Posts mit dem Label Peter Handke werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Peter Handke werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 25. September 2021

»Versuch über den Pilznarren« von Peter Handke

Versuch über den Pilznarren
Versuch über den Pilznarren: Eine Geschichte für sich



Peter Handke beschliesst die Reihe seiner Versuche mit einem fünften und letzten erzählenden Essay, dem »Versuch über den Pilznarren« – worin die Pilze für den Helden der Geschichte nicht nur Passion, sondern das letzte Abenteuer, das Abenteuer an sich sind.

Pilze, das weiß jeder, kann man nicht suchen. Sie müssen sich dem Wandernden vielmehr von Selbst zeigen. Diese Erfahrung plötzlichen Entbergens wählt Peter Handke zum thema seines »Versuch über den Pilznarren«.



Wie Handkes vorherige vier Bände der Reihe, etwa sein »Versuch über die Jukebox« oder »Über den gelungenen Tag«, kreist damit auch dieses Werk um ästhetische Erfahrungen der Öffnung und des biografischen Wandels.

Handkes vorherige vier Bände der Reihe, etwa sein »Versuch über die Jukebox«, »Der Chinese des Schmerzes« oder »Die Geschichte des Bleistifts« - um nur einige zu nennen.

Leider hat der Erfolg wohl auch seinen Preis: die letzten Bücher von Handke und eben auch der Versuch über den Pilznarren atmen die Selbstsicherheit eines Autors, der sich selbst zu den Großen zählt. Das wäre ja eigentlich nicht schlimm, wenn nicht dabei der Eindruck entstehen würde, dass Handke eine Über- und Bearbeitung des Textes nicht mehr für nötig hält.

Der Text von »Versuch über den Pilznarren« wirkt an vielen Stellen nicht nur unfertig (was bei einem Versuch ja durchaus drin ist), sondern auch wenig sprachlich geschärft, wenig ausgearbeitet – Gedanken des Autors ohne weitere Nacharbeit auf die Seiten gebracht.


Weblink:

Versuch über den Pilznarren
Versuch über den Pilznarren: Eine Geschichte für sich
von Peter Handke

Donnerstag, 12. Dezember 2019

»Über die Dörfer« von Peter Handke


»Spiele das Spiel. Gefährde die Arbeit noch mehr. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Sei schlau, laß dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die anderen ins Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege.

Laß dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Vergiß die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, mißachte das Unglück, zerlach den Konflikt. Bewege Dich in deinen Eigenfarben; bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer. Ich komme dir nach.«

In diesem Gedicht bringt Peter Handke sein grundlegenes Verständis von Kunst und Kultur zum Ausdruck.

»Über die Dörfer« von Peter Handke,1980

gefunden auf dem Zitate-Portal Grosser Zitatenschatz

Dienstag, 10. Dezember 2019

Verleihung des Literaturnobelpreis an Peter Handke

Peter Handke

Peter Handke hat den Literaturnobelpreis auf jeden Fall verdient, denn dieser Preis wird von dem schwedischen Nobelpreis-Komitee für das literarische Werk eines Schriftstellers verliehen.

Dass ein Schriftsteller politisch falsche Einschätzungen trifft oder fragwürdige Haltung zeigt, ist für die Verleihung des Literatur-Preises nicht maßgebend!

"Ich schreibe nicht mit Meinungen. Ich habe niemals eine Meinung gehabt, ich hasse Meinungen."

Leider können viele Medien dies nicht ausreichend differenzieren, sondern versuchen vehement, einen sich politisch unklug verhaltenden Schriftsteller auf seine Haltung festzunaglen. Dies hat aber mit seinem verfassten litarischen Werk nichts zu tun.


Der umstrittene österreichische Literaturnobelpreisträger Peter Handke ist in seiner Nobelvorlesung nicht auf die Kritik an seiner Haltung zum Jugoslawien-Konflikt eingegangen. Stattdessen richtete er sein Hauptaugenmerk in seinem Vortrag in der Schwedischen Akademie auf ein zentrales Werk aus seiner Schaffenszeit. "Spiele das Spiel. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts", zitierte Handke aus dem 1981 erschienenen Drama »Über die Dörfer«, das von einem Konflikt zwischen drei Geschwistern und dessen friedlicher Lösung handelt. "Der ewige Friede ist möglich", zitierte Handke die Figur Nova.

Die Haltung der deutschen Medien zur Zerstörung von Jugoslawien musste nachträglich korrigiert werden. Es fand ein dreitägiges Hearing beim ZDF statt, in der die Medienlügen die Hauptrolle spielten. Schlagwort: "Es begann mit einer Lüge."

Übrigens teilten damals viele Intellektuelle Handkes Position, u.a. Rudolf Augstein und Claus Peymann. Es gibt einen sehr guten Aufsatz von Wiglaf Droste in der taz anlässlich der Ankündigung, Handke den Heinepreis der Stadt Düsseldorf zu verleihen - mit ähnlicher Kontroverse wie heute. Wiglaf Droste fand die passende Antwort darauf - natürlich auf Seiten Handkes.

Handke hat nichts zu revidieren. Er hat in einem Wust wüster Kriegspropaganda seine Meinung gesagt. Mit dem erheblichen Erfolg für ihn persönlich, dass genau die Journalisten, die damals logen, dass sich der Balkan bog, ihn heute wieder angreifen, wenn er nicht ihre Schallplatten leiert. Solche Figuren zu Feinden zu haben, ehrt.

Das ist der Unterschied zwischen einer bezahlten Feder und einem Literaten von Weltrang. Ich erinnere an Boris Leonidowitsch Pasternak und an Alexander Issajewitsch Solschenizyn, beide Nobelpreisträger (einer musste ablehnen), die von der dortigen Systempresse ebenfalls unter Feuer genommen wurden.

In diesem Zusammenhang ist noch Emile Zola und die Dreyfuss-Affäre erwähnen. Wenn auch Dreyfus billiger davogenommen ist als Milosevic. Handkes Größe ist nur an solchen Genies messbar. Aus welchen Gründen auch immer, er hat es praktisch der Wahrheit und Gerechtigkeit wegen mit einer Hälfte der Welt angelegt.


Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Peter Handke ist ein bekannter österreichischer Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er gilt als vielseitiger Schriftsteller und als Meister der Form. Er sieht sich als Epigone einer entpolitisierten Literatur, doch das macht seine Literatur um ihrer selbst wertlos.

Weblink:

"Sei nicht die Hauptperson" - www.zeit.de/kultur

Sonntag, 10. Dezember 2017

»Die Obstdiebin« von Peter Handke

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

»Die Obstdiebin« ist der Titel des neuen Romans von Peter Handke. Als das »Letzte Epos« (mit großem »L«) hat Peter Handke seinen neuen Roman bezeichnet.

Der Roman spielt in Frankreich in der Zeit nach den Terroranschlägen von Paris und begibt sich auf  Reisen durch ein gezeichnetes Land. Die Reise führt aus der Niemandsbucht, Umwegen folgend, sie suchend, in das Landesinnere, wo die Obstdiebin, »einfache Fahrt«, keine Rückfahrt, bleiben wird, oder auch nicht?.

„Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ Mit diesem Bekenntnis zu Realismus und Empirismus beginnt Wittgensteins »Tractatus«. „Die Welt war die Dreiecksgeschichte zwischen einem selber, der Natur und den Anderen!“ (S. 500) heißt es in Handkes Roman »Obstdiebin« - und von dieser „Dreiecksgeschichte“ handelt dieser wunderbare und wundersame Roman.

Es ist eigentlich eine doppelte Reise ins Landesinnere, die Handke erzählt: Zuerst ist es der Ich-Erzähler, der sich, zu Fuß und mit der Bahn, auf den Weg macht von Paris in die Picardie, um dort die 25-jährige Studentin und Weltenbummlerin „Alexia“, die Obstdiebin, zu treffen. Warum und wozu bleibt - natürlich - ungeklärt. Um die Mittagszeit bricht er auf, am Abend dort angekommen, wechselt die Perspektive:

Nun begleiten wir, aus der Perspektive des personalen Er-Erzählers, diese Alexia auf ihrem dreitägigen, erlebnisreichen und ereignisarmen Fußmarsch, ebenfalls von Paris in die Picardie. Sie will ihre Mutter, die „Bankfrau“, die der Handke-Leser bereits aus dem Roman „Der Bildverlust“ kennt, treffen. Tatsächlich kommt es dann ganz zum Ende des Romans zu einer Familienzusammenführung: Es treffen sich auf dem „Vexin-Plateau“ zu einem großen Fest im Zelt die getrennt lebenden Eltern von Alexia und auch ihr 15-jähriger Bruder, der eine Zimmermannslehre absolviert. Nun ist auch der Ich-Erzähler dabei, der von „wir“ und „uns“ erzählt, die beiden Erzählperspektiven werden also am Ende zusammengeführt.

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

Alexia, die Obstdiebin, ist zwar neben Handke selbst die Protagonistin. Dieser anfängliche Ich-Erzähler hat viel mit dem Autor gemein: Ein alter, allein lebender, etwas schrulliger „ungeselliger Geselle“, wohnhaft in einem Pariser Vorort, - der „Niemandsbucht“, wie sie auch hier immer wieder bezeichnet wird - in einem alten Haus mit großem Garten, nebst Obstbäumen.

Ein Mann, der sich als „Illegalen“ bezeichnet, der den Staat ebenso verachtet wie alle kapitalistische Umtriebigkeit, alle großartigen Gesten und Worte, der wütend ist auf die wüste Welt, einsam und trotzig; ein Naturfreund zugleich, den kleinen Dingen und den kleinen Leuten, den Obdachlosen, der Kassiererin, dem afrikanischen Pizza-Ausfahrer zugewandt, ein romantischer Anarchist - alles das trifft auf den Ich-Erzähler wie auf Peter Handke zu.

»Die Obstdiebin« von Peter Handke ist ein ambivalentes Werk, denn es verarbeitet persönliche Erfahrungen vor gesellschaftlichem Hintergrund. Die Stärke dieses wie seiner anderen epischen Großprojekte liegt nicht im weltumspannenden Gestus des Erzählers, sondern in den Passagen, in dem er seinem Doppelgänger den Vortritt lässt, dem Verfasser von Aufzeichnungen und Meister der Prosa des Augenblicks.


Literatur, die man kaufen kann [ >> ]:

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin
von Peter Handke



Weblink:

Peter Handke: Die Obstdiebin oder Einfache Fahrt

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Peter Handke 75. Geburtstag

Peter Handke

Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Peter Handke ist ein bekannter österreichischer Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er gilt als vielseitiger Schriftsteller und als Meister der Form.


Zwischen 1954 und 1959 besuchte Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studierte er in Graz Jura. Im März 1966, als Peter Handke sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen hatte, erschien sein erster Roman "Die Hornissen". Im selben Jahr 1966 erfolgte die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks "Publikumsbeschimpfung" in Frankfurt am Main unter der Regie von Claus Peymann.


Schon in frühen Jahren sorgte der junge Handke im Literaturbetrieb für Aufsehen, u.a in der »Gruppe 47«. Der blutjunge Anfängerpoet Handke, damals schon mit Sonnenbrille selbst bei Regen, beschimpfte und beleidigte seine älteren Kollegen, die schon über einen kleinen Nachkriegsruhm verfügten. Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfaßt:

"Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970), "Wunschloses Unglück" (1972), "Der kurze Brief zum langen Abschied" (1972), "Die linkshändige Frau" (1976), "Das Gewicht der Welt" (1977), "Langsame Heimkehr" (1979), "Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980), "Der Chinese des Schmerzes" (1983), "Die Wiederholung" (1986), "Versuch über die Müdigkeit" (1989), "Versuch über die Jukebox" (1990), "Versuch über den geglückten Tag" (1991), "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994), "Der Bildverlust" (2002), "Die Morawische Nacht" (2008), "Der Große Fall" (2011), "Versuch über den Stillen Ort" (2012), "Versuch über den Pilznarren" (2013).

Auf die "Publikumsbeschimpfung" 1966 folgt 1968 das Stück "Kaspar"- ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt. Von hier spannt sich der Bogen weiter über "Der Ritt über den Bodensee" (1971), "Die Unvernünftigen sterben aus" (1974), "Über die Dörfer" (1981), "Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land" (1990), "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" (1992), über den "Untertagblues" (2004) und "Bis daß der Tag euch scheidet" (2009) über das dramatische Epos "Immer noch Sturm" (2011) bis zum Sommerdialog "Die schönen Tage von Aranjuez" (2012) zu "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" (2016).

Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove - unter anderem "Meine Freunde", René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy. Handke ist ein großartiger Übersetzer: Bove, Char, Goldschmidt, Ponge, Mondiano, Duras, Genet, Julien Green, Walker, Sophokles, Euripides, Shakespeare....

Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen - auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten - erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«

Literatur und Aufmüpfigkeit, Sprache und Rebellion - sie begleiten Peter Handke sein Leben lang. Handke deckt in seine Schreiben gegen den Zeitgeist seine Wunden schonungslos auf, lässt teilhaben an seinen Verletzungen. Seine ständige literarische "Aufarbeitung" ist ein großer Gewinn für die Literatur.

Im November 2017 ist sein neuer Roman »Die Obstdiebin« erschienen, eine Reisebeschreibung. Als das »Letzte Epos« (mit großem »L«) hat Peter Handke seinen neuen Roman bezeichnet. Die Reise führt aus der Niemandsbucht, Umwegen folgend, sie suchend, in das Landesinnere, wo die Obstdiebin, »einfache Fahrt«, keine Rückfahrt, bleiben wird.

Literatur [ >> ]:

Wunschloses Unglück
Wunschloses Unglück
von Peter Handke

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin
von Peter Handke


Blog-Artikel:

Handke-Drama - Handke-Drama-Blogspot.de

Samstag, 25. Juni 2016

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Wer kennt sie nicht: Die Ursituation der Angst des Tormanns beim Elfmeter. Der österreichischer Schriftsteller Peter Handke hat daraus eine Erzählung mit deutlich kriminalistischen Zügen gemacht. Der Fussball dagegen tritt eher in den Hintergrund.

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ist eine kriminalistische Erzählung von Peter Handke, erschienen im März 1970. Die unterhaltsame Erzählung, die sich um Fussball dreht. Diese handelt vom Monteur Josef Bloch und von einer tief greifenden Sprach- und Erkenntniskrise erzählt. Ein Nouveau Roman, der kein Roman, sondern eine Erzählung ist: Spröde, distanziert, unterkühlt. Nicht wirklich spannend. Liest sich wie eine Bewerbung für den Ingeborg-Bachmann-Preis, das Gipfeltreffen der Unlesbaren.

Dem Monteur Josef Bloch, der früher ein bekannter Tormann gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, daß er entlassen sei. Jedenfalls legte Bloch die Tatsache, daß bei seinem Erscheinen in der Tür der Bauhütte, wo sich die Arbeiter gerade aufhielten, nur der Polier von der Jause aufschaute, als eine solche Mitteilung aus und verließ das Baugelände.

Gleich zu Beginn des Buches geschieht ein Mord - doch um einen gängigen Kriminalroman handelt es sich bei Peter Handkes »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« nicht. Noch viel weniger geht es übrigens um Sport. Stattdessen setzt sich der österreichische Schriftsteller mit den Grenzen unserer Sprache auseinander. Wie ist es möglich, selbst einfache Gespräche zu führen? Was haben die banalsten Wörter, die uns scheinbar so geläufig sind, mit den Dingen zu tun? Wie kann es sein, dass wir einen Satz anfangen und schon wissen, wie er endet?

Vordergründig passiert in diesem Roman nur wenig, auf einer tieferen Ebene aber handelt er von der existenziellen Sinn- und Wahrnehmungskrise des Protagonisten Josef Bloch. Dessen Verhalten mag uns befremdlich oder gar krank erscheinen - für Handke ist es symptomatisch: Wir haben das einfache Sehen und Hören verlernt, alle Worte, Gesten und Dinge erscheinen als eine Anspielung auf etwas anderes. Handkes ebenso faszinierender wie verstörender Roman lässt uns über unsere normal erscheinenden, alltäglichen Sprechgewohnheiten nachdenken.

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung«
(suhrkamp taschenbuch)

Auf der Straße hob er den Arm, aber das Auto, das an ihm vorbeifuhr, war wenn Bloch den Arm auch gar nicht um ein Taxi gehoben hatte - kein Taxi gewesen. Schließlich hörte er vor sich ein Bremsgeräusch; Bloch drehte sich um: hinter ihm stand ein Taxi, der Taxifahrer schimpfte; Bloch drehte sich wieder um, stieg ein und ließ sich zum Naschmarkt fahren.

Es war ein schöner Oktobertag. Bloch aß an einem Stand eine heiße Wurst und ging dann zwischen den Ständen durch zu einem Kino. Alles, was er sah, störte ihn; er versuchte, möglichst wenig wahrzunehmen. Im Kino drinnen atmete er auf. Im nachhinein wunderte er sich, daß die Kassiererin die Geste, mit der er das Geld, ohne etwas zu sagen, auf den drehbaren Teller gelegt hatte, mit einer anderen Geste wie selbstverständlich beantwortet hatte. Neben der Leinwand bemerkte er eine elektrische Uhr mit beleuchtetem Zifferblatt. Mitten im Film hörte er eine Glocke läuten; er war lange unschüssig, ob sie in dem Film läutete oder draußen in dem Kirchturm neben dem Naschmarkt.

Im März 1970 erschien die Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« in der Startauflage von 25.000 Exemplaren und ein halbes Jahr später hatte sich die Auflage bereits verdoppelt.

Die Aufnahme der Erzählung fiel recht einhellig aus: »Diese Erzählung gehört zu dem Bestechendsten, was in den letzten zehn Jahren deutsch geschrieben worden ist.« (Karl Heinz Bohrer, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«) »Um das vorweg zu sagen: ich halte »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ohne jede Einschränkung für das beste Buch, das in der deutschen Sprache nach Thomas Bernhards »Verstörung« und »Ungenach« geschrieben wurde.«




Weblinks:

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung« (suhrkamp taschenbuch)
von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter - SZ-Bibliothek Band 13
von Peter Handke

Samstag, 1. August 2015

»Versuch über die Jukebox« von Peter Handke

Versuch über die Jukebox
Versuch über die Jukebox: Erzählung



Peter Handke erweiert die Reihe seiner Versuche mit einem weiteren erzählenden Essay, dem »Versuch über die Jukebox«. Er versucht mit einem trivialen Gegenstand, nämlich einer Jukebox, einen Zugang zum Schreiben zu finden. Mittelpunkt des Erzählens ist demnach nicht die Jukebox, sondern der Gegenstand des Schreiben selbst. Die Jukebox ist vielmehr Hilfe, die Angel der Tür, die die Verbindung zu dem Raum ist, den er gerne betreten möchte; eine Landkarte auf der Handke zum Ziel, das Schreiben an sich, findet.

Hierbei befasst Handke sich nicht mit der unterschiedlichen kulturellen Bedeutung der Jukebox, sondern es steht vielmehr die Wahrnehmung derselben im Vordergrund. Das bedeutet, dass die Jukebox zwar als zentrales Thema des Textes genannt wird, jedoch - obwohl sie zumeist im Vordergrund steht - im Text selbst, in den Hintergrund gerückt wird.

Handke entwickelt seine eigene Erzähltechnik. Allen voran steht eine Entfremdung, eine Lösung von einer vermeintlichen Umgebung, um das erwünschte Produkt, welches entstehen soll, zu verwirklichen. Der leere Bahnhof zu Beginn zeigt symbolisch, dass der Protagonist etwas hinter sich lassen muss beziehungsweise etwas hinter sich lässt.

So fährt er nach Soria, in eine abgelegene Stadt im kastilischen Hochland, um von der Verlassenheit in eine noch größere Einsamkeit zu kommen. An dieser Stelle glaubt der Protagonist eine Einsamkeit aufsuchen zu müssen, da andernfalls sein Vorhaben nicht funktionieren würde. Jedoch ist es gerade in Wirklichkeit die Einsamkeit, woraus er fliehen möchte und die Jukebox aufsucht, um nicht mehr einsam zu sein.

Die Jukebox vollzieht in der Erzählung einen grundlegenden Wandel: sie wird von einer Maschine zu einem Menschen. Die Jukebox ist keine Maschine oder eine wahrhaftige Box, sondern zu einem Menschen geworden. Eine Person, die Erinnerungen weckt und einen an Ereignisse erinnert, die der Beweis dafür sind, dass man gelebt hat.

Weblink:

Versuch über die Jukebox
Versuch über die Jukebox: Erzählung
von Peter Handke

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Peter Handke - 70. Geburtstag

Peter Handke

Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Peter Handke ist ein bekannter österreichischer Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur Er gilt als vielseitiger Schriftsteller und als Meister der Form.


Zwischen 1954 und 1959 besuchte Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studierte er in Graz Jura. Im März 1966, als Peter Handke sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen hatte, erschien sein erster Roman "Die Hornissen". Im selben Jahr 1966 erfolgte die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks "Publikumsbeschimpfung" in Frankfurt am Main unter der Regie von Claus Peymann.

Schon in frühen Jahren sorgte der junge Handke im Literaturbetrieb für Aufsehen. Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfaßt:

"Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970), "Wunschloses Unglück" (1972), "Der kurze Brief zum langen Abschied" (1972), "Die linkshändige Frau" (1976), "Das Gewicht der Welt" (1977), "Langsame Heimkehr" (1979), "Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980), "Der Chinese des Schmerzes" (1983), "Die Wiederholung" (1986), "Versuch über die Müdigkeit" (1989), "Versuch über die Jukebox" (1990), "Versuch über den geglückten Tag" (1991), "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994), "Der Bildverlust" (2002), "Die Morawische Nacht" (2008), "Der Große Fall" (2011), "Versuch über den Stillen Ort" (2012), "Versuch über den Pilznarren" (2013).

Auf die "Publikumsbeschimpfung" 1966 folgt 1968 - ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt - das Stück "Kaspar". Von hier spannt sich der Bogen weiter über "Der Ritt über den Bodensee" (1971), "Die Unvernünftigen sterben aus" (1974), "Über die Dörfer" (1981), "Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land" (1990), "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" (1992), über den "Untertagblues" (2004) und "Bis daß der Tag euch scheidet" (2009) über das dramatische Epos "Immer noch Sturm" (2011) bis zum Sommerdialog "Die schönen Tage von Aranjuez" (2012) zu "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" (2016).

Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove - unter anderem "Meine Freunde", René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy.

Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen - auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten - erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«

Samstag, 23. Juni 2012

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« - eine Erzählung von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Wer kennt sie nicht: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Der österreichischer Schriftsteller Peter Handke hat daraus eine Erzählung mit kriminalistischen Zügen gemacht.

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ist eine Erzählung von Peter Handke, erschienen im März 1970. Die unterhaltsame Erzählung, die sich um Fussball dreht, handelt vom Monteur Josef Bloch und von einer tief greifenden Sprach- und Erkenntniskrise erzählt. Ein Nouveau Roman, der kein Roman, sondern eine Erzählung ist: Spröde, distanziert, unterkühlt. Nicht wirklich spannend. Liest sich wie eine Bewerbung für den Ingeborg-Bachmann-Preis, das Gipfeltreffen der Unlesbaren.


Peter Handkes Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«, die er 1969 verfasste, beschäftigt sich mit dem Monteur und ehemaligen Torwart Josef Bloch, der nach dem Mord an einer Kassiererin in einen Grenzort flüchtet. Die Geschichte beginnt damit, dass Bloch glaubt, ihm wurde gekündigt. Daraufhin flaniert er ziellos durch Wien, lässt sich auf Schlägereien ein und erwürgt schließlich die Kino-Kassiererin Gerda, nachdem er mit ihr die Nacht verbracht hat. Anschließend begibt er sich mit dem Bus zu einer Bekannten, die in einem Grenzort lebt. Dort irrt er weiterhin umher, während er immer wieder wie unbeteiligt in der Zeitung wahrnimmt, dass die Polizei auf seiner Spur ist. Die Erzählung endet mit einem Elfmeter bei einem Fußballspiel, kurz vor Blochs Verhaftung.


Dem Monteur Josef Bloch, der früher ein bekannter Tormann gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, daß er entlassen sei. Jedenfalls legte Bloch die Tatsache, daß bei seinem Erscheinen in der Tür der Bauhütte, wo sich die Arbeiter gerade aufhielten, nur der Polier von der Jause aufschaute, als eine solche Mitteilung aus und verließ das Baugelände.

Gleich zu Beginn des Buches geschieht ein Mord - doch um einen gängigen Kriminalroman handelt es sich bei Peter Handkes »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«  nicht. Noch viel weniger geht es übrigens um Sport. Stattdessen setzt sich der österreichische Schriftsteller mit den Grenzen unserer Sprache auseinander. Wie ist es möglich, selbst einfache Gespräche zu führen? Was haben die banalsten Wörter, die uns scheinbar so geläufig sind, mit den Dingen zu tun? Wie kann es sein, dass wir einen Satz anfangen und schon wissen, wie er endet?

Vordergründig passiert in diesem Roman nur wenig, auf einer tieferen Ebene aber handelt er von der existenziellen Sinn- und Wahrnehmungskrise des Protagonisten Josef Bloch. Dessen Verhalten mag uns befremdlich oder gar krank erscheinen - für Handke ist es symptomatisch: Wir haben das einfache Sehen und Hören verlernt, alle Worte, Gesten und Dinge erscheinen als eine Anspielung auf etwas anderes. Handkes ebenso faszinierender wie verstörender Roman lässt uns über unsere normal erscheinenden, alltäglichen Sprechgewohnheiten nachdenken.

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung«
(suhrkamp taschenbuch)

Auf der Straße hob er den Arm, aber das Auto, das an ihm vorbeifuhr, war wenn Bloch den Arm auch gar nicht um ein Taxi gehoben hatte - kein Taxi gewesen. Schließlich hörte er vor sich ein Bremsgeräusch; Bloch drehte sich um: hinter ihm stand ein Taxi, der Taxifahrer schimpfte; Bloch drehte sich wieder um, stieg ein und ließ sich zum Naschmarkt fahren.

Es war ein schöner Oktobertag. Bloch aß an einem Stand eine heiße Wurst und ging dann zwischen den Ständen durch zu einem Kino. Alles, was er sah, störte ihn; er versuchte, möglichst wenig wahrzunehmen. Im Kino drinnen atmete er auf. Im nachhinein wunderte er sich, daß die Kassiererin die Geste, mit der er das Geld, ohne etwas zu sagen, auf den drehbaren Teller gelegt hatte, mit einer anderen Geste wie selbstverständlich beantwortet hatte. Neben der Leinwand bemerkte er eine elektrische Uhr mit beleuchtetem Zifferblatt. Mitten im Film hörte er eine Glocke läuten; er war lange unschüssig, ob sie in dem Film läutete oder draußen in dem Kirchturm neben dem Naschmarkt.

Im März 1970 erschien die Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« in der Startauflage von 25.000 Exemplaren und ein halbes Jahr später hatte sich die Auflage bereits verdoppelt. Der Erzähler berichtet zwar in der dritten Person, jedoch aus Blochs Perspektive. Die Umwelt wird von Bloch extrem detailliert wahrgenommen und auch interpretiert. Bloch versucht, völlig unspektakuläre Ereignisse in seiner Umgebung zu analysieren und auf sich zu übertragen. Dabei gerät er im Laufe der Geschichte immer mehr in einen wahnartigen Zustand. Die Absichten der Hauptperson sind dabei nicht ersichtlich.

Man fragt sich beim Lesen, wie Bloch wohl auf die Menschen seiner Umgebung wirkt, da dies in der Erzählung nicht deutlich wird. Die Erzählung wird so geschildert, als ob jedes Ereignis den gleichen Stellenwert hätte. Handke schildert die innere Entwicklung, die Entfremdung des Protagonisten sehr genau. Die Handlung selber geschieht eher im Hintergrund. All dies fordert sowohl die Konzentration als auch das 'Durchhaltevermögen' des Lesers.

Die Aufnahme der Erzählung fiel recht einhellig aus: »Diese Erzählung gehört zu dem Bestechendsten, was in den letzten zehn Jahren deutsch geschrieben worden ist.« (Karl Heinz Bohrer, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«) »Um das vorweg zu sagen: ich halte »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ohne jede Einschränkung für das beste Buch, das in der deutschen Sprache nach Thomas Bernhards »Verstörung« und »Ungenach« geschrieben wurde.«





Weblinks:

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung« (suhrkamp taschenbuch)
von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter - SZ-Bibliothek Band 13
von Peter Handke