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Mittwoch, 23. März 2016

»Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach« von Daniela Strigl


Marie von Ebner-Eschenbach gilt mit ihren psychologischen Erzählungen als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerinnen des 19. Jahrhunderts.

Marie von Ebner-Eschenbach wurde erst spät als Literatin anerkannt. Sie kam erst spät zu literarischen Ehren.

Im Jahr 1899 ehrte Kaiser Franz Joseph die Schriftstellerin. Diese Ehrung verhalf ihr zum Durchbruch.


Die berühmteste österreichische Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts wurde lange nur als „Dichterin der Güte“ wahrgenommen. Doch sie war viel mehr: Poetische Realistin,
Dramatikerin, Aphoristikerin, Fürsprecherin der Emanzipation, Kämpferin gegen den Antisemitismus, Offiziersgattin, Uhrmacherin und „Reitnärrin“.

Nachdem sie 1880 ihre Erzählung »Lotti die Uhrmacherin« veröffentlicht hatte, hieß man sie auch in Verlagen willkommen. 1887 erschien ihr Roman »Das Gemeindekind«, der bis heute eine große Bedeutung in der Literatur hat. Marie von Ebner-Eschenbachs Ruhm nahm im Laufe der Zeit so sehr zu, dass in Österreich und Deutschland sogar ihr 70. und 80. Geburtstag gründlich gefeiert wurden.



»Es schreibt keiner wie ein Gott,
der nicht gelitten hat wie ein Hund.«



Marie von Ebner-Eschenbach



Ihr ganzes Leben lang kämpfte sie gegen die etablierten Gedanken ihrer Zeit. Sie schrieb nicht etwa, um den Familienunterhalt zu finanzieren, sondern vielmehr mit der Inspiration und Überzeugung, ihre Schriften könnten die Gedanken ihrer Zeit verändern. Ihre Absicht war, Sittlichkeit und Humanismus zu vermitteln.




1900 wurde die Schriftstellerin als erste Frau mit dem Ehrendoktortitel der Wiener Universität ausgezeichnet. Nach der Veröffentlichung ihrer fiktiven satirischen Reisebriefe »Aus Franzensbad« (1858) schrieb sie lange ausschließlich für das Theater, wo sie allerdings mit ihren historischen Dramen und Gesellschaftsstücken nur Misserfolge erntete, so dass sie sich nach dem skandalerregenden, weil adelskritischen Stück »Das Waldfräulein« der Erzählprosa zuwandte.


In der ersten Biografie seit 1920 verfolgt Daniela Strigl Ebner-Eschenbachs Weg von ihrer Geburt im südmährischen Zdislawitz bis zum späten Ruhm. Zerrissen zwischen adeliger Herkunft und sozialer Gesinnung, Ethos und Ironie, Ehrgeiz und Bescheidenheit, gesellschaftlichen Rücksichten und der Leidenschaft fürs Schreiben, hielt Ebner-Eschenbach gegen den Widerstand ihrer Familie, gegen die Häme der Theaterkritik unbeirrbar an ihrem Ziel fest.


»Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach« von Daniela Strigl


Weblink:


Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach
Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach
von Daniela Strigl

Samstag, 31. Oktober 2015

»Der Verschollene« von Franz Kafka

Der Verschollene
Der Verschollene




»Der Verschollene« ist neben »Das Schloss« und »Der Process« einer der drei unvollendeten Romane von Franz Kafka, entstanden zwischen 1911 und 1914 und 1927 von seinem Freund und Herausgeber Max Brod postum veröffentlicht. In den frühen Ausgaben wurde der Roman unter dem von Brod bestimmten Titel »Amerika« veröffentlicht.



New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der siebzehnjährige Karl Roßmann wird wegen eines erotischen Verhältnisses mit einem Dienstmädchen von seinen Eltern hart bestraft: Sie schicken ihn nach Amerika. Mit großen Augen sucht er seinen Platz in dieser neuen Welt, die ihn zunächst mit offenen Armen empfängt. Alles scheint möglich. Doch der amerikanische Traum trügt und wendet sich allzu bald in sein Gegenteil.



Im Hafen von New York angekommen, trifft er noch auf dem Schiff einen reichen Onkel, der ihn zu sich nimmt und von dessen Reichtum Karl nun lebt. Doch bald verstößt der Onkel den Jungen, als Karl die Einladung eines Geschäftsfreundes des Onkels zu einem Landhausbesuch eigenmächtig annimmt.



Wegen des Iren verliert er eine Anstellung als Liftjunge in einem riesigen Hotel mit bedrückenden Arbeitsbedingungen. Anschließend wird er in einer Wohnung, die die beiden Landstreicher mit der dickeren älteren Sängerin Brunelda teilen, gegen seinen Willen als Diener angestellt und ausgenutzt.



Dieser Roman Kafkas ist ein Fragment. Dennoch ist erkennbar, dass der Autor Kritik nimmt am so genannten "amerikanischen Traum" und sich mehr mit der amerikanischen Wirklichkeit befasst, so etwa den dortigen sozialen Missständen zu Anfang des letzten Jahrhunderts, insbesondere der bitteren Armut, der Verelendung der Einwanderer und dem erbarmungslosen Kampf eines jeden gegen jeden um eine vermeintliche Chance des Vorwärtkommens.



In Kafkas Amerika mangelt es den meisten Menschen an ethischen Wertvorstellungen und an Höflichkeit. Ob das "Naturtheater von Oklahoma", dem sich der Europäer Karl irgendwann anschließt, eine Möglichkeit ist, der vorangegangen Unbill zu entfiehen, bleibt offen. Ein sehr atmosphärisch dicht geschriebener, packender Roman.



Bedrohlich und unheimlich wirkt auch diese Prosa Franz Kafkas. Man hat mit Recht den »Verschollenen« als den lichtetsten der drei Romane Kafkas bezeichnet: Hier bricht noch gelegentlich der reine Strahl der Erkentnnis hervor, der in fast allen anderen Werken Gerücht und leeeres Versprechen bleibt.



Bereits zu Lebzeiten Kafkas erschien das erste, eigenständige Kapitel »Der Heizer« im Jahr 1913 im Kurt Wolff Verlag in Leipzig.



Weblink:



Der Verschollene
Der Verschollene
von Franz Kafka

Sonntag, 27. September 2015

Adalbert Stifter und Thomas Bernhard - eine Wahlverwandtschaft

Adalbert Stifter Geburtshaus in Oberplan

Adalbert Stifter und Thomas Bernhard sind Wahlverwandte, die im Alter in der gleichen Gegend gewohnt haben und sich daher auch geografisch später nahegekommen sind, denn sie haben in ihrem späteren Leben in derselben Gegend gewohnt, in Oberösterreich. Ihre Wahlverwandschaft trägt jedoch ganz unterschiedliche Züge.

Für Stifter war es die Rückkehr in die Heimat und die ständige Sehnsucht nach einer Welt als Idyll in diesem fürchterlichen Leben, nach einem Nachsommer nach den Fürchterlichkeiten, in dem alles zur Ruhe käme. Nachsommer und Leben, beides kommt in Stifter zusammen.

Das Mühlviertel ist Stifterland. Bernhard dagegen war über hundert Jahre dazu verdammt, in einer Landschaft zu leben, die nach wie vor eine Stifter-Gegend ist, und sie hätte doch eine Bernhard-Gegend sein sollen. Nur so hätte er es ertragen.

Thomas Bernhard hat dann seine eigenen Nachsommer-Phantasien in der Nachsommer-Gegend Stiftres realisiert, mit seinen Häusern und Gehöften um Gmunden herum. So ist dann eine tiefe Seelenverwandschaft der beiden daraus gworden. Wie der alte Risach in seinem Rosenhof, sitzt Thomas Bernhard in seinem Vierkanthof, nur ein bischen unglücklicher als Risach und darin verwandt seinem Erfinder Adalbert Stifter.

Neben Stifter zu leben konnte für Bernhard nur bedeuten, ihn niederzuringen. Dabei hat er ihn schriftstellerisch nachgerade fast kopiert. Vielleicht ist es ja geradezu Bernhards Glück, dass man Stifter heute wenig liest, und doch sind sich beide so gleich, nur dass der eine früher kam und sich selbst gefunden hat, und der andere kam später, fraß den Ersten auf, in seiner eigenen Fresssucht, und wollte es dann nicht mehr zugeben.

Die Destruktion von Thomas Bernhard ist dem 20. Jahrhundert geschuldet, die Art der Konstruktion von Stifters Nachsommer einem ins Resignative gehenden Fortschrittsglauben des 19. Jahrhundert. Als wäre Adalbert Stifter ein bauwütiger Melancholiker gewesen - ein Unding. Gerade im Bauen und Einrichten sind Bernhard und Risach aus dem Nachsommer die nächsten Verwandten.


Man begegnet Stifter in Oberösterreich.auf Schritt und Tritt.

Literatur:

Der Nachsommer
Der Nachsommer
von Adalbert Stifter

Weblinks:

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Adalbert Stifter-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Adalbert Stifter - www.mein-oesterreich.info


Samstag, 22. August 2015

»Der Nachsommer« von Adalbert Stifter

Der Nachsommer
Der Nachsommer

»Der Nachsommer« ist ein zwischen 1847 und 1857 entstandener Roman von Adalbert Stifter. »Der Nachsommer«, Stifters vielleicht bekannteste Schöpfung, zählt gehört zu den großen Bildungsromanen des 19. Jahrhunderts. Im Stil des Biedermeier erzählt er die Lebens- und Familiengeschichte seines Protagonisten, der im Verlauf des Buches zu einem reifen Mann wird.

Der »Nachsommer« ist eine literarische Annäherung an Adalbert Stifter. Mit seiner durch und durch autobiografischen Grundierung ist das Werk an Stifters Leben entlanggeschrieben und vergegenwärtigt dieses Leben. Es ist auch die Korrektur von Stifters eigener Geschichte. Nachdem es das erste und eigentliche Mal ganz anders war, liefert der Autor, der ein Dichter und Träumer war, gewissermaßen die verbesserte Ausgabe. Dieses Mal glückt alles. Also kein vaterloses, gefährdetes Leben, gefolgt von einem lebnslänglichen Chaos wie bie Stifter, sondern eben ein Leben, das man ein glückliches nennen kann.

Ein junger Naturforscher bittet in einem abgelegenen, über und über mit Rosen bedeckten Landhaus um Unterschlupf vor einem drohenden Gewitter. Er wird von dem älteren Hausbesitzer freundlich aufgenommen, kehrt auf seinen Reisen immer wieder dorthin zurück und heiratet schließlich die Ziehtochter seines Gastfreundes. Mit diesen Sätzen wären die knapp 800 Seiten von Stifters „Nachsommer” schon so gut wie vollständig zusammengefasst.

Der Nachsommer
Der Nachsommer

Die Handlung dreht sich um die verschieden gearteten Leben zweier Paare, wobei das jüngere von beiden in Glück und frischer Liebe schwebt, das ältere hingegen durch seine Seelenreife und gemeinsamen Erlebnisse andere Empfindungen der Zufriedenheit verspürt - gewissermaßen einen Nachsommer ihrer Liebe durchlebt. Dabei gelingt es der jungen Beziehung, von den Erfahrungen des älteren Paares zu lernen und zu profitieren.

Zwei liebende Paare stehen im Vordergrund dieses warmherzigen Romans: Das jüngere beschließt nach schüchterner Annäherung schließlich zu heiraten, das ältere erlebt eine späte Liebe »in Glück und Stetigkeit, gleichsam einen Nachsommer ohne vorhergegangenen Sommer.«

Entschleunigung ist der Schlüssel zu diesem Buch. Wer dieses Tempo nicht annehmen kann oder mag, dem muss »Der Nachsommer« als Krönung der Langeweile erscheinen. Allerdings entgeht diesem Leser dann auch ein Kunstwerk des humanen Entwicklungs- und Bildungsideals, welches eben die Seele des Werkes ist.

Natürlich ist dieses Bildungsideal in der jetzigen Welt, in der Bildung rein marktwirtschaftlich wettbewerblich verstanden wird und nicht die Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zum Zweck hat, so weit außerhalb unseres Radars, dass dieses Buch heute wohl kaum noch die Leser findet, die es verdient.


Literatur:

Der Nachsommer
Der Nachsommer
von Adalbert Stifter





Mit der Entwicklungsgeschichte des jungen Heinrich Drendorf entfaltet Adalbert Stifter sein Konzept einer planvollen Erziehung und umfassenden Bildung. Der »Nachsommer« entwickelt sich langsam und unheimlich ästhetisch. Ein Bildungsroman mit herrlicher Farbenpracht in der Sprachkunst. Stifters Roman ist schön im wahrsten Sinn des Wortes.

Dieses Buch muss nicht jedermann gefallen, aber wem es sich öffnet, der hat einen großen Schatz der Weltliteratur und die Relativität der Zeit für sich entdeckt. Vielleicht auch eine Ahnung davon, dass Selbstverwirklichung und Charakterbildung nicht nur das Geschwafel esoterischer Selbsthilfebücher sein muss.

»Der Nachsommer« ist Stifters Denkmal, das er dem Leben und diesem seienm Traum vom Bleiben, vom Hiersein und Hierseinwollen gesetzt hat. Stifter hat im »Nachsommer« dem Traum vom Glück ein Denkmal gesetzt. Er wollte auch nichts anderes als endlich leben , in einer Zeit, als es eigentlich schon zu spät war. »Der Nachsommer« ist Stifters Buch der Sehnsucht. Darasu ist eine Utopie in Raum und Zeit entstanden.

»Der Nachsommer« ist ein Roman von Adalbert Stifter - eine Bildungs-, Liebes- und Familiengeschichte, die einen rührt und an Werte erinnert, die wir heute vielleicht dringender denn je benötigen. Ein Werk der Verinnerlichung und der Entwicklung echter Seelenreife.

Literatur:

Der Nachsommer
Der Nachsommer
von Adalbert Stifter

Weblinks:

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Adalbert Stifter-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Adalbert Stifter - www.mein-oesterreich.info

Samstag, 1. August 2015

»Versuch über die Jukebox« von Peter Handke

Versuch über die Jukebox
Versuch über die Jukebox: Erzählung



Peter Handke erweiert die Reihe seiner Versuche mit einem weiteren erzählenden Essay, dem »Versuch über die Jukebox«. Er versucht mit einem trivialen Gegenstand, nämlich einer Jukebox, einen Zugang zum Schreiben zu finden. Mittelpunkt des Erzählens ist demnach nicht die Jukebox, sondern der Gegenstand des Schreiben selbst. Die Jukebox ist vielmehr Hilfe, die Angel der Tür, die die Verbindung zu dem Raum ist, den er gerne betreten möchte; eine Landkarte auf der Handke zum Ziel, das Schreiben an sich, findet.

Hierbei befasst Handke sich nicht mit der unterschiedlichen kulturellen Bedeutung der Jukebox, sondern es steht vielmehr die Wahrnehmung derselben im Vordergrund. Das bedeutet, dass die Jukebox zwar als zentrales Thema des Textes genannt wird, jedoch - obwohl sie zumeist im Vordergrund steht - im Text selbst, in den Hintergrund gerückt wird.

Handke entwickelt seine eigene Erzähltechnik. Allen voran steht eine Entfremdung, eine Lösung von einer vermeintlichen Umgebung, um das erwünschte Produkt, welches entstehen soll, zu verwirklichen. Der leere Bahnhof zu Beginn zeigt symbolisch, dass der Protagonist etwas hinter sich lassen muss beziehungsweise etwas hinter sich lässt.

So fährt er nach Soria, in eine abgelegene Stadt im kastilischen Hochland, um von der Verlassenheit in eine noch größere Einsamkeit zu kommen. An dieser Stelle glaubt der Protagonist eine Einsamkeit aufsuchen zu müssen, da andernfalls sein Vorhaben nicht funktionieren würde. Jedoch ist es gerade in Wirklichkeit die Einsamkeit, woraus er fliehen möchte und die Jukebox aufsucht, um nicht mehr einsam zu sein.

Die Jukebox vollzieht in der Erzählung einen grundlegenden Wandel: sie wird von einer Maschine zu einem Menschen. Die Jukebox ist keine Maschine oder eine wahrhaftige Box, sondern zu einem Menschen geworden. Eine Person, die Erinnerungen weckt und einen an Ereignisse erinnert, die der Beweis dafür sind, dass man gelebt hat.

Weblink:

Versuch über die Jukebox
Versuch über die Jukebox: Erzählung
von Peter Handke

Dienstag, 3. März 2015

»Selbstporträt mit Flusspferd« von Arno Geiger

Selbstporträt mit Flusspferd
Selbstporträt mit Flusspferd

Vier Jahre nach dem Roman über die Demenzerkrankung seines Vaters »Der alte König in seinem Exil« hat Arno Geiger mit dem einfühlsamen Portrait »Selbstporträt mit Flusspferd« wieder einen großartigen Roman veröffentlicht. In seinem neuen Roman »Selbstporträt mit Flusspferd« gelingt es dem Gewinner des »Deutschen Buchpreises« von 2005, hervorragend, sich mit einer heiteren Flusspferdgeschichte in die Psyche eines 22-Jährigen namens Julian hineinzuversetzen .

Recht unselig entwickelt sich der Sommer 2004 für den zweiundzwanzigjährigen Student der Veterinärmedizin Julian, der gerade aus der Wohnung seiner Freundin Judith geworfen wurde. Trennen wollten sich beiden schon eine Weile, doch war immer die Uni dazwischen gekommen, eine Prüfung jagte die andere, so hat Judith diesen schmerzhaften Schritt zu Beginn der Sommerferien begangen.

Zu allem Überfluss verlangte Judiths leidlicher Vater nun eine Rückzahlung auf die Untermiete, wo Julian so gar kein Geld hatte. Sein Freund Tibor verhilft ihm zu einem Sommerjob bei Professor Beham, einem pensionierten Universitätsprofessor, der an Krebs erkrankt war und seit einiger Zeit im Rollstuhl sitzt.

Der griesgrämige Professor hat einem Zwergflusspferd vorübergehend Unterschlupf gewährt, doch das Tier will versorgt sein. Er soll das Zwergflusspferd eines behinderten Professors pflegen. Julian macht die Arbeit mit dem Tier Spaß, und er entwickelt schnell eine Zuneigung zu dem grauen Koloss. In gewisser Weise ist das Tier das genaue Gegenteil von Julian und hat Charaktereigenschaften, die der Junge gerne hätte. Es geht stoisch seinen täglichen Verrichtungen nach, ohne sich permanent von diesem oder jenem aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.



"Dabei drückten sich nur lauwarme Windstöße in den Gärten herum, sonst nichts. Ich sah eine weitgehend stabile Welt aus Gewohnheit und Sauberkeit, von Geld und Gartenzäunen zusammengehalten, ein belangloses Amalgam aus rosiger Gegenwart und nichts Neuem."

Julian war jedoch nicht der einzige junge Mensch im Hause des Professors, auch seine Tochter Aiko war aus Paris gekommen, um ein paar Wochen in Wien zu verbringen. Und Aiko ist mindestens so exotisch wie ihr Name klingt. Langsam entwickelt sich eine eigenwillige Beziehung zwischen den beiden.

Der neue Roman Arno Geigers sprüht nur so von Sommer und jungen Menschen, die es nicht erwarten können, endlich erwachsen zu sein. Begleitet von den olympischen Spielen in Athen, Hurrican Frances oder auch dem verheerenden Schulmassaker in Beslan, streicht Julian zwischen den Bezirken Wiens ebenso umher wie zwischen der Vergangenheit.

So ganz kann er von Judith nicht lassen, zu gesund und zufrieden wirkt sie. Und Aiko ist noch viel, viel zu weit weg.

Weblink:

Selbstporträt mit Flusspferd
Selbstporträt mit Flusspferd
von Arno Geiger

Mittwoch, 18. Februar 2015

»Die Verschwundenen« von Wolfgang Popp

<center><a title="»Die Verschwundenen« von Wolfgang Popp" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3903005029/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Die Verschwundenen" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/3903005029.03.TZZZZZZZ.jpg" width="65" border="0"/><br />Die Verschwundenen</a></center>

In seinem Roman <a title="»Die Verschwundenen« von Wolfgang Popp" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3903005029/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank">»Die Verschwundenen«</a> schreibt der österreichische Autor Wolfgang Popp über das plötzliche Verschwinden von fünf Personen, die mitten im Leben alle Kontakte abbrechen und fernab der Heimat einen Neustart wagen. Jahre später tauchen sie wieder auf und müssen sich ihrer Vergangenheit stellen.

Fünf Menschen brechen plötzlich alle Kontakte und Zelte in ihrer Heimat ab und beginnen ein neues Leben, in Cambridge, Pompeji und Sri Lanka. Viele Jahre später tauchen sie wieder auf – während die einen zufällig gefunden werden, wenden sich die anderen an die, die sie einst zurückgelassen haben.

Wolfgang Popp lässt fünf Erzähler von ihren Wiederbegegnungen mit diesen »Verschwundenen« berichten. Sie versuchen, hinter das Geheimnis ihres plötzlichen Verschwindens zu kommen und machen dabei erstaunliche Entdeckungen sowie die eine oder andere Reise in die Vergangenheit.

Popp geht der Frage anch, wie man wurde, was man ist. In fünf Kapiteln skizziert der Autor ganz unterschiedliche Lebensläufe und lässt mehrere Erzähler die Geheimnisse der "Verschwundenen" lüften. »Die Verschwundenen« ist in der Edition Atelier erschienen.

Weblink:

<a title="»Die Verschwundenen« von Wolfgang Popp" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3903005029/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Die Verschwundenen" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/3903005029.03.TZZZZZZZ.jpg" width="60" border="0"/><br />Die Verschwundenen</a> von Wolfgang Popp
<!-- In seinem Roman "Die Verschwundenen" schreibt der österreichische Autor Wolfgang Popp über das plötzliche Verschwinden von fünf Personen, die mitten im Leben alle Kontakte abbrechen und fernab der Heimat einen Neustart wagen. Jahre später tauchen sie wieder auf und müssen sich ihrer Vergangenheit stellen. In fünf Kapiteln skizziert der Autor ganz unterschiedliche Lebensläufe und lässt mehrere Erzähler die Geheimnisse der "Verschwundenen" lüften. Der Roman ist in der Edition Atelier erschienen. -->

Mittwoch, 21. Januar 2015

»Zwei Herren am Strand« von Michael Köhlmeier

<center><a title="»Zwei Herren am Strand«
von Michael Köhlmeier" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3446246037/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Zwei Herren am Strand" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/3446246037.03.TZZZZZZZ.jpg" width="60" border="0"/><br />Zwei Herren am Strand</a></center>

»Zwei Herren am Strand« von Michael Köhlmeier <!-- ist ein Roman über --> erzählt mit dem Blick eines großen, phantasievollen Erzählers die Geschichte einer beswegenden Männerfreundschaft von Winston Churchill und Charlie Chaplin – zwei Giganten der Weltgeschichte, so unterschiedlich wie nur möglich und doch enge Freunde.

Der eine schuf als weltberühmter Komiker das Meisterwerk "Der große Diktator", der andere führte mit seinem Widerstandswillen eine ganze Nation durch den Krieg gegen Adolf Hitler.

Kalifornien im Jahr 1929: Zwei Männer, zwei Große der Weltgeschichte gehen am Strand spazieren: Winston Churchill und Charlie Chaplin. Auf den ersten Blick haben die beiden wenig gemein. Dennoch verbindet sie etwas: ihr "schwarzer Hund", eine lebenslange Depression. Eine Disposition, die der Autor Michael Köhlmeier zum Dreh- und Angelpunkt dieser besonderen Männerfreundschaft macht.

In seinem Roman »Zwei Herren am Strand« erfährt der Leser von ihren ganz unterschiedlichen Methoden, die Depression in den Griff zu bekommen, zum Beispiel durch unbändige Arbeitswut.

Tatsächlich haben sich Churchill und Chaplin Ende der 1920er Jahre kennengelernt. Es gibt Filmmaterial, das die beiden scherzend bei einem Fototermin zeigt. Wie weit geht ihr Pakt gegen den Selbstmord, den Michael Köhlmeier in seinem Roman beschreibt? Was ist Dichtung, was Wahrheit?


Weblink:

<a title="»Zwei Herren am Strand« von Michael Köhlmeier" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3446246037/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Zwei Herren am Strand" src="http://images-eu.amazon.com/images/P/3446246037.03.TZZZZZZZ.jpg" width="60" border="0"/><br />Zwei Herren am Strand</a> von Michael Köhlmeier

<!-- Michael Köhlmeier hat mit dem Blick des großen, phantasievollen Erzählers erkannt, was in diesem unglaublichen Paar steckt: die Geschichte des 20. Jahrhunderts zwischen Kunst und Politik, Komik und Ernst. Der arme Tramp und der große Staatsmann, in diesem verblüffenden Roman des berühmten Autors aus Österreich erleben sie die Geschichte des Jahrhunderts. -->

Montag, 28. Juli 2014

"Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus

Der Erste Weltkrieg, der vor genau 100 Jahren ausbrach, brachte zehn Millionen Menschen den Tod und verkrüppelte mindestens ebenso viele. In seinem Drama "Die letzten Tage der Menschheit" entwarf Karl Kraus ein gewaltiges Zeitpanorama, das in vielen grotesken Szenen die ganze Absurdität und Unmenschlichkeit des Kriegsgeschehens zu ermessen versucht.

Ohne einen festen Handlungsstrang lässt das Antikriegsstück Militärs und Zivilisten, historische und erfundene Personen zu Wort kommen. Mit seiner Sprachkunst und seinem ungeheuren Wortwitz entlarvt der Autor ihr unmenschliches Denken, Reden und Handeln. Dabei bedient er sich zahlreicher Originalzitate, deren Aussagen als unwahrscheinlich und unfassbar erscheinen.



In seinem Drama »Die letzten Tage der Menschheit« entwarf Karl Kraus ein gewaltiges Zeitpanorama des Ersten Weltkrieges, das in vielen grotesken Szenen die ganze Absurdität und Unmenschlichkeit des Kriegsgeschehens zu ermessen versucht. Dieses Antikriegsepos und Zeitpanorma ist ein furioser Augenzeugenbericht vom Untergang des alten Europa.

In seinem monströsen Weltuntergangskabarett "Die letzten Tage der Menschheit" stülpt Karl Kraus das vertraute Bild des Habsburgerreiches ins Infernalische um. Der Erste Weltkrieg erweist sich als apokalyptisches Völkergemetzel, angerichtet von bestialischen Militärs, idiotischen Beamten, zwei blödsinnigen Kaisern, einer vertrottelten Adelskaste, einer bornierten Kirche und einem gierigen Bürgertum im Verein mit einer gewaltgeilen Journaille von Kriegshetzern und Hyänen des Schlachtfelds.


"Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus gehört zum Besten, was je für die Bühne geschrieben wurde. Es ist ein kolossaler Bilderbogen über den Untergang der Donaumonarchie und den Wahn, der Menschen befallen kann, wenn es um Krieg und Ehre geht.

Jede Aufführung des Mammutstücks bedeutet einen gewaltigen Aufwand, der Autor selbst hat es als unaufführbar bezeichnet. Karl Kraus sagte selbst über sein heute wohl berühmtestes Werk, es sei für ein Marstheater gedacht; für ein irdisches Theater hielt er es wohl für zu umfangreich.




"Die letzten Tage der Menschheit" sind eine atemberaubende Collage zusammengestellt aus authentischen Gesprächsfetzen kurz vor und während des Ersten Weltkrieges, die Kraus akribisch gesammelt hatte und die klarer als jede Analyse verdeutlichen, warum die "Welt von gestern" (Stefan Zweig) untergehen und einer weniger menschlichen Epoche weichen musste, und wie Europa seine Menschlichkeit leichtfertig preisgab.

Nach diesem Vorspiel des Stückes (und des Krieges) bricht der Krieg tatsächlich aus, in den das alte Europa hineinschlittert und in dem es schließlich untergehen soll. Kraus muss nichts kommentieren oder hinzusetzen zu dem, was er auf den Straßen und den Caféhäusern, in den Etappen und Schützengräben gesammelt hat; es spricht alles für sich. Tatsächlich, hier ging die Menschheit einem Ende entgegen, und das dürfte kaum einer besser bemerkt haben als der Kultur- und Zeitkritiker Karl Kraus.

Weblink:

Die letzten Tage der Menschheit
von Karl Kraus

Dienstag, 3. Juni 2014

Franz Kafka 90. Todestag

Franz Kafka


Franz Kafka starb vor 90 Jahren am 3. Juni 1924 im Alter von 40 Jahren in einem Lungensanatorium in Kierling bei Klosterneuburg in Niederösterreich.

Der Prager Schriftsteller gilt als der wohl rätselhafteste und vielschichtigste Autor der Moderne. Alle seine Prosawerke stellten den Menschen in einer Art Selbstentfremdung dar.

Franz Kafka

Kafka zählt zu den wenigen Autoren des frühen 20. Jahrhunderts, die den größten Teil ihres literarischen Werkes nicht als freie Schriftsteller, sondern neben einer sie voll in Anspruch nehmenden Berufsarbeit geschrieben haben. Dieser Umstand führte dazu, dass Kafka zeit seines Lebens nicht als Schriftsteller wahrgenommen wurde.

Bei Tage führte er das Leben eines Versicherungsbeamten, bei Nacht verwandelte er sich während der ekstatischen Exerzitien des Schreibens in den bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Wenngleich Kafka seine Arbeit mit bestem Gewissen versah und als zuverlässig und genau galt, waren die Stunden im Büro für ihn eine Belastung. Er sah die Arbeit stets als Hindernis für das Schreiben, dem er meist nachts nachging.

Franz Kafka zeichnete in seinen Romanen das Bild einer düsteren Welt, in der der ohnmächtige Einzelne anonymen, undurchschaubaren Mächten und Machtinstanzen gegenübersteht und denen er ausgeliefert ist. Wie in einem Albtraum bewegen sich Kafkas Protagonisten durch ein Labyrinth undurchsichtiger Verhältnisse und sind anonymen Mächten ausgeliefert.

Die beklemmende Welt der Kafka'schen Protagonisten, die im Bannkreis unsichtbarer, bedrohlicher Mächte leben, ist durch Verstörung und vitale Erschöpfung gekennzeichnet.

Zu Lebzeiten war Kafka der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Seine Skepsis gegenüber seinem Werk und seiner Dichterexistenz überhaupt ging so weit, dass er seinem engsten Freund und Nachlassverwalter Max Brod auftrug, seine unveröffentlichten Texte (darunter alle seine Romane) zu vernichten.

Überzeugt, "daß ich mich mit meinem Romanschreiben in schändlichen Niederungen befinde", hatte Franz Kafka vor seinem Tod, 1924, in "letzter Bitte" an seinen "liebsten" Freund Max Brod verfügt, "alles, was sich in meinem Nachlaß ... findet, restlos und ungelesen zu verbrennen".

Weltweit bekannt wurde Kafkas Werk erst nach dem Zweiten Weltkrieg, zunächst in den USA und Frankreich, in den 1950er-Jahren dann auch im deutschsprachigen Raum.

Heutzutage wird er als einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts eingeschätzt. Seine Werke wurden in alle Sprachen übersetzt und seine Bücher werden in anerkannten Universitäten analysiert.

Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 im jüdischen Viertel von Prag geboren.

Weblinks:

Franz Kafka-Biografie - www.die-biografien.de


Franz Kafka-Zitate - www.die-zitate.de


Onkels Schätze - Literatur Kafka-Nachlass - »DER SPIEGEL«

Freitag, 30. Mai 2014

»Die Legende vom heiligen Trinker« von Joseph Roth

Die Legende vom heiligen Trinker


Als »eine der schönsten Legenden, die im 20. Jahrhundert gedichtet wurde« (Marcel Reich-Ranicki) hinterließ Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«, die kurz vor seinem Tod entstand. Joseph Roth verwebt Realität und Fiktion in einer märchenhaft erzählten Novelle. Joseph Roth hat eine wunderbare Parabel geschrieben, die seinem eigenen Leben wunderbar vorweg greifen sollte.

In dieser Erzählung wird der dem Alkohol verfallene Clochard Andreas von einem Unbekannten mit 200 Francs beschenkt. Die soll er, falls es ihm eines Tages möglich sei, in einer bestimmten Kapelle zugunsten der Heiligen Therese von Lisieux hinterlegen. Andreas geht von seinem unerwarteten Reichtum gut essen, wäscht sich, lässt sich rasieren und besucht ein Café. Dort spricht ihn ein Herr an, der seine schäbige Kleidung bemerkt und bietet ihm einen Job als Möbelpacker an. Als Lohn werden 200 Francs vereinbart.

Andreas führt die vereinbarte Arbeit gewissenhaft aus und erwirbt, weil er sich bereits einer neuen Klasse zugehörig fühlt, eine lederne Brieftasche. Am nächsten Sonntag geht er zu der Kapelle, um einen Teil seiner Schuld zu zahlen, versackt jedoch in einer Eckkneipe. Dort trifft er auf Karoline, eine verflossene Liebe. In einem Nebel von Hochprozentigem erinnert er sich, wie er vor vielen Jahren aus dem polnischen Schlesien nach Paris kam, da man in Frankreich Kohlenarbeiter suchte.

Er hatte bei Landsleuten logiert. Dabei verliebte er sich in die damals verheiratete Karoline, und als ihr Mann sie eines Tages zu Tode schlagen will, schlägt er den Mann tot. Dafür saß er zwei Jahre im Gefängnis, dann folgte sein Absturz in den Alkohol, der ihn bis unter die Brücken von Paris führte. Als ihm in der Nacht die Heilige Therese im Traum erscheint und an seine Schuld erinnert, verlässt er Karoline.

In der Reihe der Wunder, die Andreas widerfährt, entdeckt er plötzlich einen Tausend-Francs-Schein in der frisch erworbenen Brieftasche. Er wechselt sie in einem Tabac und sieht dort das Foto eines ihm bekannten Landsmanns, der inzwischen zum Fußballstar avancierte. Er spürt diesen alten Kumpel auf, wird herzlich von ihm in die Arme geschlossen, mit frischer Kleidung beschenkt und zum Essen geladen.

Am Sonntag geht Andreas wieder Richtung Kirche, um der Heiligen Therese ihr Geld zu erstatten. Doch dort trifft er auf einen weiteren Freund aus der Vergangenheit, Woitech, dem er sein gesamtes Geld schenkt, um ihm aus einer angeblichen Not zu helfen. Und wieder fließt Alkohol in Strömen.

Nun kreuzt erneut jener Herr seinen Weg, der ihm die ersten 200 Francs geschenkt hat, und der Mann schenkt ihm erneut Geld. Das verzehrt Andreas in einer Bar. Am Sonntag geht er wieder voll guter Vorsätze zu der Kapelle. Ein Polizist spricht ihn unterwegs an und überreicht ihm eine fremde Brieftasche, die er angeblich verloren habe. Darin liegen 200 Francs.

Ein Kumpel verleitet ihn jedoch erneut zum Saufen, bevor Andreas die Kirche betreten kann. An der Theke kippt er plötzlich um und wird in die gegenüber liegende Sakristei geschleppt, wo er mit einer Bewegung, als wollte er in die linke innere Rocktasche greifen und seine Schulden zahlen, einen letzten Seufzer tut und stirbt.

Und in dem Moment, da er das Geld vermeintlich abliefern soll, wie dem Herren vor der Kirche versprochen, da trifft ihn der Schlag und er fällt tot um. Unter diesen Aspekten ist der Titel "Die Legende vom heiligen Trinker" sehr treffend, denn Andreas haucht sein Lebenslicht in der Sakristei aus.

»Es gibt Dinge, die muss man vergessen. Sie sind zu schön, um wirklich zu sein.«

Joseph Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«


Jospeh Roth ein modernes Märchen geschrieben. Mit dieser wunderschönen, märchenhaft geschriebenen Novelle setzt sich Roth mit seiner eigenen Trunksucht auseinander und macht dabei immer wieder die Ehrenhaftigkeit deutlich, die ihn sein gesamtes Leben auszeichnete. Bei Joseph Roths letztem Werk handelt es sich auch um eine Selbstreflektion der eigenen Alkoholprobleme und die Selbsterkenntnis der eigenen Unverbesserbarkeit.

Joseph Roths Novelle überzeugt durch klare Prosa und erinnert ein wenig an die Geschichte von "Hans im Glück". Der aufgrund glücklicher Fügungen mögliche soziale Aufstieg des Hauptprotagonisten wird aber letztlich durch dessen Trunksucht vereitelt.


Buchempfehlung:

Die Legende vom heiligen Trinker


Die Legende vom heiligen Trinker von Joseph Roth

Samstag, 28. Dezember 2013

»Bergkristall« von Adalbert Stifter

Bergkristall

Der »Bergkristall«, erstmals 1845 erschienen, ist eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte und gilt als die ergreifendste Erzählung, die Adalbert Stifter geschrieben hat: eine Erzählung von Drama und Rettung, Auferstehung und Versöhnung, die Menschen in der kalten Zeit zueindander finden lässt. Stifter verknüpft in seiner volkstümlichen Erzählung vom »Bergkristall« naturhafte und religiöse Motive.

Die Geschichte spielt in 19. Jahrhundert in den österreichischen Bergen. Zwei Bergdörfer, Gschaid und Milsdorf, sind durch einen Berg voneinander getrennt, die Einwohner sind sich gegenseitig fremd. Dessen ungeachtet hat der Schuster aus Gschaid die Milsdorfer Färberstochter geheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Konrad und Sanna.


Am Heiligen Abend schickt die Mutter Konrad und Sanna zu den Großeltern in Milsdorf, um ihnen Weihnachtsgrüße und -geschenke zu übermitteln. Dazu gehen die Kinder über den beide Dörfer trennenden Pass. Die Großmutter schickt ihrerseits die Kinder so rechtzeitig auf den Heimweg, dass sie vor Einbruch der Dämmerung wieder daheim sein müssten.

Bergkristall
Bergkristall
von Adalbert Stifter
Auf dem Heimweg aber geraten sie in dichten Schneefall, die Kinder verlieren die Orientierung und verirren sich auf dem Berg. Sie finden auch nicht den gewohnten Wegweiser: eine rote Säule, die dort als Mahnmal für einen tödlich verunglückten Wanderer steht. Anstatt talwärts zu gehen, irren die Kinder hinauf in die nackte Fels- und Eisregion. Als es dämmert, steigen sie in eine Eishöhle, um dort zu übernachten. Bruder und Schwester verbringen die Nacht in einer Eishöhle.

Bergkristall


Noch in der Nacht sind die Männer aus zwei Bergdörfern aufgebrochen, um die Kinder in einer dramatischen Rettungsaktion zu suchen. Am Morgen des Weihnachtstages werden die Kinder unversehrt gefunden. Die Bewohner der beiden Bergdörfer, die sich bisher gegenseitig als Fremde angesehen und behandelt haben, versöhnen sich aufgrund dieser gemeinsamen Rettungsaktion der auf dem Berg verschollenen Kinder.

Stifter brilliert mit eindringlichen Beschreibungen der winterlichen Natur und einer herzerwärmenden Geschwisterliebe. Der »Bergkristall« ist eine der schönsten Erzählungen von Adalbert Stifter, in der sich beim Lesen auch ein literarischer Zauber verbreitet. Diese ergreifende Weihnachtsgeschichte ist eine phantasievolle und zeitlose Erzählung nicht nur für Kinder.

Weblink:

Bergkristall - www.weihnachtsgeschichten.org

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Literatur:

Bergkristall
Bergkristall
von Adalbert Stifter

Mittwoch, 2. Oktober 2013

»Die größere Hoffnung« von Ilse Aichinger

Ilse Aichinger

Im Jahr 1948 schrieb Ilse Aichinger, 1921 in Wien geboren, ihren einzigen Roman »Die größere Hoffnung«, in dem sie autobiografisch das Schicksal rassisch verfolgte Kinder und einer jungen Halbjüdin während der Zeit des im Nationalsozialismus schildert. Der Roman »Die größere Hoffnung« entstand in den ersten Nachkriegsjahren und nahm Aichinger dermaßen in Anspruch, dass sie ihr Medizinstudium abbrach.

Ihr einziger Roman ist eine literarische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg der unmittelbaren Nachkriegszeit. Er schildert das von Angst und Terror erfüllte, ständig zwischen Hoffnung und Verzweiflung pendelnde Leben einer Gruppe von rassisch verfolgten Kindern in einer großen Stadt, die unschwer als ihre Heimatstadt Wien zu erkennen ist.

Ob die weite Welt wirklich weit ist,
das liegt an jedem Menschen.


Als »Halbarierin« war Aichinger in der NS-Zeit nicht unmittelbar bedroht, musste allerdings miterleben, wie nahe Verwandte deportiert wurden. Diese leidvollen Erfahrungen bilden die autobiografische Basis des Romans, dessen Hauptfigur Ellen ebenfalls zwei »falsche«, d. h. jüdische Großeltern hat.

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»Die größere Hoffnung« ist ein allegorischer Roman. In verfremdenden Bildern erzählt er von der Angst, von der Bedrohung und der widerständigen Hoffnung der "Kinder mit den falschen Großeltern". Diese Kinder, die nach den Nürnberger Gesetzen als jüdisch oder - wie die Hauptfigur Ellen - als halbjüdisch gelten, leiden unter Isolation, Demütigung und Verhöhnung. Aber immer wieder wird von unnachgiebigem Widerstand erzählt, "als könne es ruhig den Kopf kosten, wenn es nur nicht das Herz kostete".

Ellen hofft auf die Emigration, doch sie erhält kein Visum. Zwar hat sie Angst vor der geheimen Polizei, dennoch behält sie die Hoffnung. Bei der Einnahme der Stadt trifft sie auf Jan. Als er verwundet wird, soll sie seine Kameraden eine Nachricht überbringen.

Aus solchem Widerstand heraus leben die verfolgten Kinder: Nachdem ihre Hoffnung auf Auswanderung zunichte geworden ist, erwächst ihnen eine ganz andere, die "größere Hoffnung". Dazu gehört die Gewißheit, "daß irgendwann der Abschied endet und das Wiedersehen beginnt", und dazu gehört auch, daß Liebe und Leiden eins werden: "Peitscht uns, tötet uns, trampelt uns nieder, einholen könnt ihr uns erst dort, wo ihr lieben oder geliebt werden wollt." Diese Hoffnung haben die Opfer ihren Mördern voraus.

"Da gibt es Kapitel einer Mischung aus bewältigender Angst, aufgehobener Zeitgeschichte und messianischer Hoffnung, wie sie niemand mehr seither so gespannt zustande brachte." (Joachim Kaiser)
Für ihren Roman, ihre Gedichte, Hörspiele und Prosastücke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. 1952 den Preis der Gruppe 47, 1982 den Petrarca-Preis, 1983 den Franz-Kafka-Preis, 1995 den Österreichischen Staatspreis für Literatur. Ilse Aichinger lebt heute in Wien.

Weblink:

Ilse Aichinger Die größere Hoffnung - www.dieterwunderlich.de