Freitag, 28. Oktober 2011

»Das trunkene Schiff« von Arthur Rimbaud

Als fühllose Ströme hinab ich geschwommen, da lenkten die Treidler mich nicht mehr zutal: frech hatten Rothäute zum Ziel sie genommen, das nackt sie genagelt an farbigen Pfahl. Was kümmerten mich meiner Mannschaften Schwärme, da flämisches Korn ich und Baumwolle trug, und als mit den Treidlern erlosch das Gelärme, da ließen die Ströme mir frei meinen Bug. Im wütenden Braus der Gezeiten begraben, den Winter lang, dumpf wie ein Kinderverstand, so fuhr ich, und treibende Halbinseln haben nie stolzere Tohuwabohus gekannt. Es weihte der Sturm mein Erwachen im Meere, noch leichter als Korken betanzt' ich die Flut, die ewiglich wälzt der Ertrunkenen Heere, zehn Nächte nicht mißt' ich der Leuchtfeuer Glut! Noch süßer als Kindern ein Fallapfel, sogen sich grünliche Fluten mir tief in den Bauch; Erbrochnes und Weinflecke spülten die Wogen mir ab, und das Steuer verschleppten sie auch. Seitdem schwimm' ich frei im Gedichte der Wasser, durchspritzt mit Gestirnen und milchig durchweht, und fresse die blaugrüne Flut, wo manch blasser Ertrunkner als sinnendes Treibgut vergeht; wo, färbend die Bläue mit fiebrigen Feuern und langsamen Rhythmen, vom Taglicht verklärt, gewalt'ger als Räusche und voller als Leiern, die bittere Röte der Liebe gegärt! Ich kenne von Blitzen zerspaltene Himmel und Brandung und Strömung und wirbelnde Nacht, das schwelgende Frührot wie Taubengewimmel und sah, was der Mensch nur zu sehen gedacht. Sah fleckig die Sonne von mystischen Schrecken und lange Gerinnsel auf Wellen gebrannt, die fernhin ihr zitterndes Riffeln erstrecken, den Schauspielern griechischer Dramen verwandt. Grün träumt' ich die Nacht mit geblendetem Firne, den Kuß zu den Augen der Meere empor, den Kreislauf der Säfte, noch fremd dem Gehirne, und gelbblau erwachte der Phosphore Chor. Ich folgte durch Monde, wie kopfscheuen Kühen, der Dünung, die gegen die Felsriffe springt, obwohl doch der schimmernde Fuß der Marien die Schnauzen kurzatmiger Meere bezwingt. Ich stieß auf unglaublicher Halbinseln Hügel, wo Augen von Panthern mit Menschenhaut sahn aus Blumen! Und Regenbogen wie Zügel sich straffend zu Herden im Ozean. Sah gären gewaltige Sümpfe, als Reusen, wo modernd im Schilf ein Leviathan versinkt, sah Wasser bei Windstille stürzen und kreisen und Fernen, die reißend ein Abgrund verschlingt. O silberne Sonnen und Flut aus Perlmutter, Gluthimmel und Stranden in bräunlicher Bucht, wo manch Riesenschlange, den Wanzen ein Futter, aus krummem Geäst fällt, schwarz duftende Frucht! Gern hätt' ich sie Kindern gezeigt, diese Räume voll singender Fische, die golden zu sehn. Mein Driften sich wiegte auf Blumengeschäume, und Flügel verlieh mir unsagbar ein Wehn. Oft reckte, die Pole und Zonen erduldet und schluchzend mein Schlingern gemildert, die Flut, zu mir ihre Blüten, saugnäpfig gemuldet, und still hielt ich, wie eine Knieende tut. Schon fast eine Insel, so wippt' ich das Zanken und Koten blauäugiger Vögel daher, und quer durch mein schwächliches Tauwerk versanken Ertrunkene rücklings zum Schlafen ins Meer... Doch ob unterm Kraushaar der Buchten verschollen, vom Sturm vogelhoch in den Äther geschnellt – kein Hanseschiff hätte mehr auffischen wollen den Rumpf, der von Seewasser trunken zerfällt; ob dampfend, von blauroten Dünsten bestiegen, den Himmel als rötliche Wand ich durchfuhr, die, guten Poeten ein schmackhaft Vergnügen, trug Flechten aus Sonne und Schleim aus Azur; ob mondsichelfleckig, elektrisch umschimmert, wahnsinniges Holz, von Meerpferden umkreist, wenn Julmonde mit ihren Knüppeln zertrümmert die meerblauen Himmel, von Trichtern durchgleißt; ob zitternd der Behemoths brünstig Gestöhne auf Meilen ich roch und der Malströme Brei, ob schweifend in regloser Bläue – ich sehne Europas uralte Geländer herbei. Sah Sternarchipele! Hab' Inseln gefunden, wo fiebernde Himmel dem Wandrer geklafft; bist tief du im Schlaf dieser Nächte verschwunden, Million goldner Vögel, o künftige Kraft? Doch weint' ich zuviel! Alles Frührot ist trübe, nur Qual bringt der Mond, und die Sonne tut weh; zu rauschhafter Starre schwoll ätzend die Liebe. O bräche mein Kiel, o verschläng mich die See! Und wünscht' ich ein Heimatgewässer, es hieße: die schwarzkalte Pfütze vorm Haus, wo ein Kind im Abendduft traurig sein Schiff schwimmen ließe, so zart wie ein Falter im Maienwind. Nie kann ich, mit Sehnsucht getränkt von euch Wellen, den Baumwollefrachtern mehr rauben die Bahn, noch Flaggen und Wimpeln den Hochmut verstellen und nie den grimmäugigen Pontons mehr nahn.



Das trunkene Schiff








"Das trunkene Schiff"
von Arthur Rimbaud



Insel-Verlag,
20. April 2008,
11,80 EUR.

ISBN-13: 978-3458193006




Arthur Rimbauds »Le Bateau ivre« ist eines der bedeutendsten Langgedichte der Weltliteratur. Im »Trunkenen Schiff« wagte Rimbaud eine alle Grenzen sprengende Lebens-Fahrt, die ihn zu überwältigenden visionären Erfahrungen führte. Arthur Rimbaud hat hierin poetisch sein kühnes Programm eines Seher-Dichters realisiert.
Weblink: www.dastrunkeneschiff.de - französischer und deutscher Text

Dienstag, 25. Oktober 2011

Mark Twains Berliner Winter

Im Oktober 1891 zog der amerikanische Schriftsteller und Journalist Mark Twain mit seiner Familie für fünf Monate nach Berlin. Sein Aufenthalt in der Hauptstadt im Berliner Winter ist eine Episode aus dem Leben Mark Twains, der vor 100 Jahren starb.

Wie konnte dieser polyglotte Mann im Oktober 1891 nur auf die eigenartige Idee kommen, ausgerechnet den Winter in Berlin verbringen zu wollen? Jeder, der schon mal im trüben Monat November dort war, weiß doch was ihn da erwartet, zumal 1891 noch hunderttausende Kohlenheizungen den Himmel verdunkelten.

Seine Meinung von der Stadt war eine exzellente, wie ein Essay beweist, den er für die „Chicago Daily Tribune“ unter dem Titel „The Chicago of Europe“ verfasste. „Berlin scheint die bestverwaltete Stadt der Welt zu sein,“ heißt es darin. Oder war das typisch Twainscher Sarkasmus? „Reisende haben sich binnen sechs Tagen bei der Polizei anzumelden“, schreibt der Baedeker „Berlin und Umgebung“ in der Ausgabe von 1891.

Seine bereits dritte Europareise, die ihn im Oktober 1891 nach Berlin geführt hat, ist beinahe so etwas wie ein Flucht. Mark Twain fürchtet, sich den teuren Haushalt im heimischen Hartford, Connecticut mit sieben Hausangestellten nicht mehr leisten zu können. Er hat all sein Geld in eine obskure Maschine investiert, die die Drucktechnik revolutionieren und ihn zum Millionär machen soll. Doch ihr Erfinder kriegt sie einfach nicht zum Laufen. Europa würde ihn günstiger kommen, so die Überlegung.

So scheute er sich auch nicht in der Wahl des Reisemonats im Oktober umittelbar vor dem Berliner Winter.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

»Das weite Land« von Arthur Schnitzler

Arthur Schnitzlers »Das weite Land« ist ein Klassiker der Wiener Seelenlandschaft und das Pendant zu Sigmund Freud - ein psychologisch versiertes Gesellschaftsdrama um Konventionen, Ehebruch und Doppelmoral.

»Das weite Land« - eine Tragikomödie in fünf Akten - wurde vor genau 100 Jahren am 14. Oktober 1911 am Volkstheater in Wien uraufgeführt. Arthur Schnitzler zeigt die weite Karstlandschaft der Seele in der Tragikkomödie psychologisch versiert auf. Er lässt in den fünt Akten eine Seelenlandschaft entstehen, die einem Karstgebiet gleicht. Der Text erschien im selben Jahr bei dem S. Fischer-Verlag in Berlin.



»Die Seele ist ein weites Land.«


Protagonist des tragikomischen Stückes ist der Wiener Fabrikant Friedrich Hofreiter. Hofreiter, erfolgreicher Fabrikant und Frauenheld, betrügt seine Frau Genia ohne Unterlass und bemäntelt die Lieblosigkeit, mit der er seine Abenteuer offen auslebt, mit Ehrlichkeit.

Genias Loyalität und Treue berühren ihn wenig, im Gegenteil, er gesteht seiner Frau sogar zu, ihr einen Seitensprung nicht verdenken zu können. Doch als Genia sich tatsächlich einem jungen Liebhaber zuwendet, beginnt Hofreiter mit zweierlei Maß zu messen, und die feine Klinge der kultivierten Konversation wird gegen Duell-Pistolen getauscht.

Hofreiter beginnt mit Erna in den Dolomiten ein Verhältnis und macht ihr darauf einen Heiratsantrag. Erna ist zwar seit ihrer Kindheit in den Fabrikanten verliebt, will aber noch ledig bleiben. Otto von Aigner, Fähnrich in der Marine und Genia Hofreiter gestehen einander ihre Liebe. Hofreiter vermutet, Bankier Natter habe das Gerücht, nach dem Korsakow einem amerikanischen Duell zum Opfer gefallen sei, aus Rachsucht in die Welt gesetzt. Zunächst atmet er auf, als seine Frau mit dem Fähnrich Otto die Ehe gebrochen hat.

Der Bankier Natter eröffnet Hofreiter, er liebe seine Frau Adele immer noch und habe in der Tat das Gerücht von dem Duell verbreitet. Dass die Geschichte mit dem Duell nicht wahr sei, könne Hofreiter nicht beweisen. Er mag sich nicht mit Hofreiter duellieren. Genia will sich ihrem Mann offenbaren, erfährt aber zu ihrem Schrecken, dass dieser schon Bescheid weiß.

Hofreiter fordert Fähnrich Otto zum Duell. Genia teilt Erna in einem Vier-Augen-Gespräch mit, dass sie von dem Abenteuer in den Dolomiten weiß. Die Mutter des Fähnrichs, ebenfalls in einem Gespräch unter vier Augen mit Genia, bringt Verständnis für die Liebesbeziehung ihres Sohnes auf.

Hofreiter tötet den Fähnrich im Duell, trifft danach zu Hause auf die beiden Frauen und verschweigt der Mutter des Toten seine Tat. Er will sich aber den Behörden stellen und gibt Erna den Laufpass.




Das weite Land








"Das weite Land"
von Arthur Schnitzler



Fischer-Verlag,
Taschenbuch,
4,40 EUR.

ISBN-13: 978-3150181615





Weblink:

Amoralische Vampire - Schnitzlers "Das weite Land" in
München
- 3Sat Kulturzeit - www.3sat.de/kulturzeit

Montag, 10. Oktober 2011

»Der Friedhof von Prag« von Umberto Eco

Mit Fälschern, Tricksern und Halunken kennt sich der italienische Bestsellerautor Umberto Eco aus: Ein Großteil seiner berühmten Bibliothek antiquarischer Bücher stammt aus der Hand von Menschen, die gelogen oder sich geirrt haben.

Auch der Held seines jüngsten Romans mit dem Titel »Der Friedhof von Prag« ist ein perfider Fälscher: Er bastelt mit an einer antisemitischen Hetzschrift, mit der Hitler Jahrzehnte später Propaganda für seine grausamen Pläne zur "Endlösung" machte.

Doch dieses Mal geht Eco die Geschichte nicht so leicht von der Hand. Auf dem Friedhof von Prag droht dunkel literarisches Ungemach. Der Roman ist schwer verstehbar, denn der historische Hintergrund ist nur mit Begleitliteratur verständlich. Die eigentliche Geschichte ist eher langweilig geraten und die Handlung nicht gerade spannend.

Umberto Eco hat aus einer geheimnisvoll inspirierten Geschichte einen Roman geschrieben, bei dem vieles im Dunklen bleibt. Der neue Eco-Roman kann getrost als literarischer Fehlgriff bezeichnet werden.


Weblinks:

König der Fälscher Umberto Ecos Roman "Der Friedhof von Prag"
"Entgifter verlangt Extra-Studium" "Der Friedhof in Prag" von Umberto Eco - Rezension


Mittwoch, 5. Oktober 2011

Václav Havel 75. Geburtstag

Vaclav Havel

Vaclav Havel stand immer in dem Ruf, ein großer Moralist zu sein und mit seinen Ansichten quasi in moralisch höheren Sphären als den irdischen zu schweben. Er schien immer der Verkünder einer besseren Welt zu sein, an der es lag sich selbst in Freiheit zu verwirklichen.

In der Tschechoslowakei avancierte der Autor durch seinen permanenten Konflikt mit den sozialistischen Machthabern zu einer Art Volkshelden, der seine Erfahrungen literarisch verarbeitete. Ferdinand Vanek brachte es wie sein Schöpfer in seiner Heimat längst zum Status einer Kulturfigur.

Vaclav Havel

Die Rezeption Havels und seine Popularität blieben nicht auf den Dramatiker beschränkt. Je stärker er sich aus seinem anfänglich eng umrissenen Theaterhorizont löste, desto mehr zog er die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Für die kommunistischen Diktatoren war der Bürgerrechtler einer der meistgefürchteten Regimekritiker.

Havel wirkte entscheidend an der „Samtenen Revolution“ in der Tschechoslowakei mit. Er gilt als Symbolfigur der „Samtenen Revolution“. Er war das Aushängeschild und der charismatische Führer des gewaltlosen Umsturzes.

Am 29. Dezember 1990 wurde er vom Parlament zum Präsidenten gewählt. Die „Samtene Revolution“ hatte endgültig gesiegt. Von 1990 bis 1993 war er Präsident der tschechoslowakischen Republik. Von 1993 bis 2003 war er Staatspräsident Tschechiens. Er verkörperte die Hoffnungen der Tschechen auf einen demokratischen Neuanfang. Seither betätigt er sich publizistisch für Tschechiens Integration in Europa, mit der der derzeit amtierende Staatspräsident Vaclav Klaus auf Kriegsfuß steht.



Für die Tschechen ist Václav Havel ganz gewiss eine der wichtigsten Figuren des 20. Jahrhunderts. In seiner Amtszeit entwickelte sich Tschechiens Integration nach Europa. Der Dissident im Ruhestand genießt längst den Rang einer Kultfigur. Václav Havel ist eine starke Persönlichkeit, der man mit vollem Respekt begegnet.

Vanek-Trilogie Audienz - Vernissage - Protest und Versuchung - Sanierung: Audienz - Vernissage - Protest und Versuchung, Sanierung. Theaterstücke Das Gartenfest. Die Benachrichtigung: Zwei Dramen. Essays. Antikoden Largo Desolato: Schauspiel in sieben Bildern


Manchmal kommt er sich wie in einem seiner Stücke vor. Daß die Theaterwelt nicht unbedingt der Realität gleicht, hat sich für Havel im politischen Alltag als wertvolle Erfahrung erwiesen. Daß seine Landsleute möglicherweise zu wenig aus seinen politischen Stücken gelernt haben, geht aus der Verlangsamung des Wertewandels und des moralischen Wandels hervor.

Havel gestand einmal, er komme sich als Präsident wider Willen manchmal selber vor, wie eine der Figuren aus seinen (absurden) Stücken. Als politisqhe Figur gleicht der Präsident einem (Staats-) Schauspieler, dem die Bühne zu klein geworden ist. Die Popularität Havels im Ausland erhält jedoch ihm auch zu Hause Sympathiewerte, die denen des Ministerpräsidenten Klaus gleichen.

Weblinks:

Václav Havel-Biografie - www.die-biografien.de


Václav Havel-Zitate - www.die-zitate.de

Samstag, 1. Oktober 2011

»Leutnant Gustl« von Arthur Schnitzler

Leutnant Gustl

Arthur Schnitzlers im Jahr 1900 veröffentlichte Novelle »Leutnant Gustl« dreht sich um Moral, Ehre und Tod und dramatisiert einen fragwürdigen Ehrbegriff. Moral und Ehre sind die zwei Begriffe, die für Lieutnant Gustl der Inbegriff des Lebens bilden.

Gustl ist ein Leutnant der österreichischen Armee, der Anfang zwanzig ist, in Wien lebt und kaum Kontakt zu seinen Eltern und seiner Schwester hat. Seine Statur ist eher klein und schmächtig, was daran erkennbar wird, dass er den Bäckermeister selbst als "zehnmal stärker" mit einer "Faust wie Eisen" bezeichnet.

Die Novelle begleitet diesen Leutnant Gustl durch 12 Stunden seines Lebens voller Höhen und Tiefen, ausgelöst durch einen scheinbar banalen Vorfall im Theater. Leutnant Gustl sitzt in der Wiener Oper und sieht ein sehr langweiliges Oratorium. Er führt in seinen Gedanken ein Art von Monolog mit sich selbst.

Empfohlene Bücher »Leutnant Gustl«:








Die Novelle folgt den Gedanken eines jungen k. u. k. Offiziers, der sich in seiner falsch verstandenen Ehre verletzt fühlt und deshalb vorhat, sich am Morgen um 7 Uhr zu erschießen.

Obwohl der Offizier bis zum Morgen glaubt, sein Tod sei unvermeidlich, ist er nicht fähig, sich ernsthaft mit seinem Leben oder kritisch mit dem Ehrenkodex auseinanderzusetzen. Deshalb wird ihm auch nicht bewusst, wie einsam er ist. Sogar bei seinen erotischen Abenteuern ist er seit jeher auf Kurtisanen angewiesen.

Arthur Schnitzlers Novelle »Leutnant Gustl« wurde 1900 als Skandal empfunden. Ein militärisches Ehrengericht nahm Arthur Schnitzler den Rang eines Oberarztes, weil er "als dem Offiziersstand angehörig die Ehre und das Ansehen der österreichisch-ungarischen Armee geschädigt und herabgesetzt" habe.

Schnitzler hält mit seinem »Leutnant Gustl« der feudal-aristokratischen Gesellschaft der Jahrhundertwende schonungslos das Spiegelbild einer Doppelmoral vor. »Leutnant Gustl« ist das erste Werk in der deutschen Literaturgeschichte, das nur aus einem inneren Monolog besteht.




Leutnant Gustl








"Leutnant Gustl"
von Arthur Schnitzler



Fischer-Verlag,
Taschenbuch,
4,90 EUR.

ISBN-13: 978-359614941X








Donnerstag, 29. September 2011

»Prinz Friedrich von Homburg« von Heinrich Kleist

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg

Der »Prinz Friedrich von Homburg« ist ein in den Jahren 1809/1810 von Heinrich von Kleist verfasste Drama gegen Militarismus und Absolutimus vor dem Hintergrund der Schlacht von Fehrbellin mit dem Sieg des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm über die schwedische Armee. Kleists letztes Drama beschäftigt sich mit einer Geschichte um Staatsräson, um die Herrschaft des Gesetzes anstelle von Willkür, um individuelle Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung.

Der tapfere Reiterführer des Großen Kurfürsten, der junge Prinz von Homburg, ist oft von traumhaften Zuständen befallen. Ein Scherz, den der Kurfürst mit dem Prinzen in solcher Stunde ausführt, wobei diesem der Handschuh der Prinzessin von Oranien, die er liebt, ohne zu wissen wie in den Fingern bleibt, macht ihn im wachen Zustande zerstreut, und er überhört im Kriegsrat den wichtigen Befehl, dass er am nächsten Schlachttage nicht ohne ausdrückliche Order den Feind angreifen solle.

Als die Schlacht um Fehrbellin tobt, glaubt der Prinz seinen Zeitpunkt gekommen, greift mit der Reiterei ein und erringt einen glänzenden Sieg über die Schweden. Doch der Kurfürst, dem die militärische Disziplin über alles geht und dem der voreilige Angriff den Plan der vollständigen Vernichtung des Feindes zerstörte, lässt den Prinzen gefangen setzen und zum Tode verurteilen.

»Prinz Friedrich von Homburg« ist kein völkisches oder militaristisches Stück, wohl aber ein ungutes Beispiel dafür, wie auch ein feiner Geist wie Heinrich von Kleist den Auswüchsen von Preußens Glanz und Gloria nicht widerstehen konnte und aus seinem kaum verborgenen Hass gegenüber dem napoleonischen Frankreich eine Steilvorlage für das spätere Deutschtum lieferte, das Europa in eine größere Katastrophe stürzte, als es Napoleon je möglich gewesen wäre.

Dieses Drama gehört nicht unbedingt zu Kleists besten Werken, doch - ein Jahr vor seiner Selbsttötung fertig gestellt - lässt es einen tieferen Blick in die romantischen, gesellschaftlichen und militärischen Sehnsüchte und Ängste des Dichters zu, als alle anderen seiner Arbeiten. Die komödienhafte Darstellung der Adeligen war bei der damals herrschenden Klasse unpopulär.

Die patriotische Dichtung »Prinz Friedrich von Homburg« aus dem Jahre 1809/11 ist das letzte verfasste Drama von Heinrich von Kleist, das erst zehn Jahre nach seinem Tod, also 1821 in Wien uraufgeführt werden konnte.


Weblinks:

Prinz Friedrich von Homburg: Heinrich von Kleist - writer.germanblogs.de


Literatur:

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg
von Heinrich Kleist

Prinz Friedrich von Homburg
Prinz Friedrich von Homburg
von Heinrich Kleist