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Samstag, 4. Januar 2025

Carlo Levi 50. Todestag

Carlo Levi

Carlo Levi starb vor 50 Jahren am 4. Januar 1975 in Rom. Carlo Levi war ein italienischer Schriftsteller, Maler und Politiker.

Schon früh war Carlo Levi politisch aktiv. Weil er zusammen mit Carlo und Nello Roselli 1929 die antifaschistische Gruppe Giustizia e Libertà („Gerechtigkeit und Freiheit“) gegründet hatte und sie zusammen mit Leone Ginzburg leitete, wurde Levi von der faschistischen Regierung im Frühjahr 1934 für zwei Monate in Rom inhaftiert und im Mai 1935 in die süditalienische Region Lucania (Lukanien, heute Basilicata) verbannt.

Dort verbrachte er, nach einiger Zeit im Städtchen Grassano, die Zeit von September 1935 bis Mai 1936 in dem Dorf Aliano, wo er wegen des Elends der Einwohner unentgeltlich und mit geringen Mitteln als Arzt praktizierte, bis die Provinzverwaltung ihm auch dies untersagte und Behandlungen nur noch heimlich möglich waren. Nebenbei malte er Menschen und Landschaft und erkundete die Bräuche der Einwohner, besonders Magie und Aberglauben.

"Erfahrungen sind Maßarbeit.

Sie passen nur dem, der sie macht."


Nachdem er 1936 vorzeitig durch eine Generalamnestie freikam, die der faschistische Staat zur Feier der Einnahme von Addis Abeba ausgerufen hatte, ging Levi ins Exil und übernahm von Paris aus die Leitung der Gruppe "Giustizia e Libertà". 1941 kehrte er nach Italien zurück, wurde in Florenz festgenommen und eingekerkert. Nach Mussolinis Gefangensetzung wurde er freigelassen, suchte Zuflucht im Palazzo Pitti und schrieb dort 1943/1944 sein Buch »Cristo si è fermato a Eboli« (1945), in dem er seine Erinnerungen an die Zeit in Aliano festhielt, wobei er für Aliano den leicht verschlüsselten Namen "Gagliano" wählte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog Levi nach Rom und arbeitete einige Zeit als Herausgeber der Zeitschrift »Italia libera«, die zum Partito d'Azione („Partei der Aktion“) gehörte. Er malte weiter (seine Bilder wurden in verschiedenen Ländern Europas und sogar in den USA ausgestellt) und schrieb weitere Bücher. 1963 wurde er als Kandidat der Kommunistischen Partei in den Senat gewählt, dessen Mitglied er bis 1972 blieb.

Carlo Levi starb 1975 in einem römischen Krankenhaus an Lungenentzündung. Gemäß seinem ausdrücklichen testamentarischen Wunsch wurde er auf dem Friedhof von Aliano bestattet, der während seiner Verbannung dort einer seiner liebsten Aufenthaltsorte war.

Carlo Levi wurde am 29. November 1902 in Turin geboren.


Literatur:

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli
von Carlo Levi


Weblinks:

Das Reisetagebuch (2): Christus kam nur bis Eboli - Silencers Blog - http://silencer137.com

»Christus kam nur bis Eboli« von Carlo Levi

Dienstag, 24. Dezember 2024

»Weihnachten« von Herrmann Hesse



»Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.

Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön

Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.

Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!

Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.

Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön

Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.

Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!«


Freitag, 8. November 2024

Kazuo Ishiguro 70. Geburtstag

Kazuo Ishiguro

Kazuo Ishiguro wurde am 8. November 1954 in Nagasaki geboren. Ishiguro ist ein britischer Schriftsteller japanischer Herkunft.

1960 wanderte seine Eltern aus Japan aus und er kam mit seiner Familie nach Großbritannien. Er studierte Anglistik und Philosophie, danach Kreatives Schreiben und war hauptberuflich Sozialarbeiter, bevor er sich ab 1983 rasch als freier Schriftsteller etablierte.

Kazuo Ishiguro ist ein Schriftsteller, der beides glänzend beherrscht: tiefgründig und zugleich packend zu erzählen. Er gilt als Meister der Melancholie.

Internationale Berühmtheit erlangte er durch seinen Bestseller „Was vom Tage übrig blieb“, für den er 1989 den renommierten Booker Prize erhielt und der ebenso erfolgreich verfilmt wurde wie sein 2005 veröffentlichter dystopischer Roman „Alles, was wir geben mussten“.

Nachdem Ishiguro mit seinem Debüt „Damals in Naga­saki“ beeindruckte, dem Porträt einer von späten Schuldgefühlen heimgesuchten Mutter, umfasst sein Œuvre nunmehr sieben Romane, Kurzgeschichten, daneben Drehbücher und Liedtexte.

Sein dritter und berühmtester Roman „Was vom Tage übrigblieb“ wurde 1989 mit dem Booker Prize ausgezeichnet.


Kazuo Ishiguro

Kazuo Ishiguro lebt heute in London.

Samstag, 14. September 2024

»Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch« von Jean Paul


Es ist ein Reisebericht, in dem der Luftschiffer, Jean Paul als dessen Sprachrohr, die Montgolfiere aufsteigen lässt, zu fantastischen, skurrilen Ausflügen über Deutschland, bis in die Schweiz und die Schweizer Berge. Dabei schaut Giannozzo, über den Dingen schwebend, jedoch noch nah genug, um alles Wesentliche zu sehen, mit einem spöttischen, höhnischen, teilweise auch beseelten, ja extrem sentimentalen Blick auf seine Zeitgenossen und karikiert den damaligen kleinbürgerlichen, ich-bezogenen Zeitgeist.


Die Luftschiffausflüge entstehen in der Imagination und sind Zeugnis dafür, dass der Autor sowohl unter der Betrachtungsweise, Metaphorik als auch Mystik, seiner Zeit weit voraus war. Jean Paul erweist sich darüber hinaus auch in diesem Werk wieder einmal als ganz genialer Sprachschöpfer, als Meister des ironischen, satirischen und humoristischen Sprachstils.

»Noch sonnen die goldgrünen Alpen ihre Brust, und herrlich arbeiten die Lichter und die Nächte in den aufeinander geworfenen Welten der Schweiz durcheinander; Städte sind unter Wolken, Gletscher voll Glut, Abgründe voll Dampf, Wälder finster, und Blitze, Abendstrahlen, Schnee, Tropfen, Wolken, Regenbogen bewohnen zugleich den unendlichen Kreis.«


»Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch«, Jean Paul (1803)

Jean Paul kennt drei Wege, glücklicher zu werden: »Der erste, der in die Höhe geht, ist: so weit über das Gewölke des Lebens hinauszudringen, der zweite ist: gerade herabzufallen ins Gärtchen und da sich so einheimisch in eine Furche einzunisten, der dritte endlich ist der, mit den beiden andern zu wechseln.« Für den ersten Weg entscheidet sich Giannozzo, der sich mit seinem Luftschiff über die Erde erhebt und den Jean Paul einem Freund gegenüber als sein Sprachrohr bezeichnete.


Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch

Der Luftschiffer Giannozzo schwebt über den Dingen, im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinne. Er sieht die Welt aus einer Perspektive, die anderen verschlossen bleibt, nämlich von oben - und dabei zum Beispiel den Herrn Zensor bei außerehelichen Anbahnungen. Er nimmt regen Anteil - gerne auch als Sensation und Hauptperson - an den schalen Vergnügungen der Gesellschaft in Deutschlands Duodezfürstentümern – und hat meistens der Vorteil der uneinholbaren Flucht, wenn er es zu toll getrieben hat.

Jean Paul, 1763 geboren und 1825, gestorben steht literarisch gesehen zwischen Klassizismus und Romantik und spiegelt in seinen Werken das gesamte weltanschauliche Spektrum seiner Zeit wieder. Er war ein sehr eigenwilliger und extrem sentimentaler Autor, ein Zeitgenosse Goethes, aber sein Verhältnis zu Goethe und Schiller war immer ambivalent. Jean Paul interessierte sich für andere Wissenschaften, darunter vor allem für die Astronomie. Letzteres brachte ihm häufig den Ruf ein, er sei ein Träumer und Phantast.

Zwischen klassischem Ernst und romantischer Ironie zeichnen sich seine Werke vor allem dadurch aus, dass er mit geistreicher Ironie, in einem Potpourri von wohlwollendem Humor und beißender Satire, auch Gesellschaftskritik fokussierte, wie in dem Klassiker »Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch«. Der nicht leicht zu lesende Klassiker, 1801 geschrieben, 1803 erschienen,, ist eigentlich ein „ komischer Anhang“ ,so Jean Paul, zu seinem 900 seitigen Kardinal- und Kapitalroman »Titan«. Die bildreiche und für die damalige Zeit sehr witzige Sprache aus dem Werk »Titan« findet sich in wesentlichen Fragmenten auch in diesem „Anhang“ wieder.

Literatur:


Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch
von Jean Paul

Freitag, 2. August 2024

James Baldwin 100. Geburtstag


James Baldwin wurde am 2. August 1924 in Harlem, New York City geboren. Baldwin war einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde.

James Baldwin

James Baldwin war ein verehrter, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und eine Ikone der Gleichberechtigung aller Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Herkunftsmilieus. Er war der erste schwarze Künstler auf einem Cover des ›Time Magazine‹.


Beale Street

Viele seiner Arbeiten behandeln Themen wie Rassismus und Sexualität. Seine Erzählungen sind berühmt für den persönlichen Stil, in dem Fragen der Identität von Schwarzen und Homosexuellen und damit verbundener sozialer und psychologischer Druck zur Sprache kommen, lange bevor die soziale, kulturelle oder politische Gleichstellung dieser Gruppen erkämpft wurde.

Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Go Tell It on the Mountain« Gehe hin und verkünde es vom Berge« (1953), »Giovanni's Room« (1956), »Another Country«, (1962), »Tell Me How Long the Train's Been Gone« (1968) und »Beale Street Blues« (1973).

»Gehe hin und verkünde es vom Berge«, 1953 erschienen, ist der Debütroman des afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin. In seinem ersten Roman schildert der afroamerikanische Schriftsteller die Auseinandersetzung des vierzehnjährigen John Grimes mit seinem Stiefvater, dem Laienprediger Gabriel Grimes, der mit seiner zweiten Frau Elizabeth und drei Kindern in Harlem lebt.
James Baldwin war nicht nur einer der begabtesten Schriftsteller seiner Generation. Er war und ist auch eine Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

James Baldwin starb am 1. Dezember 1987 in Saint-Paul-de-Vence in der Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Literatur:




Von dieser Welt


Von dieser Welt: Roman

https://images-eu.ssl-images-amazon.com/images/I/411HLLs497L._AC_US218_.jpg
Der Drahtzieher: Ein Gabriel-Allon-Thriller
Daniel Silva Politthriller

Samstag, 29. Juni 2024

»Die Verwandlung« von Franz Kafka als Parabel der Moderne



»Die Verwandlung« ist eine im Jahr 1912 entstandene Erzählung von Franz Kafka. Die Geschichte handelt von Gregor Samsa, dessen plötzliche Verwandlung in ein Ungeziefer die Kommunikation seines sozialen Umfelds mit ihm immer mehr hemmt, bis er von seiner Familie für untragbar gehalten wird und schließlich zugrunde geht. Der Roman wurde zumeist als absurde Allegorie oder als kafkaeske Parabel gelesen.

"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte,
fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt."





Kafka schildert gleich zu Beginn dieses Romans die groteske Situation, in dem ein junger morgens in seinem Bett als Käfer verwandelt aufwacht und schildert damit zugleich eine absurde Kafkaeske der Moderne und in coronalen Zeiten, den stellen Sie sich vor, sie wachen morgns auf und finden sich infiziert oder gar als infizierten Käfer verandelt vor. Die Erzählung ist


Da erwacht also dieser Gregor, ein junger Handlungsreisender, der unter seinem Beruf und der Lieblosigkeit seiner Umwelt leidet, eines Morgens als riesiges Insekt. Zur Arbeit zu gehen, macht in seinem Zustand wenig Sinn. Schon taucht der erboste Prokurist auf und verlangt wütend eine Erklärung für Gregors Fernbleiben. Diese Szene, in der Gregor hinter verschlossener Tür sein Verhalten entschuldigt, seinen Käferkörper zur Tür quält und sich schließlich zu erkennen gibt, ist so haarsträubend kafkaesk, daß spätestens jetzt dieser Begriff jedem einleuchten dürfte. Gregors Familie ist angewidert, läßt den Sohn aber bei sich wohnen, bis schließlich -- nun, Sie werden es erfahren.

Keine Erklärung, nur dieser Hilfeschrei! Solche Radikalität war neu in der Literatur. Deutungen gab es viele. Gregor, wie Kafka, ein schwacher Mensch, der Tag für Tag mitansehen muß, wie diese Welt mit Schwachen umgeht, droht daran zugrundezugehen und vollzieht Die Verwandlung. Das ist seine "Rettung".

„Ohne jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen könnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Geschäft lief, mit dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein, um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise vielleicht nur verkostet oder – der häufigste Fall – gänzlich unberührt war, mit einem Schwenken des Besens hinauszukehren.“
»Die Verwandlung« - Franz Kafka

Wie kaum ein anderes Stück Literatur hat »Die Verwandlung« die Leser zugleich begeistert und verstört und zu verschiedensten Deutungen des vielschichtigen Textes angeregt. Kafkas Erzählung unterläuft und übertrifft jedoch jegliche Interpretationsschemata und ist über alle verkürzenden Zugänge zum Text erhaben.

Die Metamorphose des Prokuristen Gregor Samsa zum Käfer ist ein Kafkeske, welche von Kafka selbst nicht als beängstigendes Geschehen entworfen wurde. In einem Gespräch mit Gustav Janouch antwortete er angeblich auf dessen Vergleich mit der Devise »Zurück zur Natur«: »Doch heute geht man weiter. Man sagt es nicht nur - man tut es. Man kehrt zum Tier zurück. Das ist viel einfacher als das menschliche Dasein.«

»Die Verwandlung« von Franz Kafka ist Kafkas Ausdruck seines Seelenlebens und eine Parabel auf den seelenlosen Zustand der Welt. »Die Verwandlung« von Franz Kafka ist auch eine Parabel in coronalen Zeiten,
in der sich der Mensch plötzlich in einer verändertren Lebenssituation wiederfindet. Wie so oft trifft Kafka ins Schwarze. Eine beissende Gesellschaftskritik, die mittels einer skurrilen Idee zeigt wie Menschen sich in auswegslosen Situationen verhalten. Empathie, und deren Verblassen, Trotz, Scham, Widerstand und Verzweiflung werden gelungen thematisiert.


»Die Verwandlung« von Franz Kafka ist auch eine Parabel in coronalen Zeiten,
in der sich der Mensch plötzlich in einer veränderten Lebenssituation wiederfindet.

Die Geschichte um Gregor Samsa macht sehr betroffen. Wie schnell ein geliebter Mensch einfach mal so im Stich gelassen wird da dieser sich in ein Insekt verwandelt hat. - Diese Lektüre muss man gelesen haben, um die Verwandlung zu verstehen.

Literatur:

Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Samstag, 22. Juni 2024

»Die Odyssee« von Homer

Die Odyssee
Die Odyssee

Das griechische Epos »Odyssee« schildert die abenteuerliche Irrfahrt des griechischen Gottes Odysseus und die Kämpfe um die kleinasiatische Stadt Troja.

Odysseus gerät nach dem Sieg über Troja, da ihm einige Götter missgünstig sind, in allerlei Abenteuer in der Ägäis und sonstwo (wer erinnert sich nicht an die Kirke, die Sirenen, den Zyklopen, Skylla und Charybdis etc.), die ihn am Heimkehren hindern, während zu Hause allerlei Freier sein Haus und seine Gattin belagern, um sich in beider Bessitz zu bringen, während sie schmausend und trinkend seinen Vieh- und Weinbestand verprassen.
Am Ende kehrt aber Odysseus dann doch heim und dank Tricks und Beistands der göttlichen Athene sowie einiger Getreuer ermordet er die unbewaffneten Freier und lässt auch noch die wehrlosen Mägde, die seiner während der Abwesenheit spotteten, am Halse aufhängen.

Jahre nach dem Ende des Trojanischen Krieges ist der griechische Held Odysseus noch immer nicht nach Ithaka zurückgekehrt. Die meisten Leute denken, dass er tot ist. Schon bald lässt uns Homer wissen, dass Odysseus auf der Insel der Göttin Calypso gefangen gehalten wird. Oh, und der Meeresgott Poseidon ist bei Odysseus verärgert und sieht keinen Grund, ihn nach Hause zu lassen.

Bei seiner Rückkehr nach Ithaka 20 Jahre späterwird Odysseus' Frau Penelope von einer Horde unerwünschter Freier überhäuft, bereit, den "toten" Odysseus zu ersetzen und natürlich nach Penelopes Hand und dem Thron der Insel zu suchen! Die Freier haben sich im Palast niedergelassen und weigern sich zu gehen, bis Penelope einen von ihnen als ihren Ehemann akzeptiert.

Odysseus wird viel gelobt. Von Göttern, von seinen Untergebenen, seiner Frau, den Lesern des Texts über Jahrhunderte. Doch wenn man sich sein Verhalten und seine Gedanken mal genauer anschaut, ergibt sich kein so wirklich erbauliches Bild: Das erste, auf das er sinnt, als er nach jahrelanger Irrfahrt nach Hause kommt, ist nicht, seinen Familie in die Arme zu schließen. Nein, er denkt an Rache. Blutige Rache, und eine seiner Ängste dabei ist, dass er allein nicht alle Freier seiner Frau erschlagen können wird, dass er dazu Hilfe braucht.

Dass Homers Texte an Brutalitäten nicht sparen, sollte jedem Leser, der die eigentlich unbedingt vorher zu lesende Ilias kennt, klar sein. Dagegen gehts in der "Odyssee" doch recht zivil zu, nur der Schluss glänzt in bester Arnold-Schwarzenegger-Manier mit einem wirklich gut gemachten Showdown, der sogar heutigen, abgehärteten Lesern kurz den Atem stocken lässt, weil er in dieser Form etwas unerwartet kommt.

Die größte Überraschung vieler Leser wird allerdings sein, dass sich die Odyssee eigentlich nur zweitrangig mit den Irrfahrten des Titelhelden beschäftigt. Viele der Szenen, die heute jeder aus Film, Fernsehen und anderen Adaptionen kennt, wie die Blendung des Kyklopen oder die Wachspropfen in den Ohren der Mannschaft, um den Sirenengesang zu mildern, werden auf wenigen Seiten abgehandelt.

Das Hauptaugenmerk liegt für Homer nicht in den Abenteuern der Irrfahrt, sondern in der Heimkehr eines verloren geglaubten Helden, mit dessen Art, mit Verlust und Heimweh umzugehen, und mit einem Umfeld in der Heimat, das sich völlig verändert und still vom einst geschätzten Hausherrn entfremdet hat. Dabei entsteht ein dichtes Psychoprofil eines trotz endloser Widerstände nie aufgebenden Menschen, das trotz seines Alters von 3.000 Jahren unglaublich modern, aktuell und vor allem kraftvoll ist:

Zuhause ist Odysseus mehr ein Fremder in einem fremden Land (geschickt vom Dichter wird die innere Entfremdung durch Odysseus' äußere Verwandlung durch Athene angedeutet), als auf all den vielen Stationen seiner Reise. Viele Kriegsrückkehrer aus allen Jahrhunderten werden seine Gefühle verstehen können.

Trotz des bluttriefenden Endes erweist sich der Dichter Homer als virtuoser Geschichtenerzähler, der mit seiner blumigen Sprache die prangenden, mannhaften Helden in ihren pferdenährenden Landschaften adjektivtriefend zur Geltung kommen lässt. Jeder Literaturfreund sollte daran seine Freude haben. Auch ist die Geschichte, die ja am Ursprung der abendländischen Dichtung steht, auch heute noch aktuell und gut verständlich, eröffnet auch einen malerischen Blick auf die altgriechische Gesellschaft und ist ein Stück Sittenbild.

Diese Modernität und Kraft spürt man allerdings kaum, wenn man sich mit der uralten, für mich zumindest kaum lesbaren versmaßtreuen Übersetzung von Voss Homer nähert. Dort geht alles in einem Gewust von toten Wörtern, gezwungenen, künstlichen Reimen und undeutscher Satzstellung unter - man beschäftigt sich so sehr damit, das Deutsch Vossens zu verstehen, dass man den Sinn und die Atmosphäre des Texts gar nicht mehr würdigen kann.

Daher ist Wolfgang Schadewaldt um so mehr zu danken, der mit dieser Prosaübersetzung eine wunderbar lesbare und trotzdem nicht zu modernisierte Fassung des uralten Epos vorlegt. Man spürt das Alter des Texts, den Rhythmus, die Sprachgewalt, und es geht nichts verloren, wenn Schadewaldt den Hexameter fallen lässt. Der heutige Leser darf daher keine Sprache wie in einem modernen Roman erwarten.


Weblinks:

Eine Reise in die Mythologie; Ithaka & Homers Odyssee - www.itinari.com

Homer -Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de



Homer-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Literatur:

Die Odyssee
Die Odyssee
von Homer

Ilias Odyssee
Ilias Odyssee
von Homer

Sonntag, 28. April 2024

Karl Kraus zum 150. Geburtstag


Karl Kraus


Karl Kraus war wohl einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Denn er war nicht nur einfach so Publizist, sondern darüber hinaus auch Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprachforscher und Kulturkritiker, sowie vor allem ein analytischer, scharfzüngiger Beobachter der Presse und des Hetzjournalismus oder, wie er selbst es ausdrückte, der Journaille. Ich möchte euch heute ein bisschen was über den Mann erzählen der heute vor 99 Jahren den Epilog über "Die letzten Tage der Menschheit" veröffentlichte.

Karl Kraus wurde am 28. April 1874 im böhmischen Jicín als Sohn eines örtlichen wohlhabenden jüdischen Papierfabrikanten und angesehenen Kaufmanns geboren. 1877 zogt die Familie nach Wien um, wo Kraus ab 1892 zuerst Jura, dann Philosophie und schließlich Germanistik studierte, ohne jedoch jemals das Studium wirklich abzuschließen. 1897 wurde er stattdessen Korrespondent der Breslauer Zeitung. 1899 verließ er ziemlich desillusioniert die jüdische Glaubensgemeinschaft und konvertiert übrigens zwölf Jahre später, also im Jahre 1911 zum Katholizismus.

Wieder zwölf Jahre später, im Juni 1923, trat er dann auch wieder aus diesem Verein aus, weil er erkennt das auch hier letztlich derselbe Dogmatismus herrschte wie im Judentum. Sein Privatleben war übrigens primär geprägt von der langjährigen Beziehung zur böhmischen Baronin Sidonie Nádherny von Borutin, die er bereits 1913 kennen lernt. Zwar erwiderte die seine Liebe nicht, doch bleiben sich die beiden eng verbunden, besuchten sich häufig und unternehmen gemeinsame Urlaubsreisen. Bereits seit 1892 für die Wiener Literaturzeitung immer wieder journalistisch tätig, gründete er im April 1899 die Zeitschrift „Die Fackel“.

Auf dieser Plattform wendet er sich gegen die Verlogenheit, Dummheit und Korrumpierbarkeit, den Militarismus und den Bürokratismus der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Zeitschrift erscheint immerhin 37 Jahre lang mit Kraus als dem verantwortlichen Herausgeber und ab 1911 sogar mit ihm als primären Autor welcher im Grunde die meisten Beiträge wohl auch letztlich entscheidend geprägt haben dürfte. Zielrichtung seiner über 500 Artikel ist von Anfang an die Bekämpfung der seiner Meinung nach eklatanten sprachlichen Verwahrlosung seiner Zeit. Kraus ist im Grunde von den Möglichkeiten mit Sprache ein und denselben Sachverhalt auf unterschiedliche Art und Weise darzustellen geradezu besessen und führt das Unheil der Welt letztlich auf den gedankenlosen Gebrauch der Sprache in der zwischenmenschlichen Kommunikation innerhalb der Gesellschaft zurück. Die "Fackel" macht Kraus bei seinen Gegnern gefürchtet. Immer wieder wird er in Prozesse verwickelt, die er aber wegen seiner guten Recherche allesamt gewinnt. Eine der bekanntesten Skandale im wilhelminischen Kaiserreich war die "Affäre Eulenburg", in der Kraus den Publizisten Maximilian Harden argumentativ buchstäblich demontierte und so quasi literarisch "hinrichtete". Für seine Bewunderer hingegen wird Kraus spätestens jetzt durch die scharfzüngigen Beiträge zu einer zornigen Autorität, die im Wien der Jahrhundertwende ihresgleichen suchte.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schwieg Karl Kraus zunächst in der Öffentlichkeit, seine Zeitschrift „Die Fackel“ erschien auch nach der üblichen Sommerpause nicht. Erst am 19. November 1914 hielt er in seiner 80. Vorlesung als Gastdozent an der Berliner Uni einen sehr analytischen Vortrag über diese vermeintlich so große Zeit, welcher dann auch in der Nr. 404 von "Die Fackel" am 5. Dezember 1914 unter dem Titel „ Die Anrede“ als Artikel erschien. Darin wandte er sich entschieden gegen den Krieg, was er übrigens durch Fakten und nicht durch Polemik belegte. Aber auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs antwortet Karl Kraus letztlich mit der bitterbösen Realsatire "Die letzten Tage der Menschheit“. Die Realität des Krieges als Farce? Nicht ganz. Er beschrieb alles, die Gasangriffe, der zähe Stellungskampf oder das Sterben im aufgeweichten Sumpf der Schützengräben. Er brachte es auf den Punkt oder kurz gesagt, seine Credo lautete schlicht, was sie nicht sofort tötete, zermürbte die Soldaten und daheim verhungern derweil die Familien. Die Lage war letztlich von Anfang an hoffnungslos.

Aber für die beiden Hauptverbündeten, also das deutsche und das österreichisch-ungarische Kaiserreich, gab es halt kein Zurück mehr. Das Verheizen von Menschen und Material ging weiter, dabei unterstützt von einem Propagandaapparat, den heuchlerische Kriegsberichterstatter und andere Claqueure mit einseitigen Berichten fütterten. Kritischere Texte verhinderte die Zensur der Mittelmächte. Deshalb konnte der österreichische Realsatiriker Karl Kraus seine in den Jahren ab 1915 verfasste bitterböse Abrechnung eben auch erst nach dem Waffenstillstand veröffentlichen. Aber immerhin gleich vier Wochen später, am 13. Dezember 1918, brachte er den Epilog als ersten Teil seiner monumentalen Antikriegstragödie "Die letzten Tage der Menschheit" in einer Sondernummer seiner Zeitschrift "Die Fackel" heraus. So eilig hatte er es, diesen apokalyptischen Abgesang, der zu großen Teilen heute noch aktuell wirkt, unter die Leute zu bringen. Es ihnen endlich um die Ohren zu hauen, was er von ihnen hielt, von den Mächtigen, die "mit Munition regieren", von den Fabrikanten, die vom Sterben profitieren, von den Kriegstreibern und Höflingen, die die "Sprache durch ihr Sprechen beschmutzen", von all den Händlern, Helden und Bombenwerfern. Hüben wie drüben hätten sie, so zumindest lässt er eine "Stimme von Oben" predigen:

"Im Frevel geeint, von Süden bis Norden
den Geist nur verwendet, um Leiber zu morden
und einverständlich von Osten bis Westen
die Luft mit Rache und Rauch zu verpesten".


Karl Kraus entwarf hier letztlich ein fast visionäres Szenarium. Ein letztes Mal treten die zynischsten aller Subjekte auf und wie die auftreten. Journalisten schießen Fotos anstatt Sterbenden zu helfen, fliehende Generäle holpern mit dem Automobil wild hupend über Leichen und ein Ingenieur namens Abendrot präsentiert stolz seine neueste Erfindung. Einfach per Knopfdruck tötet er geräuschlos Tausende von Soldaten. Am Horizont erscheinen Flammenwände und später, als das Inferno einsetzt, das die Erde und ihre Bewohner komplett zerstören wird, regnet es Blut und Asche. Der Mars schickt ein Meteoritenbombardement samt Weltendonner. Klingt toll, aber das auf die Bühne zu bringen, Puh! Was für eine Herausforderung für Regie und Bühnenbild! In mehr als zweihundert nur lose zusammenhängenden Szenen, die größtenteils auf authentischen zeitgenössischen Quellen beruhen, wird die Unmenschlichkeit und Absurdität des Krieges ohne falsches Pathos, ja schon fast klinisch steril, dargestellt. Über ein Drittel des endgültigen Textes ist übrigens tatsächlich aus echten Zitaten montiert. Nämlich aus Zeitungen, militärischen Tagesbefehlen, Gerichtsurteilen, eigenen und fremden Briefen, Verordnungen und Erlässen, Verlautbarungen des Kriegspressequartiers, Anordnungen der Zivilbehörden, Kriegspredigten, Ansprachen, Prospekte, aber auch Postkarten, Fotos, Plakaten, usw. Kraus schrieb darüber im Vorwort: „Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ Das Stück ist übrigens einem fiktiven „Marstheater“ zugedacht und führt in "hundert Szenen und Höllen", seine Helden sind "Operettenfiguren, welche die Tragödie der Menschheit aufführen". Der Text der Weltkriegstragödie ist authentisch, noch die grellste Erfindung ein Zitat. Dennoch sei, was aus dieser "Versuchsstation des Weltunterganges" dringt, so gestand Karl Kraus, das "Echo meines blutigen Wahnsinns". Nach "irdischer Zeitrechnung", so schätzte der Wiener Moralist, müssten für „Die letzten Tage der Menschheit“ zehn Abende vergehen. In der vorzüglichen Hörspielfassung des Österreichischen Rundfunks, für die 1974 alle 220 Szenen vom Blatt gesprochen wurden, sind es exakt 22 Stunden und 12 Minuten. Aber als echtes Theaterstück ist es übrigens bisher auch noch nie komplett auf der Bühne aufgeführt worden.

Natürlich lässt sich dieses Stück nicht aufführen. Die spärlichen Versuche, es in Ausschnitten auf eine Theaterbühne zu zwingen, blieben stets unbefriedigend. Denn der fragmentarische Charakter dieser Aufführungen reduzierte es noch in jedem Fall auf groteske Anekdoten, welche die kosmische Dimension, die der Autor seinem Werk zugedacht hatte, zerstörten. Das Weltgericht verkümmert zum schrillen Panoptikum kakanischer Unwürdenträger, die allesamt so authentisch sind, wie es einst die spaßigen Soldatenkarikaturen eines Fritz Schönpflug in der Muskete waren. Aber das war letztlich nicht das Problem des Verfassers. Vielmehr knabberte Karl Kraus an der Frage, wer genau für den Terror und Horror auf den Schlachtfeldern verantwortlich zu machen wäre. Lange dachte er es wäre das jüdische Großbürgertum, speziell Kapital und Presse, und noch spezieller der "Antichrist" Moriz Benedikt, seines Zeichens Chefredakteur der Neuen Freien Presse in Wien, gewesen. Die erste Fassung des Dramas ist dabei noch wesentlich geprägt von Kraus’ konservativer Haltung, die er bis in die zweite Hälfte des Weltkriegs beibehielt.

Er war nämlich, so kurios es klingen mag, ein Verehrer des Thronfolgers Franz Ferdinand gewesen, ja mehr noch, er schätzte die Habsburger und das österreichische Militär extrem hoch ein. Erst ab etwa dem Beginn des Jahres 1917 löste er sich von dieser Sicht und näherte sich an die Sozialdemokratie an. Neben der Presse machte er jetzt eben wie gesagt auch die Habsburger, verantwortungslose Politiker und Militärs für den Krieg verantwortlich. Besonders scharf griff er den deutschen Kaiser Wilhelm II. an, dem er, übrigens gestützt auf Erinnerungen seiner Zeitgenossen an ihn, totale Inkompetenz, Größenwahn und Sadismus vorwarf. Aber das reichte ihm scheinbar immer noch nicht. Denn in dem Epilog, den er im Sommer 1917 schrieb, modifizierte erstmals seine antisemitischen Attacken. Nicht der Jude als solcher, sondern die Menschheit an sich sei schuldig.

Denn gibt es neben den Großkotzigen nicht unzählige schweigende Kleingeister, die die Katastrophe nicht verhinderten? Trotz aller Polemik, der Autor selbst spielte natürlich eine Sonderrolle. Während Millionen jubelten und starben, dokumentierte er ja den Aberwitz des Krieges für seine in der Tat einzigartige Tragödie von den "letzten Tagen der Menschheit". Bei der Uraufführung des Epilogs sprach Karl Kraus denn auch den allerletzten Satz, mit dem Gott das Drama höchstpersönlich abschließt, indem er Wilhelm II., den deutschen Kaiser, zitiert, der seine Hände so verlogen in Unschuld wusch: "Ich habe es nicht gewollt." So klingt entweder bitterböse Ironie, oder nihilistische Menschenverachtung!

Bedingt durch seine stark veränderte Einstellung zu den Habsburgern und dem Militär sowie auch durch erst nach Kriegsende zugängliche Informationen veränderte Kraus in den nächsten Monaten die Letzten Tage wesentlich. Rund 50 Szenen kamen neu hinzu, während nur eine gestrichen wurde. Die Szenenabfolge wurde völlig verändert. Die Dialoge zwischen dem Optimisten und dem Nörgler wurden wesentlich ausgebaut, ebenso die deutschlandkritischen Bereiche. Die Verehrer der Reichspost wurden eingefügt, um neben der liberalen Neuen Freien Presse nun auch die christlich-soziale Reichspost bloßzustellen. Die sogenannte Buchausgabe erschien am 26. Mai 1922 in einer Auflage von 5.000 Stück, eine zweite, gleich hohe Auflage folgte im Dezember. Die dritte Auflage 1926 von 7.000 Stück blieb bis zum Tode von Kraus lieferbar.

In seinen nachfolgenden Essays zu Literatur, Dichtern und Zeitgeschehen profilierte er sich auch später nicht nur als sarkastischer Satiriker, sondern wendet sich auch immer wieder gegen prominente Zeitgenossen. Legendär ist zum Beispiel seine Fehde mit dem Berliner Feuilletonisten Alfred Kerr. Kraus beschäftigt sich auch intensiv mit Shakespeare, dessen teilweise jahrzehntealte Übersetzungen etlicher Dramen er nicht nur grundlegend überarbeitet, sondern falls notwendig auch Shakespeares Sonette nachdichtet, um sie so seinem deutschsprachigen Publikum überhaupt erst mal verständlich zu machen. Im Alter wurde Kraus immer verbitterter. Vor allem die Machtergreifung der Nationalsozialisten deprimierte ihn stark. Schon zwei Wochen nach der Machtergreifung im Jahr 1933 erklärten die Nationalsozialisten in der logischen Konsequenz seine Werke daraufhin für unerwünscht und schädlich. Von den Bücherverbrennungen werden sie jedoch verschont, was Kraus allerdings nun weniger gefiel.

Seinen bereits im Druck befindlichen Essay "Die dritte Walpurgisnacht", in dem er sich Ende 1933 hart mit den Nazis auseinandersetzte und der mit dem berühmten Satz "Mir fällt zu Hitler nichts ein" begann, zog er kurz vor der Auslieferung am 13. Dezember 1933 doch noch zurück. Er verzichtete deswegen auf eine Veröffentlichung, weil er nämlich zurecht fürchtet, die Faschisten könnten sich für dieses Werk mit der Ermordung von Juden rächen. Am 12. Juni 1936 starb Karl Kraus in Wien und erlebte so nicht mehr, wie sein Heimatland von den Deutschen kurzerhand übernommen wurde.

Donnerstag, 4. April 2024

Erster Tagebucheintrag in dem Roman "1984"


Nineteen Eighty-four

Der 4. April 1984 markiert den ersten Tagebucheintrag von Winston Smith in dem Roman "1984" von George Orwell. Winston Smith, die Hauptfigur des Romans, ist ein 39 Jahre alter, ausgemergelter, gebrechlicher, grüblerischer und resignierter Mann, der an den von der Partei ausgegebenen Parolen und ihrem Führer, dem Großen Bruder, zweifelt.

Um den tatsächlichen Verlauf der Dinge festhalten zu können (gegenüber der pausenlosen Geschichtsfälschung der Partei, die er aus seiner Arbeit im „Ministerium für Wahrheit“ kennt), beginnt er, Tagebuch zu schreiben. Er wünscht sich den Umsturz der Regierung und den Niedergang des Großen Bruders und sucht daher nach Gleichgesinnten, die er in Julia und O’Brien zu finden glaubt.

Big Brother

Winston ist in seinem Widerstand bemüht zu verstehen, wie die Partei eine solch totale Macht ausüben kann. Seine Überlegungen kreisen häufig um die Möglichkeit, Sprache zur Gedankenkontrolle zu benutzen („Neusprech“). Orwell setzte den Namen des Protagonisten aus dem Vornamen von Winston Churchill und dem einfachen Allerwelts-Nachnamen Smith zusammen.

"1984", erschienen im Juni 1949, ist ein dystopischer Roman von George Orwell, in dem ein totalitärer Überwachungsstaat in einer ferner Zukunft im Jahre 1984 dargestellt wird. In Ozeanien regiert die Einheitspartei diktatorisch unter Anwendung von Methoden des Überwachungsstaates.

Protagonist der Handlung ist Winston Smith, ein einfaches Mitglied der diktatorisch herrschenden, sozialistischen Staatspartei, der sich der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz seine Privatsphäre sichern will sowie etwas über die reale nicht redigierte Vergangenheit erfahren möchte und dadurch in Konflikt mit dem System gerät, das ihn einer Gehirnwäsche unterzieht.

1984
1984

Der Klassiker über einen allmächtigen Überwachungsstaat ist und bleibt beklemmend aktuell: Mit seiner düsteren Dystopie "1984" schuf George Orwell eines der einflußreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. "1984" hat im Laufe der Geschichte zu ganz unterschiedlichen Zeiten aufgrund der Themen staatliche Wahrheit, Lüge, Sprache, Surveillance und Bewußtseinsveränderung immer wieder starke Beachtung gefunden.

Literatur:

1984
1984
von George Orwell


Weblinks:

George Orwell-Biografie - www.die-biografien.de

George Orwell-Zitate - www.die-zitate.de


Blog-Artikel:

»1984« von George Orwell

George Orwell

Samstag, 16. März 2024

»Harlekins Millionen« von Bohumil Hrabal



»Harlekins Millionen« ist ein modernes Märchen von Bohumil Hrabal. In Lysá, wo das Schloss des Grafen Sporck vor sich hin träumt, spielen die zauberhaft-traurigen Erzählungen aus »Harlekins Millionen«.

»Harlekins Millionen« ist ein Musikstück, das als Dauerberieselung in einem Altersheim irgendwo in Tschechien Tag für Tag gespielt wird. Die Erzählerin, Hrablas Mutter, wandelt durch eben dieses Altersheim als eine der Rentner und entdeckt jedes Mal Neues als der Gegenwart und der Vergangenheit. Drei alte Männer stehen ihr zur Seite, die ihr von den alten Zeiten des kleinen tschechischen Dorfes erzählen, in dem ihr Mann vor dem Kommunismus Brauereiverwalter war. Sie lässt in diesen Reflektionen die Geschichte passieren, erzählt über die Familiegeschichte des Landes und der Bevölkerung.


Hrabal verbindet in seinem „Märchen“ viele Ebenen, die des Jungseins und des Alterns bis hin zum Sterben. Seine Vergleiche einer alternden Frau mit den ewig jungen Statuen im Park des Heimes, wie auch die Stärke seiner Charaktere, die sich von nichts, was um sie herum passiert ändern lassen, sind unerreicht und machen das Buch zu einer spannenden und zum Nachdenken anregenden Lektüre. Den Mittelpunkt steht immer die Fragen: Was ist das Leben? Was ist die Liebe?, dies jedoch so unaufdringlich und frei von jeglichem Pathos, dass es ein reines Lesevergnügen ist.

Literatur:

Harlekins Millionen
Harlekins Millionen
von Bohumil Hrabal

Samstag, 21. Oktober 2023

»Holzfällen« von Thomas Bernhard


Der Roman »Holzfällen« von Thomas Bernhard erschien im Jahr 1984 und ist eine Abrechnung mit der Kulturszene Österreichs. Alle bekannten Bernhard-Sujets werden in diesem Opus magnum ausgebreitet: Heimat, Erziehung, Katholizismus, Nationalsozialismus.

Der Roman ist in der Ich-Perspektive verfasst. Die Geschichte handelt von der Abendgesellschaft Wiens, welche von Bernhard in monologischer Art und Weise kommentiert wird.

Das Ehepaar Auersberger veranstaltet gemeinsam ein Abendessen für Künstler und lädt dazu ihre Bekannten, Freunde und unter anderem auch einen Burgschauspieler ein. Eigentlich unterhalten sich alle sehr gut und amüsieren sich, die einzige Ausnahme stellt der Erzähler dar. Während der Schauspieler nicht gerade pünktlich erscheint, betrinkt sich die Gesellschaft immer weiter.

Mittlerweile geht der Erzähler dazu über, sich zu fragen, warum er überhaupt die Einladungen zu diesem künstlerischen Abendessen angenommen hat, denn die Langeweile quält ihn und steigert sich zur exzessiven inneren Erregung, bis er schließlich aufbricht.


Der Protagonist lebt in Rom, muss aber ins elterliche Herrenhaus nach Oberösterreich zurückkehren, weil seine Eltern und sein Bruder bei einem Autounfall tödlich verunglückt sind und er jetzt Alleinerbe des großen elterlichen Vermögens ist. Im ersten Teil des Buches reflektiert Murau seine Beziehung zu Familie, Erziehung und Umgebung. Im zweiten Teil kommt er zurück ins Heimathaus, um das Begräbnis zu organisieren und trifft dabei alle Bekannten und Verwandten seiner Familie.

Bruchstücke einer Auslöschung: Der Protagonist beschreibt das Landvolk in Oberösterreich als "Hubertusmantelgesellschaft". Die Ehe ist ein "Gefängnis". Die Bauern, mit ihren "dümmlichen, eingedickten Gesichtern". Die Deutschen, die "sich ihren Goethe wie ein Marmeladenglas aufs Regal stellen und zu jeder passenden Gelegenheit hervorholen.

Bei der Veröffentlichung des Romans wurden plötzlich sehr viele kritische Stimmen laut und tatsächlich löste das Werk einen wahrhaften Skandal aus. Trotzdem stiegen die Zahlen des Verkaufs schnell nach oben und das nicht zuletzt deshalb, weil auch die eine oder andere Klage eingereicht wurde. Folglich wurden sämtliche gedruckte Exemplare nach dem Prozess beschlagnahmt.

Trotzdem war es überraschend, als kurz danach die Klage zurückgezogen wurde, weil der Kläger mit dem Angeklagten eine außergerichtliche Einigung traf. Nicht zuletzt wegen derartigen Aufruhrs zählt man das Werk »Holzfällen« von Thomas Bernhard auch heute noch zu den erfolgreichsten Romanen seiner Zeit. Ranicki hat das Werk Holzfällen in seinen Kanon der 20 besten Romane aufgenommen.




Weblinks:

Holzfällen. Eine Erregung.

Holzfällen von Thomas Bernhard - Der Kanon - www.derkanon.de

Thomas Bernhard


Literatur:

Holzfällen Holzfällen von Thomas Bernhard





Samstag, 19. August 2023

»Franz Sternbalds Wanderungen« von Ludwig Tieck



»Franz Sternbalds Wanderungen« ist ein 1798 veröffentlichter Künstler- und Bildungsroman von Ludwig Tieck. Der Roman mit dem Untertitel »Eine altdeutsche Geschichte« spielt in der Zeit Albrecht Dürers, an die auch Wackenroders »Herzensergießungen« erinnert hatten. Im Bild des Sebastian, des befreundeten Malerkollegen, den Franz Sternbald in Nürnberg zurückläßt, wird an den verstorbenen Freund erinnert. Der Name verwaist zudem auf den heiligen Märtyrer.

Franz Sternbald, ein fiktiver Schüler Albrecht Dürers (1471-1528), verlässt seinen Meister, um sich auf Wanderschaft als Künstler zu vervollkommnen. Sein Weg führt ihn zunächst in die Niederlande zu Lucas van Leyden (um 1489-1533). Von Antwerpen aus zieht er mit dem jungen Reisekameraden Rudolf Florestan nach Italien, wo er Raffael (1483-1520) zu treffen hofft. Am Süden faszinieren ihn die überall blühende Kunst, der ästhetische Reiz des Katholizismus und die mediterrane Lebensfreude, die sein Wanderkamerad verkörpert.

Darüber hinaus sucht Sternbald nach seiner Jugendliebe Marie. Das Zusammentreffen mit einer Jagdgesellschaft - spätestens hier zeigt sich der Einfluss von »Wilhelm Meisters Lehrjahre« - führt Franz auf die Spur jener jungen Frau, die er bei einem Unfall gerettet hatte und die ihm auf mysteriöse Weise vertraut erschienen war. Er wird verstrickt in die Schicksale der Gräfin Adelheid und ihres Geliebten Rodrigo, sogar in die Entführung einer Novizin aus einem Kloster. In Rom findet er schliesslich Marie, womit die Geschichte abbricht.

Franz Sternbalds Wanderungen
Franz Sternbalds Wanderungen

Der Maler Franz Sternbald verlässt Nürnberg, wo er seinen viel geliebten Meister Albrecht Dürer und seinen Freund Sebastian zurücklässt. Ziel seiner Wanderung ist Italien, Zweck seiner Wanderung ist sich als Maler zu optimieren. Franz besucht zuerst sein Elternhaus, dort findet er seinen sterbenden Vater, der ihm sagt, er sei nicht sein Sohn. Der Vater stirbt, bevor er Franz darüber aufklären kann. Mit dieser Unwissenheit und der Neugierde des Lesers reist Franz weiter.

Der Besuch seiner Heimat rief Franz eine Kindheitserinnerung wach; er schenkte einem Mädchen einen selbst gepflückten Blumenstrauß und war betört von dem lieblich blonden Mädchen. Franz will sie finden, er hat keinen Anhaltspunkt, doch manchmal scheint das Schicksal ihm gefällig zu sein.

Seine Reise führt nach Holland, zu dem Maler Lukas von Leyden, nach Antwerpen, Straßburg, Florenz und Rom. In Italien lernt der junge Mann neben der Kunst Raffaels auch Erotik und Sinnenblust kennen. Franz findet Weggefährten und macht Bekanntschaften, die nicht immer ohne Wirkung auf ihn bleiben. In Rom erschließt sich der sonst kindliche, nachdenkliche und schüchterne Franz einem freudigen Leben.

Die Erzählung tritt immer wieder auf der Stelle, die Handlung rückt in den Hintergrund, ist nur Beiwerk zu Sternbalds vielen traurigen und sentimentalen Gedanken, ist Lückenfüller für Ansichten und lange Gespräche über Kunst und Künstler. Bis auf ein paar wenige Bilder, die zu Franz Sternbalds Lebensunterhalt beitragen, malt Franz seine Bilder in Gedanken und diese muss der Leser ausführlichst aushalten.

Der Romantik geschuldet ist die alte Sprache und der Schreibstil, es liest sich etwas stockend, es kommt kein Lesefluss auf. Das Werk enthält viele Gesänge/Gedichte, tragen nichts zur Handlung bei, helfen aber dem sentimentalen romantischen Charakter.

Weblink:

Ludwig Tieck Biografie

Literatur:

Franz Sternbalds Wanderungen
Franz Sternbalds Wanderungen
von Ludwig Tieck

Franz Sternbalds Wanderungen
Franz Sternbalds Wanderungen
von Ludwig Tieck

Freitag, 7. Juli 2023

»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse

Hermann Hesse

»Immer bin ich ohne Ziel gegangen,
wollte nie zu einer Rast gelangen,
meine Wege schienen ohne Ende.

Endlich sah ich, daß ich nur im Kreise
wanderte, und wurde müd der Reise.
Jener Tag war meines lebens Wende.

Zögernd geh ich nun dem Ziel entgegen,
denn ich weiß: Auf allen meinen Wegen
steht der Tod und bietet mir die Hände.«


»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse (1877 - 1962)


Samstag, 17. Juni 2023

»Die Lösung« von Bertolt Brecht







»Nach dem Aufstand des 17. Juni 1953
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?«


Bertolt Brecht, »Buckower Elegien«



Weblink:

»Die Lösung« von Bertolt Brecht - www.deutschelyrik.de

Brecht-Gedichtband:

Die Gedichte
Die Gedichte
von Bertolt Brecht

Samstag, 10. Juni 2023

»König Arthur und die Ritter der Tafelrunde« von Sir Thomas Malory

König Arthur und die Ritter der Tafelrunde
König Arthur und die Ritter der Tafelrunde

König Artus ist eine Sagengestalt, die in vielen literarischen Werken des europäischen Mittelalters in unterschiedlichem Kontext und unterschiedlicher Bedeutung auftaucht. Sein Herrschaftsgebiet wird in Britannien verortet. Seit dem späten 9. Jahrhundert überliefern britische Chroniken eine führende und erfolgreiche Teilnahme des Königs in den Kämpfen gegen die dort eindringenden Angeln, Jüten und Sachsen (Angelsachsen) um 500 n. Chr., und seit dem 12. Jahrhundert wurde diese Geschichte in der höfischen Literatur ausgeschmückt und in ihre klassische Form gebracht.

Sir Thomas Malorys abenteuerliches Epos »König Arthur und die Ritter der Tafelrunde« besticht bis heute durch seine ungeheure stoffliche Vielfalt. Denn Malory verbindet die verschiedenen Artuslegenden zu einer Geschichte von opulenten Ausmaßen. Motive wie Gralssuche und hehres Rittertum, Liebe und Verrat gepaart mit berühmten Figuren wie Parzival und Merlin, Galahad und Lancelot garantieren zugleich spannende Unterhaltung und facettenreiche Einblicke in die Vorstellungswelt des ausgehenden europäischen Mittelalters.

In unserer "aufgeklärten" Gesellschaft ist das Transzendente in dieser Welt oft abhanden gekommen. Mythen hingegen versuchen uns gerade die Dinge und das Leben als solches zu erklären, den klassischen Kampf um Gut und Böse, das Wesen des Menschen sowie moralischer Werte und der Kampf mit ihnen.

Sir Thomas Malory's Version der Artus-Sage ist der Klassiker schlecht hin. Über 1.000 Seiten in alter Redensweise, ein Schwertkampf jagt den nächsten. Doch gibt es eindeutig bessere Varianten dieser Legende. Trotzdem sollte jeder Artus-Fan sich dieses Buch zu Gemüte führen, den auf diesem Buch basieren dann doch einige der neueren Versionen der Sage.

Weblink:

Die_Artussage - Wikipedia - de.wikipedia.org


Literatur [ >> ]:

König Arthur und die Ritter der Tafelrunde
König Arthur und die Ritter der Tafelrunde
von Sir Thomas Malory

Adaption:

Merlin oder Das wüste Land
Merlin oder Das wüste Land
von Tankred Dorst

Mittwoch, 31. Mai 2023

Ludwig Tieck 250. Geburtstag

Ludwig Tieck

Ludwig Tieck wurde vor 250 Jahren am 31. Mai 1773 in Berlin als Sohn eines Seilers geboren.

Ludwig Tieck war ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer der Früh-Romantik. Er zählte zu den vielseitigsten und produktivsten Dichtern des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts. Er bewegte sich in Kreisen der Frühromantiker und war einer der wichtigsten Vertreter der sogenannten Jenaer Romantik.

Tieck wurde u. a. durch seine Shakespeare-Übersetzungen und als Herausgeber einer Vielzahl von Texten der Frühromantiker bekannt. Er selbst schrieb Bühnenstücke, Gedichte, Romane, Novellen und Märchen. Seine Märchen und Erzählungen machten Ludwig Tieck zu einem der bedeutendsten Dichter der Frühromantik in Deutschland.

Er studierte Theologie, Philosophie und Literatur. 1799 bewegte er sich in Jena im Kreis der Frühromantiker. Er hielt sich 1799 und 1800 in Jena auf, wo er zu den beiden Schlegel-Brüdern Friedrich und August Wilhelm Schlegel, Novalis, Clemens Brentano, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling in freundschaftliche Beziehungen trat. Zusammen bildete der Kreis die sogenannte Jenaer Frühromantik. Für die von den Schlegels entwickelten Theorien lieferte Tieck die literarischen Beispiele.

Ab 1792 studierte er Geschichte, Philologie, alte und neue Literatur in Halle (Saale) (1792), Göttingen (1792/1793, 1793/1794) und Erlangen (1793, dort zusammen mit Wackenroder. Das eigentliche Ziel des Studiums war ihm wohl die Ausbildung zum freien Schriftsteller. Schon damals beschäftigte er sich eingehend mit Shakespeare.

Zur selben Zeit erschienen seine ersten Erzählungen und Romane »Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten« (1795, zwei Bände), »William Lovell« (1795–1796, drei Bände) und »Abdallah« (1796). Seit dieser Zeit beteiligte sich Tieck an Wackenroders Schriften »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders«, Ende 1796 erschienen, und »Phantasien über die Kunst, für Freunde der Kunst« (1799).

Seinen Übergang zur eigentlichen Romantik vollziehend, unternahm Tieck nun die bald dramatisch-satirische, bald schlicht erzählende Bearbeitung alter Volkssagen und Märchen, die er unter dem Titel Volksmärchen von »Peter Lebrecht« 1797 in drei Bänden veröffentlichte.

Während der Studienzeit in Erlangen unternahm er zusammen mit Wackenroder Reisen nach Nürnberg sowie durch die Fränkische Schweiz bis ins Fichtelgebirge, aber auch zum barocken Schloss Weißenstein bei Pommersfelden. Die Erlebnisse auf diesen Touren hielt er in nachmals berühmten Reisebeschreibungen fest.

1793 ritten Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck in die Fränkische Schweiz. Sie machen sich 1793 auf den Weg in die Fränkische Schweiz. Bekannt wurde die Reise durch die Schilderung ihrer »Pfingstreise von 1793 durch die Fränkische Schweiz, den Frankenwald und das Fichtelgebirge«.

1794 brach Tieck das Studium ab und kehrte nach Berlin zurück. Dort begann er noch ein Jurastudium, das er ebenfalls abbrach.

Tieck wurde u. a. durch seine Shakespeare-Übersetzungen und als Herausgeber einer Vielzahl von Texten der Frühromantiker bekannt. Er selbst schrieb Bühnenstücke, Gedichte, Romane, Novellen und Märchen. Bekannte Werke sind beispielsweise die Romane »Die Geschichte des Herrn William Lovell« (1795/96) und »Franz Sternbalds Wanderungen« (1798), die Novelle »Die Gesellschaft auf dem Lande« (1824) oder die Märchen »Der gestiefelte Kater“ (1797), »Ritter Blaubart« (1797) und »Der blonde Eckbert« (1797).
Der Roman »Peter Lebrecht« wurde erstmalig in zwei Teilen veröffentlicht in Leipzig/Berlin 1795/96.

Der vielstimmige Briefroman »William Lovell« wurde 1795 und 1796 in drei Bänden veröffentlicht und schildert die Verbildung eines empfindsamen Charakters zu Libertinage, Genußphilosophie und Verbrechen. Der melancholische Phantast William Lovell ist eine Vorform des romantischen Künstlers - wie z. B. des Titelhelden von Tiecks Roman »Franz Sternbald« - und beeinflußte unmittelbar Hölderlins »Hyperion«, Jean Pauls »Titan«, Büchners »Leonce und Lena« und andere mehr.

Der Künstler- und Bildungsroman »Franz Sternbalds Wanderungen« wurde 1798 veröffentlicht.

1804/05 Aufenthalt in Italien. 1817 in England, Beschäftigung mit Shakespeare. Seit 1825 war er Dramaturg des Hoftheaters Dresden.

1841 rief König Friedrich Wilhelm IV. den Dichter nach Berlin, wo er, durch Kränklichkeit zumeist an das Haus gefesselt und durch den Tod fast aller näheren Angehörigen sehr vereinsamt, ein zwar ehrenvolles und sorgenfreies, aber im ganzen sehr resigniertes Alter verlebte. König Friedrich Wilhelm IV., der ihn sehr schätzte, berief ihn am 31. Mai 1842 in den neugegründeten preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste als Gründungsmitglied.

Ludwig Tieck starb am 28. April 1853 in Berlin.



   Bücher von Ludwig Tieck

William Lovell
William Lovell
Franz Sternbalds Wanderungen
Franz Sternbalds Wanderungen
Der gestiefelte Kater
Der gestiefelte Kater
Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten
Peter Lebrecht
Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Herzensergießungen eines
kunstliebenden Klosterbruders


Weblinks:

Ludwig Tieck-Biografie - www.die-biografien.de

Ludwig Tieck-Zitate - www.die-zitate.de

Romantik - wortwuchs.net

Heidelberger Romantik - wortwuchs.net

Samstag, 27. Mai 2023

»Grashalme« von Walt Whitman

Grasblätter Gesamtausgabe
Grasblätter Gesamtausgabe

Der amerikanische Dichter Walt Whitman wird seit 1855 für seine »Grashalme«, sein lyrisches Hauptwerk, gefeiert. "Er ist Amerika", sagte Ezra Pound über den Dichter Walt Whitman.

Für Walt Whitman (1819-1892) ist sein Amerika das Reich der Zukunft, der nicht fertigen, aber zusammenwachsenden Volksgemeinschaft. Als wenn er vom Goethe-Wort bestärkt werde, "Amerika, Du hast es besser" ist es dennoch der Blick auf Zukunft nicht allein, denn auch Whitman setzt auf Traditionen. Und zwar auf die ureigenen des Menschen: die Natur und das Selbst. So wie Blaise Pascal die Ungereimtheit des Menschen als ernsten Anlass zur Demütigung sah, so bekannte er doch, dass eben das Verhältnis des Menschen zur Natur wichtig sei und noch wichtiger sei zu erkennen, in welchem Verhältnis der Mensch zur Natur stehe (vgl. »Pensées«, 313).

Whitman, inspiriert von den Schriften Ralph W. Emerson (1803-1882), bekennt sich zu diesen zwei großen Festen: das Ich und das Selbst in der Natur. "Ich singe das Selbst, den Einzelmenschen", so der erste Vers dieser zerbrechlichen Grashalme, dem folgend "Das Leben, unermesslich in Leidenschaft, Puls und Kraft, [...] Ich singe den modernen Menschen." Whitman steht für Aufbruch, steht für Gemeinsamkeit ("Ich höre Amerika singen, die vielerlei Lieder höre ich") aller Völker in einem Schmelztiegel, aller Berufe in einem Land, aller gebunden zu einem "kraftvollen Rundgesang".

In seinen »Grasblättern« besingt er den Aufbruch der USA nach dem Bürgerkrieg. Im Schmelztiegel seiner Dichtung vereint Whitman Ideen aus Kultur, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Mystik seiner Zeit. Seine Gesänge sind Abbild und Vision einer modernen Nation der "Vereinigten Staaten", die Spaltungen überwinden und allen Menschen Freiheit und Gleichheit bringen soll.

Der Lyriker Jürgen Brôcan hat dieses zentrale Werk der amerikanischen Literatur mehr als ein Jahrhundert nach Erscheinen erstmals vollständig auf Deutsch übersetzt und mit einem Nachwort und einem ausführlichen Kommentar versehen.



Literatur:

Grashalme
Grashalme
von Walt Whitman

Grashalme
Grashalme
von Walt Whitman

Grasblätter Gesamtausgabe
Grasblätter Gesamtausgabe
von Walt Whitman