Samstag, 31. März 2018

»Patria« von Fernando Aramburu

Patria
Patria

»Patria« von Fernando Aramburu. Der Roman ist am 16. Januar 2018 erschienen. Fernando Aramburu wurde 1959 in San Sebastián im Baskenland geboren. Seit Mitte der achtziger Jahre lebt er in Hannover. Für seine Romane wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2011 hatte die ETA ihren fünf Jahrzehnte währenden Unabhängigkeitskampf mit fast 900 Todesopfern für beendet erklärt. Fernando Aramburu gibt mit »Patria« den Opfern auf beiden Seiten des blutigen Partisanenkriegs eine Stimme.

Patria» heißt Vaterland, Heimat. Aber was ist Heimat? Die beiden Frauen und ihre Familie, um die es in Fernando Aramburus von der Kritik gefeierten und mit den größten spanischen Literaturpreisen ausgezeichneten Roman geht, sehen ihre Heimat mit verschiedenen Augen. Fernando Aramburu beschreibt in seinem Werk das baskische San Sebastián mit seinen spanischen und baskischen Bewohnern.

Die baskische-nationalistische Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna) kämpfte mehr als fünf Jahrzehnte lang mit Waffengewalt für ein autonomes Baskenland. Bei 4.000 Terror-Akten kamen 864 Menschen zu Tode. Im November 2011 verkündeten die ETA-Führer das Ende des bewaffneten Kampfes und vereinbarten einen Waffenstillstand mit der spanischen Zentralregierung. Ein Jahr später löste sich die Separatistengruppe auf. In 2017 begann die ETA mit der Übergabe ihrer Waffen an die Behörden. Der spanische Schriftsteller Fernando Aramburu, Jahrgang 1959, erzählt in seinem Roman „Patria“ die Geschichte des blutigen ETA-Terrors am Beispiel von zwei Familien.

Und gibt Tätern wie Opfern eine Stimme. Die Familien von Bittori und Miren sind freundschaftlich miteinander verbunden. Als Mirens ältester Sohn Joxe Mari sich der Terrorgruppe anschließt und sich an der Ermordung des Unternehmers Txato, dem Ehemann von Bittori, beteiligt, werden aus den zwei baskischen Familien erbitterte Widersacher. Kummer und Schmerz müssen alle ertragen. Auch die Kinder von Bittori und Miren leiden. Nach dem ETA-Ende konfrontiert Bittori, sie verließ nach der Ermordung ihres Mannes ihr Heimatdorf, die ehemaligen Nachbarn mit ihrer Präsenz. Sie will wissen, was damals geschah.

Und hofft auf einen Dialog mit den Tätern. Oder auf Aussöhnung. Die Trauer bleibt. Aber die alten Fronten brechen auf. Der Roman „Patria“ überwältigt und erschüttert. Fernando Aramburu, er beherrscht sein literarisches Handwerk vortrefflich, hat ein sehr kluges und emotional mitreißendes Buch geschrieben. Die stilistische Brillanz des spanischen Autors ist beeindruckend. Seine packende Saga um zwei in den ETA-Terror verstrickten Familien entwickelt eine ungemeine Sogwirkung. Jede Seite lohnt. Der Roman über den baskischen Terrorismus ist ein Meisterwerk. Die Leser, glücklich. Ein Buch, das bleibt.

Es geht in dem Gesellschaftsroman, der im Baskenland angesiedelt ist, um den ETA-Terror im Baskenland, der in den 70iger Jahren Spanien in Atem hielt. Es wird beschrieben, wie sich aus dem Stolz, ein Baske mit eigener Kultur und Sprache zu sein, allmählich der zerstörerische Wahn ausbildet, mit der Waffe gegen die vermeintlichen Unterdrücker kämpfen zu müssen. Und es wird erzählt, was danach möglich oder unmöglich ist beim Heilen der Wunden und im Prozess der Versöhnung.

In zwei – ursprünglich befreundeten – Familien stoßen scheinbar alle denkbaren Facetten und Widersprüchlichkeiten dieser Gemengelage aufeinander: zwischen Täter und Opfer gibt es eine ganze Reihe von Abstufungen quer durch die Familien – mit weitreichenden Folgen für die Lebensläufe der beteiligten Personen.


Der Autor schildert diese menschlichen Verstrickungen rund um den Terror mit einer bemerkenswerten Eindringlichkeit und schafft es so, allen Personen einen nachfühlbaren, psychologisch stimmigen Charakter zu geben. Man versteht diese Menschen, weil man sie so von innen heraus kennen lernt. Ihr Verhalten scheint zwangsläufig – weil sie so sind, wie sie sind. Was nicht bedeutet, dass es kein „richtig“ oder „falsch“ gäbe: es gibt keinen Zweifel daran, dass der Autor den sich schleichend ausbreitenden Hass, der in zahlreichen Morden endet, für ein Krebsgeschwür hält. Aber er lässt verstehen, warum dieser Tumor der Unmenschlichkeit auch zwischen zwei eng befreundeten Familien seine zerstörerische Kraft entfalten kann.

Das gesamt Buch ist wie ein riesiges Puzzle zusammengesetzt aus extrem kurzen Kapiteln von durchschnittlich ca. fünf Seiten. Es handelt sich jeweils um kurze Momentaufnahmen und diese setzen sich nur ganz allmählich zu einem Gesamtbild zusammen. Dabei wird insgesamt ein Zeitraum von über 20 Jahren durchmessen – jedes Kapitel setzt an einem anderen Punkt an. Dabei werden zwei Spannungsbogen parallel aufgespannt: die der entscheidenden Mordtat und die des Aussöhnungsversuchs.

Dass nicht nur die Konstruktion des Buches sondern auch die sprachliche Umsetzung von hoher literarischer Qualität ist, versteht sich schon fast von selbst.

Das größte Kompliment für den Autor eines solchen Buches ist aber vermutlich, dass seine Botschaft gehört wird. Diese Botschaft wird auf eine eher leise, aber absolut unüberhörbare Weise vermittelt: Die ganz normale alltägliche Menschlichkeit ist so viel wertvoller und bedeutsamer als jedes ideologisch aufgeblähte Ideal!

Der Roman von Aramburu macht Mut, weil sich die Humanität letztlich ihren Platz weitgehend zurückerobert. Aber er bietet auch mahnendes Anschauungsmaterial dafür, wie eine gesellschaftliche Verrohung im Dienste einer „großen Idee“ um sich greifen kann. Gründe, einer solchen Gefahr auch aktuell entgegenzutreten, lassen sich nicht nur im heutigen Spanien finden….

Patria
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Bittori sitzt am Grab ihres Mannes Txato, der vor über zwanzig Jahren von Terroristen erschossen wurde. Sie erzählt ihm, dass sie beschlossen hat, in das Haus, in dem sie wohnten, zurückzukehren. Denn sie will herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und wieder unter denen leben, die einst schweigend zugesehen hatten, wie ihre Familie ausgegrenzt wurde. Das Auftauchen von Bittori beendet schlagartig die vermeintliche Ruhe im Dorf. Vor allem die Nachbarin Miren, damals ihre beste Freundin, heute Mutter eines Sohnes, der als Terrorist in Haft sitzt, zeigt sich alarmiert. Dass Mirens Sohn etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hat, ist Bittoris schlimmste Befürchtung. Die beiden Frauen gehen sich aus dem Weg, doch irgendwann lässt sich die lange erwartete Begegnung nicht mehr vermeiden ...

Ein Bestseller in Spanien, monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste, ein epochemachender Roman über Schuld und Vergebung, Freundschaft und Liebe, der zeigt, wie Terrorismus den inneren Kern einer Gemeinschaft angreift und wie lange es dauert, bis die Menschen wieder zueinander finden.

Literatur:

Patria
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von Fernando Aramburu

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