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Samstag, 18. September 2021

Frisch und Dürrenmatt - der Inbegriff Schweizer Weltliteratur

Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt sind der Inbegriff schweizer Weltliteratur, denn sie haben den literarischen Ruf der Schweiz begründet und in die Welt getragen. Ihr Beitrag zur Weltliteratur ist

Beide verband die Erfahrung des Krieges. Doch beide waren von ihrer Natur her grundverschieden. Der eine war ein Komödienschreiber, der andere ein Romanautor.
Dürrenmatt gilt als der Kosmiker, der Meteor, der in seinen Werken die Welt, das Weltall und den Wahnsinn gestaltet und so weit wie möglich von sich absieht und dann der Ich-Denker, der Schuld-Dichter, der Liebes-Dichter, der nach sich fragt und zweifelt und sucht und sich selbst näher kommt.

"Ich bin der finsterste Komödienschreiber, den es gibt."

Ihre Stunde kam nach dem Krieg, als ein Mann aus Amerika nach Zürich kam, der ihr Leben beeinflussen und verändern sollte.

Als beide anfingen, Schriftsteller zu werden, da kam ein Mann nach Zürich, wo sie lebten und wo ihre ersten Stücke aufgeführt worden waren, der berühmteste Dramatiker der damaligen Zeit. Brecht kam aus dem Exil aus Amerika zurück nach Europa und beobachtete aus sicherer Entfernung die politische Entwicklung in Deutschland. Dort in Zürich lernte er Frisch und Dürrenmatt kennen.

Und gerade eben dieser Brecht sollte zu Frischs Wegbereiter werden. Max Frischs Strahlkraft ist ungebrochen. Er gehört, zusammen mit Friedrich Dürrenmatt, zur Weltliteratur. Zur Schweizer Weltliteratur. Er war und ist ein Nationaldichter der Schweiz.

Dürrenmatt hatte ganz anderes im Sinn als Brechts Lehrstücke - nämlich Katastrophen, Weltenbrände, Labyritnthe und Komödien. Sein erste, jedoch nie gespieltes Stück, entstand mitten im Krieg im Jahr 1943.

Max Frisch ist noch immer das Aushängeschild der Literatur aus der Schweiz, auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod. Er beschäftigte sich mit bedeutenden Fragen der Zeit. Den leidenschaftlichen Zeitgenossen trieb bis zuletzt die Frage um: "Wie bleibt das Individuum lebendig – und wie ein Staat?"

Die Autoren hießen nicht Frisch und Dürrenmatt, wenn sie nicht ihr Schweizbild und ihre Haltung zur Schweiz hintergründig in ihrem Werk ausbreiten würden.


Weblinks:

Max Frisch ist die Schweiz - www.blick.ch


Ich bin der finsterste Komödienschreiber, den es gibt
- Die ZEIT - www.zeit.de








Samstag, 17. Juli 2021

Martin Walker und sein Perigord

Martin Walker

Martin Walker - 1947 in Schottland geboren - ist ein schottischer Historiker, politischer Journalist und Schriftsteller. Er wohnt mit seiner Familie in Le Bugue in Süd-Frankreich in seiner Wahlheimat, dem weinseligen Périgord.

Der schottischer Schriftsteller Martin Walker hat seiner Wahlheimat, dem französischen Périgord, ein literarisches Denkmal gesetzt. Nun führt er an die Schauplätze seiner Romane.

Der in Schottland geborene Schriftsteller wurde erst in Frankreich zum Kriminalautor. 1999 ließ er sich mit seiner Familie in einem kleinen Ort im Périgord nieder. Dort spielen seine erfolgreichen Kriminalfälle rund um den Dorfpolizisten Bruno.


Es geht es um den sympathischen Polizisten Bruno und das Perigord, um Landschaft und Essen, Freundschaften und so nebenbei um eine Krimihandlung. Diese sind etwas zu sehr konstruiert, aber nicht unspannend und meist mit viel Historie angereichert,

Bei Martin Walker ist die Rezeptur in seinen Romanen fein verteilt. Im Roman fließt wenig Blut, es geschehen wenige Morde, dafür ein charaktervoller Kommissar und dazwischen gibt es schöne Kochrezepte aus der französischen Küche.

Martin Walkers Romane spielen im geschichtsträchtigen Périgord mit seinen herrlich trutzigen Burgen. Die Romane sind Annäherungen an das Perigord. Sie behandeln die reiche Geschichte und die kulinarischen Spezialitäten des Périgord. Die Bücher rund um den Chef de Police Bruno liefern wie immer gute Inspirationen für einfache, schmackhafte Gerichte.

Inspiriert von den Bewohnern und der langen historischen Vergangenheit der Region schrieb Walker 2008 seinen ersten Kriminalroman: "Bruno - Chef de Police".

Mittlerweile sind zehn weitere Kriminalromane von Martin Walker dazugekommen. Wer gerne Kriminalromane liest, ein Gefühl für Südfrankreich und seine Lebensart entwickelt hat, dazu gerne kocht und nach guten Inspirationen für einfachen, schmackhaften Gerichten sucht, der ist mit den Krimis von Maritn Walker sehr gut bedient. - Bon appetit!


Literatur:

Reiner Wein: Der sechste Fall für Bruno, Chef de police
Reiner Wein: Der sechste Fall für Bruno, Chef de police
von Martin Walker

Weblink:

Martin Walker über das Herz Frankreichs - Youtube

Samstag, 15. Mai 2021

Max Frischs Verhältnis zur bürgerlichen Gesellschaft

Max Frisch wart der meistgelesene Schriftsteller der Schweiz, in Deutschland verkauften sich seine Bücher in Millionenauflage. Max Frisch ist durch sein Werk zu einem Weltautor geworden. Sein Werk ist Ausdruck der Zerrissenheit und Mühen eines schreibenden Menschen.

Beide Weltkriege suchen ihn heim, auch wenn seine Heimat, die Schweiz, verschont bleibt. Der erste Krieg trübt die eigene Kindheit, beschädigt das Familienleben, der zweite zertrümmert sein schriftstellerisches Selbstverständnis. Fortan setzt er sich verschiedensten Realitäten aus, solange sie noch »glühende Objekte« sind: den Ruinen der kriegs­versehrten Länder genauso wie der Liebe. Er holt das exakte Beobachten nach, sodaß er bald auffällt und die Beobachteten irritiert.

Es entstanden längst zu Klassikern gewordene Werke wie "Graf Öderland", das "Tagebuch 1946-1949" und "Stiller". In ihnen zeigt Max Frisch auf einzigartige Weise, daß Politik und Literatur keine Gegensätze sein müssen – dabei geht er, der große Identitätssucher, stets vom Ich und oft vom eigenen Ich aus, obwohl er es jedesmal als Glück empfindet, wenn er sich fremd ist.


Max Frisch liebte die Schweiz, wie nur ein Kritiker das Objekt seiner Kritik lieben kann: tief und innig. Aber er erfuhr auch viel Ablehnung in seiner Heimat. Der Patriot Frisch erfuhr damals nicht nur Ablehnung durch die schweizer Bundesanwaltschaft. Er wurde praktisch von der ganzen bürgerlichen Schweiz ausgegrenzt, nicht zuletzt vom Zentralorgan dieser bürgerlichen Schweiz, der «Neuen Zürcher Zeitung». Auch das schmerzte ihn.

Und auch da ist zu fragen: Weshalb eigentlich? - Das kultivierte Bürgertum in aller Welt las ihn, schätzte ihn, verehrte ihn. Was bedeutete da die miefige Antipathie des provinziellen Schweizer Establishments, das Elite zu nennen sich ja ohnehin ver- bot – und bis heute verbietet?

Literatur:

Briefwechsel

Briefwechsel
von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt


Weblink:

Zerrissenheit und Mühen eines schreibenden Menschen



Mittwoch, 14. Oktober 2020

Dario Fo und sein Spott gegen die Macht

Dario Fo

Der italienische Autor und Schauspieler Dario Fo ist ein humoriger Vertreter seiner Zunft, der sich selbst sich als Clown bezeichnete. "Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, um Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst", sagte er einmal recht spöttisch.

Um klare Worte war Dario Fo nie verlegen. Und so sagte er in seiner Dankesrede, als er 1997 ziemlich überraschend den Nobelpreis für Literatur erhielt, dass er nicht zum Theater gegangen sei, um den Hamlet zu spielen, sondern um den Clown, den Hanswurst zu geben. Durch diese Haltung, zu der er sich schon in seinen Anfängen entschlossen hatte, wurde er in Italien keineswegs zum theatralisch-komischen Leichtgewicht, im Gegenteil.

Eigentlich war Dario Fo Architekt. Doch das Theater, vor allem die freie Bühne, zog ihn magisch an. Dort verkörperte er lüsterne Päpste, skurrile Politiker und geschwätzige Trunkenbolde. „Wir sind Flegel, und wie alle Flegel dieser Welt gefällt es uns, zu lachen und zu spotten, grotesk, vulgär und manchmal auch possenhaft zu sein“, sagt der für seine ausdrucksstarke Mimik bekannte Mailänder.

Viele Jahre war er in dem Land, in dem einst die Commedia dell’arte erfunden wurde, einer der wichtigsten und einflussreichsten Theatermacher. Er wurde vom einfachen Volk wie von den gehobenen Schichten zumindest wahrgenommen, meistens indes geliebt, oft gefürchtet. Die politische Kaste freilich, mit der er sich prinzipiell und herzlich gern anlegte, beobachtete ihn mit durchaus begründetem Argwohn.

Dario Fo war ein begnadeter Spötter, ein Arleccino in der Tradition der Commedia dell` arte. Mit seinem Sprachwitz, als Possenreißer, als Pantomine wurde Fo berühmt.

Sein Theaterspiel war ein Spiel mit der Macht. Legendär war sein Spott gegen die Macht. Fo war der Ansicht, daß jede Macht nichts mehr als das Lachen den Spott fürchte. Satire sei letztlich das schlechte Gewissen der Macht.

Berühmt wurde Dario Fo vor allem für seine satirischen Dramen. Dario Fo war ein italienischer Theaterautor, Regisseur, Bühnenbildner, Komponist, Erzähler, Satiriker und Schauspieler. Er war ein Vertreter des politischen Agitationstheaters. Sein groteskes Bühnentheater basiert auf der Commedia dell'arte des Mittelalters, dessen Methoden er neu belebte.

Fo war für seinen Sprachwitz und seinen subversiven Humor bekannt. Spott ist immer dann besonders subversiv, wenn er sich gegen die Macht richtet. Sein Stilmittel war der Humor. "Lachen ist die Freiheit", bekannte er. Dario Fo, geboren 1926 in Sangiano am Lago Maggiore, wusste aber, dass genau dieses offene, respektlose, ungenierte Lachen eine überaus wirksame Waffe gegen die Macht und die Mächtigen, gegen Repression und Ausbeutung sein kann.

Als Schriftsteller sah sich Dario Fo in der Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler, die die Macht öffentlich geißelten. Er kritisierte Politiker ebenso wie religiöse Anführer, die Waffenindustrie oder die Mafia. Immer wieder musste er sich wegen Beleidigung und der Verhöhnung Mächtiger vor Gericht verantworten.

1997 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Ein Clown gewann den Literaturnobelpreis.Mit dem Preis wurde Fo für sein Talent, seine politische und soziale Theaterarbeit geehrt. Da er viele Stücke gemeinsam mit seiner 2013 gestorbenen Frau Franca Rame schrieb, sprach er stets von “unserem Nobelpreis”.

Geboren am 24. März 1926 in der Gemeinde Sangiano nahe dem Lago Maggiore, wuchs Fo zwischen Fischern, Schmugglern und Geschichtenerzählern auf. Von ihnen lernte er auch das Schauspielern. Im Theater verkörperte er lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde.

Weblinks:


Lachen über die Macht und die Mächtigen
– www.berliner-zeitung.de

Der Hanswurst, den die Mächtigen fürchten - www.ln-online.de

Samstag, 28. März 2020

»Die Stadt der Blinden« von José Saramago

José Saramago

José Saramagos gesellschaftskritischer Roman »Die Stadt der Blinden« gilt als sein literarisch überzeugendstes Werk, denn der Roman ist eine gelungene Parabel über die Blindheit der Menschen. »Die Stadt der Blinden« ist José Saramagos Antwort auf den düsteren Roman »Die Pest« von Albert Camus. Beide Werke schildern eine gesellschaftliche Dystopie.

Der Roman beginnt damit, daß ein Mann mit seinem Auto an einer Ampel steht. Von einer Sekunde auf die nächste, ohne erklärbaren Grund, erblindet er. Wie ihm ergeht es immer mehr Menschen in seiner Heimatstadt. Wie eine Seuche greift die Blindheit um sich. Die Regierenden wissen sich nicht anders zu helfen, als die Betroffenen in einer verlassenen Irrenanstalt einzuquartieren - unter der Bewachung von Soldaten, die auf jeden schießen, der fliehen will.

Die Situation spitzt sich allmählich zu. Je mehr Blinde dort zusammengepfercht werden, desto schlimmer, desto unmenschlicher wird die Situation. Die Betroffeenen sehen sich stufenweisen Massnahmen gegenübergestellt - angefangen von der behördlichen Erfassung bis hin zur Internierung. Inmitten dieses grausamen Chaos befindet sich ein Augenarzt mit seiner Frau - die als Einzige noch sehen kann.

José Saramago, portugiesischer Literaturnobelpreisträger, beschreibt die Entwicklungen im Verhalten der Menschen nach dem die rätselhafte Krankheit ausgebrochen ist. Mitten in der Stadt erblindet plötzlich ein Autofahrer an einer Ampel. Kurz darauf Passanten, seine Frau, der Arzt - und plötzlich steht nach mehreren Übertragungsfällen fest: eine Epidemie greift um sich. Die Blindheit äußerst sich durch das Entstehen eines weißen Nebels vor den Augen und greift schnell um sich.

Zunächst wird der Chefarzt für Augenheilkunde über die seltsamen Vorfälle informiert, dann das Ministerium für Gesundheit. Der Staat reagiert zunächst brutal, er kaserniert die Kranken, es kommt sogar zu Erschießungen. Schließlich bricht der Staat selbst zusammen, das Ende versinkt in völliger Anarchie.

Da diese Krankheit höchst ansteckend ist, sperrt die Regierung die bereits Erblindeten und alle, die mit ihnen in Kontakt gekommen sind in eine stillgelegte Irrenanstalt. Nach und nach kommen immer mehr Blinde hinzu und während sich die "Weiße Seuche" draußen weiter verbreitet, beginnt in der Anstalt ein Kampf um Leben und Tod. Doch es besteht auch Hoffnung, denn es gibt eine Sehende unter ihnen, die die Krankheit nur vorgetäuscht hat, um bei ihrem Mann zu bleiben.




Die Stadt ist mit Blindheit geschlagen und gleitet ab in eine Welle voller Gewalt. Ein übernervöses Militär arbeitet nur nach Befehl, lässt auch sinnvolle Ausnahmen nicht zu. Unter den Blinden machen sich Hass und Übervorteilung breit - es gilt das Recht des Stärkeren, was unter Anderem in der Erpressung 'Nahrung gegen Vergewaltigung' gipfelt. Einer der Schlüsselsätze ist die Aussage: "Wir waren schon blind in dem Augenblick, in dem wir erblindet sind". Und auch: "Kämpfen war immer mehr oder weniger eine Form der Blindheit".

All diesem Horror hat Saramago Passagen von unübertroffener Schönheit entgegengesetzt.
Einen Kontrast dazu stellt eine Frau dar, die ihre Sehkraft bewahrt hat, darüber vor Angst jedoch schweigt. Sie ist eine Schlüsselfigur in dem Roman. Als Einzige wahrt sie die Würde und schafft es, für eine kleine Gruppe Blinder die Menschlichkeit zu bewahren.

Saramago beschreibt in seiner Parabel über die menschliche Blindheit eine Welt, in der die Menschen blind geworden sind. Er macht in seinem Roman die Blindheit zu einer ansteckenden Krankheit, gebraucht aber den Begriff Blindheit im übergeordneten Sinn .Der Leser muss jedoch erstaunt feststellen, dass viele aber schon blind waren , obwohl sie alles sahen.

»Die Stadt der Blinden« von José Saramago ist im September 2015 auch als Taschenbuch im btb-Verlag in einer Neuauflage erschienen.

Literatur:

Die Stadt der Blinden
Die Stadt der Blinden
von José Saramago

Samstag, 14. Dezember 2019

»Metropol« von Eugen Ruge


Eugen Ruge wurde 2011 für seinen Debütroman »In Zeiten des abnehmenden Lichts« mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Damals ging es um das generationenübergreifende Schicksal seiner Familie in der untergehenden DDR.

Nach einigen weniger erfolgreichen Romanen hat sich der 1954 geborene Autor nun erneut seiner Familie zugewandt. Die Geschichte seiner kommunistischen Familie ist das Lebensprojekt des Schriftstellers Eugen Ruge. In dem Roman »Metropol« erzählt er von seiner Großmutter, einer Agentin, die während des Großen Terrors in Moskau lebte.

»Metropol« springt gegenüber dem Erstling einige Jahre zurück und zeichnet das Leben Ruges Großmutter ab 1936 in der Sowjetunion nach.

Auf der Flucht vor den Nazis ist die Kommunistin Charlotte mit ihrem Mann Wilhelm in die Sowjetunion emigriert. Dort arbeiten beide in der „Komintern“, einer Organisation, in der Kommunisten aus dem Ausland tätig sind.

Doch schon bald rückt etwas in den Mittelpunkt ihres Daseins, das heute als die „Große Säuberung“ bekannt ist. Diktator Stalin ließ damals und auch später noch zum Teil völlig grundlos Menschen verhaften und zum Tode verurteilen, die seine Macht gefährden konnten. Es begann eine Zeit der Angst und der Denunziation.

Auch Charlotte und Wilhelm sind bedroht. Sie kannten jemanden der Verhafteten. Allein das reicht schon, sie ihres Jobs bei der Komintern zu entheben und sie im Hotel „Metropol“ – darauf bezieht sich der Titel – zu parken. Eine quälende Zeit der Ungewissheit beginnt.

Dem Autor gelingt es hervorragend, den Schrecken greifbar zu machen, dem politisch tätige Menschen in dieser Zeit in der Sowjetunion ausgesetzt gewesen sein müssen – einem Land, in dem man bei Minusgraden im Winter nach Lebensmitteln anstehen musste und es keine vernünftigen Schuhe gab.

Ruge stellt jedoch nicht allein Charlotte in den Vordergrund. Er lässt uns auch in die Köpfe eines Richters schauen, der Todesurteile am Fließband unterschreibt, und einer weiteren Komintern-Mitarbeiterin.

In diesem großen Roman geht es um die blutig enttäuschten Träume und Irrtümer, die Charlotte und Wilhelm nur zufällig überlebten – und deren Drama jetzt hoffentlich viele berühren wird.

Man entkommt dem Sog dieses Romans so wenig wie dessen meiste Akteure dem stalinistischen Vernichtungswillen, und obwohl man um den groben Verlauf der historischen Ereignisse weiß, ist die semifiktionale Geschichte immer wieder überraschend. Ruge nennt sie im Epilog eine Erzählung darüber, "was Menschen zu glauben bereit, zu glauben imstande sind". Das ist in der Tat unglaublich. Und das macht Eugen Ruges "Metropol" zu einem extrem lesenswerten Geschichtsroman.

»Metropol« ist ein würdiger Nachfolger des Erfolgsromans aus dem Jahre 2011. Schon die wahre Geschichte klingt so spektakulär, als wäre sie erfunden. Ein ebenso klug komponiertes wie spannendes Buch.

Literatur:


Metropol
von Eugen Ruge

Eugen Ruge: Metropol
Rowohlt, Oktober 2019
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro


Blog-Artikel:

»In Zeiten des abnehmenden Lichts« von Eugen Ruge

Dienstag, 28. Mai 2019

Joseph Roth 80. Todestag

Joseph Roth


Joseph Roth starb vor 80 Jahren am 27. Mai 1939 an seinen Pariser Exil. Joseph Roth war ein in Gallizien geborener bekannter österreichischer Schriftsteller, Erzähler und Journalist des 20. Jahrhunderts. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Erzähler.

Joseph Roth gilt manchen als ein Wunderrabbi im Kleid des Gentlemans, der mit dem Alphabet heilen konnte, anderen als schiffbrüchiger österreichisch-ungarischer Monarchist, der seinen Kummer über den Niedergang der Habsburger in Hektolitern Alkohol ersäufte. Selbst charakterisierte sich der galizische Jude, österreichische Dichter und katholische Trinker Roth als »böse, besoffen, aber gescheit« und traf damit wohl ins Schwarze.

Zum wegweisenden Erlebnis wurde für Roth der Erste Weltkrieg und der darauf folgende Zerfall Österreich-Ungarns. Nach Kriegsende musste Joseph Roth sein Studium, das er in Wien hoffnungsvoll begonnen hatte, abbrechen. Mit dem Untergang der Habsburgermonarchie verlor er seine Heimat, als die er ganz Österreich-Ungarn angesehen hatte.

Joseph Roth war ein Jude auf Wanderschaft, ein Wanderer zwischen den Welten und gegen Ende seines Lebens ein heimatloser Literat. Roth ging zuerst nach Wien und reiste in den folgenden Jahren quer durch Europa. Nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß ging er 1934 ins Exil nach Paris.


»Meine Heimat war ein großes Haus mit vielen
Zimmern für viele Arten von Menschen.«

Von 1936 bis 1938 lebte Joseph Roth mit der Schriftstellerin Irmgard Keun zusammen. Zu seinen bekanntesten Werken des traditionellen Erzählers gehören die Romane »Das Spinnennetz« (1923), »Der stumme Prophet« (1929), »Hiob. Roman eines einfachen Mannes« (1930), »Radetzkymarsch« (1932), »Die Kapuzinergruft« (1938), »Die Legende vom heiligen Trinker« (1939) und »Der Leviathan« (1940).

Mit seinem Roman »Hiob«, aber vor allem mit »Radetzkymarsch« gelangte Joseph Roth zu internationalem Ruhm. Hauptthemen im Schaffen des jüdischen Autors sind neben dem erbitterten Kampf gegen den aufkommenden Nationalsozialismus das multikulturelle Leben und der tragische Untergang der von ihm geliebten Habsburger Monarchie.

»Radetzkymarsch« ist ein sehr schöner Klassiker, der die Zeiten des alten Österreichs noch einmal aufleben lässt und anhand der sehr schön gestalteten Charaktere ein tolles Sittengemälde von damals wiedergibt.

Je drohender sich in den 30er Jahren der Nationalsozialismus artikulierte, desto stärker rückte die Erinnerung an die Vorkriegsmonarchie in das Zentrum von Roths Argumentation und verklärte das alte habsburgische Österreich. Er war der Schriftsteller der ausgehenden kuk-Monarchie.


Roth, dessen Texte zum Feinsten zählen, was die deutsche Literaturgeschichte zu bieten hat, wurde durch seine Romane »Hiob«, »Radetzkymarsch« und »Kapuzinergruft« berühmt. Zu seinen bekanntesten Werken des traditionellen und begnadeten Erzählers gehören die Romane »Das Spinnennetz« (1923), »Der stumme Prophet« (1929), »Hiob. Roman eines einfachen Mannes« (1930), »Radetzkymarsch« (1932), »Die Kapuzinergruft« (1938), »Die Legende vom heiligen Trinker« (1939) und »Der Leviathan« (1940).

In der Vor-Hitler-Zeit war er einer der bestbezahlten Zeitungsschreiber Deutschlands, im Exil galt er als einer der kompromisslosesten Gegner des Nazi-Terrors. Doch die politische Entwicklung gab ihm den Rest und machte aus einem fröhlichen Zecher einen zerrütteten Alkoholiker.

Roth war, mit einem gern gebrauchten Wort, ein Dichter des Heimwehs, nicht der Heimat. „Ich habe keine Heimat, wenn ich von der Tatsache absehe, dass ich in mir selbst zu Hause bin und mich bei mir heimisch fühle“, bekannte er in einem Brief. Der erste Teil dieses Satzes war seine ewige Klage, der zweite eine glatte Lüge. Zerrissener als Roth improvisierte kein Schriftsteller sein Leben zwischen Starjournalismus und Dauersuff.

Roth war ein Schriftsteller, der seine Heimat und auch seine Sprache verloren hatte. Im Pariser Exil wurde der große und begnadete heimatlose Erzähler zum Trinker. Roth litt an Alkoholismus, an dessen Folgen der Schriftsteller im Pariser Exil am 27. Mai 1939 starb. Sein Grab befindet sich auf dem Cimetière de Thiais im Süden von Paris.

Joseph Roth war ein scharfsinniger wie mitfühlender Porträtist seiner Zeit. Seine Romane und Feuilletons zeichneten scharfe Beobachtungsgabe und minutiöse Prosa aus. Als er 1939 mit nur 44 Jahren starb, hatte er mit seinem Erzählwerk ein wortgewaltiges Panorama der wechselvollen Geschichte Österreichs geschaffen, bevölkert mit Mächtigen und Gescheiterten, mit wundervollen Figuren voller Liebe, Stolz und Verzweiflung.

Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Literatur:

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch
von Joseph Roth

Hotel Savoy
Hotel Savoy
von Joseph Roth

Die Legende vom heiligen Trinker
Die Legende vom />heiligen Trinker von Joseph Roth

Weblink:

Das nomadisierende Chamäleon - www.tagesspiegel.de/kultur

Mittwoch, 15. Mai 2019

»Die Menschliche Komödie« von Honoré de Balzac


Honoré de Balzac war ein Romanschriftsteller, der in der großen Tradition von Rabelais und Cervantes stand und ein dauerhaftes Werk schaffen wollte, ein episches Gegenstück zur Komödie Molières. Der Romacier setzt der Zeit ein Denkmal und entwirft nach dem Vorbild von Dante Alighieris »Göttlicher Komödie« das Portrait einer ganzen Epoche.

Das Riesenwerk seiner »Menschlichen Komödie«, das in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen wurde, aber erst 1842 seinen endgültigen Titel fand und das sich bis zu seinem Tod 1850 immer wieder erweiterte und veränderte, war eine abenteuerliche Finanzspekulation, aber zugleich, und das allein zählt, eine Phantasmagorie der modernen Welt und ihres Mittelpunkts Paris.

Dieser Romancier ist Honoré de Balzac, der Schöpfer der »Comédie humaine«, eines Mammutprojekts von 91 Romanen und Erzählungen. Sie bilden die Jahre der napoleonischen Ära, der Restauration und der Julimonarchie in Frankreich mit größtmöglicher Vollständigkeit ab, von den Spitzen der Gesellschaft bis in die Gosse, quer durch alle Stände, Berufsgruppen und Charaktere.

2.500 Personen bevölkern dieses einzigartige Zweit-Universum, 600 von ihnen kehren in mehreren Büchern wieder, einige werden dem Leser so vertraut wie seine Nachbarn. Seine opulenten Romanfiguren sind Helden des Realismus.


Die »Menschliche Komödie« war Balzacs Lebenswerk, das er in seinem unermüdlichen Schöpfertum jedoch nicht mehr vollenden konnte. Nur 91 der geplanten 137 Romane und Erzählungen vermochte er bis zu seinem Tode fertigzustellen. Die menschliche Komödie umfasst sowohl Essays als auch realistische Romane, Kurzgeschichten, Erzählungen, 25 unvollendete Werke aber auch 8 Frühwerke, die zwischen 1822 und 1825 verfasst wurden.


Balzac verwendet eine besondere Technik, in dem er die Einzelromane zu einem komplexen System verbindet, im Rahmen dessen die Personen von Roman zu Roman immer wieder in Erscheinung treten. Mit dieser literarischen Innovation will Balzac ein umfassendes (Sitten-)Gemälde der französischen Gesellschaft der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwerfen: »Die Unermeßlichkeit eines Planes, der zugleich die Geschichte und die Kritik der Gesellschaft, die Analyse ihrer Übel und die Erörterung ihrer Prinzipien umfasst, berechtigt mich, so scheint es mir, meinem Werk den Titel zu geben, unter dem es heute erscheint: Die Menschliche Komödie.«

Der Schöpfer und sein Schöpfertum - In dieses einzige, unvollendete und unvollendbare Werk, das wie Dantes »Göttliche Komödie« eine ganze Welt umfassen sollte, investierte Balzac in unerschöpflicher Fülle seine Beobachtungen, Erfahrungen, Ahnungen, Imaginationen und Visionen, die einer erstaunlichen Wahrnehmungsfähigkeit für das entsprangen, was er in seinem spätesten Roman, »Die Bauern«, die Tendenzen meiner Epoche genannt hat.

»Der Mensch muß bestimmte Leidenschaften empfinden, um jene Eigenschaften zu entwickeln,
die sein Leben adeln, indem er seinen Kreis erweitert und die allen Wesen natürliche Selbstsucht mildert.«

In Balzacs Werk begegnen sich ein Temperament und Glanz und Elend einer Zeit. Der sich an die Gestalten seiner Imagination verschwendende Balzac versteht sich in einer Welt gewaltiger Umbrüche und fieberhafter Verausgabungen. Mitte dieser Welt und dieser Zeit ist die Weltstadt Paris, die Balzac, der unermüdliche Paris-Flaneur, wie kein Zweiter bis in ihre verborgensten Winkel kennt.


Die »Menschliche Komödie« von Honoré de Balzac setzt der Zeit, in der sie entstand, ein literarisches Denkmal. Mittelpunkt sind die moderne Weltstadt Paris und ihre Gesellschaft. Das Urbild von Balzacs bürgerlichen Helden ist Napoleon: Wie er steigen und fallen sie.
Die menschliche Komödie

Das Riesenwerk seiner »Menschlichen Komödie«, das in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen wurde, aber erst 1842 seinen endgültigen Titel fand und das sich bis zu seinem Tod 1850 immer wieder erweiterte und veränderte, war eine abenteuerliche Finanzspekulation, aber zugleich, und das allein zählt, eine Phantasmagorie der modernen Welt und ihres Mittelpunkts Paris.

»Wenn man die ›Menschliche Komödie‹ gelesen hat, fängt man langsam an zu glauben, daß die einzig wirklichen Menschen die sind, die es in Wirklichkeit nicht gegeben hat. Was könnte einem noch daran liegen, auf eine Abendgesellschaft zu gehen, um den Freund aus Knabentagen zu treffen, wenn man zu Hause sitzen kann mit Lucien de Rubempré?«
Oscar Wilde

Wie kein anderer hat er die gesellschaftlichen Kräfte erfasst, die in Paris aufeinanderstoßen, wo die Revolution dem Ancien Régime ein Ende gesetzt hatte, wo Napoleon seine Triumphe feierte, wo die Restauration an das alte Frankreich anzuknüpfen suchte und doch in eine ungewisse Moderne aufbrach und wo die Julirevolution von 1830 der Stadt noch einmal ein neues Gesicht gab.

Die wichtigsten Bücher aus diesem unvollständig gebliebenen Werk mit 40 Bänden sind »Das Chagrinleder« (1831), Eugénie Grandet (1834), »Vater Goriot« (1834/35), »Oberst Chabert« (1837), »Verlorene Illusionen« (1837–1843), »Glanz und Elend der Kurtisanen« (1838–1844), »Die Frau von dreißig Jahren« (1842).

Die wiederkehrend auftretenden Figuren sind Telnehmer dieser Komödie, aber deswegen nicht unbedingt Komödianten, sondern Leidende und das Elend des menschlichen Daseins erduldnde Personen.

Literatur:


Die menschliche Komödie
Die menschliche Komödie
von Honoré de Balzac


Die menschliche Komödie
Die menschliche Komödie
von Honoré de Balzac


Weblink:

Von den Spitzen der Gesellschaft bis in die Gosse - www.deutschlandfunk.de


Blog-Artikel:

Eugenie Grandet - Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de

Vater Goriot - Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de

Verlorene Illusionen
- Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de

»Göttliche Komödie« von Dante Alighieri - Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de


Videos:

Honoré de BALZAC - La Comédie Humaine 01, Scènes

Balzac: Comédie humaine

Samstag, 14. Juli 2018

»Der Kirschgarten« von Anton Tschechow

Der Kirschgarten
Der Kirschgarten

»Der Kirschgarten« von Anton Tschechow nimmt die Russische Revolution vorweg und beschreibt den Niedergang des Adels.
Es ist das letzte Stück des russischen Dramatikers, das die Geschichte der Gutsherrin Andrejewna Ranjewskaja erzählt, die unrealistische Illusionen für ihre Rettung aus dem Bankrott hegt. »Der Kirschgarten« ist ein Stück mit hoher Symbolik.

Im Zentrum des Geschehens steht der 22. August, der Tag, an dem der Kirschgarten versteigert werden soll. Wie ein Damoklesschwert hängen die Frist bis dahin und die Schulden über dem Figuren. Immerhin hängt ihr weiteres Leben vom Kirschgarten und dem Gut ab.

Andrejewna Ranjewskaja, die Gutsbesitzerin, ist erst vor kurzem aus Paris zurückgekehrt. Sie hat ihren Sohn verloren, ihr Geliebter in Paris hat sie ausgenommen, und mit ihrem Bruder hat sie alles Geld verprasst. Ihre Tochter Anja, genauso wie ihre Pflegetochter Warja und Charlotta, die Erzieherin, sind alle vom Gut abhängig. Der alte Diener Firs sowieso.


Für die Dame des Hauses ist der Kirschgarten ein Symbol für eine unschuldige, reine Jugend. Er ist der Inbegriff des Paradieses und des Glaubens daran, dass alles gut wird. Doch sie lebt in einer wirklichkeitsfremden Welt, schwelgt in Kindheitserinnerungen und gibt Feste; für die Rettung des Gartens und des Guts tut sie nichts.

Für den neureichen Kaufmann Lopachin ist dieser Garten jedoch nur ein reines Spekulationsobjekt. Am Ende wird er ihn ersteigern, die Bäume des schönen Kirschgartend unbedacht fällen und Ferienparzellen darauf errichten lassen.

Der bizarre Streit unter den Familienmitgliedern um den Erhalt des Kirschgartens steht dabei für das Festhalten an der alten Ordnung.

Literatur:

Der Kirschgarten
Der Kirschgarten
von Anton Tschechow

Der Kirschgarten
Der Kirschgarten
von Anton Tschechowv



Sonntag, 27. Mai 2018

»The Great American Novel« von Philip Roth

The Great American Novel
The Great American Novel

»The Great American Novel« ist ein 1973 erschienener Roman von Philip Roth, der über Amerika und den amerikanischen Volkssport Baseball erzählt. Der Roman ist eine große und großartige Farce, ein mit Anspielungen und satirischen Elementen gespicktes Buch über Amerika und den amerikanischen Volkssport: Baseball.

Word Smith war der Sportreporter, der den Niedergang der "Patriot League" hautnah miterlebt hat, der die Tri-City Tycoons, die Terra Incognita Rustlers, die Asylum Keepers, die Aceldama Butchers und, allen voran, oder genaugenommen: allen hintennach, die Ruppert Mundys jahrelang beobachtet hat, bis im Jahr 1944 der Verfall und die Zerstörung der Patriot League nicht mehr aufzuhalten waren. Der für die legendären Spieler Luke Gofannon und Gil Gamesh die ihnen zustehenden Plätze in der Hall of Fame einforderte. Aber Amerika hat die Patriot League aus seiner Geschichte gestrichen, dieses unrühmliche, peinliche Kapitel im Buch über eines der, wenn nicht *des* Sakramentes US- amerikanischer Kultur: Des Baseballs.

Word Smith hat die Schnauze voll und will endlich aller Welt die Wahrheit erzählen: die Wahrheit über das tragikomische Schicksal der Ruppert Mundys, des berüchtigtsten Baseballteams aller Zeiten. Smitty muss es wissen, denn jahrzehntelang hat er als Sportreporter das Team bei all seinen heroischen Niederlagen begleitet. Klar, dass hiermit Roths verrücktestes Buch entstanden ist, eine Parodie auf Amerika.

Der Roman ist ein Buch, das mit dem Absurden und Lächerlichen kokettiert und auch stilistisch damit auftrumpft, ja das sogar die Komik der Tragik heiter zu verwenden weiß. Im Grunde ist es ein einziger subtil verknoteter Scherz, an dem sich der Leser über 440 Seiten hinweg erfreuen kann - und erfreuen ist hier wirklich das passende Wort. Denn obwohl es eine Farce ist, kann es immer wieder mit neuen interessanten Handlungsbögen aufwarten. Und obwohl es das tut, hört es nie auf immer wieder einen kleinen Schwenk ins makabere zu unternehmen; und sei es auch nur unterschwellig.

Literatur:

The Great American Novel
The Great American Novel
von Philip Roth

Dienstag, 6. März 2018

»Die schlesischen Weber« von Heinrich Heine

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch -
wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

»Die schlesischen Weber« von Heinrich Heine (1845)


Anmerkung der Re(d)aktion:

Dieses Gedicht ist den großkoalitionären Leichenwebern Deutschlands gewidmet.

Samstag, 13. Januar 2018

»Träumer - Als die Dichter die Macht übernahmen« von Volker Weidermann



»Träumer - Als die Dichter die Macht übernahmen« ist ein historiographischer Roman des Autors und Journalisten Volker Weidermann über einen besonderen Moment der bayrischen Geschichte, in dem der Freistaat Bayern im November 1918 ausgerufen wurde. Der November 1918 war das Ende einer Ära. Der Journalist und Schriftsteller Kurt Eisner verkündete in der ersten Stunde des 8. November den Freien Volksstaat Bayern als Freistaat.


Bayern im November 1918, die Zeit der Münchner Räterepublik - eine der spannendsten Episoden der Deutschen Geschichte. Kriegsmüde Pazifisten erobern München und etablieren eine kurze chaotische Räterepublik. Ministerpräsident Kurt Eisner und, nach dessen Ermordung, Ernst Toller waren neben anderen Schriftstellern, die führenden Köpfe der Münchner Räterepublik 1918.








Wann gab es das schon einmal – eine Revolution, durch die die Dichter an die Macht gelangten? Doch es gab sie, die kurzen Momente in der Geschichte, in denen alles möglich erschien. Von einem solchen Ereignis, der Münchner Räterepublik, erzählt Volker Weidermann so mitreißend, dass der Leser zum Augenzeugen der turbulenten, komischen und tragischen Wochen zwischen November 1918 und April 1919 wird, die München, Bayern und Deutschland erschütterten.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Absetzung des bayerischen Königs beginnt der magische Moment, in dem alles möglich erscheint: radikaler Pazifismus, direkte Demokratie, soziale Gerechtigkeit, die Herrschaft der Fantasie. An der Spitze der Rätebewegung stehen die Schriftsteller Ernst Toller, Gustav Landauer und Erich Mühsam, die Literatur in Wirklichkeit verwandeln wollen. Doch auf die Tage euphorischer Aufbruchstimmung folgt rasch Ernüchterung. Der Traum währte nur solange, bis die reaktionären Kräfte zurückschlugen und die Revolution niederschossen. Und die Dichter an der Macht blieben eine bayrische Episode, denn die Restauration hat die Revolution besiegt.


In rasantem Tempo und aus der Perspektive von Beteiligten und Beobachtern vor Ort wie Thomas Mann, Klaus Mann, Rainer Maria Rilke, Adolf Hitler, Victor Klemperer oder Oskar Maria Graf entsteht so ein historischer Thriller über ein einzigartiges Ereignis der deutschen Geschichte. Und der Traum von direkter Demokratie und sozialer Gleichheit, den die Räterepublik träumte, berührt und beschäftigt uns bis heute.





Der Autor erzählt spannend von den Protagonisten und Widersachern der Münchner Räterepublik, wechselt behände die Perspektive zwischen Eisner, Mann und Hitler, dass es einem ganz wirr im Kopf wird, aber es waren eben auch wirre Zeiten.

Der Leser begegnet in diesem historiographischen Roman zahlreichen bekannten oder nicht mehr so bekannten Literatur- und Szenegrößen, die mehr oder minder am Umschwung teil hatten und sich für ihn begeistern konnte. Und mit ihm scheitern durften, wenn man es auf eine typisch sozialpolitische Essenz bringen möchte. Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Ricarda Huch oder Oskar Maria Graf mal live erleben? Hier hat man gute Gelegenheit.

Dieses Buch ist im Stil eines Zeitzeugen-Berichtes spannend und verständlich menschelnd geschrieben. Es hat das Zeug, eine vielen Menschen weitgehend unbekannte Epoche (nicht nur) bayerischer Geschichte populär in Herz und Hirn des Lesers zu legen. Der Autor hält es wohl mit Friedrich Dürrenmatt: "Eine Geschichte ist erst dann zu Ende erzählt, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen hat."

Aber genau das ist es nicht Volker Weidermann schreibt so lebensnah, so spannend, dass man glaubt, dabei zu sein. Hart wird es zum Schluss, wenn die Weißen kommen und losballern. Spannend, lesenswert , so kennt man die Bayern sicher nicht.


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Literatur:


Träumer - Als die Dichter die Macht übernahmen
von Volker Weidermann


Weblinks:

Revolution, 1918/1919 – Historisches Lexikon Bayerns - www.historisches-lexikon-bayerns.de

Freistaat Bayern – Historisches Lexikon Bayerns - www.historisches-lexikon-bayerns.de

November 1918 – das Ende einer Ära - bergundtotschlag.wordpress.com

Kurt Eisner - Wikipedia.org




Dienstag, 1. November 2016

Günter de Bruyn 90. Geburtstag

Günter de Bruyn

Der deutsche Schriftsteller Günter de Bruyn wurde vor 90 Jahren am 1. November 1926 in Berlin geboren. De Bruyn ist ein preußisch gefärbter Schriftsteller der deutschen Befindlichkeiten.

De Bruyn arbeitete nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Lehrer und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Bibliothekswesen der DDR. Mit 17 Jahren wurde er in den Krieg eingezogen und überlebte verwundet. Er wollte seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg verarbeiten und fühlte das Schrieben stets als Berufung. Seit 1961 ist er Schriftsteller. De Bruyn schrieb immer wieder Geschichten aus der Mark Brandenburg und beschwor darin das alte Preußen.

Günter de Bruyns Werk besteht zum einen aus häufig autobiographisch gefärbten, realistischen Romanen und Erzählungen, die sich kritisch mit dem Privatleben der Kulturschaffenden in der DDR auseinandersetzen, zum anderen aus Essays zu literaturwissenschaftlichen und historischen Themen, insbesondere aus der preußischen Geschichte.

Er hat ein subtil-subversives Werk voller Poesie über Land, Leute und Geschichte seiner märkischen Heimat und seines deutschen Vaterlandes geschaffen. Den Fall der Mauer in Berlin am 9. November 1989 zählte er zu den glücklichsten Momenten seines Lebens seit Kriegsende.

Am Schriftsteller de Bruyn fasziniert sein literarisch genauer Blick auf das Unspektakuläre und doch oft so bemerkenswert Menschliche in der vermeintlich großen Geschichte, damit ganz bewusst auch in der Tradition seiner großen Vorbilder Theodor Fontane, Thomas Mann, Jean Paul und Heinrich Böll. Sein Buch über "Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter" gehört zu de Bruyns bedeutendsten Werken.

Für seinen ersten Roman "Der Hohlweg" erhielt er den "Heinrich-Mann-Preis". In Romanen wie "Buridans Esel" (1968) und "Preisverleihung" (1972) setzte er sich mit dem "real existierenden Sozialismus" auseinander - stets mit kritisch-ironisch Haltung gegenüber den Intellektuellen in der damaligen DDR. Starke Beachtung im Westen fanden sein Roman "Neue Herrlichkeit" (1984) und die beiden Bände der Autobiografie, "Zwischenbilanz" (1992) und "Vierzig Jahre. Ein Lebensbericht" (1996). Großen Erfolg hatte der preußische Romancier in den Neunziger-Jahren mit den beiden Bänden ("Zwischenbilanz" und "40 Jahre") seiner Autobiografie.

Als märkischen Schriftsteller hat ihn das gesamtdeutsche Publikum nach 1989 neu kennengelernt, weil er alle paar Jahre ein landschaftlich fundiertes Geschichtsbuch herausbrachte, in klarer, scheinbar schlichter Sprache erzählt. Als einen Fontane unserer Tage konnten die Neu-Berliner Leser ihn sehen, die dem Ruf der Hauptstadt gefolgt waren und deren Traditionen entdeckten; nur dass de Bruyn weniger die Geschichten des alten Adels erzählte (das auch), sondern die der Dichter und Schriftsteller, die sich vor allem um 1800 dort im Umkreis der Gutsherren bewegten.

So wurde aus einer schönen Buchreihe, dem noch in der DDR-Zeit erschienenen "Märkischen Dichtergarten" (den de Bruyn zusammen mit Gerhard Wolf edierte), und etlichen Einzelstudien, etwa dem Buch zu den Finckensteins in Madlitz von 1997, eine große Synthese von Berlins Kunstepoche von 1785 und 1815.

Im Oktober 1989 lehnte er die Annahme des Nationalpreises der DDR wegen „Starre, Intoleranz und Dialogunfähigkeit“ der Regierung ab. Er hat „wie kein zweiter DDR-Autor das eigene Verhalten öffentlich hinterfragt“.

Immer wieder fand der DDR-Alltag Eingang in seine Literatur, in welcher der das Leben der Kleinbürger im sozialistiscshen Alltag schilderte.

Nach der Wende war er Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und des Kuratoriums der Akademie für gesprochenes Wort in Stuttgart.

Günter de Bruyn lebt in Berlin und Görsdorf bei Beeskow (Landkreis Oder-Spree).

Freitag, 14. Oktober 2016

Schriftsteller und Theatermacher Dario Fo gestorben

Dario Fo

Der italienische Autor und Schauspieler Dario Fo ist im Alter von 90 Jahren in Mailand gestorben. 1997 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Mit dem Preis wurde Fo für sein Talent, seine politische und soziale Theaterarbeit geehrt. Da er viele Stücke gemeinsam mit seiner 2013 gestorbenen Frau Franca Rame schrieb, sprach er stets von “unserem Nobelpreis”.

Berühmt wurde Dario Fo vor allem für seine satirischen Dramen. Dario Fo war ein italienischer Theaterautor, Regisseur, Bühnenbildner, Komponist, Erzähler, Satiriker und Schauspieler. Er war ein Vertreter des politischen Agitationstheaters. Sein groteskes Bühnentheater basiert auf der Commedia dell'arte des Mittelalters, dessen Methoden er neu belebte.

Fo war für seinen Sprachwitz und seinen subversiven Humor bekannt. Sein Stilmittel war der Humor. "Lachen ist die Freiheit", bekannte er. Als Schriftsteller sah sich Dario Fo in der Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler, die die Macht öffentlich geißelten. Er kritisierte Politiker ebenso wie religiöse Anführer, die Waffenindustrie oder die Mafia. Immer wieder musste er sich wegen Beleidigung und der Verhöhnung Mächtiger vor Gericht verantworten.

"Italien verliert einen großen Vertreter des kulturellen Lebens."

Matteo Renzi 
Italiens Regierungschef

Italiens Regierungschef Matteo Renzi, selbst häufig Ziel von Fos satirischem Witz, sagte, Italien verliere einen großen Vertreter des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. Sein Werk sei die Hinterlassenschaft eines großen Italieners an die Welt.

Fo war bis zuletzt politisch und gesellschaftlich engagiert. In den vergangenen Jahren gehörte er zu den prominentesten Unterstützern des Komikers Beppe Grillos, des Gründers der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung.


Dario_Fo

Er sah sich selbst als Clown. Jeder Clown wird zu einem ein Gaukler. Mit seiner enormen Schaffenskraft und Vielseitigkeit, aber auch mit seiner Wut sorgte der italienische Schriftsteller und Dramatiker Dario Fo für Aufsehen.

Durch seine grotesken Inszenierungen wurde Dario Fo zu einem Außenseiter und Ausgegrenzten im Kulturbetrieb. Der Gesellschaft hielt er in der sich heil wähnenden Welt stets den Spiegel vor.

Zuerst Architektur hatte er studiert, dann Kunst. Seit den 1950er-Jahren wurde er mit der Schauspielerin Franca Rahme, seiner Lebenspartnerin, zum kongenialen Paar. Ihre Inszenierungen am Piccolo Teatro in Mailand waren Skandale, Aufreger. Es ging um Politisches, wie gerechte Preise, um offene Beziehungen, um Heilige. Es gab nicht wenige, die das gesellschaftszersetzend fanden, für sie wurde Fo eine Zeit lang zu einer Art Staatsfeind.

"Irgendwann haben sie uns mit mehr Härte blockiert. Sie haben versucht, uns Bomben vor das Theater zu legen. Sie wollten uns abfackeln, gegen mich gab es rund 40 Prozesse, einen nach dem anderen. Auch gegen Franca. Und dann gab es die Gewalt gegen sie. Wir haben schreckliche Gewalt ertragen. Aber wir haben uns immer wieder erholt", so Fo.

Geboren am 24. März 1926 in der Gemeinde Sangiano nahe dem Lago Maggiore, wuchs Fo zwischen Fischern, Schmugglern und Geschichtenerzählern auf. Von ihnen lernte er das Schauspielern. Im Theater verkörperte er lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde.

Weblinks:

Literaturnobelpreisträger Dario Fo ist tot: Künstler, Kritiker, Clown ... - www.tagesschau.de/ausland

Autor Dario Fo ist tot: Der Störenfried - Kultur - Stuttgarter Nachrichten - www.stuttgarter-nachrichten.de

A Brief Biography of Dario Fo - blog.bookstellyouwhy.com


Lachen über die Macht und die Mächtigen
– www.berliner-zeitung.de

Samstag, 6. Februar 2016

150 Jahre »Schuld und Sühne« von Fjodor M. Dostojewski

2016 jährt sich zum 150. Mal »Schuld und Sühne«, einer der grossen Romane der Weltliteratur. Er ist immer noch aktuell, heute mehr denn je. Der 1866 erschienene Roman des russischen Autors Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) wurde als Feuilleton-Roman mit zwölf Fortsetzungen in der Monatszeitschrift »Russki Westnik« (»Der russische Bote«) veröffentlicht, beginnend Ende Januar 1866 und endend im Dezember 1866.

Dostojewski liefert hier eine spannende und psychologisch perfekt konstruierte Geschichte über einen vermeintlich perfekten Mörder, der vor der Polizei und, viel wichtiger, vor seinem eigenen Gewissen auf der Flucht ist. Der Held, Rodion Raskolnikow, ein verarmter Student, hat eine alte Frau ermordet, um an ihr Geld - sie ist Wucherin - heranzukommen. Er hat die Tat perfekt geplant und sich eine wohldurchdachte Rechtfertigung ausgedacht, um sein Gewissen zu beruhigen. Aber es funktioniert nicht alles wie geplant.


Den Hintergrund bildete die Stadt Sankt Petersburg, nicht die Stadt der glänzenden Paläste und des Zarenhofs, sondern die Stadt der armen Menschen, welche in Vororten hausten und Not litten, oft nichts zu essen fanden und sich überlegen mussten, wie sie die nächste Miete bezahlen würden. “Wir sind alle dem Mantel von Nikolaj Gogol entsprungen”, schrieb Fjodor Dostojewski. Beide russischen Schriftsteller verstanden meisterhaft, die Welt der kleinen Leute zu schildern. Ihre detailgetreuen Porträts von hemdsärmeligen, dummen Polizisten oder engstirnigen, habgierigen Wohnungsvermietern könnten uns an gewisse Zeitgenossen erinnern. Es sind lebens- und zeitnahe Porträts, damals wie heute.

Der Jura-Student Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist die Hauptfigur des Romans “Schuld und Sühne”. Er lebt in bitterer Armut und hat das Studium aufgegeben. Eines Tages beschliesst er, die Pfandleiherin zu ermorden und zu berauben, bei der er sich gelegentlich Geld besorgt. Mit einem Beil erschlägt er die Pfandleiherin Alina Iwanowna und ihre Schwester, die zu Besuch kommt und über die Leiche ihrer Schwester stolpert. Obgleich er danach versucht, vor seinem Gewissen die Tat zu rechtfertigen, gelingt ihm dies nicht. Er findet keine Ruhe mehr und erkrankt an Fieber. Schliesslich stellt er sich der Polizei und wird zu acht Jahren Haft in einem sibirischen Arbeitslager verurteilt, wo er seine Straftat sühnt.



Schuld und Sühne

von Fjodor M. Dostojewski

"Aus hundert Kaninchen wird niemals ein Pferd und

aus hundert Verdachtsgründen niemals ein Beweis."



Fjodor Michailowitsch Dostojewski, »Schuld und Sühne«

Die Ereignisse sind so angeordnet, dass der Mord bereits im ersten der sechs Teile geschildert wird, während der Prozess der Läuterung die nächsten fünf Teile einnimmt; die biblische Lazarus-Episode dient dabei als Leitbild. Der Held ist von Charakteren umgeben, die helle und dunkle Fassetten seines eigenen Charakters symbolisieren: Sonja und dem treuen Freund Rasumichin stehen der perfide Kleinbürger Luschin und der moralisch verkommene Swidrigailow gegenüber. Auch die einzelnen Figuren sind nach dem Kontrastprinzip und gerade deshalb so spannungsvoll konzipiert: Raskolnikow ist ein widerwilliger Mörder, Sonja eine ehrbare Prostituierte und Porfiri Petrowitsch will den Studenten zwar überführen, zeigt ihm gegenüber aber auch väterliches Verantwortungsbewusstsein.

Das Ende des Romans im sibirischen Arbeitslager hat einen persönlichen, autobiografischen Hindergrund. Fjodor Dostojewski verbrachte selbst vier Jahre in einem sibirischen Straflager, von 1850 bis 1854. Der Autor gehörte einem subversiven Zirkel an, der den Dezembristen nahestand, die Zar Nikolaus I. stürzen wollten. 1849 wurde Dostojewski verhaftet und zum Tode verurteilt, später jedoch begnadigt und nach Sibirien geschickt, wo er vier Jahre in dem Gefängnislager von Omsk verbrachte. Nach seiner Freilassung publizierte Fjodor Dostojewski den teilweise autobiografischen Roman “Aufzeichnungen aus einem Totenhaus” (Записки из Мёртвого дома). Das Werk, in welchem er seine Erlebnisse in Sibirien verarbeitete, erschien 1862.

Dostojewski arbeitete an Schuld und Sühne seit Sommer 1865. Den frühen Entwürfen zufolge war eigentlich der Trinker Marmeladow, eine spätere Nebenfigur, als Held vorgesehen, bevor die Geschichte eines Studenten, der zum Mörder wird, in den Mittelpunkt des Interesses rückte und dem Roman eine völlig neue Richtung gab.

"Jeder Mensch, egal wer er ist oder wie heruntergekommen er sein mag,
erwartet instinktiv oder im Unterbewusstsein,
dass man Respekt für seine Menschenwürde aufbringt."


Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 - 1881)

»Schuld und Sühne« ist der erste von Fjodor Dostojewskis großen Romanen und vielleicht sein bekanntestes Werk. Die spannende Kriminalhandlung, die harmonische Komposition und die psychologisch brisanten Charaktere machen den Text zu einem Höhepunkt realistischer Erzählkunst.

Die Geschichte ist packend, der Held gehört zu den lebendigsten Figuren, die die Literatur zu bieten hat und sein Innenleben ist beklemmend gut geschildert. Darüber hinaus ist die Stadt St. Petersburg, in welcher der Roman spielt, großartig und sehr atmosphärisch beschrieben. Dieses Buch gehört zur Weltliteratur, es läßt einen nicht mehr los.

»Schuld und Sühne« mag zu den Zeiten eines Thomas Mann "der größte Kriminalroman aller Zeiten" (Zitat Thomas Mann) gewesen sein, eine Aussage die aber schon damals als etwas gewagt gelten muss – schließlich gab es schon längst »Die Affäre Lerouge« von Émile Gaboriau, ein Werk das denn auch wirklich ein Kriminalroman ist. »Schuld und Sühne« ist eher Milieu- und Gesellschaftsstudie und auch da nicht das Größte, da es einem gewissen Honoré de Balzac eingefallen war, mit seiner »Menschlichen Komödie« sehr viel umfangreicher solche Studien vorzulegen.



Weblinks:

Olivia Kroth: 150 Jahre “Schuld und Sühne” von Fjodor Michailowitsch Dostojewski - olivia2010kroth.wordpress.com


Weltliteratur, die man gelesen haben sollte::

Schuld und Sühne
Schuld und Sühne
von Fjodor M. Dostojewski