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Donnerstag, 23. Januar 2014

»Zettels Traum« von Arno Schmidt

Arno Schmidt

»Zettels Traum« - entstanden in dem idyllischen Heide-Dörfchen Bargfeld - ist das skurrile Produkt von Arno Schmidts Zettelwirtschaft - ein aus Zetteln verarbeiteter Roman - und gilt als eines der schwierigsten literarischen Werke in deutscher Sprache. Arno Schmidt summiert darin seine Erfahrungen mit Literatur, seine Geschichtsphilosophie, Kulturkritik und Sprachtheorie. Dazu inspiriert wurde Schmdit von James Joyce's vielschichtigem Werk »Finnegans Wake«. Sein Hauptwerk erschien 1970 als großformatiger Typo-Skriptband.

a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3100706269/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank" title="Zettels Traum Arno Schmidt">»Zettels Traum« umfasst 1.334 mehrspaltig beschriebene Seiten, die in Form des Original-Typoskripts mit Randglossen und Handskizzen des Autors wiedergegeben sind. Der Titel verweist ironisch auf die 120.000 Notizzettel, auf denen Schmidt seine Einfälle zum Buch notiert hatte und auf den Weber namens »Zettel« aus Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«.

»Ich hatte 'nen Traum – 's geht über Menschenwitz, zu sagen, was es für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich einfallen läßt, diesen Traum auszulegen. Mir war, als wär ich – kein Menschenkind kann sagen, was. Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich – aber der Mensch ist nur ein lumpiger Hanswurst, wenn er sich unterfängt zu sagen, was mir war, als hätt ichs; des Menschen Auge hat's nicht gehört, des Menschen Ohr hats nicht gesehen, des Menschen Hand kann's nicht schmecken, seine Zunge kanns nicht begreifen und sein Herz nicht wieder sagen, was mein Traum war.«
Zettel in Shakespeares
»Ein Sommernachtstraum«
An einem Sommertag des Jahres 1968 diskutiert Daniel (»Dän«) Pagenstecher, Schriftsteller, Übersetzer und Privatgelehrter, mit dem befreundeten Ehepaar Jacobi dessen Übersetzung von Edgar Allan R Poe. Die Jacobis sind dazu in Däns Haus in der Lüneburger Heide gekommen; ihre 16-jährige Tochter Franziska haben sie mitgebracht. Es entspinnen sich Gespräche über Poe, Sigmund R Freud, Däns Theorie der »Etyme« (sublimierte und sublimierende Wortmodel, die sexuelle Konnotationen gleichzeitig erzwingen und verdrängen, wie im Englischen etwa »pen«, Füller, für »Penis«), Psychoanalyse, Geschehnisse im nahen Dörfchen Ödingen etc. Eine Romanze mit Franziska, die um ihn wirbt, wird vom alternden Dän erwogen, dann aber entzieht er sich ihr; seine offen ausgesprochene Bedingung an ihre Eltern ist, Franziska Abitur und Studium zu ermöglichen.

Der Roman ist ein echter Solitär in der Literatur des 20. Jahrhunderts, der seit der ersten Veröffentlichung 1970 großes Aufsehen erregt hatte, wobei die Fülle und der Reichtum an Anspielungen bis heute nicht gänzlich ergründet werden konnte. Viele Assoziation, Zitate und Anspielungen aus der deutschen, englischen, französischen und aus weiteren entlegenen Literaturen finden sich in vielfältiger Form verarbeitet. Verarbeitet wurden in dem grandiosen Roman aber vor allem das (gesamte) Werk von Edgar Allan Poe sowie die Psychoanalyse von Sigmund Freud.


»Peter Squenz dazukriegen, mir von diesem Traum eine Ballade zu schreiben; sie soll »Zettels Traum« heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen das Ende des Stücks vor dem Herzoge singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen, werde ich sie nach dem Tode singen.«
Zettel in Shakespeares
»Ein Sommernachtstraum«


Literatur:

Zettels Traum
Zettels Traum
von Arno Schmidt


Zettels Traum von Arno Schmidt

Weblinks:

»Ein Sommernachtstraum« - http://gutenberg.spiegel.de

Freitag, 17. Januar 2014

»Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki« von Haruki Murakami

Haruki Murakami

»Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki« ist ein großer Roman über Freundschaft und Liebe, Schmerz und Schuld. »Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki« folgt einem Mann ohne Eigenschaften und Leidenschaften beim Versuch, sein verlorenes Leben zurückzuerobern.

Oberflächlich betrachtet führt der erwachsene Tsukuru ein Leben ohne große Probleme. Er ist bei der Eisenbahn angestellt, wird von seinen Vorgesetzten geschätzt. Er besitzt eine schöne Zweizimmerwohnung in Tokio. Er ist allein, aber nicht einsam. Seine Schwestern behaupten sogar, das Single-Leben sei ihm zu angenehm und er würde deswegen keine Lust haben zu heiraten.

Dann aber verliebt sich Tsukuru in Sara und die merkt gleich, dass in ihrem Freund noch die Wunde von früher schwelt. Besonders skeptisch macht es sie, dass es in Tsukurus Fünferclique nie eine Romanze gab. Tatsächlich hat er sich nur nachts erotischen Träumen mit Shiro und Kuro hingegeben, was ein untrennbares Gewirr aus Schuldgefühlen und Sehnsüchten in ihm auslöste. Sara stellt Tsukuru vor die Wahl: Entweder, er trifft sich noch einmal mit jedem Einzelnen seiner Freunde, um herauszufinden, warum sie ihn verstoßen haben, oder sie beendet die Beziehung.

Als er Sara kennenlernt, die in einem Reisebüro arbeitet, öffnet er sich zum ersten Mal seit langem einer anderen Person die nicht glauben kann, was sie hört. Wenn ihre Beziehung eine Chance haben soll, beschwört sie Tsukuru, dann muss er in seine Vergangenheit reisen, auf der Spur einer Wunde, die niemals verheilt ist, und vier Farben, die sie ihm zugefügt haben.

Der japanische Rekord-Bestseller verkaufte sich mit der höchsten Erstauflage aller Zeiten startete und in weniger als einer Woche über eine Million Mal.

Weblink:
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
von Haruki Murakami

Samstag, 28. Dezember 2013

»Bergkristall« von Adalbert Stifter

Bergkristall

Der »Bergkristall«, erstmals 1845 erschienen, ist eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte und gilt als die ergreifendste Erzählung, die Adalbert Stifter geschrieben hat: eine Erzählung von Drama und Rettung, Auferstehung und Versöhnung, die Menschen in der kalten Zeit zueindander finden lässt. Stifter verknüpft in seiner volkstümlichen Erzählung vom »Bergkristall« naturhafte und religiöse Motive.

Die Geschichte spielt in 19. Jahrhundert in den österreichischen Bergen. Zwei Bergdörfer, Gschaid und Milsdorf, sind durch einen Berg voneinander getrennt, die Einwohner sind sich gegenseitig fremd. Dessen ungeachtet hat der Schuster aus Gschaid die Milsdorfer Färberstochter geheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Konrad und Sanna.


Am Heiligen Abend schickt die Mutter Konrad und Sanna zu den Großeltern in Milsdorf, um ihnen Weihnachtsgrüße und -geschenke zu übermitteln. Dazu gehen die Kinder über den beide Dörfer trennenden Pass. Die Großmutter schickt ihrerseits die Kinder so rechtzeitig auf den Heimweg, dass sie vor Einbruch der Dämmerung wieder daheim sein müssten.

Bergkristall
Bergkristall
von Adalbert Stifter
Auf dem Heimweg aber geraten sie in dichten Schneefall, die Kinder verlieren die Orientierung und verirren sich auf dem Berg. Sie finden auch nicht den gewohnten Wegweiser: eine rote Säule, die dort als Mahnmal für einen tödlich verunglückten Wanderer steht. Anstatt talwärts zu gehen, irren die Kinder hinauf in die nackte Fels- und Eisregion. Als es dämmert, steigen sie in eine Eishöhle, um dort zu übernachten. Bruder und Schwester verbringen die Nacht in einer Eishöhle.

Bergkristall


Noch in der Nacht sind die Männer aus zwei Bergdörfern aufgebrochen, um die Kinder in einer dramatischen Rettungsaktion zu suchen. Am Morgen des Weihnachtstages werden die Kinder unversehrt gefunden. Die Bewohner der beiden Bergdörfer, die sich bisher gegenseitig als Fremde angesehen und behandelt haben, versöhnen sich aufgrund dieser gemeinsamen Rettungsaktion der auf dem Berg verschollenen Kinder.

Stifter brilliert mit eindringlichen Beschreibungen der winterlichen Natur und einer herzerwärmenden Geschwisterliebe. Der »Bergkristall« ist eine der schönsten Erzählungen von Adalbert Stifter, in der sich beim Lesen auch ein literarischer Zauber verbreitet. Diese ergreifende Weihnachtsgeschichte ist eine phantasievolle und zeitlose Erzählung nicht nur für Kinder.

Weblink:

Bergkristall - www.weihnachtsgeschichten.org

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Literatur:

Bergkristall
Bergkristall
von Adalbert Stifter

Sonntag, 22. Dezember 2013

»Verdächtige und andere Katastrophen« Kriminalroman

»Verdächtige und andere Katastrophen« ist ein Kriminalroman von Susanne Ulrike Maria Albrecht . Das Genre des Kriminalromans hat schon vielen Autoren zu literarischer Geltung verholfen. Die Zweibrücker Autorin hat dem Genre neues Leben eingehaucht hat und dieses Genre um eine Nuance bereichert. Ihr Kriminalroman ist eine eine schwarzhumorige Kriminalsatire - eine gelungene Mischung aus Kriminalgeschichte und Satire.

»Verdächtige und andere Katastrophen« zeigt, wieviel Witz am Werk sein kann, wenn eine Autorin sich entschiedet, eine Satire auf einen Kriminalroman zu schreiben. Der literarische Reiz dieses Romans besteht darin, dass dieser kein Krimi im herkömmlichen Sinne ist, sondern eher als eine hintergründige Satire zu verstehen ist. Der witzig geschriebene Kriminalroman gerät bei ihr unversehens zur scharzen Satire. Darin wimmelt es nur so von Chaoten und deren klugen Sprichwörtern, was - wie der Titel schon anklingen lässt - immer nur in weitere Katastrophen gipfeln kann. Und wer denkt, schlimmer geht's nicht, wird hier eines besseren belehrt, denn eine Steigerung gibt es immer.

Verdächtige und andere Katastrophen
Die Klavierlehrerin Rosamunde Stichnote ist tot in ihrer Wohnung aufgefunden wordenund es stellt sich heraus, sie ist mit einer Strumpfhose stranguliert worden. Der ehrgeizige Hauptkommissar Gregor Brandolf, genannt Kommissar "Eifer" und sein stressgeschädigter Assistent Paul Maurus tappen im Dunkeln. Zuerst ist Kommissar "Eifer" nur mit einem Hauptverdächtigen konfrontiert, den er in Windeseile der Tat überführen will. Aber dann tauchen immer mehr obskure Gestalten auf.

Wie es diese kriminlistische Satire will, gerät die Aufklärung des Mordfalles immer mehr zu einer menchlichen Katastrophe, bei der die beiden Protagonisten bei der Aufklärung eines mysterösen Mordfalls einige Abenteuer zu bestehen haben. Durch den Mord bzw. das Mordopfer, die Klavierlehrerin Rosamunde Stichnote, sind sie bereits zu tief in die Spirale des Wahnsinns vorgedrungen. Dabei stehen die beiden kurz davor, den Verstand zu verlieren. Ist es ach hier Wahsinn,so hat er doch Methode: er wird kriminalistisch kultiviert.

»Natur bringt wunderliche Käuz' ans Licht.«

Der Roman bringt dabei viel wunderliche Käuz' ans Licht. Dieses Shakespearsche Motto findet bei der Aufklärung des Mordes seine fröhliche Auferstehung. Während sich die Protagonisten auf den Weg machen den Mörder zu finden, begegnen ihnen allerlei skurrile Verdächtige. Die Autorin hat für die Handlung ein skuriles Figuren-Kabinett erschaffen.

Während die Ermittlungen der beiden Kriminalisten um den Tod der Klavierlehrerin Rosamunde Stichnote, die mit einer Strumpfhose stranguliert worden ist, kreisen, gibt es schon bald viele Verdächtige und Brandolf muss zwischenzeitlich das Handtuch werfen, weil ihm der Fall über den Kopf steigtt. Der Assistent Maurus muss in der Zwischenzeit alleine die Verdächtigen verhören und kombinieren und macht sich dabei einiges mit.

Der Fall nimmt Fahrt auf und gewinnt an Brisanz. Der Roman bleibt durch die Abgründe der menschlichen Seele bis zum Schluss spannend. Kurz vor der Aufklärung steuern Brandulf und Maurus aber wieder vereint die Chefin eines Grünanlagetheaters an. Sie probt nämlich gerade das Stück ihres Gatten „Die Tote im Wildbach“ – in dem auch mit Strumpfhosen gemordet wird.

Der Roman überzeugt durch absurde Charaktere, bei denen einige etwas durchgeknallt daherkommen. Das verleiht dem Roman viel Humor. Mit spitzer Feder und sehr detailliert zeichnet sie die handelnden Charaktere und deren meist etwas angegriffenen Seelenzustand in dieser bunten und abwechslungsreichen Geschichte, die den Leser dann nicht mehr loslässt.

Der Autorin ist ein sehr verdächtig guter Krimi gelungen. Die Anhänger des schwarzen Humors kommen voll auf ihre Kosten. Der Kriminalroman ist sehr amüsant zu lesen und eine herrliche Parodie auf manchen Meisterdetektiv, der in der Literaturgeschichte bekannt und berühmt ist – unbedingt jedem zu empfehlen, der Krimis schätzt, dabei aber gern auch neue, ungewöhnliche Wege beschreitet.

Weblink:

Verdächtige und andere Katastrophen
Verdächtige und andere Katastrophen
von Susanne Ulrike Maria Albrecht

Freitag, 20. Dezember 2013

"Ich bin der letzte Mohikaner" von Henriette Kaiser

Joachim Kaiser Der letzte Mohikaner

Die Universalgelehrten sterben seiner Ansicht nach aus, da kann man nichts machen, außer sich selbst locker-kokett unter dem Titel "Ich bin der letzte Mohikaner" zu vermarkten. Joachim Kaiser erzählt in seinen Memoiren pointiert, wie alles dazumal war und heute ist.

Henriette Kaiser hat das Leben ihres Vaters aufgeschrieben, des Kritikers Joachim Kaiser, 1928 als Sohn eines Arztes in Ostpreußen geboren, seit 1959 bei der „Süddeutschen Zeitung“, der Zauberer unter den Feuilletonisten, der Pfau im Gehege. Sie hat aus dem schillernden Leben ihres Vaters viel zu erzählen.

»Es kommt doch sehr darauf an, wie man das, was man sagen will, so ausdrückt, dass es die Menschen interessiert.«
Joachim Kaiser, »Credo«
Herausgekommen ist dabei ein intellektuelles Poesiealbum, ein schnelles, bisweilen fast schrilles Konzert der Zueignungen, Erinnerungen, Referenzen, Texte und Anekdoten über den Großkritiker Joachim Kaiser.

Er ist einer der letzten Universalgebildeten. Seit bald sechs Jahrzehnten begleitet er das kulturelle und geistige Geschehen in Deutschland. Im Gespräch mit seiner Tochter Henriette blickt Joachim Kaiser zurück auf sein Leben. Entstanden ist ein einzigartiger Streifzug durch die Welt der schönen Künste - leidenschaftlich, beeindruckend und unterhaltsam.

Weblinks:

Henriette Kaiser: "Ich bin der letzte Mohikaner" - www.tagesspiegel.de/kultur
Großkritiker-Memoiren: Keiner kann’s wie der Kaiser - www.spiegel.de/kultur/literatur/

Freitag, 6. Dezember 2013

"Der Schimmelreiter" von Theodor Storm

An der Nordsee drückt gerade ein Orkan die Sturmflut mit Naturgewalt an die Küste. Diese gewaltige Flut ist die Zeit, sich eines berühmten Romans des norddeutschen Dichters Theodor Storm zu erinnern. An diesen Sturmtagen an der Nordsee läßt "Der Schimmelreiter" bestens grüßen.

Im Mittelpunkt dieser Novelle steht Hauke Haien, der als eingeheirateter Deichgraf viele Probleme an der Küste lösen muss. Hauke Haien ist ein Mann des Fortschritts und baut einen modernen Deich. Das ehrgeizige Projekt weckt jedoch den Aberglauben der Dorfbewohner, die hinter dem neuartigen Damm Unglück wittern. Schon bald sehen sie in Hauke und seinem weißen Pferd einen gespenstischen Schimmelreiter, die Verkörperung des Dämonischen, der Unglück über das Dorf bringen wird.

Der ehrgeizige und tatkräftige Hauke Haien heiratet die Tochter des Deichgrafen und wird dessen Nachfolger. Er entwickelt den kühnen und genialen Plan, einen neuen Deich mit einem sanfteren Abfall zur Seeseite zu bauen, der besser vor Sturmfluten schützen und dem Meer viel Land abgewinnen soll. Dem Tatendrang Haukes steht die Tätigkeit der Dorfbewohner gegenüber. Deren Widerstand beruht auch auf Aberglauben, der noch genährt wird, als der Deichgraf einen verkommenen Schimmel kauft, der unter seinen Händen prächtig gedeiht.

Der Schimmelreiter

Als in einem Oktober schwere Wetter toben, jagt der Deichgraf auf seinem Schimmel zum Deich hinaus. Um den alten Damm zu retten, müsste er den neuen durchstoßen, was er aber verweigert. Da bricht der alte Damm, und Hauke muss zusehen, wie seine Frau und sein Töchterchen, die sich in einem Wagen nähern, in den Fluten umkommen. Daraufhin stürzt er sich mit seinem Schimmel selbst in die Fluten. Im Aberglauben der Deichbewohner aber lebt er weiter. Sie erzählen sich die Sage vom Schimmelreiter, der bei drohendem Unheil auf dem Deich zu sehen sei.

Der Roman besticht durch seine präzisen Landschaftsbescheibungen. Strom zeigt dem Leser sehr eindrucksvoll die Bilder vom Meer, von den Halligen, von den Fennen und vom großen Sturm. Die Gewalt des Meeres spielt in dem Roman von Theodor Storm eine große Rolle. Die Naturgewalt schlägt zu: auch hier klopft ein Orkan mit Urgewalt an die Nordseeküste.

Theodor Storm beendete die Novelle im Jahr 1888. Zu diesem Zeitpunkt ist er 71 Jahre alt. Storms letzte vollendete Novelle ist zugleich sein Meisterwerk. Bereits von tödlicher Krankheit überschattet, gelang Storm, wie Thomas Mann schrieb, eine »Verbindung von Menschentragik und wildem Naturgeheimnis, etwas Dunkles und Schweres an Meeresgröße und -mystik«.

Weblinks:

Der Schimmelreiter
Der Schimmelreiter
von Theodor Storm

Der Schimmelreiter
Der Schimmelreiter
von Theodor Storm

Freitag, 29. November 2013

»Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt« von Dieter Schenk

Dieter Schenk

Der Schriftststeller Dieter Schenk, der bereits mehrere Werke über die Stadt Danzig und Krakau vorgelegt hat, hat in akribischer Archivarbeit den Doku-Band »Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt« herausgegeben. Darin schildert der Historiker anschaulich den Aufstieg, Terror und Ende der NS-Herrschaft in Danzig. Ergänzt wird diese Dokumentation durch zahlreiche, historisch seltene Fotos.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde Danzig vom Deutschen Reich abgetrennt, unter Mandat des Völkerbundes gestellt und zur Freien Stadt erklärt. Diese von den deutschen Danzigern nie akzeptierte Entscheidung trug dazu bei, dass die Nationalsozialisten mit ihrem Versprechen, Danzig »heim ins Reich« zu holen, schon ab 1930 zu einer politisch bedeutenden Kraft in der Stadt wurden.

Leidtragende waren in den Folgejahren die polnische Minderheit, die Danziger Juden sowie alle Menschen in Opposition zum Nazi-Regime. Sie wurden schikaniert, unterdrückt, verfolgt, in »Schutzhaft« genommen, vertrieben oder umgebracht. Der Terror verstärkte sich noch nach Kriegsbeginn, der Wiedereingliederung Danzigs ins Reich und der Schaffung des neuen Reichsgaus Danzig-Westpreußen. Abertausende verloren ihr Leben. Am Ende des Kriegs war die Altstadt eine Ruinenlandschaft.
Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt

Bei seinen Recherchen zu dem Buch widmete Schenk sich nach eigenen Worten sehr dem Alltag in Danzig während dieser Zeit. Viele Informationen holte der Kriminologe sich zudem in akribischer Archivarbeit aus den damaligen Zeitungen Danziger Vorposten und Danziger Neueste Nachrichten. „Bei der Übernahme bestimmter Dinge war natürlich immer größte Vorsicht geboten, denn schließlich handelte es sich um deutsche Zeitungen, die natürlich die Entwicklungen nur aus einem bestimmten Blickwinkel betrachteten“, erklärt Schenk.

Dieter Schenk ist ein deutscher Kriminologe, Historiker und Schriftsteller. Seit 1990 ist er als freier Publizist tätig. Er hat bereits mehrere Bücher zu den Themen Polen, Nationaslsozialismus und Menschenrechte veröffentlicht. Mit seinem neuen Doku-Band kehrt der Historiker an den Ort zurück, wo seine schriftstellerische Entwicklung begann - nach Danzig, wo er durch den Rowohlt Verlag zur Überlegung kam, ein Buch über die Post von Danzig zu schreiben.

Dieter Schenk lebt in Schenklengsfeld und in Berlin.

Weblinks:

Dieter Schenk.info - www.dieter-schenk.info

Akribische Archivarbeit - www.hersfelder-zeitung.de

Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt
Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt
- von Dieter Schenk

Die Post von Danzig. Geschichte eines deutschen Justizmords
- von Dieter Schenk

Interview mit dem Autor Dieter Schenk - Printzip - www.printzip.de

Danzig-Weblink:

Danzig, die alte Hansestadt an der Danziger Bucht

Dienstag, 19. November 2013

»Das Glasperlenspiel« vor 70 Jahren erschienen


Hermann Hesse


Hermann Hesses Erzählung "Das Glasperlenspiel" erschien vor 70 Jahren am 18. November 1943 in Zürich. »Das Glasperlenspiel« ist sein letztes, sein wichtigstes und zugleich anspruchsvollstes Werk mit welthistorristischem Hintergrund. In diesem Werk entwarf Hesse die utopische Welt der Geistes-Elite von "Kastalien", einer idealtypischen Republik von Gelehrten, die die höchste Stilisierungsform menschlicher Kultur repräsentiert.

Das Werk stellt einen Gegenentwurf zur antihumanen Herrschaft von Stalinismus und Nationalsozialismus dar, als deren Antipoden sich Hermann Hesse verstand. Nach dem Erscheinen des Buches zog er sich aufgrund seines schlechter werdenden Gesundheitszustandes, vor allem wegen einer zunehmenden Sehschwäche, weitgehend aus dem literarischen Leben zurück. 1946 wurde Hesse für sein Lebenswerk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Aus dem ganzen Land werden die besten Schüler rekrutiert, um in Kastalien weiter erzogen und ausgebildet zu werden. So geschieht es auch mit Josef Knecht, der zentralen Figur dieses Romans, der als Waisenknabe aufwächst und durch seine hohe Intelligenz auffällt. Kastalien bietet ihm die Möglichkeit seinen wachen Geist mit den unterschiedlichsten Themen zu beschäftigen. Über verschiedene Stufen steigt er in der Hierarchie nach oben und wird letztlich Magister Ludi, der oberste Meister des sog. Glasperlenspiels.

"Das Glasperlenspiel" vereint in sich alle geistigen und kulturellen Überlieferungen, ist von Musik und Mathematik gleichermaßen geprägt. Knecht, der Magister Ludi, erkennt jedoch bald, dass es nicht reicht, nur das Ererbte zu bewahren – man muss sich mit der Welt verändern. Daher verlässt er den strengen Orden der Glasperlenspieler und wird ein weltlicher Lehrmeister. Aber schon bald scheitert er an der Weltlichkeit und ertrinkt beim Schwimmen in einem See.

Weblinks:

Hermann Hesse-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Literatur:

Das Glasperlenspiel
Das Glasperlenspiel
von Hermann Hesse


Hermann Hesse-Blog:

Hermann Hesse-Blog - hermann-hesse-literatur.blogspot.de

Montag, 18. November 2013

»Der Fremde« von Albert Camus

Der Fremde


»Der Fremde« von Albert Camus erschien am 19. Mai 1942 in Paris und erzählt die Geschichte von einem Mann, der zum Mörder wird, weil ihn die Sonne blendet. Albert Camus, sein Schöpfer, ist der Philosoph des Absurden, in das der Mensch hineingestellt ist, der Denker der Revolte, die den Menschen ausmacht – und immer der Anwalt der Einfachheit, die dem Algerienfranzosen das Grundgegebene unter der Sonne und zugleich das am stärksten Gefährdete war.

Meursault, ein kleiner Büroangestellter in Algier, erzählt seine Geschichte. Den Weg, den er im Roman zurücklegt, veranschaulicht seine Lebensweise. - Nach dem Tod seiner Mutter, der ihn nicht wirklich trifft, nimmt er sich zwei Tage frei, um an der Beerdigung teilzunehmen. Nach der Rückkehr beginnt er eine Liebesbeziehung mit seiner früheren Kollegin Maria. Sein Nachbar Raymond lädt ihn als Dank für eine Gefälligkeit zu einem Strandausflug ein, bei dem es zu einer Auseinandersetzung zwischen Raymond und einem Araber, dem Bruder seiner früheren Geliebten, kommt. Meursault, der Raymonds Waffe an sich genommen hatte, um Schlimmeres zu verhindern, trifft später allein auf den Araber und fühlt sich von dessen in der glühenden Mittagssonne aufblitzenden Messer so bedroht, dass er ihn erschießt.

Im anschließenden Mordprozess wird versucht, die moralische Verdorbenheit Meursaults anhand seines Verhaltens in den Tagen vor dem Mord zu beweisen. Seine Äußerung, er habe den Araber eigentlich gar nicht erschießen wollen, allein die Sonne sei Schuld daran gewesen, wird mit Gelächter quittiert. Die Tröstungen des Gefängnisgeistlichen, der ihm Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod machen will, weist er zurück. Er ist nicht bereit, Reue zu empfinden oder sie zu heucheln, und wird verurteilt. Im Angesicht der Hinrichtung erkennt und akzeptiert er die Absurdität seines Daseins.

Der Fremde

Der Fremde

"Ich begriff, daß ich das Gleichgewicht des Tages, das ungewöhnliche Schweigen eines Strandes zerstört hatte, an dem ich glücklich gewesen war. Dann schoß ich noch viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugeln eindrangen, ohne daß man es sah. Und es waren gleichsam vier kurze Schläge an das Tor des Unheils."


Die Geschichte handelt von einem jungen Franzosen, Meursault, dessen Antriebslosigkeit keine Grenzen kennt. In seinem Persönlichkeitsprofil könnten fast autistische Züge vermutet werden. Sein Verhalten führt zu einem Mord, den er aus Notwehr begeht. Das richterliche Urteil führt aufgrund mehrerer sinnloser Schüsse, die er zusätzlich abgibt, seiner fehlenden Reue und der kompletten Gefühl- und Gottlosigkeit zur Todesstrafe. Selbst der Geistliche, der ihn am Abend vor seiner Hinrichtung aufsucht, wird Zeuge einer schockierenden Gleichgültigkeit gegenüber der Welt.

Die Geschichte eines jungen Franzosen in Algerien, den ein lächerlicher Zufall zum Mörder macht, wurde 1942 im besetzten Frankreich zu einer literarischen Sensation. Der Roman bedeutete den schriftstellerischen Durchbruch für Albert Camus und gilt heute als einer der Haupttexte des Existenzialismus.

»Der Fremde« des französischen Nobelpreisträgers Albert Camus erschien 1942 und wurde als Meisterwerk berühmt. Die Erzählung entstand parallel zu einer philosophischen Abhandlung des Schriftstellers über das Absurde.


Hohes Lob kam vom Gegner: „Er stellt in unserem Jahrhundert, und zwar gegen die Geschichte, den wahren Erben jener langen Ahnenreihe von Moralisten dar, deren Werke vielleicht das Echteste und Ursprünglichste an der ganzen französischen Literatur sind.", so Jean-Paul Sartre über den absurden Roman von Albert Camus.

Über den Mann, der sein Erzfeind war und den Sartre, der eine äußerst unrühmliche Rolle im politisch-philosophischen Streit dieser französischen Intellektuellen in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt hat, einmal als „algerischen Gassenjungen" bezeichnet hat.

Bis heute ist »Der Fremde« eine der berühmtesten literarischen Figuren der Welt. In dem frühen Meisterwerk verkörpert Camus seine Idee des Absurden in der Figur des »Anti-Helden« Meursault, dessen Einzelschicksal ins Symbolische überhöht wird.

Literatur:

Der Fremde

Der Fremde
von Albert Camus

Samstag, 16. November 2013

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte

»Der Mensch in der Revolte« (franz. »L’homme révolté«), erschienen 1951, ist eine Sammlung philosophisch-politischer Essays des französischen Philosophen und Schriftstellers Albert Camus, der dem Existentialismus zugeordnet wird. Im Unterschied zum vorangegangenen Essay »Der Mythos des Sisyphos« will Camus hier nicht nur „das Übel, welches ein Einzelner erlitt“ schildern, sondern die Entwicklung des Nihilismus zur „kollektiven Pest“ in Philosophie, Politik und politischer Theorie protokollieren.

Diese Sammlung von Essays gleicht einer Parforcejagd durch die Ideengeschichte der Moderne, durch die aus Geschichtsphilosophien aller Spielarten hervorgegangenen politischen Theorien und Praxen. Albert Camus entdeckt hier untergründige Verwandtschaften zwischen scheinbar gegensätzlichen Ideologien; er spitzt die einzelnen Theorien und politischen Strategien bis zum Selbstwiderspruch zu, widerlegt eingefahrene Interpretationen.

Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit dem »Menschen in der Revolte« fort. »Der Mensch in der Revolte« ist eine Fortsetzung seines Denkens über die Absurdität des Lebens. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Seine Revolte ist die Konsequenz aus der Unvernunft des Lebens. Die Revolte ist die Auflehnung gegen das Absurde. Camus sieht in der Revolte als Mittel zur Überwindung des Absurden.

Albert Camus liefert hier in seinem Essay-Band eine kleine Kulturgeschichte der Revolte. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte. Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.

Zu Beginn war die Revolte eine Loslösung aus der Knechtschaft. Der Sklave wollte die Gleichheit mit seinem Herrn und damit dieselben Rechte haben. Erst die französische Revolution wollte den Bürger als Souverän des Staates haben. Danach war Hegel für die Sozialisten das Maß der Dinge. Seine Dialekt von Herr und Knecht wurde von ihnen bereitwillig aufgenommen. Der individuelle Terrorismus der russischen Nihilisten sorgt in Russland für Chaos und Revolte. Für sie war der Tod der höchste Protest. Camus zeigt, dass jeder politische Umsturz durch ein neues Gewaltsystem ersetzt wurde. Dieser Terror fand mit dem Dritten Reich und den sowjetischen Konzentrationslager seinen Höhepunkt.

In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat. Camus entzieht sich den Dogmen der Extreme und versucht, das in unserer Zeit verloren gegangene Maß wiederzufinden. Er relativiert, indem er eines nicht relativiert, und zwar den Wert des Lebens.

Albert Camus verkörperte das Pathos der Revolte. Der Existenzialist versucht dem Leben wieder einen schöpferischen Wert zu geben, doch nicht durch Religion, sondern durch Rückbesinnung auf die menschliche Schöpferkraft, dem Menschen als Künstler. Aber auch als Politiker, der in der Revolte sein Ausdrucksmaß gegen die Ungerechtigkeit in der Welt findet, aber deshalb nicht zum Misanthrop und Massenmörder wird. Wer nach Camus gegen ein ungerechte Welt revoltiert, kann sich auf seine menschliche Schöpferkraft berufen - er feiert, wie zuvor schon Friedrich Nietzsche, den Menschen als Künstler.

Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Existenzialismus - Wikipedia

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus

Samstag, 2. November 2013

»San Miguel« von T.C. Boyle

In dem neuen Roman »San Miguel« von T.C. Boyle geht es auf die Pazifik-Inseln vor der kalifornischen Küste. San Miguel gehört zu den vor der Küste Santa Barbaras gelegenen Channel-Islands, meilenweit draußen im Pazifischen Ozean.

Die kalifornische Insel San Miguel ist dreizehn Kilometer lang und bis zu sechs Kilometer breit. Von 1850 bis 1948 brachten Viehzüchter Schafe auf die Insel, später nutzte die US Navy die Insel. Heute ist San Miguel Bestandteil des Channel-Islands-Nationalparks.

Karte der Kanalinseln


"Ich sehe die Insel von meinem Fenster."
T.C. Boyle
San Miguel
Weil sie mal Orte abwegiger Idealisten oder Gestrandeter waren, sind sie literarisch interessant, in der Realität jedoch weitaus weniger und für Besucher kaum von Wert. San Miguel ist eine baum- und strauchlose Enttäuschung. Die Inspiration für seinen Roman fand der Autor vor der Haustür, denn die Insel San Miguel kann er als seine Romanvorlage von seinem Haus an der Küste Kaliforniens sehen.

Boyle verwendet für seine Romane oft historische Vorbilder. In »San Miguel« sind es drei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten auf der ansonsten unbewohnten kalifornischen Insel San Miguel gelebt haben. Bei Recherchen zum Roman »Wenn das Schlachten vorbei ist« lernte er die Lebensgeschichten der drei Frauen kennen, die tatsächlich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dort, wo kein Baum wächst und die Sonne selten scheint, ihr Glück mit der Schafzucht versuchten.

San Miguel Insel

Mitten in diese strauchlose Ödnis platziert Boyle seine Handlung. Den Anfang macht die schwindsüchtige Marantha, die 1888 mit ihrem herrschsüchtigen Mann Will, der dort von der Wolle von 4000 Schafen leben will, auf die Insel kommt. Die gute Luft, so glaubt er, werde sie heilen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Marantha geht es immer schlechter, und sie erträgt die raue Situation auf der Insel nur äußerst schlecht.

"Das Paradies ist eine Insel. Die Hölle auch."

Der zweite Teil widmet sich der Adoptivtochter des Paares, Edith. Weil sie noch nicht volljährig ist, zwingt Will sie nach Maranthas Tod, ebenfalls mit ihm auf der Insel zu leben. Doch sie setzt sich mit allen Mitteln zur Wehr und plant die Flucht. Erst Elise, die viele Jahre später mit ihrem Mann auf die immer noch unwirtliche Insel zieht, scheint dort ihr Glück zu finden.
Ein historischer Roman, der in seinen Dialogen zwar nicht den Boyle-typischen ironischen Ton pflegt, aus drei Perspektiven aber sehr gekonnt beleuchtet, wie die Isolation diese drei Frauen verändert, wie Hoffnung sie treibt, Enttäuschung sie hart macht und Einsamkeit sie verstummen lässt.

"Ich will meine Figuren leiden sehen."
T.C. Boyle
T.C. Boyle hat mit »San Miguel« einen dichten, phasenweise beklemmenden Roman geschaffen. Ein stilles, ruhiges Meisterwerk auf gewohnt hohem Niveau, das allerdings nicht jedem gefallen wird. »San Miguel« ist ein stilsicher geschriebener Roman, dessen Erzählstrom stetig und ruhig dahinfließt, ohne die ganz großen Höhepunkte zu bieten.

Dass, was T.C.Boyle in die insulare kalifornische Ödenei gezaubert hat, ist durchaus bemerkenswert. Dem großen Erzähler T.C. Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser großen Saga das Schicksal dreier starker Frauen auf der einsamen Insel lebendig werden zu lassen. Mit bald 65 Jahren, scheint er allerdings ruhiger, abgeklärter und melancholischer geworden zu sein.

Weblinks:

T.C. Boyle-Portal - www.tcboyle.de

Fotos, Berichte, Zitate aus Zeitungsmeldungen, Links und Videos - www.tcboyle.de

San Miguel Island - Wikipedia

Sabine Schmidt über T.C. Boyle und »San Miguel« - www.rp-online.de/kultur

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San Miguel
San Miguel
von T.C. Boyle

Donnerstag, 31. Oktober 2013

»Krieg der Welten« von Herbert George Wells

Krieg der Welten

Der englische Schriftsteller Herbert George Wells veröffentlichte im Jahr 1898 mit seinem Roman »Krieg der Welten« (»War of the Worlds«) einen wegweisenden Klassiker der Science-Fiction-Literatur. Er schuf einen Meilenstein in der damals noch sehr jungen, von Jules Verne geschaffenen Science-Fiction-Literaturzweig, indem er erstmals nicht nur außerirdische Lebewesen in der Handlung auftauchen ließ, sondern diese gleich ein Großangriff auf die Menschheit führen ließ.

Die Mars-Menschen können auf dem Mars nicht länger überleben, sie wählen die Erde als neues Ziel aus. So landet ein als Meteorit vermutetes Objekt auf der Erde. Dieses entpuppt sich jedoch als Raumschiff der Marsmenschen. Mit der Zeit landen mehr und mehr dieser Raumschiffe auf der Erde, die Menschen führen den Krieg weiter, bis zum bitteren Ende.Irgendwann sind die Menschen dieser vermutlich höheren Intelligenz ausgeliefert.

Der Roman »Krieg der Welten« schildert in realistischer, detailreicher Sprache, wie eine technologisch höher entwickelte, außerirdische Zivilisation vom Mars die Erde angreift und dank dreibeiniger Killermaschinen und giftiger Gasdämpfe in kürzester Zeit jeden Widerstand bricht. Als der Kampf bereits verloren und die Menschheit zu einem erbärmlichen Leben in Sklaverei verurteilt scheint, kommt es zu einer wundersamen Wendung: Die Marsianer haben gegen irdische Bakterien keine Abwehrkräfte und werden deshalb von Infektionskrankheiten dahingerafft.

Die Schilderung der Landung der übelgesinnten Marsianer nahe London, die kaum gelandet zur Zerschlagung der menschlichen Zivilsation mittels ihrer gigantischen Kampfmaschinen, Hitzestrahlen und Gasgranaten, gegen die sich menschliche Geschütze und Maschinengewehre als weitgehend nutzlos erweisen, übergehen und die Menschen zu einer Art Nutzvieh degradieren wollen, ist vollkommen logisch und schlüssig erzählt und hat bis heute nichts an ihrem Reiz verloren.

Empfohlener Roman »Krieg der Welten«:






Die Grundelemente einer jeden modernen Science-Fiction-Geschichte sind in dem Roman bereits angelegt: Kampfmaschinen, Strahlenwaffen, überlegene Technologie und Unterwerfung der menschlichen Zivilisation wie das naive Vertrauen der Menschenauf die guten Absichten der Außerirdischen, das sich dann zu einem Alptraum auswächst.

Der Roman hat das Flair des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die fundamentale Gesellschaftskritik, die H. G. Wells in seinem Werk geschickt verpackt, wird dabei bisweilen leider rigoros übersehen. Aber in diesem Roman werden soziale Merkmale angesprochen, die durch eine Katastrophe schlagartig verändert werden. Alles kommt durcheinander. Massenpanik, Verzweiflung, Mut, Mutlosigkeit und vieles mehr entsteht
dadurch.

Kreig der Welten
Als H. G. Wells 1898 seinen utopischen Roman »War of the Worlds« veröffentlichte, hätte sich sicher niemand auch nur erträumt, welche zeitüberdauernde Bedeutung diesem Werk zukommen würde. Bis heute wird der Stoff immer und immer wieder aufs neue in Film und Literatur verarbeitet, ob unter demselben Titel »War of the Worlds« oder patriotisch eingekleidet in »Independence Day«.

Am 30. Oktober 1938 löste ein Rundfunk-Hörspiel eine Massenpanik an der Ostküste der USA aus: Der junge Schauspieler und Regisseur Orson Welles hatte den Roman »Der Krieg der Welten« von H. G. Wells in einer Hörspiel-Adaption so lebensecht inszeniert, dass die meisten Hörer glaubten, es handle sich um eine echte Reportage über die Landung von Außerirdischen in den USA.

Weblink:

Herbert George Wells - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Dienstag, 29. Oktober 2013

»Versuch, in der Wahrheit zu leben« von Vaclav Havel

Vaclav Havel
Im Oktober 1978 schrieb Vaclav Havel auf seinem Landsitz in Hradecek einen politischen Essay, den er dem Andenken an den tschechischen Philosophen Jan Patocka widmete: »Versuch, in der Wahrheit zu leben«. Der Essay wurde schon bald überall in der Welt publiziert, kursierte aber in der Tschechoslowakei nur in Abschriften. In diesem Essay analysierte der "Meister des politischen Essays" den Zustand der Gesellschaft und die Gründe für deren zunehmenden Verfall.



Versuch, in der Wahrheit zu leben

»Versuch, in der Wahrheit zu leben« nannte der ehemalige Dissident Václav Havel seinen 1978 verfaßten, vielbeachteten politischen Essay, in dem seine Suche nach Wahrheit im Sozialismus zu einer modernen Gesellschaftskritik des sozialistischen Systems führt und schließlich in dem umfassenden Versuch endet, eine allgemeine "Krise der menschlichen Identität" zu begründen.



Die Erfahrung der existenziellen Widersprüchlichkeit hat Havel auf die Suche nach der Authenzität des menschlichen Daseins geführt und zu der Erkenntnis gebracht, daß es diese Wahrhaftigkeit in der sozialistischen Gesellschaft der Tschechoslowakei nicht mehr gibt. Vielmehr hat sich das politische System auf ein alles umfassendes und alles durchdringendes "Leben in der Lüge" begründet.



Im Unterschied zur klassischen Dikatur ist der Charakter der Macht in einer solchen Gesellschaftsform diffuser, tiefgreifender und nicht mehr an ein System gebunden. Havel bezeichnet diese Herrschaftsform daher als »posttotalitär«. Er zeigt den Verlust der menschlichen Identität darin an: »Zwischen den Intentionen des posttotalitären Systems und den Intentionen des Lebens klafft ein Abgrund: das Leben tendiert in seinem Wesen nach zur Pluraliität, zur Vielfältigkeit, zur unabhängigen Selbstkonstitution und Selbstorganisation«. Das »posttotalitäre System hingegen verlangt »monolithische Einheit, Uniformität und Disziplin«.



Das posttotalitäre System schafft sich seine eigene Wahrheit(en) und führt damit die menschliche Identität mit einem "Leben in der Lüge" in eine Krise. Dieses System ist eine Bedrohung für das Leben, da es sich von den Bedürfnissen des Lebens immer weiter entfernt. Es ist dadurch gekennzeichnet, daß es von allen Mitgliedern der Gesellschaft, die dessen Rituale täglich ausführen, getragen wird. Genau deshalb bedeutet die Weigerung, an diesen Ritualen teilzunehmen und die Lüge mitzuerleben, eine fundamentale Bedrohung für das System.

Versuch, in der Wahrheit zu leben
Vaclav Havel, der sich nie einer Ideologie verschrieben hat, macht im Rahmen seiner Gesellschaftskritik nicht beim sozialistischen System halt, obgleich sein Essay im gesamten Ostblock als "Widerstandsbibel" aufgefasst wurde. Die von ihm diagnostizierte Krise der menschlichen Identität sieht er in dem modernen Leben an sich manifestiert. Sie ist Ausdruck einer technischen Zivilisation, die der europäische Geist des »Rationalismus und des Szientismus« hervorgebracht hat.

Mit dieser herben Kritik an der jüngsten europäischen Ideengeschichte hat sich der "Meister des politischen Essays" Vaclav Havel mit seiner politisch-philosophischen Streitschrift vor 35 Jahren jedoch nicht überall Freunde gemacht.

Weblinks:

Vaclav Havel - Biografien-Portal www.die-biografien.de
Jan Patocka - Wikipedia.org

Sonntag, 27. Oktober 2013

»Dantons Tod« von Georg Büchner

Georg Büchner

Georg Büchners erstes Drama »Dantons Tod« entstand 1835 in nur fünf Wochen. Der Autor beschreibt in dem Revolutionsdrama das Jahr 1794, als in Frankreich die Revolutionäre um Robespierre in moralischer Selbstgefälligkeit und politischer Radikalisierung offen diktatorische Züge annehmen.

In seinem ersten Drama »Dantons Tod« zeichnet Georg Büchner ein düsteres Bild der Französischen Revolution. Er dramatisiert die Ereignisse zweier Wochen im März und April 1794 als Auseinandersetzung zwischen dem tugendhaften Robespierre und dem sittenlosen Danton.

Büchners Danton mag nicht mehr an die Revolution glauben. Er ahnt, dass sie ethische und materielle Fragen nicht lösen kann. Danton erkennt, dass man seine Bemühungen dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten nicht wohlwollend gegenübersteht. Er weiß, dass er unter der Guillotine sterben wird und erträgt schon im Vorfeld sein bevostehendes Ende gelassen, allerdings mit leichtem Zynismus.


Büchners Danton übermittelt den Gedanken, dass Handeln nicht lohnt, dass die Summe aller Tätigkeiten wachsendes Leid und Lebensekel zum Ergebnis haben. Danton muss an seinem eigenen politischen Genie verzweifeln, weil sein "Herz nicht steinern", "sein Geist nicht beschränkt ist".

Sein Revolutionsdrama »Dantons Tod« gehört zu den bedeutendsten Dramen des 19.Jahrhunderts. Büchners revolutionäres Stück wurde wegen seiner politischen Schärfe und mitunter drastischen Sinnlichkeit zu Lebzeiten des Autors nur zensiert gedruckt.

Weil Büchners Drama schonungslos das Scheitern einer humanistischen Idee zeigt, ohne die Idee selbst zu verleugnen, ist »Dantons Tod« ein Revolutionsstück von ungebrochener Aktualität.

Weblinks:

Georg Büchner-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Revolutionär und Dichter - Georg Büchner - www.dw.de

200 Jahre Georg Büchner: Du bist ein starkes Echo - www.zeit.de




Donnerstag, 17. Oktober 2013

»Es waren viele Pferde« von Luiz Ruffato


Es waren viele Pferde

Der 2001 erschienene Roman »Es waren viele Pferde« ist nach einem debütierenden Erzählungsband aus dem Jahr 1998 der erste Roman des 1961 geborenen brasilianischen Schriftstellers Luiz Ruffato. Dieser Roman ist eine Hommage an seine Heimatstadt São Paolo und wurde von der Kritik begeistert aufgenommen. Man attestierte Ruffato, mit seinem Erstling die brasilianische Literatur regelrecht revolutioniert zu haben und Ruffato erhielt für seien Werk den »Premio Machado de Assis« der brasilianischen Nationalbibliothek.

In 69 zusammengesetzten Szenen - Schlaglichtern, Stimmen, Gedanken - entwirft der erste Roman des brasilianischen Ausnahmeautors Luiz Ruffato ein kaleidoskopisches Bild der Megacity São Paulo mit ihrem Glamour, ihrem Elend, ihrer Verlogenheit und ihrem Schmerz, der sich in den Falten und Rissen zwischen spiegelnden und zerfallenden Hochhauslandschaften verbirgt.

Empfohlene Bücher von Luiz Ruffato:







Die verschiedenen Szenen fügen sich zur Geschichte eines Landes, das von Gewalt und Entwurzelung gezeichnet ist. Jede der Geschichten hat eine eigene Stimme, einen eigenen Ton, eine eigene soziale Färbung. Mit fast paranoider Präzision gelingt es Luiz Ruffato, den Klang, die Gerüche, die Farben, die Angst einer 22-Millionen-Stadt poetisch exakt zu erfassen und zu dem verstörenden Porträt einer zerrissenen Gesellschaft zusammenzusetzen.

Der Roman »Es waren viele Pferde« wurde von der Kritik enthusiastisch aufgenommen und u.a. mit dem Prêmio Machado de Assis der brasilianischen Nationalbibliothek ausgezeichnet. Eine Jury von Literaturkritikern der Zeitung »Globo« zeichnete das in mehrere Sprachen übersetzte Buch als einen der zehn besten brasilianischen Romane der letzten Dekade aus. Der Roman gilt als ein „Klassiker der modernen brasilianischen Literatur“.

Weblinks:

Luiz Ruffato - de.wikipedia.org


Es waren viele Pferde
von Luiz Ruffato

Dienstag, 15. Oktober 2013

»Der Alchimist« von Paulo Coelho

Der Alchimist
Der Alchimist

Der Brasilianer Paulo Coelho zählt zu den meistgelesenen Autoren weltweit und seine Bücher erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. »Der Alchimist« ist ein Roman , der 1988 unter dem Originaltitel »O Alquimista« erschienen ist. Der Roman ist ein modernes Hirten-Märchen, das von der Verfolgung eines persönlichen Traumes handelt und dabei die Geschichte eines jungen Menschen erzählt, der seinen Weg durch die Welt geht.

Pyramide in Ägypten

»Der Alchimist« erzählt die berührende Geschichte vom andalusischen Schafhirten Santiago, der einen immer wiederkehrenden Traum von einem Schatz am Fuße der Pyramiden von Gizeh träumt. Eine Traumdeuterin gibt ihm den Rat, er solle losziehen, um den Schatz zu suchen. Später trifft er auch noch auf einen Mann, von dem sich herausstellt, dass er ein König ist. Auch dieser rät Santiago, er solle seinem Traum folgen.

Empfohlene Bücher »Der Alchimist«:










Der Hirte beginnt seine abenteuerliche Reise und wird bereits nach der Überquerung der Meerenge von Gibraltar seiner gesamten Habe beraubt. Er findet Arbeit bei einem Kristallwarenhändler, dessen Geschäfte nach einer gewissen Zeit wieder aufblühen. Santiagos Wunsch, wegzukommen rückt erst einmal in den Hintergrund; zudem möchte er wieder nach Hause um dort mit einer neuen Schafherde neu anzufangen. Als er aber wieder genug Geld beisammen hat, beschließt er doch, seinem Traum weiterhin zu verfolgen und die Reise durch die Wüste anzutreten.


Er lernt einen jungen Engländer kennen und kurz darauf einen Alchimisten, beide helfen ihm, seinen Traum nicht aus den Augen zu verlieren. In einer Oase lernt er auch noch seine große Liebe Fatima kennen. Auf diese Weise erreicht Santiago, von verschiedenen Zeichen geleitet, doch noch Ägypten und die Pyramiden. Er erkennt, dass das Leben demjenigen stets helfend zur Seite steht, der an seine Träume glaubt und die Bereitschaft hat, diese zu verwirklichen. Nur so kann ein Mensch mit sich im Reinen sein.

Die Handlung ist sehr märchenhaft, romantisch und weist viel südländischen Charme auf. Auf weise und tiefsinnige Art wird der unschuldige und tapfere Santiago seinem Traum zugeführt. Die große Botschaft dieses berührenden Romans ist es, dass man seine Ziele stetig verfolgen soll, ohne dabei sich selbst zu verraten, den eigenen Weg zu gehen und auf die Zeichen zu achten.

Weblink:

Der Alchimist
Der Alchimist
von Paulo Coelho







Sonntag, 13. Oktober 2013

»Zu viel Glück: Zehn Erzählungen« von Alice Munro

Dantes Göttliche Komödie
»Zu viel Glück: Zehn Erzählungen«


Die Erzählungsbände der kanadischen Autorin Alice Munro, erzielen in ihrem Heimatland Kanada und in der gesamten angelsächsischen Welt jedes Mal Rekordauflagen. Hierzulande haben Bücher mit Erzählungen und die gesamten Gattung leider weniger Erfolg. Das Publikum steht mehr auf Romane. Doch das tut der Gattung der Erzählung viel Unrecht, wie auch der Erzählband »Zu viel Glück: Zehn Erzählungen« beweist.

Alice Munro musste die Geschichten nicht erfinden, sie hat sie bereits vorgefunden im Alltag in der kanadischen Provinz. Immer wieder erzählt Alice Munro von Menschen, denen ihr Leben abhanden gekommen ist oder die es haarscharf verpasst haben. Immer wieder fasziniert sie die Liebe und die unsäglichen Mühsale, die meist mit ihr verbunden sind. Ihr literarisches und menschliches Vermögen, sich sensibel und fein in die Seelenzustände der von ihr beschriebenen Personen einzufühlen, macht die Lektüre ihrer Geschichten nicht nur einem literarischen Genuss, sondern gibt auch an manchen Stellen Gelegenheit zu ungeahnter Selbsterfahrung.

Glück ist eine sehr verletzliche Sache. So bewegen sich auch die unvergleichlich schönen Erzählungen der kanadischen Schriftstellerin Alice Munro auf einem sehr schmalen Grad zwischen dem, was Glück ist und irgendwann das Gegenteil davon. Ob das Glück sich letzlich wieder einfindet, bleibt offen. Die Sehnsucht jedenfalls, auch nach noch so großen Enttäuschungen des Lebens, ebenso wie nach der Freude und Schönheit des Lebens, gibt die Autorin aber nie auf.

Empfohlene Bücher von Alice Munro:










Jede Erzählung darin ist wie ein kleines Universum. Die Menschen darin, oft sind die Hauptprotagonisten Frauen, geben sich unheimlich Mühe, um in ihrem Leben glücklich sein zu können, doch oft scheitern sie im Leben. Umstände die nicht zu beeinflussen sind, Wertigkeiten die sich verändern, Verbindungen die zerbrechen, ein Leben das die Menschen wie zu verschlucken scheint.

Munro zeichnet Lebenspläne, Lebensträume, die nicht selten von Veränderungen heimgesucht werden, Beziehungen und Lieben, die einfach nicht glücken wollen. Munro zeichnet Menschen, zwischen Angepasstheit und Selbstbestimmung, genauso wie zwischen der Gratwanderung von Lebensglück und Lebensschicksal, oder Licht und Schatten.


Alice Munro, 1931 in Ontario geboren, gehört zu den bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart und galt schon seit Jahren als Kandidatin für den Literaturnobelpreis. Mit ihrem umfangreichen erzählerischen Werk – sie hat 13 Erzählungsbände und einen Roman veröffentlicht – ist sie Bestsellerautorin in ihrem Heimatland Kanada und der gesamten angelsächsischen Welt.

Munro wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2009 mit dem Man Booker International Prize. Alice Munro lebt in Ontario und in British Columbia. Eine begnadete Erzählerin, die die Tiefen menschlicher Existenz auslotet.

Weblink:

Alice Munro - 2103 Nobel Prize in Literauture -www.nobelprize.org

Mittwoch, 25. September 2013

»Ich bekenne, ich habe gelebt« von Pablo Neruda

Pablo Neruda


Pablo Neruda, einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts und einzigartig als Mensch, Politiker und Humanist, hat mit seinen Memoiren »Ich bekenne, ich habe gelebt« ein grandioses Dokument seines Lebens und seiner Welt hinterlassen. Neruda legt Zeugnis ab von seinem bewegten Leben.

Fast 20 Jahre hat Pablo Neruda an seinen Memoiren gearbeitet. Neruda - ein ebenso engagierter Politiker wie grenzüberschreitender Lyriker - hatte ein sehr bewegtes Leben, über das es sich zu schreiben lohnt: Aufgewachsen ist er in Südamerika, dann kam er während des Bürgerkriegs nach Spanien, er lebte mehrmalig im Exil, reiste viel durch verschiedene Teile Asiens, wurde anschließend chilenischer Präsidentschaftskandidat, erhielt 1971 den Literatur-Nobelpreis.


Ich bekenne, ich habe gelebt



»Ich bekenne, ich habe gelebt«
von Pablo Neruda:




Pablo Neruda - das Pseudonym legte sich Neftal Ricardo Reyes Basualto 1920 in Anlehnung an den fast vergessenen patriotischen Dichter Tschechiens, Jan Neruda, zu - wurde neunundsechzig Jahre alt. Das sind nicht so sehr viele Jahre, aber seine Jahre waren voller Leben. Er lässt den Leser teilnehmen an dem bewegten Auf und Ab seines aufregenden Lebens.

Der 1904 im süchilenischen Ort Parral geborene Dichter und Freiheitskämpfer beschreibt in seinen Memoiren die Phasen seines Lebens: Seinen Jugendjahre im südchilenischen Tucuman, seine Lehrzeit bei der Natur im laurentinischen Regenwald folgen stimmungsvolle Bilder der frühen Vagantenzeit in den großen Städten seines Landes, in Santiago und vor allem in Valparaiso, dessen weltabgewandte Melancholie der reife Dichter noch aus einem Abstand von einem halben Jahrhundert beschwört.

1969 wurde Neruda von der Kommunistischen Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert, er verzichtete aber zugunsten des vom Wahlbündnis »Unidad Popular« favorisierten Sozialisten und Freundes Salvador Allende. 1970 gewann Allende die Präsidentschaftswahlen und überredete Neruda, Botschafter in Paris zu werden.

Trotz seiner mittlerweile angegriffenen Gesundheit willigte er ein, musste sich aber schon nach wenigen Monaten einer Operation unterziehen. Noch während seiner Genesung wurde ihm 1971 der Nobelpreis für Literatur für eine Poesie, die mit der Wirkung einer Naturkraft Schicksal und Träume eines Kontinents lebendig macht - verliehen.

Mit zum Teil überwältigender sprachlicher Schönheit ( "Von dem, was ich in diesen Blättern hinterlasse, werden sich - wie in den Baumalleen des Herbstes und wie zur Zeit der Weinernte - die gelben Blätter lösen, die sterben werden, und die Trauben, die auferstehen werden im heiligen Wein") führt der große Chilene durch sein Leben.

Nerudas Leben ist gleichermaßen von Erfolgen und Rückschlägen geprägt, er bemüht sich nicht, zu mystifizieren und legt mit symphatischer Bescheidenheit ein - leider unvollständiges - Bekenntnis ab.

Literatur:

Ich bekenne, ich habe gelebt
Ich bekenne, ich habe gelebt
von Pablo Neruda

Dienstag, 17. September 2013

»Nikolaikirche« von Erich Loest

Nikolaikirche Leipzig

Die Wende ging von Leipzig aus und dort war eine der Keimzellen die Nikolaikirche. Das Gotteshaus war Symbol des gewaltlosen Wandels in der DDR. Hier trafen sich die Verzweifelten, sprachen über die notwendigen Veränderungen, beteten dafür.

Der Roman "Nikolaikirche" von Erich Loest greift dieses Thema auf und schildert die Geschichte einer Leipziger Familie vor dem Hintergrund der Ereignisse, die 1989 zum Fall der Mauer und zur Kapitulation der DDR führten. Die Familie Bacher spiegelt im Kleinen die Konflikte und Entwicklungen eines ganzen Volkes wieder.

Anhand ganz unterschiedlicher Personen, die aus Aufrührern und Angepassten, Helden und Nichthelden bestehen, schildert Loest den hoffnungslosen Niedergang einer Stadt und schließlich den Zusammenbruch eines Staates, der mit jener Ausweglosigkeit zeitlebens zu kämpfen hatte.


Loest setzt die Geschichte keimender Opposition lange vor den Friedensgebeten bereits im Jahr 1968 mit der Sprengung der Leipziger Universitätskirche an: Eine Kirche stürzte in sich zusammen und gab den Blick auf St. Nikolai frei. Schließlich steuert die Handlung auf die historische Montagsdemonstration von 70.000 Menschen am 9. Oktober 1989 in Leipzig zu - für Loest zugleich das Datum der Wende.

Der Roman "Nikolaikirche" gilt als einer der wichtigsten Romane der Wende. Loest verzichtet auf Pathos und Schwarzweißmalerei. Das Buch wurde in Deutschland gleich nach Erscheinen ein Bestseller. Es trug ebenso dazu bei, den Autor auch im Westen bekannt zu machen.


Empfohlener Roman von Erich Loest:



Montag, 16. September 2013

»Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall« von Donna Leon

Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall
Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall


»Reiches Erbe« ist Commissario Brunettis zwanzigster Fall im stilvollen Ambiente Venedigs, der mit einem zweifelhaften Mordfall aufwartet. Der etwas unklare Tod einer alten Dame, vom Gerichtsmediziner als natürliches Herzversagen diagnostiziert, könnte aber auch ein Verbrechen gewesen sein.

Brunetti wird spät abends zu einer Toten gerufen. Die alte Frau Altavilla wurde von der Nachbarin tot in der Wohnung gefunden. Alles deutet auf Herzversagen hin, aber Brunetti, ganz alter Hase, hat ein komisches Gefühl im Bauch. Und dies trügt ihn nicht: Es war Mord.

Dies versucht Brunetti aufzuklären u. gerät in ein katholisches Pflegeheim, wo er nach Hinweisen sucht. Er findet Menschen, mit denen die Tote vorher Kontakt hatte, es gibt nur Gutes über sie zu berichten.
Die Handlung erscheint in diesem Kriminalroman sehr sprunghaft und durcheinander, es werden Fäden aufgegriffen, aber nicht weiter verfolgt, geschweige denn verknüpft.

Dieser Fall ist, wie auch schon die letzten Bände der Reihe, eher langsam, bedächtig, kaum Wortwitz oder Schlagabtausch, dafür gerne politisch-kritische Anmerkungen, wie eingestreut. Für einen Krimi ist es ziemlich langweilig. Es gibt kaum Momente der Spannung, dafür endlose Gedankengänge von Brunetti, die nichts mit dem Fall zu tun haben.

Nach all den Jahren merkt man Brunetti die Reife und Abgeklärtheit an. Donna Leon hat ihren Commissario nie als Rauhbein oder gerissenen Polizisten dargestellt, eher kommt der leise Witz in den Gesprächen mit Patta hervor, die Wärme im Kreise seiner Familie.

Weblink:

Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall
Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall
von Donna Leon