Wer kennt sie nicht: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Der österreichischer Schriftsteller Peter Handke hat daraus eine Erzählung mit kriminalistischen Zügen gemacht.
»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ist eine Erzählung von Peter Handke, erschienen im März 1970. Die unterhaltsame Erzählung, die sich um Fussball dreht, handelt vom Monteur Josef Bloch und von einer tief greifenden Sprach- und Erkenntniskrise erzählt. Ein Nouveau Roman, der kein Roman, sondern eine Erzählung ist: Spröde, distanziert, unterkühlt. Nicht wirklich spannend. Liest sich wie eine Bewerbung für den Ingeborg-Bachmann-Preis, das Gipfeltreffen der Unlesbaren.
Peter Handkes Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«, die er 1969 verfasste, beschäftigt sich mit dem Monteur und ehemaligen Torwart Josef Bloch, der nach dem Mord an einer Kassiererin in einen Grenzort flüchtet. Die Geschichte beginnt damit, dass Bloch glaubt, ihm wurde gekündigt. Daraufhin flaniert er ziellos durch Wien, lässt sich auf Schlägereien ein und erwürgt schließlich die Kino-Kassiererin Gerda, nachdem er mit ihr die Nacht verbracht hat. Anschließend begibt er sich mit dem Bus zu einer Bekannten, die in einem Grenzort lebt. Dort irrt er weiterhin umher, während er immer wieder wie unbeteiligt in der Zeitung wahrnimmt, dass die Polizei auf seiner Spur ist. Die Erzählung endet mit einem Elfmeter bei einem Fußballspiel, kurz vor Blochs Verhaftung.
Dem Monteur Josef Bloch, der früher ein bekannter Tormann gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, daß er entlassen sei. Jedenfalls legte Bloch die Tatsache, daß bei seinem Erscheinen in der Tür der Bauhütte, wo sich die Arbeiter gerade aufhielten, nur der Polier von der Jause aufschaute, als eine solche Mitteilung aus und verließ das Baugelände.
Gleich zu Beginn des Buches geschieht ein Mord - doch um einen gängigen Kriminalroman handelt es sich bei Peter Handkes »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« nicht. Noch viel weniger geht es übrigens um Sport. Stattdessen setzt sich der österreichische Schriftsteller mit den Grenzen unserer Sprache auseinander. Wie ist es möglich, selbst einfache Gespräche zu führen? Was haben die banalsten Wörter, die uns scheinbar so geläufig sind, mit den Dingen zu tun? Wie kann es sein, dass wir einen Satz anfangen und schon wissen, wie er endet?
Vordergründig passiert in diesem Roman nur wenig, auf einer tieferen Ebene aber handelt er von der existenziellen Sinn- und Wahrnehmungskrise des Protagonisten Josef Bloch. Dessen Verhalten mag uns befremdlich oder gar krank erscheinen - für Handke ist es symptomatisch: Wir haben das einfache Sehen und Hören verlernt, alle Worte, Gesten und Dinge erscheinen als eine Anspielung auf etwas anderes. Handkes ebenso faszinierender wie verstörender Roman lässt uns über unsere normal erscheinenden, alltäglichen Sprechgewohnheiten nachdenken.
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung«
(suhrkamp taschenbuch)
Auf der Straße hob er den Arm, aber das Auto, das an ihm vorbeifuhr, war wenn Bloch den Arm auch gar nicht um ein Taxi gehoben hatte - kein Taxi gewesen. Schließlich hörte er vor sich ein Bremsgeräusch; Bloch drehte sich um: hinter ihm stand ein Taxi, der Taxifahrer schimpfte; Bloch drehte sich wieder um, stieg ein und ließ sich zum Naschmarkt fahren.
Es war ein schöner Oktobertag. Bloch aß an einem Stand eine heiße Wurst und ging dann zwischen den Ständen durch zu einem Kino. Alles, was er sah, störte ihn; er versuchte, möglichst wenig wahrzunehmen. Im Kino drinnen atmete er auf. Im nachhinein wunderte er sich, daß die Kassiererin die Geste, mit der er das Geld, ohne etwas zu sagen, auf den drehbaren Teller gelegt hatte, mit einer anderen Geste wie selbstverständlich beantwortet hatte. Neben der Leinwand bemerkte er eine elektrische Uhr mit beleuchtetem Zifferblatt. Mitten im Film hörte er eine Glocke läuten; er war lange unschüssig, ob sie in dem Film läutete oder draußen in dem Kirchturm neben dem Naschmarkt.
Im März 1970 erschien die Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« in der Startauflage von 25.000 Exemplaren und ein halbes Jahr später hatte sich die Auflage bereits verdoppelt. Der Erzähler berichtet zwar in der dritten Person, jedoch aus Blochs Perspektive. Die Umwelt wird von Bloch extrem detailliert wahrgenommen und auch interpretiert. Bloch versucht, völlig unspektakuläre Ereignisse in seiner Umgebung zu analysieren und auf sich zu übertragen. Dabei gerät er im Laufe der Geschichte immer mehr in einen wahnartigen Zustand. Die Absichten der Hauptperson sind dabei nicht ersichtlich.
Man fragt sich beim Lesen, wie Bloch wohl auf die Menschen seiner Umgebung wirkt, da dies in der Erzählung nicht deutlich wird. Die Erzählung wird so geschildert, als ob jedes Ereignis den gleichen Stellenwert hätte. Handke schildert die innere Entwicklung, die Entfremdung des Protagonisten sehr genau. Die Handlung selber geschieht eher im Hintergrund. All dies fordert sowohl die Konzentration als auch das 'Durchhaltevermögen' des Lesers.
Die Aufnahme der Erzählung fiel recht einhellig aus: »Diese Erzählung gehört zu dem Bestechendsten, was in den letzten zehn Jahren deutsch geschrieben worden ist.« (Karl Heinz Bohrer, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«) »Um das vorweg zu sagen: ich halte »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ohne jede Einschränkung für das beste Buch, das in der deutschen Sprache nach Thomas Bernhards »Verstörung« und »Ungenach« geschrieben wurde.«
Weblinks:
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung« (suhrkamp taschenbuch)
von Peter Handke
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter - SZ-Bibliothek Band 13 von Peter Handke