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Samstag, 25. Juli 2020

»Spaziergang nach Syrakus« von Johann Gottfried Seume



»Spaziergang nach Syrakus« von Johann Gottfried Seume ist ein Bericht von seiner meist zu Fuß zurückgelegten Reise nach Sizilien. Der Bericht ist Reiseliteratur der ganz besonderen Art, vermischt diese doch Kunst, Kultur und Politik mit seinen Reiseeinndrücken.

Der polyglotte Dichter begibt sich zu Fuß auf abenteuerliche Wanderschaft. Seine Route führte von Leipzig über Wien, Laibach, Venedig, Rom und Neapel nach Syrakus und wieder zurück über Mailand, Zürich und Paris. Es ist eine Reise durch das von im Norden von östereichischen und im Süden von französischen Truppen besetztes Italien. Auflösung der Staatsmacht und unsichere Wege Ein unmittelbar wirkendes, authentisches Bild ist entstanden, das nicht nur schöne Landschaften und die atmosphärische Leichtigkeit italienischen Lebens, sondern auch Einblick in soziale und politische Mißstände bietet. Die Alternative und Ergänzung zu Goethes »Italienischer Reise«.

Johann Gottfried Seume

Seume ist ein scharfer Beobachter seiner Gegenwart. Mit großer Freundlichkeit begegnet er seinen Mitmenschen und Weggenossen, und voller Wißbegierde erkundet er das Italien des napoleonischen Zeitalters - im wahrsten Wortsinn ein bewanderter Mann. Immer wohlmeinend, nie beschönigend nimmt er die politischen, die sozialen und Rechtsverhältnisse seiner Zeit wahr.

Seume verfügt über eine umfassende klassische Bildung - er hat seinen Homer, Horaz und Vergil gelesen -, eine Bildung, welche ihn in Italien auf Schritt und Tritt begleitete und zur Orientierung diente. Für den halbgebildeten Leser ist deshalb manches nicht unmittelbar verständlich. Andererseits führt die Wanderung unmittelbar hinein in die rauhe italienische Wirklichkeit um 1800. Hier zeigt sich, dass Seume ein Mann aus dem Volke ist, der schon sehr viel erlebt hat und sich vor fast nichts fürchtet. Er ist ein sympathischer-lässiger Weltbürger und plastischer Schilderer. Die politisch-religiösen Zustände beschreibt er gnadenlos aus einer aufklärerischen Perspektive.

Ziel von Seumes abenteuerlicher Reise war die Insel Sizilen - das Land, wo die Orangen blühen, welche er so gerne aß und als Proviant mit in seinen Tornister steckte. Af Sizilien besuchte er die antiken Stätten der Griechen, die größeren Städte an der Küste und er stieg auf den aktiven Vulkan Vesuv. Die Wege auf Sizilien waren damals sehr unwegsam, weshalb er immer wieder Mauleseltreiber engagieren musste, welche ihn auf den schmalen Pfaden begleiteten.

Goethe

Sicher ist: Was als Bildungsreise in der Tradition der "Grand Tour" begann, wurde zum Vorbild für Generationen kritischer Touristen. Der Erlebnisbericht "Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802" beschreibt ein bis dahin unbekanntes Reiseerlebnis: subjektiv, eigenwillig, politisch, kritisch, alltagsnah. Ein Vorbild für Heinrich Heine, ein Langweiler für Goethe. Wo der Dichterfürst Hof hielt, suchte der Wanderer eine billige Unterkunft.

Literatur:

Spaziergang nach Syrakus
Spaziergang nach Syrakus
von Johann Gottfried Seume

Weblink:

Spaziergang nach Syrakus - www.seume.de

Sonntag, 12. Juli 2020

»Heilige Johanna der Schlachthöfe« von Bertolt Brecht

»Heiligen Johanna der Schlachthöfe«


Der Fleich-Skandal bei Tönnies & Co. macht die menschenunwürdigen Zustände in der Fleischindustrie offenbar - ein Thema, welches sich Bertolt Brecht 1930 gewidmet hat. Der führende Unternehmer der Fleischindustrie Pierpont Mauler trägt in der Frage sozialer Ungerechtigkeit deutliche Züge von Clemens Tönnies.

Die »Heilige Johanna der Schlachthöfe«, kurz »Heilige Johanna« genannt, ist ein episches Theaterstück von Bertolt Brecht und seinen Mitautoren Elisabeth Hauptmann und Emil Burri aus dem Jahr 1930.

Johanna Dark, ein Heilsarmeesoldat, sieht die von den Fleischfabriken ausgesperrten und hungernden Arbeiter und stößt auf der Suche nach den Gründen der Aussperrung auf den Fleischkönig Pierpont Mauler. Vergeblich versucht er, Johanna für seine Sache zu gewinnen. Johanna, schließlich auch von den Armen verstoßen, geht auf den Schlachthöfen zugrunde.

Heiligen Johanna der Schlachthöfe
Das Theaterstück erzählt die Geschichte der Johanna Dark, die den ausgesperrten Arbeitern auf den Schlachthöfen Chicagos den Glauben an Gott näherbringen will. Angesichts des Elends versucht sie, den führenden Unternehmer der Fleischindustrie, Mauler, zu überreden, die Fleischfabriken wieder zu eröffnen, gerät dabei aber immer tiefer in den Strudel wirtschaftlicher Machenschaften der Fleischbosse. Schließlich begibt sie sich aus Protest zu den auf den stillgelegten Fleischhöfen im Schnee ausharrenden Arbeitern und wird Zeugin von Versuchen der Arbeiter, sich gegen die Bosse durch einen Generalstreik zur Wehr zu setzen. Als diese ihr eine wichtige Nachricht anvertrauen, unterschlägt sie diese aus Angst, gewalttätige Auseinandersetzungen zu verursachen. Dadurch scheitert der Streik. Am Ende erkennt die sterbende Johanna, dass ihre Hoffnung auf Gott und Verhandlungen mit den Kapitalisten gescheitert sind und daß sie den Arbeitern, denen sie helfen wollte, nur geschadet hat.


Bertolt Brecht zeigt in der »Heiligen Johanna der Schlachthöfe« eine große Börsenspekulation in Fleisch und Vieh auf dem Hin­tergrund einer Überproduktionskrise. Er verlegt die Handlung auf die Viehhöfe und an die Fleischbörse Chicagos, wo infolge des weit entwickelten Kapitalismus die Widersprüche der Gesellschaft besonders deutlich werden.


Das Stück greift verschiedene Themen auf. Mit Johannas Scheitern demonstriert Brecht die Vergeblichkeit sozialer Kompromisse in der Krise und die negative Wirkung religiöser Organisationen, die nur den Reichen und Mächtigen dienen. Weiterhin zeigt er den aus marxistischer Sicht typischen Verlauf von Krisen des Kapitals, die Monopolbildung und weitere Schlechterstellung der Arbeiter zur Folge haben.

Brechts Theaterstück ist eine Parabel auf die schlechten Zustände in der amerikanischen Fleischwirtschaft.
In diesem Theaterstück werden »verwickelte Vorgänge« durchschaubar gemacht. Ihre Gesetzmäßigkeit ist dargestellt und als Mittel benutzt, die Vorgänge zu bewegen.


Literatur:

Heiligen Johanna der Schlachthöfe

Heiligen Johanna der Schlachthöfe von Bertolt Brecht


Blog-Artikel:

Bedauerliche Zustände in der Fleischindustrie - Torpedo-Blog

Samstag, 16. Mai 2020

Don Quijote ist nicht mehr! - Ein Nachruf an Rolf Hochhuth


Rolf Hochhuth


Rolf Hochhuth ist am 13. Mai 2020 im Alter von 89 Jahren in Berlin gestorben. Rolf Hochhuth war ein deutscher Schriftsteller, Bühnenautor und Dramatiker des 20. Jahrhunderts, ein Moralist und Unruhestifter.

Den "leidenschaftlichen Moralisten, den unermüdlichen Aufklärer, den Zwischenrufer und Provokateur, der gegen Behördenignoranz und politische Willkür anging, gegen Geschichtsvergessenheit und die Arroganz der Mächtigen" .


Der streitbare Theatermann spielte die Rolle des "Schillers von heute", der aufmüpfig gegen die bestehenden Verhältnisse aufbegehrt hat. Tatsächlich gibt es auffällige Parallelen zu Friedrich Schiller, welcher 1782 mit seinem aufmüpfigen Theaterstück »Die Räuber« einen großen Theatererfolg am Landestheater Mannheim feierte. Hochhuth der ebenfalls durch sein erstes großes Theaterstück »Der Stellvertreter« 1963 Aufsehen erregte, sollte es Schiller nachtun.

Um die Nutzung des »Berliner Ensemble-Theaters« BE lieferte er sich einen erbitterten Streit mit dem Intendanten Claus Peymann.

Rolf Hochhuth war ein streitbarer Demokrat und jemand, den man heute gut gebrauchen kann. Am Ende wurde Hochhuth zu einer tragischen Figur. Mit Rolf Hochhuth ist ein wackerer Streiter für das Dokumentartheater und im Leben verloren geganen - Don Quijote ist nicht mehr!

Weblink:

Ein pölitischer Mensch - www.nachtkritik.de


Samstag, 25. Januar 2020

»Die Ermittlung« von Peter Weiss


Vor 75 Jahren wurde das KZ Ausschwitz von der Roten Armee befreit. Auschwitz-Birkenau war das größte NS-Vernichtungslager und die Verkörperung des Grauens. Für die Insassen war das Lager die Hölle. Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden hier während des Zweiten Weltkriegs ermordet.

Der Mord an den Juden war Völkermord. Die Täter beriefen sich im Zweifel darauf, daß alles von der Führung gewollt war und verantwortet wurde. Die innere Motivation war so aufgebaut, daß alles zum Wohl der Deutschen Volkes geschehen müsse, bis hin zum Massenmord an Untermenschen. Das erklärt die Verbrechen, entschuldigt sie aber nicht.

Es war das bis dahin grösste Gerichtsverfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte: Am 20. Dezember 1963 begann der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Angeklagt waren 21 Mitglieder der Wachmannschaften des Konzentrationslagers Auschwitz wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord. Insgesamt wurden 360 Zeugen befragt. Sechs Beschuldigte erhielten nach einem über zweieinhalbjährigen Prozess lebenslange Zuchthausstrafen. Drei Angeklagte wurden freigesprochen. Der Prozeß endete im August 1965. Zwei Monate später wurde der Prozeß in einem Theaterstück bearbeitet.

»Die Ermittlung« ist ein Theaterstück des Dramatikers Peter Weiss von 1965 , das den ersten Frankfurter Auschwitzprozess von 1963 bis 1965 mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters thematisiert. Es wurde am 19. Oktober 1965 im Rahmen einer Ring-Uraufführung an fünfzehn west- und ostdeutschen Theatern sowie von der »Royal Shakespeare Company«, London, uraufgeführt. Die Ermittlung trägt den Untertitel „Oratorium in elf Gesängen“. Weiss selbst nahm als Zuschauer am Auschwitzprozess teil und entwickelte sein Stück aus den Protokollen Bernd Naumanns.

Das Theaterstück »Die Ermittlung« des deutsch-schweizerischen Schriftstellers Peter Weiss (1916 - 1982) hat den Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main (Dezember 1963 - August 1965) zum Inhalt. Das Bühnenspiel, es wird dem dokumentarischen Theater zugeordnet, wurde 1965 gleichzeitig an 15 Orten uraufgeführt. Von der Rampe bis zur Todeskammer, in einem "Oratorium in 11 Gesängen" lässt Peter Weiss die Vertreter der Anklage und der Verteidigung, die Angeklagte und Zeugen über die "Hölle auf Erden", meint Auschwitz, verhandeln. Die von den Nationalsozialisten maschinell betriebene Tötung von Millionen völlig unschuldiger Menschen bleibt unfassbar.

Die Ermittlung sollte Teil eines umfassenderen „Welttheater“-Projekts werden, das der Struktur der »Göttlichen Komödie« von Dante Alighieri folgte. Das dreiteilige Dramenprojekt sollte die Jenseitssphären Hölle, Paradies und das dazwischen liegende Fegefeuer umfassen. In Umkehrung der Überzeugungen Dantes sollte »Die Ermittlung« dabei dem „Paradiso“ der Dante-Konzeption entsprechen und das Paradies der Ort der Verzweiflung für die Leidtragenden sein.

Das 1964 verfasste Drama »Inferno«, das erst 2003 aus dem Nachlass publiziert wurde, führte das abzubildende Jenseitsreich auch im Titel. Aufgrund der zeitgeschichtlichen Bedeutung des Auschwitz-Prozesses wurde das Divina-Commedia-Projekt jedoch zurückgestellt und der dritte Teil als Die Ermittlung separat veröffentlicht.

Das Stück stellt die Aussagen der von Weiss anonym gehaltenen Zeugen denen der namentlich genannten Angeklagten KZ-Aufseher gegenüber. Die Aussagen der Zeugen bieten einen Einblick in die Grausamkeit des Lagerlebens und die Details der Greueltaten, sie öffnen den Blick auf das nackten Grauen. Demgegenüber wirken die Rechtfertigungs- und Distanzierungsversuche der Angeklagetn angesichts der Faktenlage zynisch und die decken die Widersprüche in den Aussagen schonungslos auf.

Literatur:


Die Ermittlung
von Peter Weiss


Die Ermittlung
von Peter Weiss

Video:

DOKUMENTATION DIE ERMITTLUNG - Youtube

Freitag, 27. Dezember 2019

»Effi Briest« von Theodor Fontane

Effi Briest

Theodor Fontane wurde erst sehr spät in seinem Leben als Romanschriftsteller erfolgreich und bekannt. Am bekanntesten wurde er dabei seinem Roman »Effi Briest«.

Effi Briest, ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit ihren Freundinnen im Garten von Hohen-Cremmen spielt, wird Baron Geert Innstätten vorgestellt. Ein Mann im Alter ihrer Mutter, ein politisch strebsamer Landrat höchsten Ansehens. Schon bald werden die Verlobung und dann die Hochzeit gefeiert und Effi zieht mit ihrem Bräutigam in die pommersche Kleinstadt Kessin in ein altmodisches Fachwerkhaus zwischen Seebädern und der Plantage, einem weiten Wald. Nicht nur ist ihr das Haus mit dem Geist des Chinese unheimlich, sie langweilt sich auch ungemein.

Ihr für Richard Wagner schwärmender Ehemann ist wenig sinnlich und selten zuhause, das Kind das sie schon bald zur Welt bringt wird von Roswitha ihrer Vertrauten versorgt und der liebenswürdige Freund Apotheker Gieshübler, kümmert sich um die junge Ehefrau intellektuell. Nichts davon stillt jedoch Effis Temperament. Allein Major Crampas, Instettens Freund erfrischt sie auf wunderliche Weise. Sie beginnt zu kokettieren und verwandelt sich darüber vom Mädchen zur Frau..

Effi Briest, im Buch zunächst als "Tochter der Luft" beschrieben, weil sie vor Lebensenergie glüht, heiratet im zarten Alter von 17 Jahren auf Wunsch ihrer Eltern Baron von Instetten. Der Jugendfreund von Effis Mutter ist angetan von dem jungen Wirbelwind und nimmt sie nach der Hochzeit mit in sein Haus nach Tessin. Doch Effi will sich so garnicht in die steife und langweilige Gesellschaft einfügen, die Instetten so sehr schätzt. Als sie den Bezirkskommandanten Crampas kennenlert und eine Affäre beginnt, entehrt sie Instetten endgültig. Als Baron von Instetten nach Berlin versetzt wird, scheint der lästige Kommandant vergessen und sich alles in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Und das wäre er auch bestimmt geblieben, wenn Instetten nicht seine leidenschaftlichen Briefe an Effi gefunden hätte. Instetten fühlt sich zutiefst in seiner Ehre verletzt und klagt Effi an. Letztendlich findet sie aber auf Umwegen ihren Weg.


Ihr Mann, der ihr von der Mutter mehr oder weniger aufgeredete Baron von Innstetten, war so ehrgeizig, bei Bismarck Karriere zu machen, daß die Dienstleute des Paares sich zuraunten, wer wirklich hinter der Ehekrise stecke. Effi wirft Innstetten Mangel an romantischem Gefühlsleben vor: "Du willst es bloß nicht zeigen und denkst, es schickt sich nicht und verdirbt einem die Karriere." Landrat von Innstetten (Effi: "Er ist ja ein Mann von Ehre") wird von Bismarck öfter als üblich in sein Gut Varzin in Hinterpommern gebeten. Kaum bricht Innstetten dorthin auf, beginnt Effi sich vor einem spukenden Chinesen mit "gelben Pluderhosen und flachem Deckelhut" zu fürchten. Sein kleines Abbild war von den Dienstmädchen an die Lehne eines Stuhls geklebt worden, der als einziges Möbel in den sonst leeren Räumen stand.

In der Dynamik ihrer Affäre, die weniger einer Liebe zu einem anderen Mann oder nicht ausgelebtem sexuellen Begehren entspringt, als vielmehr dazu, einen anderen Schmerz, ein anderes Trauma zu übertönen. Aber auch im ambivalenten Verhältnis zu ihrer Tochter, das gleichzeitig von mütterlichen Instinkten sowie narzisstischen Projektionen geprägt ist, wovon Scheidungsanwälte ein Lied singen können. Von den vielen starken Frauen bei Fontane – starke Männer kommen bei ihm fast überhaupt nicht vor – ist Effi Briest eine der stärksten und selbstbewusstesten. Und sie ist keineswegs ein Opfer, sondern vielmehr vollkommene Herrin ihres eigenen Schicksals. »Effi Briest« ist nicht die Erzählung vom Zwang moralischer Konventionen sondern die Geschichte einer Selbstverwirklichung, die auch noch in ihrem Scheitern als Untergang zelebriert wird.

Der Roman ist eine deutsche »Madame Bovary«, das deutsche Gegenstück zu Flauberts Roman. Fontane gelingt damit eine der beeindruckendsten Darstellungen des Schicksals einer Frau in der deutschen Literatur. Bei Fontane stirbt die arme Sünderin Effi im Alter von etwa 30 Jahren an "gebrochenem Herzen".

Die Fabel dieses Romans hat ihre Quelle in der Wirklichkeit. Fontane - der auch lange als Journalist gearbeitet hatte - griff eine Zeitungsmeldung aus dem Jahre 1886 über ein Duell zwischen einem preußischen Offizier und einem Amtsrichter auf. Der Anlass war die Liebesaffäre zwischen dem Offizier und der Frau des Amtsrichters, Elisabeth von Ardenne.

Dass ausgerechnet Fontanes »Effi Briest« zur den Standardwerken der deutschen Schullektüre zählt, ist ein wenig paradox. Nicht nur weil Fontane selbst wenig von Schule hielt, ähnlich wie Thomas Mann empfand er seine wenigen Schuljahre als Qual und vergeudete Zeit. Vielmehr noch, weil das Buch eigentlich eines von Fontanes moralisch ambivalentesten Romanen ist, und als moralische Parabel, zu der es für den Unterricht zurecht geschustert wird, denkbar schlecht geeignet ist.


Literatur:

Effi Briest
Effi Briest
von Theodor Fontane

Effi Briest
Effi Briest
von Theodor Fontane


Weblinks:

Heros und Heulhuber - SPIEGEL-Artikel

Zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane - www.freitag.de

Montag, 2. Dezember 2019

Botho Strauß 75. Geburtstag

Botho Strauß

Botho Strauß wurde vor 70 Jahren am 2. Dezember 1944 in Naumburg an der Saale als Sohn eines Lebensmittelberaters geboren. Strauß ist ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker. Er gehört zu den erfolgreichsten und meistgespielten zeitgenössischen Dramatikern auf deutschen Bühnen.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Remscheid und Bad Ems studerte er fünf Semester Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie in Köln und München. 1967-1970 Redakteur und Kritiker der Zeitschrift „Theater heute“. 1970-1975 dramaturgischer Mitarbeiter an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin.

Nach dem Studium der Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie arbeitete Strauß von 1967 bis 1970 als Redakteur bei der Zeitschrift "Theater heute" und war von 1971 bis 1975 Dramaturg und Mitarbeiter von Peter Stein an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin. 1972 trat Strauß mit dem Stück "Die Hypochonder" erstmals als Dramatiker in Erscheinung. Seine zweite Arbeit "Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle" stieß ebenso wie die erste bei der Kritik auf Ablehnung. Erst mit der "Trilogie des Wiedersehens" (1976) gelangte er zu allgemeiner Anerkennung.

Botho Strauß ist Mitglied des PEN-Zentrums und lebt als freier Schrifsteller in Berlin. Sein schriftstellerisches Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet; 1987 wurde ihm der Jean-Paul-Preis und 1989 der Georg-Büchner-Preis verliehen. Seine Theaterstücke gehören zu den meistgespielten an deutschen Bühnen.

Den großen Roman seiner Generation hat er nicht geschrieben, den ihm als junger Mann Marcel Reich-Ranicki voraussagte. Sonst aber hat Botho Strauß ziemlich alles erreicht. Er ist einer der wichtigsten Dramatiker der Gegenwart.

Er hat mit seinem Roman "Paare, Passanten" (1981) in die Literaturgeschichte geschrieben. Gehört neben Peter Handke und Volker Braun zu den wortmächtigsten deutschsprachigen Schriftstellern. Mit dem Georg-Büchner-Preis erhielt er 1989 den bedeutendsten deutschen Literaturpreis.

Mit Büchern wie "Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich" (2003) oder "Die Unbeholfenen" (2007) – Texte, die die Grenze zur Philosophie überschreiten – hat er seinen Ruf als Prophet gefestigt, der nicht müde wird, Zivilisationskritik zu üben.

In seinem Buch "Herkunft", das wie auch das Gedankenbuch "Allein mit allen", erinnert sich Strauß an die Jugend in Bad Ems.

Strauß hat sich immer getraut, gegen den Strom zu denken. Das hat ihm nicht selten Kritik eingebracht, wie 1993 nach der Publikation seines „Anschwellenden Bocksgesanges“. Mitunter neigt er zum Pathos, dann aber ist er wieder ganz modern.

Literatur:

Herkunft
»Herkunft« von Botho Strauß

Mittwoch, 13. November 2019

»Der Turm« eine Geschichte aus einem versunkenen Land

»Der Turm« eine Geschichte aus einem versunkenen Land

Uwe Tellkamps Roman »Der Turm« ist ein akkurat gemaltes Sittenbild der Boheme in einem Dresdner Villenviertel. Der bezeichnende Titel »Der Turm« ist dabei eine Anspielung auf den Dresdner Villenvorort "Weißer Hirsch" mit jener Ansammlung verschnörkelter Bürgerhäuser, die wie die Burgen des nachgeahmten Adels, mit Türmen und Zinnen bewehrt sind.

Der Turm Geschichte aus einem versunkenen Land.

»Der Turm« ist ein lebendiges Zeitpanorama am Ende der DDR. Tellkamp erzählt in diesem umfangreichen Gesellschaftsroman mit epischer Breite die Geschichte eines untergehenden Landes anhand der Lebensgeschichte der wohlhabenden Bewohner eines Dresdner Villenviertels. Das Werk ist ein Abgesang auf einen untergehenden Staat.

Der Roman erzählt eine Familiengeschichte über drei Epochen, in der die Politik hineinreicht, so daß das Sittenbild einer Epoche entsteht. Es wird eine Familiengeschichte gespiegelt.

Es sind die letzten sieben Jahre der DDR, die der Autor durchaus detailgetreu in einem opulenten Sittengemälde auferstehen läßt. Schauplatz dieses Gesellschaftsportraits von Tolstoischen Ausmaß ist das Dresdner Villenviertel "Weißer Hirsch" - von jeher  eine Enklave des Bildungsbürgertums und der Gelehrten.

»Der Turm« erzählt eine kunstvoll verschachtelte Familiengeschichte mit einem geradezu überbordenden Romanpersonal. Er lässt Parteibonzen, Lektoren, Schüler, Soldaten, Künstler, Sprösslinge der Nomenklatura, Krankenschwestern, Anwälte und Republikflüchtlinge, Zensoren und Chefärzte auffahren. Diese haben nacheinander ihren genau berechneten Auftritt in diesem Roman.

Sein Zeitpanorama beginnt im Jahre 1982, dem Todesjahr Breschnews und endet punktgenau am 9. November 1989 - dramaturgisch durchaus geschickt - genau mit dem Datum des Mauerfalls.

Dienstag, 24. September 2019

Günter Kunert im Alter von 90 Jahren gestorben

Günter Kunert

Günter Kunert ist gestorben. Er starb am Samstag im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat Kaisborstel bei Itzehoe.

Günter Kunert ist ein deutscher Schriftsteller, der mit seinem Werk in besonderem Maße die Literatur der beiden deutschen Staaten, das heißt die Kompliziertheit ihrer Wechselbeziehungen und ihrer unterschiedlichen Befindlichkeiten, sowie dann des wiedervereinigten Deutschlands repräsentiert.

Im Leben von Kunert spiegelt sich die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts: Der gebürtige Berliner war Sohn einer jüdischen Mutter und durfte während der Nazidiktatur keine höhere Schule besuchen. In einem seiner Schulzeugnis steht unter der Rubrik Glaubensbekenntnis "Dissident". Er wurde als "Halbjude" beschimpft" und musste miterleben, wie enge Verwandte deportiert und von den Nazis ermordet werden.

Kunert ist berühmt für seine skeptischen Gedichte, die vor ökologischen Katastrophen und Fehlentwicklungen warnen, für seine Miniaturen und kurzen Prosatexte, Notate, Hörspiele, Filme; als Romanautor kennt man ihn eher nicht.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges studierte er in Ost-Berlin fünf Semester Grafik, brach sein Studium dann jedoch ab. 1948 trat er der SED bei. Er lernte Bertolt Brecht und Johannes R. Becher kennen. Kunert kritisierte das DDR-Regime und gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann. Ein Jahr später wurde ihm die SED-Mitgliedschaft entzogen, 1979 reiste er mit seiner ersten Frau Marianne und sieben Katzen nach Westdeutschland aus.

Alles Schreiben in der DDR war der Versuch, geistig - und nicht unbedingt materiell - zu überleben.
In seinen Arbeiten nimmt er eine kritische Haltung zu Themen wie Fortschrittsgläubigkeit, Nationalsozialismus und der Politik des DDR-Regimes ein. Während seine frühen Gedichte, pädagogisch-kritisch argumentierend, dem sozialistischen Realismus verpflichtet waren und dem Fortschritt dienen sollten, nahm er später eine zunehmend skeptische und pessimistische Haltung ein.

Günter Kunert ist seit 1981 Mitglied der »Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung«, seit 1988 Mitglied der »Freien Akademie der Künste Hamburg« und war von 2005 bis 2018 Vorstandspräsident des »P.E.N.-Zentrum« deutschsprachiger Autoren im Ausland und seit 2008 Ehrenmitglied des »Fördervereins Gefangenenbüchereien e.V.«

Er erhielt für sein umfassendes Werk zahlreiche Literaturpreise: »Heinrich-Mann-Preis« (1962), »Johannes-R.-Becher-Preis« (1973), »Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf« (1985), das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1989), »Mainzer Stadtschreiber« (1990).

Günter Kunert ist seiner der wenigen noch lebenden Schriftsteller, der die Sozialisation der DDR durchlaufen und verinnerlicht hat, um davon zu erzählen. Sein Pessimismus ist legendär, aber von Resignation will er nichts wissen. Kunert schreibt weiter – auch "um mit dem Kopf in Bewegung zu bleiben".

Im Februar 2019 erschien unter dem Titel »Die zweite Frau« im Wallstein Verlag ein vor mehr als 40 Jahren entstandener, bisher unbekannter Roman, dessen Manuskript von Kunert „vor kurzem zufällig in einer Truhe entdeckt“ wurde.

Vor 45 Jahren versteckte er es in einer Kiste, weil er davon ausging, dass es zu kritisch sei, um in der DDR veröffentlicht zu werden. Beim Aufräumen fand er es wieder und entschied sich, das Buch zu veröffentlichen. Er widmete es seiner zweiten Frau Erika.

Günter Kunert wurde vor 90 Jahren am 6. März 1929 in Berlin geboren.


Weblinks:

Günter Kunert im Alter von 90 Jahren gestorben - www.zeit.de

Günter Kunert: Schreiben als Gymnastik - www.mdr.de


Literatur:

Die zweite Frau
Die zweite Frau
von Günter Kunert

Ohne Umkehr
Ohne Umkehr
von Günter Kunert

Samstag, 21. September 2019

»Der Stechlin« von Theodor Fontane

Stechlinsee

»Der Stechlin« von Theodor Fontane entstand in den Jahren 1895 bis 1897 und wurde erstmals 1897 in der Zeitschrift »Über Land und Meer« publiziert. Die Buchausgabe erschien 1899. »Der Stechlin« ist Fontanes letzter großer Roman.

Der Sage nach steht der Stechlinsee mit der gesamten Welt in Verbindung, und wenn sich irgendwo ein außergewöhnliches Naturphänomen ereignet, zeigt sich hier ein Zeichen davon. An diesem See lebt, plaudert und stirbt der alte Herr von Stechlin, und die Ereignisse am See geben tatsächlich wie in einem Brennpunkt die Geschehnisse weiter Umkreise, in der Stadt und in der Gesellschaft, wieder; das Vergangene mischt sich mit dem Neuen, der vergessene Ort in der Mark Brandenburg wird von den sozialen Veränderungen eingeholt.

In den Gesprächen zwischen Alten und Jungen, zwischen Landbewohnern und Städtern entfaltet sich so das gesellschaftliche Panorama der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert, ohne Kommentare und Wertungen vorzugeben. Die Fontane’sche Ironie und psychologische Präzision zeichnen gesellschaftlich geschaffene Individuen, die entweder gegen ihre Menschlichkeit kämpfen oder sie trotz der Zwänge zu bewahren versuchen.


Mit seinem ganz eigenen Ton, der dialogisch die Voraussetzungen und Folgen der Ereignisse schildert, die selbst Leerstellen bleiben, und mit seiner Haltung, die gesellschaftliche Regeln kritisiert, aber nicht ausdrücklich verwirft, hat Theodor Fontane einen der großen, nicht unumstrittenen Gesellschaftsromane des 19. Jahrhunderts verwirklicht, der an die Humanität appelliert.

Seine Hauptfigur, der alte Dubslav von Stechlin, trägt den gleichen Namen wie der tatsächlich existierende nahegelegene See, der stimmungsvoll in die märkische Landschaft eingebettet ist.

Fontanes Alterswerk ist eine der schönsten Geschichten der Mark Brandenburg. Eine Erzählung mehr über seine Heimat zu erfahren. Es ist auch ein Stück Identitätssuche bzw. Erkenntnis.

Leichthin geführte Unterhaltungen und tiefsinnige Gespräche vermitteln die Melancholie einer Spätzeit, voll Skepsis und doch versöhnlich. Die mit Sympathie gezeichnete Hauptfigur trägt Züge ihres Autors, der im Jahr nach der Veröffentlichung starb.


In dem Roman plätschert wie bei Stifter alles seicht dahin, der gesellschaftliche Wandel blitzt gelegentlich durch, insgesamt aber heißt es leben und leben lassen. Aber gerade weil es so leicht plätschert, ist das Buch eine Erholung, wenn man sich eingelesen hat und den Stil aushalten kann.


Literatur:

Der Stechlin
Der Stechlin
von Theodor Fontane

Der Stechlin Taschenbuch
Der Stechlin
von Theodor Fontane Taschenbuch


Weblinks:

Theodor Fontane -Biografie - www.die-biografien.de

Theodor Fontane-Zitate - www.die-zitate.de

Samstag, 14. September 2019

»Woyzeck« von Georg Büchner

Georg Büchner

Georg Büchner schrieb den "Woyzeck" in seinen letzten Lebensmonaten, er starb 23-jährig im Jahr 1837. Das Stück blieb ein Fragment. Mit seinem Romanfragment »Woyzeck« hat Büchner ein Jahr vor seinem Tod das erste soziale Drama der deutschen Literatur geschaffen.

Das Drama »Woyzeck« wurde von Georg Büchner als Fragment hinterlassen und erschien erst nach seinem Tode in einer überarbeiteten Fassung im Jahre 1879. In seinem Fragment gebliebenen Drama »Woyzeck« tritt an Stelle des Menschenbildes der Aufklärung nun ein Konzept, in dem der Mensch durch Triebnatur, Fremdbestimmung und gesellschaftliche Zwänge charakterisiert wird. Das Stück handelt von dem Soldaten Franz Woyzeck, der zum Mörder wird, nachdem seine Vorgesetzten ihn ausnutzen und die Freundin ihn betrügt. Der Tod führt Regie wie bei der Astronomischen Uhr am Altstädter Ring in Prag.

In dem Drama geht es um einen einfachen Soldaten, der von seinem Vorgesetzten zu medizinischen Versuchen missbraucht wird und monatelang Erbsen essen muss. Am Ende ersticht Woyzeck, der seine seelische Not nicht vermitteln kann, seine untreue Geliebte.

Woyzeck ist ein einfacher, armer Soldat, der versucht mit ehrlicher Arbeit seine Freundin Marie und sein uneheliches Kind zu unterstützen. Er dient dem Hauptmann als Laufbursche. Der Hauptmann nutzt jede Situation, um Woyzeck zu beleidigen und ihn auszunutzen. Als Woyzeck den Hauptmann rasiert, wird er von diesem beschimpft und beleidigt. Woyzeck lässt sich nichts anmerken und setzt seine Arbeit fort.

Marie begegnet währenddessen bei einem Spaziergang in der Stadt einem Tambourmajor, der als Haupttrommler die Parade einer Militärkapelle anführt. Der Major ist von Marie sehr angetan und versucht, sie mit kleinen Geschenken für sich zu gewinnen. Woyzeck ahnt, dass Marie ihn betrügt. Er lässt sich auf das Experiment eines skrupellosen Arztes ein. Durch das zusätzliche Geld hofft Woyzeck, seine Freundin an sich binden zu können.

Im Zuge des medizinischen Experiments wird Woyzeck auf eine Erbsendiät gesetzt und darf fortan ausschließlich die grünen Hülsenfrüchte essen. Marie kann den Avancen des Tambourmajors nicht mehr widerstehen und lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein. Woyzecks Eifersucht wächst. Zudem wird der Soldat vom Hauptmann und dem Arzt psychisch und physisch immer stärker ausgenutzt und in der Öffentlichkeit blamiert. Woyzecks Mitmenschen machen sich auf seine Kosten lustig und stacheln die Eifersucht mehr und mehr an.

Woyzeck entdeckt Marie und den Tambourmajor bei einem Tanz im Wirtshaus. Aufgrund der Mangelernährung sowie der psychischen Belastungen ist Woyzeck inzwischen völlig erschöpft. Er hört Stimmen, die ihm befehlen, Marie umzubringen. Da Woyzeck nicht genügend Geld für eine Pistole besitzt, kauft er sich ein Messer. Er lockt Marie in den Wald und ersticht sie dort im Blutrausch. Er eilt zurück in die Stadt und besucht das Wirtshaus. Andere Gäste entdecken Blutspuren an Woyzeck, woraufhin der die Flucht ergreift. Er kehrt zurück zum Tatort und versenkt das Messer in einem Teich. Marie wird tot aufgefunden und untersucht.

Nachdem sie, die Mutter seines unehelichen Sohnes, ihn mit dem Tambourmajor betrogen hat, öffnet sich dem Gehörnten endlich der Horizont: Er entkommt den Demütigungen, den Qualen und Verwundungen, die ihm die Gesellschaft beigefügt hat, mittels Mord an der Geliebten.

»Wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen?
Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe haben.«


Das Drama zeigt auf, wozu Materialismus einen Menschen treiben kann. Um aus dem unteren Stand auszubrechen, opfert Woyzeck nicht nur seine körperliche, sondern auch seine geistige Gesundheit. Der Mord an Marie sollte somit nicht nur vor dem Hintergrund der Eifersucht gesehen werden, sondern auch vor dem Hintergrund der geistigen Störung Woyzecks und dem Versuch, endlich aus seinem gesellschaftlichen Käfig auszubrechen.

Blog-Artikel:

Georg Büchner zum 200. Geburtstag

Mittwoch, 13. März 2019

»Die zweite Frau« von Günter Kunert

Die zweite Frau
Die zweite Frau

Im Februar 2019 ist unter dem Titel »Die zweite Frau« im Wallstein Verlag ein vor mehr als 40 Jahren entstandener, bisher unbekannter Roman erschienen, dessen Manuskript von Kunert „vor kurzem zufällig in einer Truhe entdeckt“ wurde.

Ein Roman, geschrieben vor 45 Jahren - in der DDR »absolut undruckbar«, wusste Kunert und versteckte ihn im Archiv. Nun wiedergefunden, wird er endlich veröffentlicht.

In einer Truhe fand Günter Kunert unlängst ein Manuskript, das er vor fast fünfundvierzig Jahren geschrieben hat - einen Roman, so frech, brisant und »politisch unmöglich«, dass Kunert, der damals noch in der DDR lebte, ihn gar nicht erst einem Verlag vorlegte. »Absolut undruckbar«, wusste er und vergrub das Manuskript so tief in seinem Archiv, dass er selbst es vollkommen vergaß und erst jetzt durch Zufall wiederfand.


Kunert ist berühmt für seine skeptischen Gedichte, die vor ökologischen Katastrophen und Fehlentwicklungen warnen, für seine Miniaturen und kurzen Prosatexte, Notate, Hörspiele, Filme; als Romanautor kennt man ihn eher nicht. Und hier ist nun ein Roman, funkelnd und frisch, geschrieben zur Hälfte des Lebens:

Der männliche Protagonist sucht nach einem Geschenk zum vierzigsten Geburtstag seiner Frau; die Auswahl in den Geschäften ist ebenso entmutigend wie seine Einfallslosigkeit, schließlich tauscht er Mark der DDR in Westgeld, um im Intershop einzukaufen, und macht dort unbedachte Bemerkungen. So nimmt eine Tragikomödie um Montaigne, Missverständnisse und Stasi-Tumbheit ihren Lauf.

Weblink:

Günter Kunert: Schreiben als Gymnastik - www.mdr.de


Literatur:

Die zweite Frau
Die zweite Frau
von Günter Kunert

Samstag, 9. März 2019

Günter Kunert 90. Geburtstag

Günter Kunert

Günter Kunert wurde vor 90 Jahren am 6. März 1929 in Berlin geboren. Günter Kunert ist ein deutscher Schriftsteller, der mit seinem Werk in besonderem Maße die Literatur der beiden deutschen Staaten, das heißt die Kompliziertheit ihrer Wechselbeziehungen und ihrer unterschiedlichen Befindlichkeiten, sowie dann des wiedervereinigten Deutschlands repräsentiert.

Kunert ist berühmt für seine skeptischen Gedichte, die vor ökologischen Katastrophen und Fehlentwicklungen warnen, für seine Miniaturen und kurzen Prosatexte, Notate, Hörspiele, Filme; als Romanautor kennt man ihn eher nicht.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges studierte er in Ost-Berlin fünf Semester Grafik, brach sein Studium dann jedoch ab. 1948 trat er der SED bei. Er lernte Bertolt Brecht und Johannes R. Becher kennen. Kunert kritisierte das DDR-Regime und gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann. Ein Jahr später wurde ihm die SED-Mitgliedschaft entzogen, 1979 reiste er mit seiner ersten Frau Marianne und sieben Katzen nach Westdeutschland aus.

Alles Schreiben in der DDR war der Versuch, geistig - und nicht unbedingt materiell - zu überleben.
In seinen Arbeiten nimmt er eine kritische Haltung zu Themen wie Fortschrittsgläubigkeit, Nationalsozialismus und der Politik des DDR-Regimes ein. Während seine frühen Gedichte, pädagogisch-kritisch argumentierend, dem sozialistischen Realismus verpflichtet waren und dem Fortschritt dienen sollten, nahm er später eine zunehmend skeptische und pessimistische Haltung ein.

Günter Kunert ist seit 1981 Mitglied der »Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung«, seit 1988 Mitglied der »Freien Akademie der Künste Hamburg« und war von 2005 bis 2018 Vorstandspräsident des »P.E.N.-Zentrum« deutschsprachiger Autoren im Ausland und seit 2008 Ehrenmitglied des »Fördervereins Gefangenenbüchereien e.V.«

Er erhielt für sein umfassendes Werk zahlreiche Literaturpreise: »Heinrich-Mann-Preis« (1962), »Johannes-R.-Becher-Preis« (1973), »Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf« (1985), das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1989), »Mainzer Stadtschreiber« (1990).

Günter Kunert ist seiner der wenigen noch lebenden Schriftsteller, der die Sozialisation der DDR durchlaufen und verinnerlicht hat, um davon zu erzählen. Sein Pessimismus ist legendär, aber von Resignation will er nichts wissen. Kunert schreibt weiter – auch "um mit dem Kopf in Bewegung zu bleiben".

Im September 2018 erschienen seine Aufzeichungen »Ohne Umkehr«. Günter Kunert sorgt mit hochaktuellen Prosaminiaturen für Denkanstöße.

Im Februar 2019 ist unter dem Titel »Die zweite Frau« im Wallstein Verlag ein vor mehr als 40 Jahren entstandener, bisher unbekannter Roman erschienen, dessen Manuskript von Kunert „vor kurzem zufällig in einer Truhe entdeckt“ wurde.

Weblink:

Günter Kunert: Schreiben als Gymnastik - www.mdr.de


Literatur:

Die zweite Frau
Die zweite Frau
von Günter Kunert

Ohne Umkehr
Ohne Umkehr
von Günter Kunert

Freitag, 4. Januar 2019

»Ein neues Buch, ein neues Jahr« von Theodor Fontane


Ein neues Buch, ein neues Jahr
Was werden die Tage bringen?
Wird's werden, wie's immer war
Halb scheitern, halb gelingen?

»Ein neues Buch, ein neues Jahr« von Theodor Fontane



Fontane Jahr

Freitag, 28. September 2018

Eduard von Keyserling 100. Todestag


Der deutsche Schriftsteller Eduard von Keyserling starb vor 100 Jahren am 28. September 1918 in München. Er gilt heute als in Vergessenheit geratener deutscher Schriftsteller

Eduard von Keyserling stammt aus altem kurländischem Geschlecht und studierte Jura und Kunst. Er lebte zunächst in Wien, ehe er sich nach einer ausgedehnten Italienreise als Autor in München niederließ und in der Schwabinger Boheme verkehrte.

Keyserling verfügte, dass sein Nachlass vernichtet wurde. Seit seinem 40. Lebensjahr litt er – ausgelöst durch eine Syphilisinfektion – an einer Rückenmarkskrankheit, die später zum Erblinden und zu Lähmungen führte.

Der Körper, seine Lust und Last steht vielleicht gerade deshalb oft im Zentrum seines Schreibens. Damit liegt Keyserling aber auch im Trend der Zeit. Um 1900 zelebrierten viele Autoren die obsessive wie verstörende Faszination des menschlichen, vornehmlich weiblichen Körpers. Von dekadenter Entgrenzung wie moralischer Züchtigung ist dabei gleichermaßen die Rede.

Er ist der Meister der sinnlichen Erzählkunst, ein begnadeter Impressionist und Stimmungsmagier, und sein Werk gehört zum Stilvollsten, was die deutschsprachige Literatur hervorgebracht hat. In seinem Erzählwerk, das zum Stilvollsten gehört, was die deutschsprachige Literatur zu bieten hat, setzte er der Welt von gestern ironisch funkelnde Denkmale.

Zu seinem 100. Todestag würdigt Manesse Eduard von Keyserling mit einem bibliophilen Liebhaberband, in dem erstmals sämtliche Erzählungen vereint sind. Seinerzeit zählten Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Herman Bang zu seinen Bewunderern. Und bis heute kommen Kritiker nicht aus dem Schwärmen heraus.

Er publizierte vor dem Ersten Weltkrieg in literarischen Zeitschriften und so ist die “Landpartie” eine erfreuliche Ausgrabung einer Erzählung aus der heute nur schwer zugänglichen Zeitschrift “Die Tat”.

Eduard von Keyserling wurde am 14. Mai 1855 in dem Ort Kalvene Parish in Lettland geboren.

Literatur:

Landpartie
Landpartie
von Eduard von Keyserling

Samstag, 12. Mai 2018

»Hochdeutschland« von Alexander Schimmelbusch


»Hochdeutschland« ist ein Untergangs- und Aufbruchsroman von Alexander Schimmelbusch, welcher im Finanzbereich spielt.
Aus der Perspektive des Investmentbankers Victor erlebt man in »Hochdeutschland« einen zynischen Blick auf das Deutschland unserer Zeit. Seine Ehe ist gescheitert, sein Job scheint ihn nicht auszufüllen und überhaupt scheint ein Leben, das kaum bis keine Herausforderungen mehr bietet, bei genauerer Betrachtung gar nicht so erstrebenswert zu sein.

In dem Buch geht es um den Investmentbanker Victor, der beruflich schon sein ganzes Leben auf der Überholspur unterwegs ist. Er hat sich über den typischen Karriereweg des Investment-Bankers ("Einige Jahr tot arbeiten") ganz nach oben gebracht und ist jetzt einer der drei Chefs der fiktiven Birken Bank, als der er wiederum andere junge Investment Banker ausbeutet, Politiker und Firmen berät und Lobbyismus betreibt.

Obwohl er das Luxusleben durchaus genießt, sein Privatleben besteht weitgehend aus einer losen Affäre mit seiner Nachbarin und der Zeit die er mit seiner 6-jährigen Tochter verbringt, die er abgöttisch liebt, plagt ihn doch irgendwie auch ein schlechtes Gewissen. Victor ist praktisch neoliberaler Raubtierkapitalist, hängt aber gleichzeitig theoretisch Fantasien von fast schon kommunistischer Umverteilung an und träumt zudem klischeehaft vom Schreiben eines "großen Romans".

Sein Name legt es eigentlich schon nahe: Victor ist ein Siegertyp. Als Investmentbanker hat er mehr Geld verdient, als er jemals ausgeben kann und in der Birken Bank kann er sein in den Jahren in verschiedensten renommierten Geldhäusern gesammeltes Wissen vollends ausleben. Dies trifft vor allem die jungen und geldhungrigen Mitarbeiter, von denen er vollen Einsatz und Verzicht auf ein Leben außerhalb der Bak einfordert. Doch Victor erkennt im Laufe der Zeit, dass weder Status noch Geld zu wirklichem Glück und Zufriedenheit führen und er sucht sich ein neues Betätigungsfeld: er will eine politische Bewegung gründen, eine neue Partei, die aus dem Land eine zukunftsorientierte und gewinnbringende AG macht. Mit seinem Wirtschaftswissen ist es nicht schwer, die Grundzüge eines neuen Staates zu skizzieren, der zu allgemeinem Wohlstand führen wird.

Victor nimmt sein albernes Siegerdasein als erfolgreicher Investmentbanker schon lange nicht mehr ernst. Alle Versuche, sich zu verlieben, scheinen ebenso zum Scheitern verdammt zu sein, wie es seine Ehe war. Der Autor zeichnet seinen Protagonisten als ein Produkt der marktorientierten deutschen Gesellschaft. Er ist ein Produkt der marktorientierten deutschen Gesellschaft und dieselben Fähigkeiten, auf denen sein Erfolg in diesem System basiert, weisen ihm jetzt den Ausweg – eine Revolution.

Er bewohnt eine gläserne Villa im Taunus, hat bei Bedarf Sex im Spa-Bereich des Hotel Adlon und schafft es, die Work-Life-Balance der Mitarbeiter seiner Bank in einem rentablen Ungleichgewicht zu halten. Doch all das führt zu nichts. Zum Glück lernt er den italophilen Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland kennen, dessen Lebenstraum es ist, nach seiner politischen Laufbahn als steinreicher Investmentbanker mit dem Ferrari durch Mailand zu gleiten. Dafür braucht er Victors Hilfe und unterstützt ihn im Gegenzug dabei, eine populistische Bewegung zu gründen, deren rohe Lebendigkeit Victor erlösen wird.

In seinem Roman wirft Alexander Schimmelbusch ein grelles Licht auf die deutsche Volksseele und stellt die zentralen Fragen unserer Zeit: Ist unser System kaputt? Was ist Elite? Können wir überhaupt noch kommunizieren? Haben wir Prinzipien? Welchen Preis zahlt man dafür, nach seinen eigenen Regeln zu leben? Ist es Zeit für einen radikalen Neuanfang? Für eine Stunde null, wie nach einem Krieg? Schimmelbusch hat einen wahnsinnig lustigen, bösen, politisch klugen Untergangs- und Aufbruchsroman geschrieben.

Literatur:

Hochdeutschland
Hochdeutschland
von Alexander Schimmelbusch

Mittwoch, 7. März 2018

Frank Wedekind 100. Todestag

Frank Wedekind

Frank Wedekind starb vor 100 Jahren am 9. März 1918 in München. Wedekind war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler. Wedekin war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler. Mit seinen gesellschaftskritischen Theaterstücken gehörte er zu den meistgespielten Dramatikern der wilhelminischen Epoche. Wedekind begleitete mit seinem Schaffen die wilhelminische Epoche.

Wedekind wirkte als Dichter, Schauspieler, Kabarettist und Journalist. In seinen Theaterstücken übte der Dichter scharfe Gesellschaftskritik. Vor allem als Dramatiker hat sich Wedekind einen Namen gemacht. Er gehörte zu den meistgespielten Dramatikern seiner Epoche. Mit Dramen wie „Frühlings Erwachen“ und „Lulu“ wandte er sich gegen schulische Dressur, bürgerliche Scheinheiligkeit und Prüderie. Seine Texte wurden oftmals als sittenwidrig angesehen und beschlagnahmt.

Mit seinen gesellschaftskritischen Theaterstücken gehörte er zu den meistgespielten Dramatikern seiner Epoche. Heute gehören „Frühlings Erwachen“ oder „Lulu“ zum Repertoire von Theatern in aller Welt, doch noch immer rufen Wedekinds Stücke Unverständnis hervor.

Wedekinds Dichtung und seine Theaterstücke verstörten die Zeitgenossen, wurden verboten und von der Kritik zerrissen, da dieser häufig den Finger in die Wunde der Gesellschaft legte. Seine satirischen Texte und Spottgedichte im „Simplicissimus“ brachten ihm einen Prozess wegen Majestätsbeleidigung und die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe ein.

Seine besten Gedichte schrieb er im Alter von 18 Jahren, doch der Erfolg blieb Frank Wedekind lange versagt, zu offen stand er im Widerspruch zu seiner Zeit. Zu sehr karikierten und entlarvten seine Gedichte und Theaterstücke die bigotten Moralvorstellungen der wilhelminischen Zeit.

1896 kehrte Wedekind nach Aufenthalten in der Schweiz, in London und Berlin nach München zurück und begründete die Satirezeitschrift Simplicissimus mit, in der er unter verschiedenen Pseudonymen, u. a. unter dem Pseudonym „Hieronymos“ veröffentlichte. Die Verbreitung eines satirischen Gedichts über Kaiser Wilhelm II. 1898 zwang ihn zur Flucht nach Paris. Als er 1899 nach Deutschland zurückkehrte, wurde er wegen „Majestätsbeleidigung“ verurteilt und für sechs Monate in Festungshaft genommen.

Wedekinds Frauenbild war geprägt von der schwierigen Ehe seiner Eltern und seiner tief wurzelnden Angst vor der männervernichtenden Lustfähigkeit der Frauen. Am Ende fühlte er sich von der zwei Jahrzehnte jüngeren Tilly in eine Ehe gedrängt, die unglücklich endete. Sein Verhältnis zu Frauen durch die Erlebnisse im Elternhaus gestört, scheiterte seine Ehe am Ende, begonnen hatte diese mit dem Selbstmordversuch seiner Frau.

Frank Wedekind wurde am 24. Juli 1864 in Hannover geboren.


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