmagnetismus verstehen und den Kosmos erklären. Ihre Herangehensweise war jedoch denkbar verschieden: Während Humboldt im Geist von Goethe die Natur als ein großes Ganzes versteht und nach greifbaren Zusammenhängen sucht, tüftelt Gauß im Verborgenen und findet Erklärungen in abstrakten mathematischen Formeln. Es ist dem Autor gelungen, die Fülle des biografischen Materials zu reduzieren und einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Dass er sich dabei nicht strikt an historisch belegbare Fakten hält, entspricht dem Genre des Romans.

Samstag, 16. Oktober 2021

»Michael Kohlhaas« von Heinrich von Kleist

Michael Kohlhaas

Die Novelle »Michael Kohlhaas«, die Heinrich von Kleist im kühlen Stil der Chronik geschrieben hat, gilt als Kleists berühmtestes und berüchtigstes Werk.

»Michael Kohlhaas« ist eine Novelle von Heinrich von Kleist nach dem historischen Vorbild der Figur des Hans Kohlhase. Die Geschichte des Michael Kohlhaas ist in der Mitte des 16. Jahrhunderts angesiedelt. Die Story um den rachsüchtigen Pferdehändler beruht auf einer wahren Geschichte: der Kaufmann Hans Kohlhase wurde nach sechsjähriger Fehde wegen Landfriedensbruch hingerichtet.

Ein erstes Fragment erschien bereits in der Juni-Ausgabe 1808 von Kleists Literaturzeitschrift »Phöbus«. In vollständiger Form wurde sie 1810 im ersten Band von Kleists Erzählungen veröffentlicht. Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas, »einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit«, zählt zu den eindrucksvollsten Gestalten der Weltliteratur. »Michael Kohlhaas« ist auch die berühmteste Figur Kleists. Als uneinsichtiger Querulant und Rechthaber ist er sprichwörtlich geworden.


In »Michael Kohlhaas« erzählt Heinrich von Kleist die blutige Geschichte des Rosshändlers Kohlhaas, der unverschuldet und aufgrund einer Unpässlichkeit mit einem Landjunker in Streit gereit und daraufhin sein Recht einfordert.

Die Novelle um Michael Kohlhaas spielt in Brandenburg und Sachsen. Kohlhaas ist ein Mann, der an dem Unrecht resigniert und hilflos da steht. Niemand hilft ihm und steht an seiner Seite. Je mehr er in Bewegung setzte, um sich gegen das Unrecht aufzulehnen, umso mehr traf er auf Fronten, auf Mauern, auf Schweigen und Gegenwehr. Er wollte kämpfen für das Recht und nur das war es, was ihn nach vorne sehen ließ.

An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. - Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.

Die Erzählung spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts und handelt vom Pferdehändler Michael Kohlhaas, der gegen ein Unrecht, das man ihm angetan hat, zur Selbstjustiz greift und dabei nach der Devise handelt: „Fiat iustitia, et pereat mundus“ (dt.: „Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde!“). Ernst Bloch nannte daher Michael Kohlhaas auch den „Don Quijote rigoroser bürgerlicher Moralität“.

Michael Kohlhaas

Der Rosshändler Kohlhaas macht sich aus dem Brandenburgischen auf, um auf einer Messe seine Pferde zu verkaufen. Bei der Burg des Junkes Wenzel von Tronka wird er unter dem Vorwand aufgehalten, er habe keinen Pass. Wohl oder übel geht er auf die Forderungen der betrunkenen Ritter und ihres Junkers ein. Er lässt als Pfand zwei Pferde und seinen Diener Herse zurück.

"Das sind nicht meine Pferde, gestrenger Herr!
Das sind die Pferde nicht, die dreißig Goldgulden wert waren!
Ich will meine wohlgenährten und gesunden Pferde wieder haben!"

Der Rosshändler Kohlhaas, vom Junker Wenzel von Tronka unrechtmäßig um zwei seiner Pferde gebracht, streitet für Gerechtigkeit: Als ihm diese auf juristischem Weg verwehrt bleibt, beginnt er einen blutigen Rachefeldzug gegen seinen Übeltäter. Schließlich erfährt er Genugtuung doch für das auf der Suche nach Gerechtigkeit begangene Unrecht zahlt Kohlhaas mit seinem Leben.

Als die Beilegung der Streitigkeit auf juristischen Wege abgewiesen wird, schwört Kohlhaas, alles daran zu setzen, sein Recht bis zum Letzten einzufordern. Zur Eskalation des Konflikts kommt es schließlich, als Kohlhaases Frau bei dem Versuch, ihm zu helfen, durch einen Unfall geschwächt ihren Verletzungen erliegt.

"Ich werd' mir mein Recht zu schaffen wissen!" - Ein fulminantes Werk über erfahrenes Unrecht und Selbstjustiz. Es ist eine Kritik des Rechtssystems. In Michael Kohlhaas geht es ihm um die Gerechtigkeit der höhergestellten Leute gegenüber dem einfachen Bürger. Die Geschichte um Michael Kohlhaas ist sicherlich auch als Synonym für viele einfache Menschen der unteren Stände dieser Zeit zu sehen, die sich Lehnsherren und Fürsten schutzlos ausgeliefert sahen und um ihre bürgerlichen Rechte betrogen fühlten.

Indirekt gab der patriotisch gesinnte Kleist damit relativ unverfänglich seiner Hoffnung Ausdruck, ein geeintes Deutschland möge sich Napoleon entgegenwerfen und den Besatzer besiegen.

Literatur:

Michael Kohlhaas
Michael Kohlhaas
von Heinrich von Kleist

Michael Kohlhaas Berlin 1810
Michael Kohlhaas Berlin 1810
von Heinrich von Kleist


Weblink:

Michael Kohlhaas - www.wikiwand.com


Dokumentation:

Hinrichtung von Hans Kohlhase - www.deutschlandfunk.de

Heinrich von Kleist: "Michael Kohlhaas" (1810) (Aus einer alten Chronik - TextalsPDF-Datei - www.ub.uni-bielefeld.de

Samstag, 18. September 2021

»Das Walnusshaus« von Miljenko Jergovic

Das Walnusshaus
Das Walnusshaus

Miljenko Jergović, geboren 1966 in Sarajevo, lebt heute in Zagreb. Er arbeitet als Schriftsteller und politischer Kolumnist und ist einer der großen europäischen Gegenwartsautoren. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden. Miljenko Jergović gehört zu den großen und bedeutendsten Erzählern Osteuropas. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Das Walnusshaus«, »Sarajewo Malboro« und »Mama Leone«.

Mit der verrückten Manda, die den Briefträger beißt, beginnt alles und damit, dass sie im Krankenhaus von einem Arzt mit einer Überdosis eingeschläfert wird. Siebenundneunzig ist die Alte und hat ein ganzes Jahrhundert in Dubrovnik erlebt. Stück für Stück rollt der Autor ihr Leben auf, geht zurück, und nach und nach erleben wir die Geschichte der Frau sowie ihrer Heimatstadt Dubrovnik.

Meisterhaft erzählt Miljenko Jergovic die Lebens- und Liebesgeschichten mehrerer Generationen. Die 600 Seiten prallvoll mit Geschichte und Geschichten. Zwischen Grauen und Komik entsteht die tragische Geschichte des Balkans im 20. Jahrhundert. Miljenko Jergovic erzählt die Geschichte einer Frau (und ihren weiteren Familenangehörigen) aus Dubrovnik, deren Leben praktisch das ganze 20. Jahrhundert erfasst. Und er erzählt diese Geschichte rückwärts!



Der Autor nimmt uns mit auf einer Reise durch die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, erzählt aus den höchst individuellen Blickwinkeln seiner Figuren, einfacher Menschen, durchwegs Kindern ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft.



Weblink:

Das Walnusshaus
Das Walnusshaus
von Miljenko Jergović

Samstag, 11. September 2021

»The Dunkiade« von Alexander Pope

The Dunciad: In Four Books by Alexander Pope (2012-11-18)

»Die Dunkiade« ist ein satirisches Gedicht des englischen Dichters und Schriftstellers Alexander Pope.

Als seine Edition der Shakespeareschen Werke von dem Publizisten und Shakespeare-Herausgeber Lewis Theobald 1726 angegriffen wurde, antwortete er 1728 in Versform mit dem Spottepos »The Dunciad« (»Die Dunkiade«, 1778), in dem er in satirischer Form Theobald auf den Thron der Dummköpfe stellte und zugleich mit der sogenannten Grub Street, der Zunft der Lohnschreiber, abrechnete.

Die »Dunkiade« beginnt mit der Anrufung einer Göttin. Diese Göttin ist, die Stumpfheit, TochterdesChaos und der ewigen Nacht. Sie regierte schon, bevor die Sterblichen lesen und schreiben lernten. Und das sie eine Göttin ist, wird sie ewig leben.

Der Held des Gedichts ist ein glückloser Poet, dem nichs einfällt. Schließlich verbrennt er aus Verzweiflung seine eigenen Werke zusammen mit denen von Shakespeare und Moliere. Vom Rauch des Opfers gnädig gestimmt, offenbart sich ihm die Göttin und entführt ihn in ihr Heiligtum. Dort salbst sei ihn zum König un umnebelt ihn mit Opiumschwaden, fortan führt er eiene neuen Namen - Dummkopf I.

Zu Ehren der fresich genkrönten Majestät fidnen homerische Wettkämofe staatt. Sie werden nicht vom König, sondern von der Königin höchst perslnllich ausgerichtet. Als erstes müssen die Dichter, diezu Tausendne in das Reich der Dumpfheit gepilgert sind, beweisen, daß sie Krach machen können. Als nächstes sind die Journalisten dran. Sie müssen im Schlammtieftauchen ihren Mann stehen. Einer berichtet hinterher, daß ihm dort unten im Moder aus Verleumdungen und Gerüchten erotische bräunliche Schlammnymphen begegnet seien.

Zu guter Letzt werden die Literaturkritiker schwer geprüft. Während dsa Publikum ein beruhigendes Summen anstimmt, wird ihnen aus dickleibigen Wälzern vorgelesen. Wer nicht einschläft, hat gewonnen.

Nach den Wettkämpfen ruht sich König im Tempel seiner Königin aus. Während er seinen Kopf in ihrem Schoß birgt, steigen wundersame Visionen
in ihm auf. Der Held wähnt, das eine verrückte Muse ihn ins Elysium führt, wo er Zeuge wird, wie die Seelen der ungeborenen Dichter mit dem Wasser der Lethe getauft werden, das Vergessen schenkt.

Danach führt ein klappriges altes Gespenst den Helden auf den Berg der Visionen, von wo aus er Vergangenheit und Gegenwartder Dumpfheit sehen kann. Ehrfürchtig betrachet er die andalenhorden, die alles kurz udn klein schalgen, was ihren geistigen Horizont übersteigt. Er betrachtet den Siegeszug der religiösen Intoleranz, bei demn Priester Bücher verbrennen, die sie nie gelesen haben.

Er enthüllt, daß bald auch diebritischen Inseln wieder dem Reich der Königin einverleibt werden. Eine bleierne Zeit bricht an, in der dei besten Köpfe nur noch dazu da sind, daß man sie hängen lässt.

Den Schluss bildet eine Prophetie. wird mit der Zukunft bekannt gemacht. Dabei erfährt er, daß die über eine Massenvernichtungswaffe verfügt: ihr Gähnen. Niemand kann sich ihm entziehen: Bald schlafen ganze Kirchengemeinden bei der Predigt ein, darauf die Schulen, die Univesrsitäten und auch das Parlament macht ein Nickerchen.

Mit seinen letzten Versen beschreibt Alexander Pope, wie der Triumph der Göttin universal wird.


Literatur:

The Dunciadn
The Dunciad
von Alexander Pope

Samstag, 14. August 2021

»Der Mensch lebt im Holozän« von Max Frisch



Der Roman »Der Mensch lebt im Holozän« von Max Frisch spielt in einem einsam gelegenen Bergtal in den Schweizer Alpen. Manches über das Dichterdorf Berzona, in dem Max Frisch gelebt hat, findet sich in Frischs Erzählung wieder. Wegen seiner Ursprünglichkeit und Abgeschiedenheit hat diese karge Berglandschaft immer wieder Fremde angelockt. Romanciers und Revolutionäre, Aussteiger und Asylsuchende. Anfang des vorigen Jahrhunderts waren es vor allem Künstler, die das Tal für sich als unberührten Ort entdeckten. Um hier den Erholungsurlaub zu verbringen, zu studieren oder schöpferisch tätig zu sein.

Es ist August in den Alpen. Die Wolken haben sich zwischen den Bergen verkeilt. Der Dauerregen weicht den Boden auf. Es heißt, ein Felssturz habe das Tal abgeriegelt. An Gartenarbeit ist nicht zu denken. Herr Geiser sitzt in seinem Haus fest und versucht, sich die Zeit zu vertreiben. Er fertigt Gebäude aus Knäckebrotscheiben, bestimmt die unzähligen Arten des Donners, schlägt Begriffe im Lexikon nach. Um nicht beständig dem Regen zu lauschen, beginnt er zu lesen. Die Gedanken aber schweifen ab.

Geiser ist der tragische Protagonist in Frischs später Erzählung »Der Mensch lebt im Holozän«. In dem Buch wird dessen Isolation in einem Bergtal erzählt, einhergehend mit einem präsenten Gewitter und Geisers parallel stärker werdenden Demenz bis zum Schlaganfall.

Die Genialität dieses Werks steckt in Frischs perfektem Einklang der literarisch-ästhetischen Trias: Inhalt, Form und Stil. Die Erzählung wird aus der personalen Perspektive Geisers beschrieben. Die Syntax ist stark reduziert. Sie kulminiert in bloßen Wiederholungen der Feststellungen - der Vergewisserung des Daseins als geschichtlicher Mensch, der erinnert, um zu wissen. Die kriechende Demenz ist Ursache dieser sprachlichen Reduktion. Geiser versucht sich festzuhalten. Das Festhalten scheint ihm nur noch durch das Niederschreiben und Entäußern des Wissens von lexikalischen Einträgen auf Materiales, ins räumliche Draußen zu gelingen. Die Erinnerung von der Bergtour mit seinem Bruder Klaus auf den Matterhorn umschreibt parabolisch die einstige Stärke im (noch) Sich-Festhalten-Können an/in der Welt, im Erklimmen der Höhe, der Flucht aus jenem Tal der Krankheit, die in der Vergangenheit selbstverständlich war (Frisch wechselt hierbei auch in den entsprechenden, sonst im Präsenz gehaltenen Tempus). Im auch gelingenden Versuch der erneuten Wanderung, des abermaligen Ausbruchs, bleibt nur die Frage: wozu eigentlich? Der Sinn verloren, vergessen. Eine bittere Erfahrung ohne jede Erkenntnis.



Frisch spielt mit der Symbolik. Geiser sieht den Salamander in seinem Bad. Ist er nur noch ein kleiner Lurch. Wieder werden lexikalische Collagen ausgeschnitten von Sauriern, den großen und majästätischen Riesen. Nur noch Lurche in der fortgeschrittenen Zeit. Hier gelingt dem Schriftsteller auch eine kleine Philosophie der Sprache. Wissen ist versprachlicht, den Dingen sind Namen angeheftet. Doch was ändert sich, wenn der Mensch von Geiser - wie im Lexikoneintrag - nicht etwa im Pleistozän, sondern im Holozän erscheint? Der Ausdruck der Verwechselung hat die Ordnung eines Menschenbildes (sei es um der Pathologie willen) zerstört. Ist diese Ornung aber eben doch nur eine menschliche. In der Collage des Schlaganfalls wird Geisers Tragödie realisiert - ein letztes Gewusstes bleibt: "Was heißt Holozän! Die Natur braucht keine Namen. Das weiß Herr Geiser. Die Gesteine brauchen sein Gedächtnis nicht."

Das Buch ist sehr einfach zu lesen. Und doch steckt in ihm eine Brillanz, die erst nach einer Analyse der eingesetzten Technik und Stilistik sich offenbart. Für eine Interpretation reicht leider meine Kenntnis über das Gesamtwerk und das Leben des Schrifstellers nicht, der vermutete autobiographische Züge als "Schwachsinn" abgetan hat. Die Stellung des Menschen in einen Titel mit dem Wort "Holozän" ist klar eine philosophische Fragestellung. Die Stellung des Menschen im Kosmos, in der Zeit, in der Geschichte wird thematisiert, wie die Collage von der Eschatologie uns glauben machen will. Auch die metaphysische Frage, was denn von den Dingen bliebe, ohne die Menschen.

Buchempfehlung:

Der Mensch

Der Mensch erscheint
im Holozän
vom Max Frisch

Blog-Artikel:

Max Frisch in Berzona - Kulturwelt-Blog

Weblink:

Max Frisch in Berzona - www.dw.com