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Samstag, 19. September 2015

»Unschuld« von Jonathan Franzen




Unschuld
Unschuld

»Unschuld« - die deutsche Übersetzung von »Purity« trifft es nicht ganz - heisst der neue Roman von Jonathan Franzen. Der neue Roman »Unschuld« von Jonathan Franzen ist Thriller, Familiengeschichte und Stasi-Aufarbeitung in einem. Jonathan Franzen war zur Zeit des Mauerfalls Student in Deutschland. Nun hat der amerikanische Erfolgsautor seine Erfahrungen aus der damaligen Zeit in einem Buch aufgearbeitet, das pünktlich zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung erschienen ist.

In seinem neuen Roman »Unschuld« erzählt der amerikanische Bestseller-Autor Jonathan Franzen von der (alten) DDR und dem (neuen) Totalitarismus des Internets und verbindet die Geschichte mit einer moralischen Kategorie. Man kann seinen Titeln nicht trauen. »Die Korrekturen« waren nur insofern Korrekturen am Roman, als sie die Korrekturen der Postmoderne rückgängig machten. In »Freiheit« steht kein Begriff so infrage wie der Begriff der Freiheit. Und in »Unschuld« sind alle schuldig – des Mordes, des Missbrauchs, am häufigsten des Verrats.

»Unschuld«, eine tiefschwarze Komödie über jugendlichen Idealismus, maßlose Treue und den Kampf zwischen den Geschlechtern, handelt von Schuld in den unterschiedlichsten Facetten: Andreas Wolf, in Ost-Berlin als Sohn eines hochrangigen DDR-Politfunktionärs geboren, hat aus Liebe zu einer Frau vor Jahren ein Verbrechen begangen; ein Amerikaner, dem er in den Wirren des Berliner Mauerfalls begegnet, hat den Kinderwunsch seiner Frau nicht erfüllt und sie dann verlassen; dessen neue Lebensgefährtin kann ihrem Ehemann, der im Rollstuhl sitzt, nicht den Rücken kehren und pflegt ihn weiter.

Eine junge Frau hat ein Prolbem mit ihrer Vatersuche. Die junge Pip Tyler weiß nicht, wer ihr Vater ist. Das ist keineswegs ihr einziges Problem: Sie hat Studienschulden, ihr Bürojob in Oakland ist eine Sackgasse, sie liebt einen verheirateten Mann, und ihre Mutter erdrückt sie mit Liebe und Geheimniskrämerei. Pip weiß weder, wo und wann sie geboren wurde, noch kennt sie den wirklichen Namen und Geburtstag ihrer Mutter.

Als ihr eines Tages eine Deutsche beim „Sunlight Project“ des Whistleblowers Andreas Wolf ein Praktikum anbietet, hofft sie, dass der ihr mit seinem Internet-Journalismus bei der Vatersuche helfen kann. Sie stellt ihre Mutter vor die Wahl: Entweder sie lüftet das Geheimnis ihrer Herkunft, oder Pip macht sich auf nach Bolivien, wo Andreas Wolf im Schutz einer paradiesischen Bergwelt sein Enthüllungswerk vollbringt. Und wenig später bricht sie auf.

«Unschuld», eine tiefschwarze Komödie über jugendlichen Idealismus, maßlose Treue und den Kampf zwischen den Geschlechtern, handelt von Schuld in den unterschiedlichsten Facetten: Andreas Wolf, in Ost-Berlin als Sohn eines hochrangigen DDR-Politfunktionärs geboren, hat aus Liebe zu einer Frau vor Jahren ein Verbrechen begangen; ein Amerikaner, dem er in den Wirren des Berliner Mauerfalls begegnet, hat den Kinderwunsch seiner Frau nicht erfüllt und sie dann verlassen; dessen neue Lebensgefährtin kann ihrem Ehemann, der im Rollstuhl sitzt, nicht den Rücken kehren und pflegt ihn weiter.

In seinem neuen Werk »Unschuld«, das erfreulicherweise schon fünf Jahre nach »Freiheit« erschienen ist - zwischen seinen beiden Romawerken »Korrekturen« und »Freiheit« hatten immerhin neun Jahre gelegen - verfolgt der Autor seine Figuren wieder über mehrere Jahrzehnte. Es geht um Freunde, deren Freundschaft in Hass umschlägt, um Ehen, die geschieden werden, weil die Partner schon von Anfang an nicht zueinander gepasst haben, und um einen Mord, an dem der Mörder noch Jahrzehnte zu knacken hat.

Jonathan Franzens Roman »Unschuld« ist ein Familienroman, in dem es keine einzige heile Familie mehr gibt. Und auch alles andere löst sich gerade in seine Bestandteile auf: Mächtige Funktionäre stürzen, Aktivisten stürmen die Stasi-Zentrale – Franzens Figur Andreas Wolff aber wechselt die Seite und wird vom großspurigen Funktionärssöhnchen zum noch großspurigeren Widerstandsaktivisten und Whistleblower. Seine mächtige Waffe ist das Internet und seine Aufklärungsplattform.

Das alles erzählt Franzen packend wie einen Thriller und dabei menschlich absolut berührend – weil es irgendwie um alles geht: um Liebe, Sehnsucht, Wahrheit, Rache, Politik, Spionage und Träume – und am Ende lernt man, dass für ein hohes Ziel eben doch nicht alle Mittel erlaubt sind.

»Unschuld« von Jonathan Franzen ist ein Roman, in dem 26 Jahre nach dem Fall der Mauer erklärt wird, warum die Wiedervereinigung nicht nur Deutschland total verändert hat. Die untergehende DDR kommt genauso vor wie eine verrückte Milliardärin, die keinen Cent von ihrem Geld will, oder der Konflikt zwischen seriösen Journalisten und Whistleblowern wie Julian Assange. Es ist schlicht nicht möglich, die Vielfalt dieses 800-Seiten-Werks hier kurz darzustellen. Einfach lesen!

In seinem neuen Roman erweist sich Franzen als Chronist amerikanischer Zustände. In diesem fulminanten amerikanisch-deutschen Gesellschaftsroman eines der größten, sprachmächtigsten Autoren unserer Zeit überschlagen sich die Ereignisse. Und bannen den Leser bis zum Schluss.

Sein Buch ist trotz einiger Längen eine opulente, mit Elementen des Thrillers, der Liebes- und der Schöpfungsgeschichte durchwirkte Familiengeschichte, die dem Credo ihres Autors in exzellenter Weise gerecht wird: "den Leser so gut wie möglich zu unterhalten".




Literatur:

Unschuld
Unschuld
von Jonathan Franzen

Rezension:

»Freiheit« von Jonathan Franzen - Rezension


»Unschuld« von Jonathan Franzen - Rezension - www.xinxii.com

Rezension:

»Unschuld« von Jonathan Franzen - Rezension - literatur-rezensionen.blogspot.de


Samstag, 14. April 2012

»Freiheit« von Jonathan Franzen

Jonathan Franzen hat mit »Freiheit« seinen nunmehr vierten Roman veröffentlicht. Mit »Freiheit« ist eine weitere, abermals episch breit gefächerte abgewandelte Familiengeschichte aus der Feder des begnadeten Neo-Traditionalisten auf deutsch erschienen. In seinem neuen Roman erweist sich Franzen als Chronist amerikanischer Zustände.

Franzen ist ein Autor, der sich bekanntlich die Freiheit herausnimmt, sich Zeit für seine neue Romane zu lassen. Dies gilt als sein Erfolgsrezept. Seit seinem Sensationserfolg mit seinem Roman »Korrekturen« im Jahr 2001 hat der 51-jährige Autor mit »Freiheit« gerade einmal seinen vierten Roman vorgelegt – das ist bei dem Druck, dem ein Autor nach einem Bestseller-Debüt ausgesetzt ist, schon etwas Besonderes.

Patty und Walter Berglund - Vorzeigeeltern und Umweltpioniere, fast schon ideale Nachbarn in ihrer selbst renovierten viktorianischen Villa in St. Paul - geben plötzlich Rätsel auf: Ihr halbwüchsiger Sohn zieht zur proletenhaften republikanischen Familie nebenan, Walter lässt sich zum Schutz einer einzigen Vogelart auf einen zwielichtigen Pakt mit der Kohleindustrie ein, und Patty, ehemalige Basketball-Sportlerin und Eins-a-Hausfrau, entpuppt sich als wahrlich sonderbar. Hat Walters bester Freund, ein Rockmusiker, damit zu tun?

Auf einmal lebt Patty ihre kühnsten Träume, führt sie ein Leben ohne Selbstbetrug. In diesem Roman einer Familie, der zugleich ein Epos der letzten dreißig Jahre amerikanischer Geschichte ist, erzählt Jonathan Franzen von Freiheit - dem Lebensnerv der westlichen Kulturen - und auch dem Gegenteil von ihr, zeigt die tragikomischen Verwerfungen zeitgenössischer Liebe und Ehe, Freundschaft und Sexualität.

Freiheit ist das große Thema seines Romans und der Name ist hier zugleich auch Programm des Autors. Die Freiheit, sich Zeit zu nehmen, spiegelt sich aber auch im Buch selbst wieder: Franzen erzählt episch, ohne zu langweilen. Und er ist noch in der Lage, ein großes psychologisches Panorama seiner Figuren zu entwerfen – und ein großes Panorama der amerikanische Zeitgeschichte. In diesem großen Roman einer Familie erzählt Jonathan Franzen von Freiheit - dem Lebensnerv der westlichen Kulturen - und auch von deren Gegenteil. Oder wie Hegel sagte: "Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit."


Franzen hat mit »Freiheit« den großen amerikanischen Familienroman neu belebt und mit feiner Ironie das tragende Grundgerüst, die Familie gleichwohl abgeschafft. Im Mittelpunkt stehen Patty und Walter Berglund mit ihren Kindern: eine linksliberal orientierte Familie im Mittleren Westen. In einer renovierten Villa lebend, haben die Berglunds einem heruntergekommen Viertel in St. Paul/Minnesota - nicht zuletzt dank Pattys Engagement - zu neuem Glanz verholfen. Und Walter hat auf seine Karriere verzichtet, um für ökologische Organisationen tätig zu sein. Die Freiheit ist immer auch ein Kompromiss.

Freiheit

Freiheit

Der Roman erzählt von einem Familienidyll einer Familie in einem Vorort einer amerikanischen Großstadt. Wieder steht eine Familie mit ihren Neurosen im Mittelpunkt: die Berglunds aus St. Paul. Wieder werden ihre jeweiligen Geschichten in Einzelporträts vorgestellt, bis in die achtziger Jahre zurück, wenngleich es in erster Linie um eine Darstellung des Jetztzeit-Amerikas vor allem der Post-9/11-Nullerjahre geht.


Natürlich bekommt das moralisch scheinbar unangreifbare Familienidyll schnell Risse. Patty kann sich von ihrer traurigen Vergangenheit nicht lösen und versucht, ihre Depressionen im Alkohol zu ertränken. Walter erliegt aus guter Absicht einem unmoralischen Angebot der Kohleindustrie. Und Sohn Joey verlässt die Familie und zieht ins Haus der einzigen verbliebenen „asozialen“ Familie der Gegend. Später wird er dubiose Geschäfte im Irak-Krieg machen.

Franzens Erzählkunst liegt darin, auf knapp 800 Seiten viel mehr als einen traditionellen Familienroman zu entfalten. Über Generationen hinweg entwirft er zwei Protagonisten mit all ihrer Wut, ihren Fehlern, ihren Schwächen und den - kurz aufblitzenden - guten Seiten. Meisterhaft verwebt er die konträre Kindheit von Walter und Patty, den steinigen Weg ihrer Beziehung, die Trennung. So überaus präzise legt Franzen alle Abgründe des menschlichen Charakters frei, dass sie einem mehr als vertraut werden.

In all dem, was seine Figuren tun und sagen, lässt der Autor in Seitenheiben auch gezielt wutentbrannte Attacken auf die amerikanische Regierung aufkommen: die Regierung Bush, das nicht vorhandene Umweltbewusstsein sowie der absurde Irak-Krieg sind einige dieser Punkte. Zu keiner Zeit gibt es einem erhobenen Zeigefinger: der Roman ist und bleibt menschlich entlarvend, präzise beobachtet und äußerst mitreißend.

Jonathan Franzens Roman »Freiheit« ist ein gelungener Freiheitsentwurf. Die Geschichte der amerikanischen Familie Berglund ist ein anschaulich und plastisch geschriebenes Sittengemälde und eine präzise Beschreibung des Zustandes des heutigen Amerika und wie es dazu kam.

Franzen spannt dabei zeitlich wie thematisch einen weiten Bogen, vom Anfang des vorigen Jahrhunderts bis heute. Die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten sind immer in einen größeren Kontext eingebettet: Ökologie, Ökonomie, Immobilien- und andere Blasen, Religion, Irak- und andere Kriege, Präsidentschaften.


Literatur:

Freiheit
Freiheit
von Jonathan Franzen

Rezensionen:

Mustermann, geh' du voran - www.sueddeutsche.de/kultur/

Vorsicht, Freiheit! - www.nzz.ch