Posts mit dem Label Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 21. Oktober 2023

»Holzfällen« von Thomas Bernhard


Der Roman »Holzfällen« von Thomas Bernhard erschien im Jahr 1984 und ist eine Abrechnung mit der Kulturszene Österreichs. Alle bekannten Bernhard-Sujets werden in diesem Opus magnum ausgebreitet: Heimat, Erziehung, Katholizismus, Nationalsozialismus.

Der Roman ist in der Ich-Perspektive verfasst. Die Geschichte handelt von der Abendgesellschaft Wiens, welche von Bernhard in monologischer Art und Weise kommentiert wird.

Das Ehepaar Auersberger veranstaltet gemeinsam ein Abendessen für Künstler und lädt dazu ihre Bekannten, Freunde und unter anderem auch einen Burgschauspieler ein. Eigentlich unterhalten sich alle sehr gut und amüsieren sich, die einzige Ausnahme stellt der Erzähler dar. Während der Schauspieler nicht gerade pünktlich erscheint, betrinkt sich die Gesellschaft immer weiter.

Mittlerweile geht der Erzähler dazu über, sich zu fragen, warum er überhaupt die Einladungen zu diesem künstlerischen Abendessen angenommen hat, denn die Langeweile quält ihn und steigert sich zur exzessiven inneren Erregung, bis er schließlich aufbricht.


Der Protagonist lebt in Rom, muss aber ins elterliche Herrenhaus nach Oberösterreich zurückkehren, weil seine Eltern und sein Bruder bei einem Autounfall tödlich verunglückt sind und er jetzt Alleinerbe des großen elterlichen Vermögens ist. Im ersten Teil des Buches reflektiert Murau seine Beziehung zu Familie, Erziehung und Umgebung. Im zweiten Teil kommt er zurück ins Heimathaus, um das Begräbnis zu organisieren und trifft dabei alle Bekannten und Verwandten seiner Familie.

Bruchstücke einer Auslöschung: Der Protagonist beschreibt das Landvolk in Oberösterreich als "Hubertusmantelgesellschaft". Die Ehe ist ein "Gefängnis". Die Bauern, mit ihren "dümmlichen, eingedickten Gesichtern". Die Deutschen, die "sich ihren Goethe wie ein Marmeladenglas aufs Regal stellen und zu jeder passenden Gelegenheit hervorholen.

Bei der Veröffentlichung des Romans wurden plötzlich sehr viele kritische Stimmen laut und tatsächlich löste das Werk einen wahrhaften Skandal aus. Trotzdem stiegen die Zahlen des Verkaufs schnell nach oben und das nicht zuletzt deshalb, weil auch die eine oder andere Klage eingereicht wurde. Folglich wurden sämtliche gedruckte Exemplare nach dem Prozess beschlagnahmt.

Trotzdem war es überraschend, als kurz danach die Klage zurückgezogen wurde, weil der Kläger mit dem Angeklagten eine außergerichtliche Einigung traf. Nicht zuletzt wegen derartigen Aufruhrs zählt man das Werk »Holzfällen« von Thomas Bernhard auch heute noch zu den erfolgreichsten Romanen seiner Zeit. Ranicki hat das Werk Holzfällen in seinen Kanon der 20 besten Romane aufgenommen.




Weblinks:

Holzfällen. Eine Erregung.

Holzfällen von Thomas Bernhard - Der Kanon - www.derkanon.de

Thomas Bernhard


Literatur:

Holzfällen Holzfällen von Thomas Bernhard





Dienstag, 2. Mai 2023

»Das Maskenspiel der Genien« von Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Das Maskenspiel der Genien
Das Maskenspiel der Genien

Die habsburgische Vergangenheit beherrscht weiterhin das literarische Bewusstsein Österreichs. Der 1929 abgeschlossene Roman »Das Maskenspiel der Genien« von Fritz Herzmanovsky-Orlando ist ein Werk der phantastischen Literatur, das in der neuerwachten Gotik der Levante spielt. Es ist sein Hauptwerk und zugleich ein Hauptwerk der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts, ein von Einfällen und Witz überquellender, wunderschöner Alptraum. Ein Werk in der Tradition des österreichischen Humors und unter dem Einfluß von Alfred Kubins fin de siecle-Roman »Die andere Seite«.

»Das Maskenspiel der Genien« thematisiert die Spiegelung von Traum und Realität und ist eine Mischung aus antikem Mythos und Commedia dell` arte zum Zwecke der Vervballhornung der Habsburger Monarchie und ihres willfährigen und selbstgefälligen Beamtentums. Es ist die Wiederauferstehung des Mittelalters mit seinen Gauklerfiguren unter der Maske der Commedia dell` arte. Der Roman ist ein wahres Königtum des phantasievollen Einfallsreichtums und frechen Gauklertums. Die K.u.K.-Groteske spielt in der Tarockei. Der zu Lebzeiten unveröffentlichte und zunächst deutlich gekürzt publizierte Großroman »Das Maskenspiel der Genien« wurde 2011 in einer für breite Leserschichten angelegten unkommentierten "Volksausgabe" veröffentlicht.


Den ersten Teil der Reise führt den Abenteurer und Forscher Cyriak von Pizzicolli, eine literarische Verfremdung des Vorbildes Cyriacus von Ancona, in die Tarockei. Den zweiten Teil der Reise führt Pizzicolli nach Arkadien und in das antike Griechenland. Ins Bizarre gleitet die Reise nach Griechenland zur Zeit der Gotik ab. Hier spielt das Maskenspiel in der neuerwachten Gotik der Levante. Durch ungeheure Tragik gerät er in ein antikes Göttermysterium.

Arkadien ist ein ägäisches Wunderland voller mondäner Feste, bizarrer Einsiedler, berückender Landschaft und undeutlicher politischer Zugehörigkeit – die Türken werden nicht wirklich geleugnet, spielen aber nur eine untergeordnete dekorative Rolle – ist die eigentliche politisch-surrealistische Erfindung Herzmanovskys vorgelagert: die Tarockei, ein vom Fürsten Metternich geschaffener Pufferstaat im Süden der Donaumonarchie, der den Namen von seiner monarchischen Konstitution her trägt: Er wird nach den Regeln des Tarock-Spieles regiert.

Die Tarockei ist keine Insel der Seligen, obwohl von der Außenwelt der Nachbarstaaten gut abgeschirmt. Sie enthält natürlich Elemente einer Satire auf das alte Österreich mit seiner im Rückblick von heute bewunderten Bürokratie, die vor allem durch die von ihr entwickelte Sprache zu ihrer Zeit aber auch in manchem administrativen Exzess im Gedächtnis geblieben ist.


Die vier Könige des Landes werden ausschließlich nach ihrer physiologischen Ähnlichkeit mit den Spielkarten ausgesucht, und so gelangen die erstaunlichsten Personnagen auf den Thron. Hinter den Tetrarchen aber steht der eigentliche Machthaber, ein unheimlicher, nie erblickter Rat der Drei, bestehend aus den Tarockkarten Sküs, Mond und Pagat.

Durch eine Kastentür gelangt der verwaiste, ledige Cyriak von Pizzicolli, der sein Leben lang nie weit von Graz weggekommen ist, auf Traumpfaden in die Tarockei, „das einzige Nachbarland der Welt“, ein magisch bevölkertes Phantasiegebilde eines österreichisch-byzantinischen Utopia, dessen Verfassung auf den Regeln des Tarockspiels gründet. Was ihm dort widerfährt, nachdem er der atemberaubend schönen Cyparis - einer Verkörperung und Wiedergängerin der Helena - ansichtig wird, und warum er am Ende ein Hirschgeweih auf dem Kopf trägt, kann Ihnen nur dieses Buch erzählen und niemand anderer als Fritz von Herzmanovsky-Orlando. „

Pizzicolli landet am Ende auf der Insel Kreta. Dort erfolgt auch die Auflösung des geheimnisvollen Mysterienspieles /. des Mysteriums am Ende. Geheimes Wissen um eine versunkene Welt. Ein Mann in einer Mönchskutte offenbart ihm das geheime Wissen um eine versunkene Welt und das Wissen, wie sich die Dinge für ihn zusammenfügen. In der Offenbarung des Mönches in der weißen Kutte Fra Hugo ging Pizzicolli nun ein Licht auf über den geheimen Sinn der Mysterienspiele.

Die ganze religiöse Geschichte hat einen Angelpunkt: das Erscheinen des Erlöses, des Jesus Christos. Alle antiken Mysterien sind nutzlos. Hier in diesem weltvergessenen Stück Europas leben, sehr verborgen, die seltsamsten Bewahrer uralten mystischen Wissens der Tempeleisen, der Träger heiligster Traditionen, von Dingen, die am europäischen Kontinent längst abgeschafft und vorläufig noch vergessen sind.


Nach der Offenbarung gehen dem eingeweihten Pizzicolli nun zahlreiche Spukbilder durch den Kopf. Zum Schluss dann der Auftritt der Harlekine, welche die Maske lüpfen und das Rätsel der Mysterien auflösen. Bald erfuhr Pizzicolli, daß die Herren aus der ganzen Welt an dieser Stelle zusammengekommen seien. S. 487

"Man plane eine Durchwebung der antiken Mysterien mit den Figuren der Commedia dell`Arte ... wie wenn es geworden wäre, wenn Venedig wirklich den ganzen Orient für immer beherrscht hätte."

Am Ende trägt er selbst ein Hirschgeweih auf dem Kopf.


Fritz von Herzmanovsky-Orlando hat 1929 seinen weithin berühmten, jedoch vollkommen unbekannten Roman »Das Maskenspiel der Genien« abgeschlossen. Der Roman ist ein wahres Königtum des phantasievollen Einfallsreichtums. Die K.u.K.-Groteske spielt in der Tarockei. Der zu Lebzeiten unveröffentlichte und zunächst deutlich gekürzt publizierte Großroman »Das Maskenspiel der Genien« wurde 2011 in einer unkommentierten "Volksausgabe" veröffentlicht.

Der Abkömmling der Donaumonarchie hat der Monrachie mit seinem Werk ein groteskes Denkmal gesetzt. Ein traumhaftes Werk nicht nur für phantasiebegabte Leser mit Sinn für Ironie und Komik. Sehr empfehlenswerter Lesestoff für alle, die wirklich gute phantastische Literatur und nicht nur "Fantasy" lesen wollen.



Blog-Artikel:

Fritz von Herzmanovsky-Orlando 140. Geburtstag

»Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil


Weblink:

Cyriacus von Ancona – Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki


Literatur:

Das Maskenspiel der Genien
Das Maskenspiel der Genien
von Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext
Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext
von Bernhard Fetz und Klaralinda Ma



Tarockspiel:

Tarock - Wikipedia - de.wikipedia.org

Sonntag, 14. November 2021

»Der Herbst des Einsamen« von Georg Trakl




Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

»Der Herbst des Einsamen« von Georg Trakl


Gedichte:

Georg Trakl - Sämtliche Gedichte

Samstag, 25. September 2021

»Versuch über den Pilznarren« von Peter Handke

Versuch über den Pilznarren
Versuch über den Pilznarren: Eine Geschichte für sich



Peter Handke beschliesst die Reihe seiner Versuche mit einem fünften und letzten erzählenden Essay, dem »Versuch über den Pilznarren« – worin die Pilze für den Helden der Geschichte nicht nur Passion, sondern das letzte Abenteuer, das Abenteuer an sich sind.

Pilze, das weiß jeder, kann man nicht suchen. Sie müssen sich dem Wandernden vielmehr von Selbst zeigen. Diese Erfahrung plötzlichen Entbergens wählt Peter Handke zum thema seines »Versuch über den Pilznarren«.



Wie Handkes vorherige vier Bände der Reihe, etwa sein »Versuch über die Jukebox« oder »Über den gelungenen Tag«, kreist damit auch dieses Werk um ästhetische Erfahrungen der Öffnung und des biografischen Wandels.

Handkes vorherige vier Bände der Reihe, etwa sein »Versuch über die Jukebox«, »Der Chinese des Schmerzes« oder »Die Geschichte des Bleistifts« - um nur einige zu nennen.

Leider hat der Erfolg wohl auch seinen Preis: die letzten Bücher von Handke und eben auch der Versuch über den Pilznarren atmen die Selbstsicherheit eines Autors, der sich selbst zu den Großen zählt. Das wäre ja eigentlich nicht schlimm, wenn nicht dabei der Eindruck entstehen würde, dass Handke eine Über- und Bearbeitung des Textes nicht mehr für nötig hält.

Der Text von »Versuch über den Pilznarren« wirkt an vielen Stellen nicht nur unfertig (was bei einem Versuch ja durchaus drin ist), sondern auch wenig sprachlich geschärft, wenig ausgearbeitet – Gedanken des Autors ohne weitere Nacharbeit auf die Seiten gebracht.


Weblink:

Versuch über den Pilznarren
Versuch über den Pilznarren: Eine Geschichte für sich
von Peter Handke

Samstag, 11. September 2021

Stifters Sehnsucht nach seiner eigenen Welt


Adalbert Stifter

Adalbert Stifter hat die Nachwelt polarisiert - veralteter Langweiler oder aktueller Erzählkünstler?
Die einen erinnern sich an den idyllischen österreichischen Heimatdichter, andere an den exzellenten Erzähler des 19. Jahrhunderts, wieder andere an den Verfasser langweiliger Schullektüre mit seinen schier endlosen, minutiösen Schilderungen von Landschaft und Natur. Die wenigsten verbinden mit dem Namen Stifter den großen Erzähler, der in seinem Werk die Leidenschaften und Abgründe menschlichen Lebens zu bannen sucht, und zwar auf eine Weise, die sich zwar nicht unmittelbar erschließt, dem Kenner seines Werkes aber über ein künstlerisches Erlebnis hinaus eine tiefe Erkenntnis über das Rätsel Mensch vermittelt.

Auf Schriftsteller hat Stifters Erzählkunst jedoch eine fazinierende Wirkung ausgelöst. Es waren immer wieder Schriftsteller, die insbesondere von seinem Spätwerk angezogen, ja fasziniert waren, von dem ruhigen, langsam fließenden, fast übergenauen Duktus seiner Sprache, von den handlungslosen, groß angelegten Tableaus von Häusern, Landschaften, Gärten, die geplant, errichtet, bewirtschaftet werden, als sei es ein Sinn an sich. Andere sind von Stifter sofort zu Tode gelangweilt und halten ihn keine drei Seiten lang aus, weil nichts passiert.

Friedrich Hebbel versprach demjenigen die Krone von Polen, der den freiwillig, ohne als Rezensent verpflichtet zu sein, zu Ende lese. Die letztgenannte Gruppe von Stifter-Lesern beziehungsweise Nichtlesern bemerkt zumeist eines nicht: dass nämlich unter der Ruhe und der viel (manchmal zu viel) gepriesenen Klarheit des späten Stifter etwas sehr Beunruhigendes steckt, das zu benennen schwer fällt. Vielleicht ist es die Beschwerde darüber, dass die Welt so nicht ist, wie sie da beschrieben (erfunden, ersehnt) wird.

Die Beschwerde darüber, dass sie so sein sollte, aber nicht ist. Diese quasi idyllischen Gemälde Stifters funktionieren wie eine Linse, durch die man hindurchschaut, um die Welt dann bedauerlicherweise klarer zu sehen, die ganz und gar nicht so ist wie bei Stifter.

Adalbert Stifter


Die Welten Stifters stehen nicht allein groß und mächtig, wie gemeißelt, auf dem Papier und genügen sich, nein, vielmehr liest man zwischen den Zeilen überall die Sehnsucht nach ebendem, was in den Zeilen steht. Stifters Sehnsucht ist die danach, dass das, was er schreibt, die Welt sei. Sie ist es aber nicht. Und sie war auch nicht Stifters Welt.

Das ist das Tragische an Stifter, daß er wußte, daß die Welt eine andere war und ist. Hebbel muß beim »Nachsommer« ein anderes Buch gelesen haben. Und hat in anderen Welt gelebt, sow wie Stifter in seiner.

Weblinks:

Eine ganze Welt zwischen den Zeilen - www.zeit.de

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Adalbert Stifter-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de


Weblinks:

Adalbert Stifter-Portal - www.adalbertstifter.at


Adalbert Stifter-Biografie - www.adalbertstifter.at

Dienstag, 9. Februar 2021

Thomas Bernhard 90. Geburtstag

Thomas Bernhard

Thomas Bernhard wurde vor 90 Jahrem am 9. Februar 1931 als unehelicher Sohn im niederländischen Heerlen bei Maastricht geboren.

Thomas Bernhard war einer der berühmtesten Stückeschreiber seiner Zeit und ein Wüterich, der in unermüdlichem Schaffenszorn Weltliteratur schrieb. Er war ein überaus vielschichtige Gestalt: Polarisierender Skandalautor, weltberühmter Dramatiker, österreichisches Phänomen - all das und noch viel mehr war Thomas Bernhard.

Der Schriftsteller zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Bücher sind kontinuierlich auch in den großen Verlagshäusern in Amerika, in Frankreich, in Italien erschienen und wurden in alle Kultursprachen der Welt übersetzt. Seine Theaterstücke beeinflussen seit zwanzig Jahren in hohem Maße das Theater in Europa.

Klassiker der Weltliteratur, weltberühmter Dramatiker, polarisierender Skandalautor: all diese Prädikate hat man dem 1989 verstorbenen österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard schon verliehen. Er gehört zu den grossen Autoren dieses Jahrhunderts und gilt als ein Autor von Weltrang.

Sein Weltruhm ist heute unbestreitbar: Klassiker der Weltliteratur, weltberühmter Dramatiker, polarisierender Skandalautor - all diese Prädikate hat man dem 1989 verstorbenen österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard schon verliehen.

Doch ein Schriftsteller wollte er nicht sein, vielmehr "jemand, der schreibt". Zugleich begriff er sich als "Geschichtenzerstörer" und "Übertreibungskünstler", wurde von andern als "Misanthrop" oder "Alpen-Beckett" charakterisiert. Eines steht bei solch unterschiedlichen Ansichten fest: Bernhards Werke, die Prosa wie die Dramen, zählen unbestritten zur Weltliteratur und sind in annähernd 50 Sprachen auf dem Erdball übersetzt worden.

Thomas Bernhard ist einer der streitbarsten, umstrittensten und bedeutendsten Schriftsteller der jüngeren Vergangenheit. Das ungewünschte Kind, als Außenseiter geboren und vom Großvater zu Idealisierung der Einzelgängerrolle erzogen, durch die Krankheit um die Sängerlaufbahn gebracht und als Gerichtsreporter eines Salzburger Provinzblättchens zur Randerscheinung im Schreibgewerbe gestempelt, schwang sich zum bestgehaßten und berühmtesten Schriftsteller und Dramatiker seines Landes auf. Seine Stellung im österreichischen Kulturbetrieb lässt sich folgend charakterisieren: Er wurde der negative Staatsdichter Österreichs.

Thomas Bernhard war der Geist, der stets verneint und seine Stücke waren und sind der Ausdruck seiner berühmten Misanthropie und des Bernhardschen Markenartikels "Menschenhass". Seine Werke sind aus dem Gefühl aus erfahrenem Unrecht und tiefer Verletzung in dunkler Zeit entstanden. Thomas Bernhard, der große Verneiner, wurde zu eine unbequemem Störenfried im eher beschaulichen Literaturbetrieb seines Heimatlandes Österreich, welches ihn mit einer innigen Hassliebe verbinden sollte.

Es ist das jugendliche Schicksal, welches ihn als Persönlichkeit geprägt hat und zum Literaten werden ließ. Der lebensgeschichtliche Hintergrund seiner Romane und Dramen ist ein nicht gewöhnliches Unglück: Jugend in Krieg und Nachkriegszeit, frühe Verlassenheit, erniedrigende Armut, lebensbedrohende Krankheit und in dieser Misere zugleich ein vom Großvater am Enkel durchexerziertes künstlerisches Erziehungsprogramm, das sind Elemente und der Stoff der Biographie eines Autors, der die Literatur souverän zum Mittel seiner Selbstbehauptung machen konnte.

Das Feuilleton wurde nicht müde im Erfinden immer neuer Begriffe, um Thomas Bernhard zu beschreiben. Als "Alpen-Beckett" wurde er bezeichnet und einen "Meister der Suada" sah man in ihm. Nur wenige haben so grandiose Hasstiraden auf Österreich verfasst wie Bernhard und keiner provozierte bei Preisverleihungen die Laudatoren wie er. Gerecht wurden die Feuilletonisten trotz wohlklingender Beschreibungen dem Autor allerdings nicht, denn der Egozentriker Bernhard war stets nur der Mittelpunkt seines eigenen Zentralkosmos!

Thomas Bernhard war ein Schriftsteller, der sein eigenes Leben zur Dichtung gemacht hat und seine Erfahrung zum Mittelpunkt seiner Stücke erhoben. Daraus entstanden ist eine Dichtung mit Hang zur Erregung. Aus seinen Werken strömte stets die Erregung über die Zustände in seinem Heimatland. Und von der Erregung zum Skandal ist es nicht weit.

Der Autor war immer für einen gut kalkulierten Skandal gut, denn er war auch ein geschickter Meister der Kunst der Erregung öffentlichen Ärgernisses. Der Skandal war Teil seiner Inszenierung, selten jedoch Inhalt seiner Werke. Skandale haben das Werk und das öffentliche Auftreten Bernhards durch Jahrzehnte begleitet. Die Veröffentlichung seines Romans »Holzfällen« hatte bereits für einen Eklat gesorgt und die Inszenierung seines Stückes »Heldenplatz« war begleitet von heftigen öffentlichen Protesten.

Bis heute wird Thomas Bernhard mit dem Attribut "Skandalautor" bedacht, doch wird man Bernhard mit diesem Attribut nicht gerecht, denn er war eher ein ironischer und zuweilen auch sarkastischer Übertreibungskünstler. Nur allzu oft assoziiert man mit dem Namen weniger seine Werke als die damit begleitenden Skandale. Diese sollten schließlich in den Vorgängen rund um die Uraufführung des Stückes »Heldenplatz« im Jahr 1988, wenige Wochen vor dem Tod des Autors, gipfeln.

Thomas Bernhard war ein Provokateur, der mit spitzer Feder gegen die Verhältnisse in seinem Heimatland angeschrieben hat. Der Staatsverächter Thomas Bernhard nahm in Österreich die Auseinandersetzung mit seinem Herkunftsland in der Tradition der Kritik von Karl Kraus auf. Beide haben Staatsverachtung als literarisches Programm praktiziert.

Bernhard ist ein Beschimpfungskünstler, welcher die Beschimpfung zur Kunstform erhoben hat. Mit schöner Regelmäßigkeit vermochte er die Gesellschaft vor den Kopf zu stoßen, er brachte die Verhältnisse zum Tanzen. Die Premieren seiner berühmten Theaterstücke bis hin zu seinem letzten Erfolg »Heldenplatz« lösten verlässlich frenetischen Beifall und wüste Beschimpfungen aus. „Mit der Kälte nimmt die Klarheit zu“, hatte er einmal gesagt, aber dieser Kälte wollte sich nicht jeder aussetzen.

Ob Thomas Bernhard Prosa oder ein Theaterstück geschrieben hat, immer haben sein Plädoyer gegen den Nationalsozialismus, seine Angriffe gegen sein ungeliebtes Heimatland Österreich im Mittelpunkt gestanden. Ganz besonders in seinem Theaterstück »Heldenplatz«, dem wohl umstrittendsten, dem bekämpftesten Werk von Thomas Bernhard.

Wer Thomas Bernhard kennt und seine Werke liest, der weiß von seinen Schimpftriaden über Systeme und Politik. In diesem Werk hat er die österreichische Gesellschaft - und speziell die Wiener, die Politik, den Antisemitismus - aufs Korn genommen und zur Zielscheibe seiner Tirade gemacht.

Für seine Leserinnen und Leser aber war er weit mehr als ein unbequemer österreichischer Dichter; er war für sublimere Gemüter eine Art Realitätenvermittler und – ja, das war er auch – ein moralische Instanz, die mit jedem neu erschienenen Roman oder Theaterstück seine geliebte Heimat Österreich wieder einmal schonungslos und klar kritisierte und sezierte. Das gefiel nicht jedem seiner Landsleute.

Biografien:

Zu Thomas Bernhard - Thomas Bernhard-Portal www.thomasbernhard.at

Thomas Bernhard-Biografie - www.dieterwunderlich.de

Thomas Bernhard-Biografie - www.die-biografien.de



Weblinks:

Thomas Bernhard-Zitate - www.die-zitate.de


Über Thomas Bernhard schimpft man nicht mehr - www.nzz.ch


Blog-Artikel:

Thomas Bernhard 80. Geburtstag

Thomas Bernhard der große Verneiner

Freitag, 6. November 2020

Robert Musil 140. Geburtstag

Robert Musil

Robert Musil wurde vor 140 Jahren am 6. November 1880 in St. Ruprecht bei Klagenfurt geboren. Robert Musil war ein bedeutender österreichischer Schriftsteller und Theaterkritiker.

Nach einer abgebrochenen militärischen Laufbahn studierte Musil zunächst Maschinenbau, dann Philosophie, Psychologie, Mathematik und Physik. Obwohl promoviert, sah Musil seine Zukunft nicht in der Wissenschaft. Nachdem er verschiedene Berufe ausgeübt hatte und als Landsturmhauptmann an der italienischen Front gewesen war, konzentrierte er sich auf das Schreiben.


Robert Musils umfangreiches Werk umfasst Novellen, Dramen, Essays, Kritiken und zwei Romane, den Bildungsroman »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß« und sein unvollendetes opus magnum »Der Mann ohne Eigenschaften«.

Musils Werk ist geprägt von allgemeinen Fragen und Betrachtungen über das menschliche Dasein, der Kunst, Politik und Geschichte, aber auch von prägenden negativen Erfahrungen in der Zeit seiner Erziehung.


Zu seinen bedeutendsten Werken gehören »Der Mann ohne Eigenschaften« und »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß«. Bekannt geworden ist Robert Musil vor allem als Autor des unvollendeten Romans »Der Mann ohne Eigenschaften«.

Die k. u. k. Monarchie wird gelegentlich als „Kakanien“ bezeichnet, das Leben in ihr als „kakanisch“. Damit verbindet man unter anderem die Baukunst in den Städten, die bunten militärischen Uniformen, die Vielsprachigkeit des Staates, das Gesellschaftsleben der damaligen Zeit und die Kaffeehaustradition. Dieser Ausdruck wurde – nach dem Untergang der Monarchie – von Robert Musil in seinem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« geprägt.

Dieser Roman hat sich von den ersten autobiografischen Entwürfen noch kurz nach dem Ersten Weltkrieg über verschiedene Romanprojekte Mitte der 1920er Jahre zu Musils Lebenswerk entwickelt, in das nach und nach sämtliche literarischen Anstrengungen eingingen. Über dieser Arbeit wurden nach dem Erfolg des Erstlingswerks »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß« von 1906 bis 1930 Musils literarische und journalistische Publikationen immer seltener.

Im engeren Rahmen der deutschsprachigen Literatur seiner Zeit stellt man Musil nicht selten in eine Reihe mit Hermann Broch, Franz Kafka, Thomas Mann, Elias Canetti und anderen, deren Schreibenergie sich oft ähnlich der Musilschen aus Zusammenbruchserfahrungen nährte.


Wie auch in den intellektuellen Romanen zeitgenössischer Künstler, wie z.B. Rilke, findet man in Musils Werken viele essayistische Absätze vor, verflochten mit überreichen Handlungen, dramatischen Szenen und kontemplativen Passagen, die von dem menschlichen Dasein, der Kunst, Politik und Geschichte handeln wie das für Dostojewskis Romane charakteristisch war.

Als die Nazis Österreich besetzten, emigrierte er mit seiner Frau Martha in die Schweiz. Robert Musil starb am 15. April im Schweizer Exil in Genf.

Weblink:

Zum 75. Todestag von Robert Musil - Die Verwirrungen des Zöglings Törless - www.deutschlandfunk.de


Literatur:

Der Mann ohne Eigenschaften - Erstes Buch
Der Mann ohne Eigenschaften - Erstes Buch
von Robert Musil

Der Mann ohne Eigenschaften I - Erstes Buch
Der Mann ohne Eigenschaften 1 - Erstes Buch
von Robert Musil

Blog-Artikel:

»Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil

Robert Musil 75. Todestag

Samstag, 12. September 2020

»Der Nachsommer« von Adalbert Stifter

Der Nachsommer

Der Nachsommer

»Der Nachsommer« mit dem Untertitel »Eine Erzählung (1857)« ist ein zwischen 1847 und 1857 entstandener Roman in drei Bänden von Adalbert Stifter. »Der Nachsommer«, Stifters vielleicht bekannteste Schöpfung, zählt gehört zu den großen Bildungsromanen des 19. Jahrhunderts. Im Stil des Biedermeier erzählt der Entwicklungsroman die Lebens- und Familiengeschichte seines Protagonisten, der im Verlauf des Buches zu einem reifen Mann wird.

Es gibt Romane, die sind wie eine nacherzählte Lebensgeschichte, welche das eigene Leben im milden Licht eines geglückteren Entwurfes erscheinen läßt. Der »Nachsommer« ist eine literarische Annäherung an Adalbert Stifter. Mit seiner durch und durch autobiografischen Grundierung ist das Werk an Stifters Leben entlanggeschrieben und vergegenwärtigt dieses Leben. Es ist der idealisierte Entwurf eines geglückten Lebens und zugleich auch die Korrektur von Stifters eigener Geschichte. Nachdem es das erste und eigentliche Mal ganz anders war, liefert der Autor, der ein Dichter und Träumer war, gewissermaßen die verbesserte Ausgabe. Dieses Mal glückt alles. Also kein vaterloses, gefährdetes Leben, gefolgt von einem lebnslänglichen Chaos wie bie Stifter, sondern eben ein Leben, das man ein glückliches nennen kann.

Ein junger Naturforscher bittet in einem abgelegenen, über und über mit Rosen bedeckten Landhaus um Unterschlupf vor einem drohenden Gewitter. Er wird von dem älteren Hausbesitzer freundlich aufgenommen, kehrt auf seinen Reisen immer wieder dorthin zurück und heiratet schließlich die Ziehtochter seines Gastfreundes. Mit diesen Sätzen wären die knapp 800 Seiten von Stifters „Nachsommer” schon so gut wie vollständig zusammengefasst.

Der Nachsommer
Der Nachsommer

Die Handlung dreht sich um die verschieden gearteten Leben zweier Paare, wobei das jüngere von beiden in Glück und frischer Liebe schwebt, das ältere hingegen durch seine Seelenreife und gemeinsamen Erlebnisse andere Empfindungen der Zufriedenheit verspürt - gewissermaßen einen Nachsommer ihrer Liebe durchlebt. Dabei gelingt es der jungen Beziehung, von den Erfahrungen des älteren Paares zu lernen und zu profitieren.

Zwei liebende Paare stehen im Vordergrund dieses warmherzigen Romans: Das jüngere beschließt nach schüchterner Annäherung schließlich zu heiraten, das ältere erlebt eine späte Liebe »in Glück und Stetigkeit, gleichsam einen Nachsommer ohne vorhergegangenen Sommer.«

Adalbert Stifter

Entschleunigung ist der Schlüssel zu diesem Buch. Wer dieses Tempo nicht annehmen kann oder mag, dem muss »Der Nachsommer« als Krönung der Langeweile erscheinen. Allerdings entgeht diesem Leser dann auch ein Kunstwerk des humanen Entwicklungs- und Bildungsideals, welches eben die Seele des Werkes ist.

Natürlich ist dieses Bildungsideal in der jetzigen Welt, in der Bildung rein marktwirtschaftlich wettbewerblich verstanden wird und nicht die Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zum Zweck hat, so weit außerhalb unseres Radars, dass dieses Buch heute wohl kaum noch die Leser findet, die es verdient.

Der Entwicklungsroman ist an der Biografie seines Autors entlanggeschrieben. Er ist ein idealisierter Gegenentwurf zu seinem tatsächlichen Leben.

»Der Nachsommer« wurde gerade von Schriftstellern bewundert und geliebt. Die Bewunderer Stifters unter den Lesern, die selbst schreiben, sind und waren zahlreich. Schließlich geht es hier um die Sprache als seine Weise der Vergegenwärtigung der Welt.

Stifters Nachsommer ist kein schlechtes Werk, doch ist es wahrlich nur für sehr geduldige Leser geeignet. Ich mag Bildungsromane, die meist durch eine gewissen Stille geprägt sind. So fand ich zum Beispiel Hesses Glasperlenspiel sehr schön. Auch die ersten paar hundert Seiten des Nachsommers fand ich noch ansprechend. Ich mochte die Atmosphäre, die Sanftheit, die Naturbeschreibungen. Aber irgendwann fand ich es einfach zu übertrieben.

Die immer wiederkehrende Beschreibung unwesentlicher Details, die endlosen Monologe über Kunst, Kultur und Politik sowie das vollständige Ausbleiben von Handlungsfortschritten waren mir irgendwann zu viel. Dann begann ich, die Seiten enttäuscht zu überfliegen. Ich hatte den Eindruck, Stifter versuchte hier krampfhaft, seine gesamte Weltsicht en detail in einen Roman zu pressen. So entstand aber ein Missverhältnis zwischen der mangelnden Handlung und dem Übermaß an Darlegung der Weltanschauung.

"Ein Klassiker ist ein Buch, das jeder lobt und niemand liest.", sagte Mark Twain einmal.
Dieses Buch ist ein Klassiker und verdient es, nicht nur gelobt, sondern auch gelesen zu werden.
In der Tat macht es der Autor dem Leser nicht leicht, in erster Linie deswegen, weil man zur Lektüre braucht, was vielen in der heutigen Zeit abgeht, Zeit und Muße. Wie jedes große Kunstwerk erschließt sich das Buch nicht sofort und nicht beim flüchtigen Lesen.

Literatur:

Der Nachsommer


Der Nachsommer von Adalbert Stifter - Gebundene Ausgabe - 1. Januar 2007

Dienstag, 10. Dezember 2019

Verleihung des Literaturnobelpreis an Peter Handke

Peter Handke

Peter Handke hat den Literaturnobelpreis auf jeden Fall verdient, denn dieser Preis wird von dem schwedischen Nobelpreis-Komitee für das literarische Werk eines Schriftstellers verliehen.

Dass ein Schriftsteller politisch falsche Einschätzungen trifft oder fragwürdige Haltung zeigt, ist für die Verleihung des Literatur-Preises nicht maßgebend!

"Ich schreibe nicht mit Meinungen. Ich habe niemals eine Meinung gehabt, ich hasse Meinungen."

Leider können viele Medien dies nicht ausreichend differenzieren, sondern versuchen vehement, einen sich politisch unklug verhaltenden Schriftsteller auf seine Haltung festzunaglen. Dies hat aber mit seinem verfassten litarischen Werk nichts zu tun.


Der umstrittene österreichische Literaturnobelpreisträger Peter Handke ist in seiner Nobelvorlesung nicht auf die Kritik an seiner Haltung zum Jugoslawien-Konflikt eingegangen. Stattdessen richtete er sein Hauptaugenmerk in seinem Vortrag in der Schwedischen Akademie auf ein zentrales Werk aus seiner Schaffenszeit. "Spiele das Spiel. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts", zitierte Handke aus dem 1981 erschienenen Drama »Über die Dörfer«, das von einem Konflikt zwischen drei Geschwistern und dessen friedlicher Lösung handelt. "Der ewige Friede ist möglich", zitierte Handke die Figur Nova.

Die Haltung der deutschen Medien zur Zerstörung von Jugoslawien musste nachträglich korrigiert werden. Es fand ein dreitägiges Hearing beim ZDF statt, in der die Medienlügen die Hauptrolle spielten. Schlagwort: "Es begann mit einer Lüge."

Übrigens teilten damals viele Intellektuelle Handkes Position, u.a. Rudolf Augstein und Claus Peymann. Es gibt einen sehr guten Aufsatz von Wiglaf Droste in der taz anlässlich der Ankündigung, Handke den Heinepreis der Stadt Düsseldorf zu verleihen - mit ähnlicher Kontroverse wie heute. Wiglaf Droste fand die passende Antwort darauf - natürlich auf Seiten Handkes.

Handke hat nichts zu revidieren. Er hat in einem Wust wüster Kriegspropaganda seine Meinung gesagt. Mit dem erheblichen Erfolg für ihn persönlich, dass genau die Journalisten, die damals logen, dass sich der Balkan bog, ihn heute wieder angreifen, wenn er nicht ihre Schallplatten leiert. Solche Figuren zu Feinden zu haben, ehrt.

Das ist der Unterschied zwischen einer bezahlten Feder und einem Literaten von Weltrang. Ich erinnere an Boris Leonidowitsch Pasternak und an Alexander Issajewitsch Solschenizyn, beide Nobelpreisträger (einer musste ablehnen), die von der dortigen Systempresse ebenfalls unter Feuer genommen wurden.

In diesem Zusammenhang ist noch Emile Zola und die Dreyfuss-Affäre erwähnen. Wenn auch Dreyfus billiger davogenommen ist als Milosevic. Handkes Größe ist nur an solchen Genies messbar. Aus welchen Gründen auch immer, er hat es praktisch der Wahrheit und Gerechtigkeit wegen mit einer Hälfte der Welt angelegt.


Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Peter Handke ist ein bekannter österreichischer Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er gilt als vielseitiger Schriftsteller und als Meister der Form. Er sieht sich als Epigone einer entpolitisierten Literatur, doch das macht seine Literatur um ihrer selbst wertlos.

Weblink:

"Sei nicht die Hauptperson" - www.zeit.de/kultur

Dienstag, 28. Mai 2019

Joseph Roth 80. Todestag

Joseph Roth


Joseph Roth starb vor 80 Jahren am 27. Mai 1939 an seinen Pariser Exil. Joseph Roth war ein in Gallizien geborener bekannter österreichischer Schriftsteller, Erzähler und Journalist des 20. Jahrhunderts. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Erzähler.

Joseph Roth gilt manchen als ein Wunderrabbi im Kleid des Gentlemans, der mit dem Alphabet heilen konnte, anderen als schiffbrüchiger österreichisch-ungarischer Monarchist, der seinen Kummer über den Niedergang der Habsburger in Hektolitern Alkohol ersäufte. Selbst charakterisierte sich der galizische Jude, österreichische Dichter und katholische Trinker Roth als »böse, besoffen, aber gescheit« und traf damit wohl ins Schwarze.

Zum wegweisenden Erlebnis wurde für Roth der Erste Weltkrieg und der darauf folgende Zerfall Österreich-Ungarns. Nach Kriegsende musste Joseph Roth sein Studium, das er in Wien hoffnungsvoll begonnen hatte, abbrechen. Mit dem Untergang der Habsburgermonarchie verlor er seine Heimat, als die er ganz Österreich-Ungarn angesehen hatte.

Joseph Roth war ein Jude auf Wanderschaft, ein Wanderer zwischen den Welten und gegen Ende seines Lebens ein heimatloser Literat. Roth ging zuerst nach Wien und reiste in den folgenden Jahren quer durch Europa. Nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß ging er 1934 ins Exil nach Paris.


»Meine Heimat war ein großes Haus mit vielen
Zimmern für viele Arten von Menschen.«

Von 1936 bis 1938 lebte Joseph Roth mit der Schriftstellerin Irmgard Keun zusammen. Zu seinen bekanntesten Werken des traditionellen Erzählers gehören die Romane »Das Spinnennetz« (1923), »Der stumme Prophet« (1929), »Hiob. Roman eines einfachen Mannes« (1930), »Radetzkymarsch« (1932), »Die Kapuzinergruft« (1938), »Die Legende vom heiligen Trinker« (1939) und »Der Leviathan« (1940).

Mit seinem Roman »Hiob«, aber vor allem mit »Radetzkymarsch« gelangte Joseph Roth zu internationalem Ruhm. Hauptthemen im Schaffen des jüdischen Autors sind neben dem erbitterten Kampf gegen den aufkommenden Nationalsozialismus das multikulturelle Leben und der tragische Untergang der von ihm geliebten Habsburger Monarchie.

»Radetzkymarsch« ist ein sehr schöner Klassiker, der die Zeiten des alten Österreichs noch einmal aufleben lässt und anhand der sehr schön gestalteten Charaktere ein tolles Sittengemälde von damals wiedergibt.

Je drohender sich in den 30er Jahren der Nationalsozialismus artikulierte, desto stärker rückte die Erinnerung an die Vorkriegsmonarchie in das Zentrum von Roths Argumentation und verklärte das alte habsburgische Österreich. Er war der Schriftsteller der ausgehenden kuk-Monarchie.


Roth, dessen Texte zum Feinsten zählen, was die deutsche Literaturgeschichte zu bieten hat, wurde durch seine Romane »Hiob«, »Radetzkymarsch« und »Kapuzinergruft« berühmt. Zu seinen bekanntesten Werken des traditionellen und begnadeten Erzählers gehören die Romane »Das Spinnennetz« (1923), »Der stumme Prophet« (1929), »Hiob. Roman eines einfachen Mannes« (1930), »Radetzkymarsch« (1932), »Die Kapuzinergruft« (1938), »Die Legende vom heiligen Trinker« (1939) und »Der Leviathan« (1940).

In der Vor-Hitler-Zeit war er einer der bestbezahlten Zeitungsschreiber Deutschlands, im Exil galt er als einer der kompromisslosesten Gegner des Nazi-Terrors. Doch die politische Entwicklung gab ihm den Rest und machte aus einem fröhlichen Zecher einen zerrütteten Alkoholiker.

Roth war, mit einem gern gebrauchten Wort, ein Dichter des Heimwehs, nicht der Heimat. „Ich habe keine Heimat, wenn ich von der Tatsache absehe, dass ich in mir selbst zu Hause bin und mich bei mir heimisch fühle“, bekannte er in einem Brief. Der erste Teil dieses Satzes war seine ewige Klage, der zweite eine glatte Lüge. Zerrissener als Roth improvisierte kein Schriftsteller sein Leben zwischen Starjournalismus und Dauersuff.

Roth war ein Schriftsteller, der seine Heimat und auch seine Sprache verloren hatte. Im Pariser Exil wurde der große und begnadete heimatlose Erzähler zum Trinker. Roth litt an Alkoholismus, an dessen Folgen der Schriftsteller im Pariser Exil am 27. Mai 1939 starb. Sein Grab befindet sich auf dem Cimetière de Thiais im Süden von Paris.

Joseph Roth war ein scharfsinniger wie mitfühlender Porträtist seiner Zeit. Seine Romane und Feuilletons zeichneten scharfe Beobachtungsgabe und minutiöse Prosa aus. Als er 1939 mit nur 44 Jahren starb, hatte er mit seinem Erzählwerk ein wortgewaltiges Panorama der wechselvollen Geschichte Österreichs geschaffen, bevölkert mit Mächtigen und Gescheiterten, mit wundervollen Figuren voller Liebe, Stolz und Verzweiflung.

Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Literatur:

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch
von Joseph Roth

Hotel Savoy
Hotel Savoy
von Joseph Roth

Die Legende vom heiligen Trinker
Die Legende vom />heiligen Trinker von Joseph Roth

Weblink:

Das nomadisierende Chamäleon - www.tagesspiegel.de/kultur

Samstag, 26. Januar 2019

»Rechtswalzer« von Franzobel

»Rechtswalzer« von Franzobel


»Rechtswalzer« ist ein Ende Januar 2019 erschienener Kriminalroman des Wiener Schfriftstellers Franzobel, eine Replik und Satire auf die rechtskonservative Regierung unter Kanzler Kurz und der sich in ihrem Selbstverständnis als legitime Nachfolgerin des Kaisers begreifenden christlichen Volkspartei ÖVP.

Der erfolgreiche Getränkehändler und Barbesitzer Malte Dinger ist ein Glückspilz. Als er jedoch unverschuldet in die Fänge der Justiz gerät, steht plötzlich seine ganze Existenz auf dem Spiel. Für den Balkan-Casanova Branko ist das Leben da schon vorbei. Vieles deutet darauf hin, dass er das Opfer abseitiger sexueller Praktiken geworden ist, doch Kommissar Groschen glaubt nicht recht daran.

Das Verhältnis Brankos zu der lustig gewordenen Witwe des Bautycoons Hauenstein bringt dann die Machenschaften der neuen rechtsnationalen Regierung ans Licht, die den bevorstehenden Opernball als Propaganda-Spektakel inszenieren will.


Franzobel bietet eine Fülle von extravaganten Einfällen und überraschenden Wendungen auf, um die Leserin, den Leser über 400 Seiten bei der Stange zu halten. Wer einen Sinn hat für den bizarr-satirischen Zugriff auf die Wirklichkeit, den Franzobel pflegt, wird sich bestens unterhalten bei der Lektüre dieses Buches, das der unerfreulichen politischen Gegenwart die subversive Macht befreienden Lachens entgegensetzt.

Der Autor bemüht sich sehr, witzig oder originell zu sein, legt aber mit »Rechtswalzer« einen Text geballter Mittelmäßigkeit, getoppt mit nicht enden wollenden Peinlichkeiten vor.


Franzobels neuer Krimi spielt in der Zukunft, ist aber brandaktuell. Nach dem Sturz der rechtskonservativen Regierung wurde die Vision mittlerweile überholt.

Literatur:

Rechtswalzer
Rechtswalzer
von Franzobel

Mittwoch, 26. September 2018

»Verklärter Herbst« von Georg Trakl




Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.




Georg Trakl,
österreichischer Lyriker, (1887-1914)


Samstag, 22. September 2018

»Die letzte Welt« von Christoph Ransmayr

»Die letzte Welt« ist Christoph Ransmayrs großer Roman ist ein Klassiker der deutschen Gegenwartsliteratur. Als vor gut zwanzig Jahren Christoph Ransmayrs apokalyptischer Ovid-Roman »Die letzte Welt« erschien und einen Sturm der Begeisterung auslöste, sah sich die Klassische Philologie in große Verlegenheit gebracht:

Wie den Dichter Ovid vor entstellender Rezeption retten, ohne auf die Früchte des Erfolges zu verzichten? Waren nicht im Roman, diesem Amalgam aus Fragmenten ovidischer Figuren (Metamorphosen) und Versatzstücken aus Ovids im Exil verfasster literarischer Biographie (Tristien, Briefe), die Grenzen zwischen Fiktion und Realität postmodern verfremdet.

»Die letzte Welt« ist ein phantastisches Spiel um die Suche nach dem verschollenen römischen Dichter Ovid und einer Abschrift seines Hauptwerks, der legendären »Metamorphosen«.

Als Christoph Ransmayrs Roman »Die letzte Welt« 1988 erschien, wurde er von der Kritik gefeiert wie kaum ein anderer – wegen seiner poetischen, rhythmischen Sprache, wegen seiner stilistischen Eleganz, auch wegen seiner bildmächtigen Traum- und Albtraumwelten. Er wurde bisher in 29 Sprachen übersetzt.

In diesem Roman ist die Verbannung des römischen Dichters Ovid durch Kaiser Augustus im Jahre 8 n. Chr. der historisch fixierte Ausgangspunkt einer phantasievollen Fiktion. Der Römer Cotta, sein – durch Ovids »Briefe aus der Verbannung« – ebenfalls historisch belegter Freund, macht sich in Tomi am Schwarzen Meer auf die Suche: nach dem Verbannten, denn in Rom geht das Gerücht von seinem Tod, als auch nach einer Abschrift der »Metamorphosen«, dem legendären Hauptwerk Ovids. Cotta trifft in der »eisernen grauen Stadt« Tomi jedoch nur auf Spuren seines Freundes, Ovid selbst begegnet er nicht.

Er findet dessen verfallenes Haus im Gebirge, den greisen Diener Pythagoras und, je komplizierter und aussichtsloser sich die Suche gestaltet, immer rätselhaftere Zeichen der »Metamorphosen« – in Bildern, Figuren, wunderbaren Begebenheiten. Bis sich zuletzt Cotta selbst in der geheimnisvoll unwirklichen Welt der Verwandlungen zu verlieren scheint: die Auflösung dieser »letzten Welt« ist wieder zu Literatur geworden.

Literatur:

Die letzte Welt
von Christoph Ransmayr

Dienstag, 31. Juli 2018

Peter Rosegger 175. Geburtstag


Peter Rosegger

Peter Rosegger wurde am 31. Juli 1843 in Alpl in der Obersteiermark als Sohn eines verarmten Waldbauern geboren. Rosegger war ein österreichischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts.

Peter Rosegger war ein österreichischer Volksschriftsteller und Erzähler, der als Waldbauernbub sehr mit der Natur und seiner Umgebung und den Traditionen verbunden lebte.

Ausdruck seiner Verbundenheit war die Waldheimat, in der lebte und arbeitete. Er hat seiner Waldheimat ein literarisches Denkmal gesetzt. Im Herzen der Waldheimat liegt der Kluppenegger-Hof, der Geburtsort Roseggers.


Roseggers Kluppeneggerhof

Der begnadete Erzähler hat seine Heimat ain allen Formen und Farben geschildert und kam durch sein schriftstellerisches Werk zu Reichtum. 1877 konnte sich Rosegger seinen Traum von seinem Heim in der Waldheimat erfüllen.

Nach den ersten finanziell erfolgreichen Jahren als Schriftsteller wurde nach Roseggers eigenen Entwürfen
in Krieglach sein Haus erbaut, und bereits im Herbst zogen er und seine Kinder ein.



Der begnadete Erzähler kam durch sein schriftstellerisches Werk zu Reichtum. 1877 konnte sich Rosegger seinen Traum von seinem Heim in der Waldheimat erfüllen. Nach den ersten finanziell erfolgreichen Jahren als Schriftsteller wurde nach Roseggers eigenen Entwürfen in Krieglach sein Haus erbaut, und bereits im Herbst zogen er und seine Kinder ein.

Neben seiner schriftstellerischen Arbeit unternahm Rosegger seit 1878 Lesereisen, die ihn u.a. nach Dresden, Leipzig, Weimar, Berlin, Hamburg, Kassel, Karlsruhe und München führten.

Der Volksschriftsteller Peter Rosegger schrieb Romane, Erzählungen und Gedichte. Rosegger beschrieb in seinen Erzählungen seine Heimat. In seinen volkstümlichen Erzählungen schildert er Land und Leute, Sitten und Bräuche seiner Heimat.

Die Schriften des Waldschulmeisters Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Erzählungen »Die Schriften des Waldschulmeisters« (1875), »Der Gottsucher« (1883) und »Als ich noch der Waldbauernbub war« (1902).

Weitere Erzählungen sind »Das ewige Licht« (1897), »Erdsegen« (1900), »Inri« (1905), »Die Försterbuben« (1907), »Die beiden Hänse« (1911).

Sein Leben lang war Rosegger ein gläubiger Katholik, der stets allen Glaubenssätzen treu geblieben war, allerdings ohne die Augen vor den Missständen in der katholischen Kirche zu verschließen.

Peter Rosegger wurde bereits zu Lebzeiten verehrt und zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Steiermark, denn er war mit Herz und Seele Steirer.

Der Volksschriftsteller Peter Rosegger starb am 26. Juni 1918 in seinem Heimatort Krieglach.

Weblinks:

Peter Rosegger-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Peter Rosegger-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Peter Rosegger - peter-rosegger.at

Peter Rosegger-Biografie - www.deutsche-biographie.de

Peter Rosegger – auf den Spuren des Heimatdichters

Geburtshaus von Peter Rosegger

Mittwoch, 14. März 2018

»Heldenplatz« von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard


Thomas Bernhard war einer der größten Literaten Österreichs und einer, der am wenigsten verstanden wurde. Bernhard hat mit seinen provokanten Stücken so manchen Skandal verursacht. Doch nie tobte ein solch erbitterter Kampf wie vor der Uraufführung von »Heldenplatz«. Eine ganze Nation fühlte sich verunglimpft - die Alpenrepublik stand Kopf. »Heldenplatz« ist sein letztes Werk, welches er 1988, ein Jahr vor seinem Tode veröffentlicht hat.

»Heldenplatz« ist ein Kammerspiel um den "Anschluss" Österreiches 1938 und eines seiner umstrittensten Werke. Mit »Heldenplatz« unternahm Thomas Bernhard 1988, kurz vor seinem Tod, einen letzten Frontalangriff auf seine österreichischen Landsleute. Das Stück bringt die dunkle Seite der österreichischen Seele zur Geltung. »Heldenplatz« kommt wie ein letztes Aufbegehren vor, in der er seiner Heimat die Stirn bieten wollte.

Thomas Bernhard
Thomas Bernhard, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit, schrieb das Theaterstück anlässlich des 100. Geburtstags des Wiener Burgtheaters und des 50. Jahrestags von Österreichs "Anschluss" an Nazi-Deutschland am 12. März 1938. Das skandalumwitterte Drama handelt von der unbewältigten Vergangenheit Österreichs, welche bis in die Gegenwart hinein reicht.

Am 15. März 1938 verkündete Adolf Hitler unter den Jubelrufen der anwesenden Wiener Bevölkerung auf dem Heldenplatz bei der Hofburg den »Anschluß« Österreichs an Deutschland. 50 Jahre später versammeln sich in einer Wohnung in der Nähe des Heldenplatzes die Familie Schuster und deren engste Freunde. Der Anlaß: das Begräbnis von Professor Josef Schuster. Für diesen philosophischen Kopf, von den Nazis verjagt, in den fünfziger Jahren auf Bitten des Wiener Bürgermeisters aus Oxford auf seinen Lehrstuhl zurückgekehrt, gab es keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Denn die Situation im gegenwärtigen Österreich sei »noch viel schlimmer als vor fünfzig Jahren«.


»Heldenplatz« spielt nach dem Selbstmord eines alten jüdischen Professors in Wien. Hausangestellte und Familie blicken auf dessen Verbitterung zurück und ereifern sich dabei in wütenden Schimpftiraden über den Judenhass der Wiener, die Stumpfsinnigkeit der Österreicher, die Verderbtheit der Politik und die Niederträchtigkeit des Menschen im Allgemeinen. Die Witwe des Verstorbenen hört im Wahn noch immer die Volksmassen schreien, die 1938 auf dem Wiener Heldenplatz Adolf Hitler begeistert willkommen hießen.

Das Theaterstück ist ein Kammerspiel bestehend aus drei Szenen: Im ersten wird die Vorgeschichte erzählt. Im zweiten rechnet Professor Schuster in einem nur durch kurze Anmerkungen unterbrochenen Monolog ab. Im dritten stellt er sich mit seinen Aussagen einer Reihe von weiteren Figuren. Ohne große Gegenrede, ohne einen Widersacher. Das macht das Stück zwar nicht langweilig, aber reichlich einseitig. Eine weitere Abrechnung Bernhards eben. In seinem Kammerspiel um den "Anschluss" 1938 und Antisemitismus gibt es nur wenig Handlung. Diese ist nur Vorwand für sprachmächtige, lange, sich wiederholende Tiraden.

Wer Thomas Bernhard kennt und seine Werke liest, der weiß von seinen Schimpftriaden über Systeme und Politik. In diesem Buch hat er die österreichische Gesellschaft - und speziell die Wiener, die Politik, den Antisemitismus - aufs Korn genommen und zur Zielscheibe seiner Tirade gemacht. Wer die braune Vergangenheit Österreichs thematisiert, kann auf Resonanz sicher hoffen.Die breite Palette von Haß, Gleichgültigkeit und Verblendungen bietet auch dieses Stück. Österreichs Anschluß prägte Bernhards Einstellung zu seinem Land. Die Auswirkungen sah er nie als überwunden an. Das Lachen bleibt einem bei diesem großen Komödianten im Hals stecken. Selbst der Haß zeigt seine lächerlichen Fratzen, wenn er glaubt unter sich zu sein.

Der wortmächtige Übertreibungskünstler Bernhard verzichtet auf einen klassischen Konflikt und macht den brillant aufbrausenden Text selbst zum eigentlichen dramatischen Zentrum seines Werks. Im Jahr der Premiere löste das Stück des Aufrüttlers und Mahners einen landesweiten Skandal in Österreich aus. Die Wucht des Textes ist nach wie vor beeindruckend - heute allerdings lassen sich auch seine komischen Qualitäten genießen.

Nicht zuletzt die Rezeption dieses Stücks befestigte die öffentliche Wahrnehmung Bernhards als Skandalautor, als Provokateur und (wie man es in seinem Herkunftsland vielfach sah) als „Nestbeschmutzer“. Denn ein Vorabdruck besonders polemischer Passagen aus dem Text in der österreichischen Presse verursachte damals eine landesweite Diskussion, die sich nicht zuletzt auch an der Tatsache entzündete, dass Heldenplatz ausgerechnet am Wiener Burgtheater (zu dessen 100-jährigem Jubiläum) aufgeführt werden sollte, an einem Theater, das von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung als nationale Kulturinstitution im Dienste der repräsentativen Klassikerpflege angesehen wurde.

Literatur:

Heldenplatz
Heldenplatz
von Thomas Bernhard


»Heldenplatz« von Thomas Bernhard - Rezension
»Heldenplatz« von Thomas Bernhard - Rezension



Thomas Bernhard-Portal:

Heldenplatz (1988) - Thomas Bernhard-Portal - https://thomasbernhard.at


Heldenplatzskandal - Thomas Bernhard-Portal - https://thomasbernhard.at



Weblinks:

Thomas Bernhard-Biografie
- Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Wiedergänger und Kultfigur - www.zeit.de

Thomas Bernard Nachruf - www.spiegel.de


Blog-Artikel:

Thomas Bernhard 80. Geburtstag

Thomas Bernhard der große Verneiner

Claus Peymann 80. Geburtstag


Videos:

Thomas Bernhard - Heldenplatz (Uraufführung 1988) - YouTube

Thomas Bernhard "Heldenplatz" im Theater in der Josefstadt - YouTube