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Samstag, 2. Juli 2016

»Salz auf unserer Haut« von Benoîte Groult

»Salz auf unserer Haut« von Benoîte Groult erzählt die Geschichte einer im Grunde unmöglichen, einzigartigen Liebe: George, die Pariser Intellektuelle, und Gauvin, der bretonische Fischer - Welten trennen die beiden, die Barrieren von Erziehung und Bildung, von Weltanschauung und Geschmack stehen zwischen ihnen. Als Ich-Erzählerin beschreibt Groult darin eine wilde Sex-Affäre mit einem Fischer.

Ein Leben miteinander halten beide für unmöglich. Und doch zieht sie ein Verlangen zueinander, das stärker ist als Vernunft und Konvention, eine Leidenschaft, die, auch als die Liebenden älter und reifer werden, nicht erlischt. Ein Roman voll Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, zugleich das Porträt einer freien, selbstständigen Frau, die zu ihren Gefühlen steht.

Die Liebesgeschichte zwischen der Pariser Bildungsbürgerin George und dem bretonischen Fischer Gauvain ist eine Geschichte der ständigen Verhinderungen. Über viele Lebensjahrzehnte treffen sich ihre Wege wieder und wieder. Jedes Mal flammt ihre Leidenschaft erneut auf. Jedes Mal trennen sie sich wieder und jeder geht seiner eigenen, den gesellschaftlichen Positionen angepassten, Wege.


Zwei Liebende, die einander begehren, allerdings in einer Zeit, in der der soziale Status eine unüberwindbare Mauer darstellt. Er, der bretonische Seemann aus bildungsfernem Elternhaus, derjenige, der auf dem Land aufgewachsen ist und in der körperlichen Arbeit eine Tugend sieht, wobei er für die schönen Dinge im Leben keine Zeit oder Muße hat. Sie, eine gebildete Intellektuelle, aufgewachsen in Paris, die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen stellt, aber in ihrer Liebe zu ihrem "Kormoran" nicht über ihren Schatten springen kann und so an ihre Grenzen stößt.

Eine Liebesgeschichte, die unter die Haut geht, weil sie vieles in Frage stellt und bis zum Schluss immer das Beste, das Wahrhaftigste, das Ehrlichste war, was den beiden im Leben passiert ist...einfach nur toll und dramatisch zugleich.

Salz auf unserer Haut
Salz auf unserer Haut

Ein wundervoller Roman über die Liebe zweier Seelenverwandter, denen leider ein ganzes Leben nicht ausgereicht hat, zu erkennen, dass sie auch im wahren Leben für einander geschaffen gewesen wären, bis es schliesslich zu spät war.

Damals erregten die Liebesszenen zwischen den Hauptfiguren reichlich Aufsehen. Heute sind sie noch immer prickelnd und doch so erfreulich literarisch aufgearbeitet. Dieser Roman, vor den schönsten Kulissen der unterschiedlichsten Orte auf der ganzen Welt, ist die perfekte Urlaubslektüre.

Vor allem in ihrem Heimatland wurde der Roman als "Frauen-Porno" und und "Hymne an den Phallus" kritisiert. Inzwischen gehört das Buch zu den Klassikern der erotischen Literatur. 1992 wurde es von Andrew Birkin verflimt.

Weblink:

Salz auf unserer Haut
Salz auf unserer Haut
von Benoîte Groult

Mittwoch, 29. Juni 2016

»Malina« von Ingeborg Bachmann

Malina
Malina

»Malina«, Ingeborg Bachmanns einziger Roman, Auftakt des geplanten Todesarten-Zyklus, offenbart die psychische und physische Zerstörung eines weiblichen Ichs durch das männliche Prinzip. Die fragmentarischen Teile »Der Fall Franza« und »Requiem für Fanny Goldmann« erschienen erst nach dem frühen Tod der Autorin, die 1973 an den Folgen eines Brandunfalls starb.

Nach der Trennung von Max Frisch und einem psychischen Zusammenbruch zog Bachmann zunächst nach Berlin und 1965 nach Rom, wo sie weiter an ihrem vermutlich 1962 begonnenen Todesarten-Projekt arbeitete. Über Jahre entwarf sie neue Konzepte für den Zyklus, ohne ein Buch abschließen zu können, und geriet immer mehr unter den Druck der Verleger. 1970, zehn Jahre nach ihrem ersten Prosaband Das dreißigste Jahr, erschien »Malina« in ihrem neuen Verlag Suhrkamp.

Im Alter von elf Jahren erlebte Ingeborg Bachmann den Einmarsch von Hitlers Truppen in ihrem Heimatort Klagenfurt. Das Trauma der abrupt verlorenen Kindheit überwand sie nie. Ihr Leben lang schrieb sie mit kraftvoller Poesie für eine bessere Gesellschaft und gegen die Unterdrückung des Individuums.

Die namenlose Ich-Erzählerin des Romans, eine in Wien lebende bekannte Schriftstellerin, reflektiert und beschreibt ihre Situation als Geliebte zweier Männer. Vordergründig eine Dreiecksgeschichte zwischen Ich-Erzählerin, ihrem Geliebten Ivan und Malina, mit dem sie zusammenlebt, findet das eigentliche Geschehen im Innern der Protagonistin statt. Ihre seelischen Konflikte, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien, ihre Vorstellung von Glück werden eindringlich und beklemmend dargestellt.

In Ingeborg Bachmanns Büchern wird viel gelitten und viel geliebt. Im Lieben und in der Suche nach dem Glück war sie so kompromisslos wie in ihrem Schreiben. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie »Malina«, ein stark autobiografisch geprägtes Buch. Vordergründig handelt der Roman von einer Dreiecksbeziehung der namenlosen Erzählerin mit zwei Männern: dem schönen Liebhaber Ivan und ihrem Lebensgefährten Malina.

Wenn man durch Ingeborg Bachmanns Ungargasse läuft, achtet man nicht nur auf die Häuser, sondern vor allem auf die Schilder an den Häusern. Im Haus Nr. 5 wohnte Ludwig van Beethoven, ein wenig weiter, in der Nr. 8, Joseph von Eichendorff. Nur ein Stück die Straße hinauf, jeweils eine Nummer weiter, in den Häusern Nr. 6 und Nr. 9, ließ Bachmann die Hauptfiguren ihres Romans »Malina« wohnen, deren Leben fortan um den Ort kreisen, welches von der Ich-Erzählerin ihr "Ungargassenland" genannt wird.

Bachmann selbst lebte während ihrer Zeit in Wien in der Beatrixgasse und in der Gottfried-Keller-Gasse. Beide befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Ungargasse. Dennoch wundert man sich beim Lesen des Romans „Malina“, weshalb sie gerade diese Straße als Wohnort ihrer Figuren wählt, denn die Ich-Erzählerin selbst beschreibt die Ungargasse zunächst als wenig einladend. „Sie ist […] nicht unbekannt zu nennen, denn man kennt sie schon, aber ein Fremder wird sie nie zu Gesicht bekommen, weil es in ihr nichts zu besichtigen gibt und man hier nur wohnen kann. […] Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien“.

Ivan kann ihrer Liebe letztlich jedoch nicht standhalten, die Erzählerin verzweifelt, und weder die Literatur noch Malina können sie retten; die Männerwelt ist tödlich für sie. Im Roman klingt deutlich der Wunsch nach Selbstzerstörung an, Bachmann spielt mit dem Motiv des Todes durch Verbrennen. Ahnte sie ihr eigenes, an Dramatik kaum zu überbietendes Ende? Deutungen ihrer Schriften lehnte die Autorin zeitlebens ab, sie bevorzugte stilles Nachdenken. Dafür liefert »Malina« wahrlich Stoff genug - sofern man als Leser ob der wirren Erzählung nicht frühzeitig aufgibt.




Im ersten Kapitel »Glücklich mit Ivan« beschreibt die Erzählerin ihr Verhältnis zu ihrem unerreichbar erscheinenden Geliebten. Malina, der »dritte Mann« aus dem zweiten Kapitel, ist Repräsentant der Vernunft, der die materielle Grundlage ihres Zusammenlebens sichert. Er erscheint als der männliche Teil im Bewusstsein der Erzählerin. Seine Rationalität ist dem weiblichen Ich lebensnotwendig, sie kann jedoch ihre Ansprüche ihm gegenüber nicht geltend machen. Malina wirkt menschlich und gesellschaftlich überlegen. Die Unterdrückung nimmt das weibliche Ich trotz des Wunsches nach Selbstverwirklichung und Gleichberechtigung ohne Gegenwehr hin.

Die Traumsequenzen der Ich-Erzählerin im zweiten Kapitels von »Malina« kreisen um ihren Vater. Die Ich-Erzählerin setzt die Herrschaft des Vaters über das Kind mit der Herrschaft des Mannes über die Frau gleich. Die Unterdrückung wird zusätzlich in den historischen Kontext des Holocaust gestellt.

Das dritte Kapitel »Von letzten Dingen« ist als ein fiktiver Dialog zwischen der Erzählerin und Malina über das Schreiben.

»Es war Mord«, das ist der letzte Satz ihres Romans. Die Männer haben die Erzählerin umgebracht.

Literatur:

Malina
Malina
von Ingeborg Bachmann

Rezension:

Ambivalenz eines Ortes

Samstag, 25. Juni 2016

Ingeborg Bachmann 90. Geburtstag

Ingeborg Bachmann


Ingeborg Bachmanns Geburtstag jährt sich zum 90. Mal am 25. Juni. Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Lyrikerin, Erzählerin, Essayistin.

Im Alter von 11 Jahren erlebte Ingeborg Bachmann den Einmarsch von Hitlers Truppen in ihrem Heimatort Klagenfurt. Das Trauma der abrupt verlorenen Kindheit überwand sie nie.

Ihr Leben lang schrieb sie mit kraftvoller Poesie für eine bessere Gesellschaft und gegen die Unterdrückung des Individuums. Im Lieben und in der Suche nach dem Glück war sie so kompromisslos wie in ihrem Schreiben.



1952 nahm die Lyrikerin an ihren ersten Lesung bei der »Gruppe 47« teil. Sie wurde mit vielen Lieraturpreisen ausgezeichnet: Bremer Literaturpreis, Hörspielpreis, Georg-Büchner-Preis, Großer Österreichischer Staatspreis, Anton-Wildgans-Preis.

Ingeborg Bachmann ist vielen mehr durch den berühmten Literaturpreis Österreichs bekannt oder vor allem als Lyrikerin.


Der Ton ihres Schaffens erinnert in den mythologischen Anklängen ein wenig an Christa Wolfs "Kassandra" oder an den feierlichen Ton klassizistischer Lyrik, etwa Schiller oder Hölderlin. Nicht selten entsteht beim Lesen eine Sogwirkung, da sich hinter dem prosaischen Zauber mehr, weit mehr zu verbergen scheint, als nur das geschriebene Wort. Bachmanns Charaktere reichen weit in die Tiefe, es fehlt also auch nicht an psychologischem Potenzial der Figuren.



Nach der Trennung von Max Frisch und einem psychischen Zusammenbruch zog Bachmann zunächst nach Berlin und 1965 nach Rom, wo sie weiter an ihrem vermutlich 1962 begonnenen Todesarten-Projekt arbeitete. Über Jahre entwarf sie neue Konzepte für den Zyklus, ohne ein Buch abschließen zu können, und geriet immer mehr unter den Druck der Verleger. 1970, zehn Jahre nach ihrem ersten Prosaband Das dreißigste Jahr, erschien »Malina« in ihrem neuen Verlag Suhrkamp.

Sie lebte nach Aufenthalten in München und Zürich viele Jahre in Rom, wo sie am 17. Oktober 1973 starb. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie ihren einzigen Roman "Malina", ein stark autobiografisch geprägtes Buch.

Weblinks:

Ingeborg Bachmann-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Ingeborg Bachmann-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Montag, 20. Juni 2016

Schriftstellerin Benoîte Groult gestorben

Benoîte Groult

Die französische Schriftstellerin Benoîte Groult ist tot. Die Romanautorin und Feministin ist im Alter von 96 Jahren in Südfrankreich gestorben.

Benoîte Groult wurde am 31. Januar 1920 in Paris geboren. Ihre Familie – der Vater war Innenarchitekt, ihre Mutter Modeschöpferin – verkehrte mit zahlreichen Künstlern und Schriftstellern, auch Picasso zählte zu ihren Freunden. Zunächst arbeitete Benoîte Groult als Lehrerin und später als Journalistin. Später gründete sie das F-Magazin, eine politische Zeitschrift für Frauen.

Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie in Paris als Latein- und Französischlehrerin, drauf folgte eine journalistische Karriere. Nach dem Studium der Literaturwissenschaften arbeitete sie bis 1953 als Journalistin beim RTF.

Sie begann als Redakteurin und Kolumnistin im Rundfunk, ab 1955 arbeitete sie für verschiedene Zeitschriften wie "Elle", "Marie-Claire" und "Parents". Die Geschichte des Feminismus und der Kampf gegene die Diskrimierung von Frauen, das waren die Themen, denen die französiche Schriftstellerin Benoîte Groult sich ihr Leben lang verschrieben hat.




Groult begann erst spät damit, Bücher zu schreiben. Mit 40 Jahren tat sie sich mit ihrer Schwester Flora zusammen und arbeitete an einem intimen Tagebuch, das 1963 unter dem Titel »Das vierhändige Tagebuch« erschien.

Darin erzählen die beiden Frauen von ihrem Leben im Krieg und den wenigen Freiheit, die sie als Mädchen hatten. In den nächsten vier Jahren folgten zwei weitere Bücher mit ihrer Schwester. Flora verstarb 2001 an Alzheimer. Ehe sie 1972 mit ihrem ersten eigenen Roman an die Öffentlichkeit trat, publizierte sie drei Bücher mit ihrer Schwester Flora.

Bekannt wurde Groult für ihren erotischen Roman »Salz auf unserer Haut«, der bei seiner Veröffentlichung 1988 für einen Skandal sorgte. Vor allem männliche Kritiker taten das Buch als Pornografie ab. Es erzählt, angeblich autobiografisch geprägt, von der leidenschaftlichen Liebe der Pariser Intellektuellen George zu einem bretonischen Fischer.


Ihren ersten eigenen Roman veröffentlichte Groult im Jahre 1972. »La part des choses« brachte der Autorin 1972 den Preis der Akademie der Bretagne ein. Es folgten weitere Erfolge - zu ihren Bestsellern zählte das 1975 veröffentlichte Werk »Ödipus' Schwester - Zorniges zur Macht der Männer über Frauen«. Und auch der Film zu »Salz auf meiner Haut« wurde ein großer Erfolg. Bis zur Veröffentlichung dieses Werkes war sie  überwiegend nur in Frankreich bekannt.


Groult war eine der prominentesten Feministinnen Frankreichs. Unter Staatspräsident François Mitterrand leitete sie eine Kommission, die für männliche Berufsbezeichnungen weibliche Versionen suchte. Außerdem trat sie für das Recht auf Abtreibung, die Antibabypille und später für die Sterbehilfe ein.

Weblink:

Benoîte Groult ist tot

Mittwoch, 11. Mai 2016

»Jane Eyre« von Charlotte Brontë - Neuübersetzung

Jane Eyre

»Jane Eyre« von Charlotte Brontë ist ein 1847 veröffentlichter und in der Ich-Form erzählter Roman. Darin erzählt wird die fiktive Biografie einer Gouvernante. Diese Biografie beruhte auf ihren eigenen Erfahrungen mit diesem Broterwerb als junge Hausangestellte.

»Jane Eyre« ist der erste Roman von Charlotte Brontë, der 1847 von einem Verlag verlegt wurde und mit dem sie ihren literarischen Durchbruch feierte. Um als Autorin der viktorianischen Zeit ernst genommen zu werden, veröffentlichte sie »Jane Eyre« unter dem männlichen Pseudonym Currer Bell.

Nach einer Kindheit im Waisenhaus tritt Jane Eyre eine Stelle als Gouvernante auf dem entlegenen Landsitz Thornfield Hall an – und verliebt sich unsterblich in den Hausherrn, den düsteren und verschlossenen Edward Rochester. Er erwidert ihre Gefühle, doch er ist verheiratet, und Jane weigert sich, ein Leben als Mätresse zu führen. Erst nach dem dramatischen Tod seiner Frau finden die beiden zusammen.

Mit der klugen, charakterstarken Jane Eyre schuf Charlotte Brontë eines der bewegendsten Frauenporträts der englischen Literatur. Der Roman gilt als fiktive Autobiographie der Autorin.


Jane Eyre von Charlotte Brontë und Melanie Walz

Beim Lesen des Buches fühlt der Leser sich unmittelbar in die viktorianische Zeit zurückversetzt. Der Roman erlaubt einen Blick auf diese Zeit und ihre Lebensgewohnheiten. Wer wollte da nicht Gouvernante in einem Gutshaus sein?

Melanie Walz erweckt diesen Klassiker der viktorianischen Literatur zu neuem Leben und präsentiert ihn in einer frischen und modernen Sprache. »Jane Eyre«, der erste Roman von Charlotte Brontë, liegt hier erstmals in einer vollständigen Neuübersetzung vor.

Weltliteratur, die man gelesen haben sollte, neu übersetzt:


Jane Eyre
von Charlotte Brontë und Melanie Walz

Freitag, 22. April 2016

Charlotte Brontë 200. Geburtstag

Charlotte Brontë


Charlotte Brontë wurde vor 200 Jahren am 21. April 1816 als älteste von drei Schwestern in Thornton, Yorkshire, geboren. Schon als Kind begann sie zu schreiben, arbeitete jedoch zunächst einige Jahre als Lehrerin und Gouvernante, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei widmete.

Die melancholische Landschaft im Norden Englands bestimmte ebenso wie die Familie das karge Leben der drei Schwestern, von denen so heute viel bekannt ist, weil Charlotte als die Chronistin ihrer Familie fungierte.






Um Französisch-Lehrerin zu werden, reiste Charlotte nach Brüssel und verliebte sich unglücklich in den Leiter des Pensionats Héger. Eine eifersüchtige Madame Héger und ein unbeeindruckter Monsieur Héger ließen ihre Herzenshoffnungen scheitern. Zurück in Haworth, veröffentlichte sie 1846 gemeinsam mit ihren Schwestern Emily und Anne Gedichte.

Sie versteckten ihr Geschlecht hinter dem Pseudonym Brüder Bell, um den Vorurteilen gegenüber Schriftstellerinnen zu begegnen. Die Kritik lobte, aber niemand kaufte. Charlottes Roman »Jane Eyre« hingegen zeitigte Ruhm, und Geld. Als aber herauskam, daß eine Dame vom Lande ihn geschrieben hatte, einen Skandal.



Erst spät wagte sich Charlotte hinaus in die literarischen Zirkel Londons. Obwohl sie weiterhin unter einem Pseudonym publizierte, war sie inzwischen als Autorin von »Jane Eyre« bekannt, ihrem ersten veröffentlichten Roman (1847). Die fiktive Biografie einer Gouvernante beruhte auf ihren eigenen Erfahrungen mit diesem Broterwerb, und diesen verdankt sich auch das psychologisch dichte Porträt seiner Protagonistin und ihrer zerquälten Seele.

Der Roman wurde zu einem Skandalerfolg im prüden viktorianischen Zeitalter, nicht zuletzt wegen der emanzipatorischen Ideen und erotischen Phantasien, die sich darin offenbaren. Für ihren bis heute populärsten Roman erhielt Charlotte das seinerzeit stolze Honorar von 500 Pfund.

Wie ihre Schwestern veröffentlichte sie ihre Werke unter einem männlichen Pseudonym. Die wahre Identität der Autorinnen gab sie 1850 in einem Vorwort zu Emily Brontёs »Wuthering Heights« preis. Neben »Jane Eyre« hinterließ Charlotte Brontё drei weitere Romane sowie einen gemeinsam mit ihren Schwestern publizierten Gedichtband.

Die Brontë-Schwestern haben in ihrer leider nur sehr kurzen Schaffensphase einige zeitlose Klassiker geschaffen, darunter Meisterwerke wie »Jane Eyre« oder »Sturmhöhe«. Charlotte Brontë wirkte als Chronistin ihrer Familie und als Kartografin der eigenen zerklüfteten Seelenlandschaft.


Charlotte Brontë starb am 31. März 1855 in Haworth, Yorkshire.


Weblinks:

Zum 200. Geburtstag von Charlotte Brontë: Im Herzen tobt ein Sturm - NZZ Feuilleton - www.nzz.ch

Zum 200. Geburtstag von Charlotte Brontë - www.deutschlandfunk.de

Literatur:


Jane Eyre
von Charlotte Brontë


Donnerstag, 14. April 2016

Simone de Beauvoir 30. Todestag

Simone de Beauvoir

Simone de Beauvoirs 30. Todestag jährt sich am 14. April. Simone de Beauvoir gilt als führende Repräsentantin des französischen Existentialismus in der Literatur und als eine der wichtigsten Vordenkerinnen der europäischen Frauenbewegung.

Noch während ihres Philosophie-Studiums an der Sorbonne lernte sie Jean-Paul Sartre kennen, dem sie bald Lebensgefährtin und geistige Weggenossin wurde. Für ihren großangelegten Schlüsselroman «»Die Mandarins von Paris» (rororo 10761), der die intellektuelle Elite im Frankreich der IV. Republik porträtiert, erhielt sie die höchste literarische Auszeichnung ihres Landes, den »Prix Goncourt«,




Ihre ursprünglich wohlhabenden Eltern lebten nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund von Fehlspekulationen unter wenig üppigen Verhältnissen in der Rue de Rennes. Mit fünfeinhalb Jahren kam Simone an das katholische Mädcheninstitut, den Cours Désir, Rue Jacob. Als Musterschülerin legte sie dort den Baccalauréat, das französische Abitur, ab. 1925/26 studierte sie französische Philologie am Institut Sainte-Marie in Neuilly und Mathematik am Institut Catholique, bevor sie 1926/27 die Sorbonne bezog, um Philosophie zu studieren.

1928 erhielt sie die Licence, schrieb eine Diplomarbeit über Leibniz, legte gemeinsam mit Merleau-Ponty und Lévi-Strauss ihre Probezeit als Lehramtskandidatin am Lycée Janson-de-Sailly ab und bereitete sich an der Sorbonne und der École Normale Supérieure auf die Agrégation in Philosophie vor. In ihrem letzten Studienjahr lernte sie dort eine Reihe später berühmt gewordener Schriftsteller kennen, darunter Jean-Paul Sartre, ihren Lebensgefährten seit jener Zeit.

In den Jahren 1932 bis 1936 unterrichtete sie zunächst in Rouen und bis 1943 dann am Lycée Molière und Camille Sée in Paris. Danach zog sie sich aus dem Schulleben zurück, um sich ganz der schriftstellerischen Arbeit zu widmen. Den Durchbruch als Schriftstellerin gelang ihr mit den existentialistischen Romanen »Sie kam und blieb« (1943) und »Das Blut der anderen« (1945). Zusammen mit Jean-Paul Sartre hat Simone de Beauvoir am politischen und gesellschaftlichen Geschehen ihrer Zeit stets aktiv teilgenommen.


Sie hat sich, insbesondere seit Gründung des MLF (Mouvement de Libération des Femmes) 1970, stark in der französischen Frauenbewegung engagiert. 1971 unterzeichnete sie das französische Manifest zur Abtreibung. 1974 wurde sie Präsidentin der Partei für Frauenrechte, schlug allerdings die "Légion d'Honneur" aus, die ihr Mitterrand angetragen hatte. Am 14. Apruil 1986 starb sie 78-jährig im Hospital Cochin. Sie wurde neben Sartre auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt.

Simone de Beauvoir wurde am 9. Januar 1908 in Paris als Tochter aus gutbürgerlichem Hause geboren.

Weblink:


In den besten Jahren
von Simone de Beauvoir


Montag, 28. März 2016

Virginia Woolf 75. Todestag

Virginia Woolf

Virginia Woolf nahm sich vor 75 Jahren am 28. März 1941 in dem Fluß Ouse bei Lewes (Sussex) das Leben. Sie war eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen, Kritikerinnen und feministischen Denkerinnen der Moderne.

Ihre Romane machten sie zur Mitbegründerin der modernen Literatur. So schuf sie experimentelle Romane und arbeitete mit dem "stream of consciousness". Sie gilt neben James Joyce und Marcel Proust als eine der bedeutensten Erzählerinnen des 20. Jahrhunderts. Durch ihre Essays zur Frauenfrage wie etwa »Ein Zimmer für sich allein« von 1929 wurde Virginia Woolf zu einer der Wegbereiterinnen des Feminismus.

Virginia Woolf entstammte einer wohlhabenden Intellektuellen-Familie. Ihre schriftstellerische Karriere begann relativ spät, doch Ende der zwanziger Jahre war sie eine berühmte Autorin.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag »The Hogarth Press« und das Ehepaar bildete den Mittelpunkt der »Bloomsbury Group«.

Zugleich war sie eine der lebendigsten Essayistinnen ihrer Zeit und hinterließ ein umfangreiches Tagebuch- und Briefwerk.


Im April 1925 erschien ihre Essay-Sammlung »The Common Reader« (»Der gewöhnliche Leser«), im Mai ihr berühmtester Roman »Mrs. Dalloway«. Mit der virtuosen Schilderung der Innenwelten seiner Hauptfiguren gehört »Mrs. Dalloway« zu den Meilensteinen der modernen Literatur.

Erstmals wich sie in dieser Arbeit von den damals-wie auch bei ihr selbst-üblichen Methoden des Schreibens, des Aufbaus ab und experimentierte -großartig- mit einer sehr freien Art einen Roman zu erschaffen.

Zu ihren bekanntesten Werken gehören »Mrs Dalloway« (1925), »Die Fahrt zum Leuchtturm« (1927) und »Orlando« (1928).

http://www.kalenderblatt.de/bilder/112675/small-112675.jpg Am 5. Oktober 1933 erschien ihr Buch »Flush«. Im Herbst 1936, nach der Fertigstellung von »The Years« (»Die Jahre«), erkrankte Virginia Woolf erneut. Im Juni 1938 erschien die umstrittene feministische Streitschrift »Three Guineas« (Drei Guineen).

Die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf kämpfte in einem Londoner Vorort gegen ihre kranke Psyche. In ihren letzten Lebensjahren geriet sie in eine abgrundtiefe Verzweiflung, gegen die sie lange ankämpfte.

Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als Tochter des Biographen und Literaten Sir Leslie Stephen in London geboren.

Weblink:

Virginia Woolf-Biografie - www.glanzundelend.de

Literatur:

Mrs. Dalloway
Mrs. Dalloway
von Virginia Woolf

Mittwoch, 23. März 2016

»Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach« von Daniela Strigl


Marie von Ebner-Eschenbach gilt mit ihren psychologischen Erzählungen als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerinnen des 19. Jahrhunderts.

Marie von Ebner-Eschenbach wurde erst spät als Literatin anerkannt. Sie kam erst spät zu literarischen Ehren.

Im Jahr 1899 ehrte Kaiser Franz Joseph die Schriftstellerin. Diese Ehrung verhalf ihr zum Durchbruch.


Die berühmteste österreichische Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts wurde lange nur als „Dichterin der Güte“ wahrgenommen. Doch sie war viel mehr: Poetische Realistin,
Dramatikerin, Aphoristikerin, Fürsprecherin der Emanzipation, Kämpferin gegen den Antisemitismus, Offiziersgattin, Uhrmacherin und „Reitnärrin“.

Nachdem sie 1880 ihre Erzählung »Lotti die Uhrmacherin« veröffentlicht hatte, hieß man sie auch in Verlagen willkommen. 1887 erschien ihr Roman »Das Gemeindekind«, der bis heute eine große Bedeutung in der Literatur hat. Marie von Ebner-Eschenbachs Ruhm nahm im Laufe der Zeit so sehr zu, dass in Österreich und Deutschland sogar ihr 70. und 80. Geburtstag gründlich gefeiert wurden.



»Es schreibt keiner wie ein Gott,
der nicht gelitten hat wie ein Hund.«



Marie von Ebner-Eschenbach



Ihr ganzes Leben lang kämpfte sie gegen die etablierten Gedanken ihrer Zeit. Sie schrieb nicht etwa, um den Familienunterhalt zu finanzieren, sondern vielmehr mit der Inspiration und Überzeugung, ihre Schriften könnten die Gedanken ihrer Zeit verändern. Ihre Absicht war, Sittlichkeit und Humanismus zu vermitteln.




1900 wurde die Schriftstellerin als erste Frau mit dem Ehrendoktortitel der Wiener Universität ausgezeichnet. Nach der Veröffentlichung ihrer fiktiven satirischen Reisebriefe »Aus Franzensbad« (1858) schrieb sie lange ausschließlich für das Theater, wo sie allerdings mit ihren historischen Dramen und Gesellschaftsstücken nur Misserfolge erntete, so dass sie sich nach dem skandalerregenden, weil adelskritischen Stück »Das Waldfräulein« der Erzählprosa zuwandte.


In der ersten Biografie seit 1920 verfolgt Daniela Strigl Ebner-Eschenbachs Weg von ihrer Geburt im südmährischen Zdislawitz bis zum späten Ruhm. Zerrissen zwischen adeliger Herkunft und sozialer Gesinnung, Ethos und Ironie, Ehrgeiz und Bescheidenheit, gesellschaftlichen Rücksichten und der Leidenschaft fürs Schreiben, hielt Ebner-Eschenbach gegen den Widerstand ihrer Familie, gegen die Häme der Theaterkritik unbeirrbar an ihrem Ziel fest.


»Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach« von Daniela Strigl


Weblink:


Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach
Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach
von Daniela Strigl

Samstag, 20. Februar 2016

Schriftstellerin Harper Lee gestorben



Die amerikanische Schriftstellerin Harper Lee ist im Alter von 89 Jahren in ihrer Heimatstadt Monroeville im Bundesstaat Alabama gestorben. Die Autorin wurde durch ihren Roman "Wer die Nachtigall stört" berühmt. Das Buch gilt als einer der amerikanischen Literaturklassiker.

Der halbbiografische Roman gehört mit mehr als 40 Millionen verkauften Exemplaren zu den meistgelesenen Büchern überhaupt. Lees Roman erschien 1960 unter dem Titel "To Kill a Mockingbird" ("Wer die Nachtigall stört") und erhielt im darauf folgenden Jahr den Pulitzer-Preis. Bereits 1962 wurde er von Robert Mulligan mit Gregory Peck in der Rolle des Atticus Finch verfilmt. Die Verfilmung trug zu ihrem Ruhm bei und brachte Gregory Peck als Hauptdarsteller einen Oscar ein.

"Wer die Nachtigall stört" erzählt die Geschichte der kleinen Scout, die in den 1930er-Jahren in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Alabama aufwächst. Als ihr Vater, der als Rechtsanwalt arbeitet, einen zu Unrecht angeklagten Afroamerikaner verteidigt, lernt Scout die brutalen Ungerechtigkeiten der Trennung von Weißen und Schwarzen kennen.

Im vergangenen Jahr hatte die Veröffentlichung von Lees zweitem Buch, "Geh hin, stelle einen Wächter", für Schlagzeilen gesorgt - mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem ersten Welterfolg. Das Buch hatte sie bereits vor "Wer die Nachtigall stört" geschrieben, das Manuskript galt aber lange Zeit als verloren.

Die amerikanische Schriftstellerin Harper Lee führte ein Leben im Schatten dieses Buches, welches einen dunklen Schatten auf den Rassismus der Menschen in den Südstaaten wirft. Mit "Wer die Nachtigall stört" landete sie 1960 einen Welterfolg. Nach mehr als 50 Jahren veröffentlichte Harper Lee erst 2015 ihren zweiten Roman: "Geh hin, stelle einen Wächter".

Die Romane von Harper Lee sind autobiografisch, handeln von ihrer Familie und spielen in ihrer Heimatstadt Monroeville in Alabma.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Swetlana Alexijewitsch ist eine vielstimmige Mahnerin

Swetlana Alexandrowna 
Alexijewitsch

Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch, eine namhafte literarische Chronistin des Leids und Alltags der zerfallenden Sowjetunion.

ie 67-Jährige bekommt den wichtigsten Literaturpreis der Welt „für ihr vielstimmiges Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“, wie die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm mitteilte. Es ist das 14. Mal, dass der Preis an eine Frau geht.

Die Literatur von Swetlana Alexijewitsch besteht aus Stimmen, den Stimmen des Volkes.
Swetlana Alexijewitsch sammelt Stimmen, hat ihr schriftstellerisches Leben lang Stimmen gesammelt. Mit einem eigenen literarischen Stil ist die Weißrussin zum moralischen Gedächtnis der zerfallenen Sowjetunion geworden.

„Romane in Stimmen“ nennt Alexijewitsch ihre Methode auch. Erstmals wandte die gelernte Journalistin sie 1983 im Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ an. Mit Interviews dokumentierte sie das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg. Das waren keine grandiosen Heldengeschichten, die alten Frauen erzählten vom Grauen des Tötens, vom schwierigen Überleben in der Männerwelt und von der schweren Rückkehr in das Alltagsleben. „Die Männer haben ihre Kampfgefährtinnen vergessen, haben sie verraten. Sie haben ihnen den Sieg gestohlen und nicht geteilt“, sagt die Autorin.

Sie hat Collagen geschaffen, die das ganze Leid, die Katastrophen und den harten Alltag der Menschen in ihrer Heimat aufarbeiten. 2013 erhielt sie dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Nun wird sie auch mit dem Literaturnobelpreis geehrt . Erstmals seit der Auszeichnung für den russischen Dichter Joseph Brodsky 1987 geht der Preis wieder in den früher sowjetischen Sprach- und Kulturraum.

Die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch wurde vor 65 Jahren am 31. Mai 1948 in Stanislaw, Ukraine, als Tochter einer Lehrerfamilie geboren. Ihre Mutter war Ukrainerin, ihr Vater Weißrusse.

Weblink:

Alexijewitsch: Großes Werk aus vielen Einzelstimmen - www.focus.de/kultur

Freitag, 9. Oktober 2015

Swetlana Alexijewitsch erhält Literaturnobelpreis

Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch

Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch. Swetlana Alexijewitsch wird in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Sie befand sich schon länger auf der Liste der Favoriten vür ie Preisverheihung.

Die Journalistin und Schriftstellerin werde für ihr "vielstimmiges Werk" geehrt, das "dem Leid und dem Mut unserer Epoche ein Denkmal setzt", sagte die Leiterin der Akademie und Jury-Vorsitzende.

Die weißrussische Autorin befasst sich in ihren Werken mit der sowjetischen Vergangenheit. Alexijewitsch wurde im Vorfeld als Favoritin gehandelt; sie ist die 14. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält.

Mit Swetlana Alexijewitsch wird eine weißrussische Schriftstellerin geehrt, welche die Lebenswelten ihrer Mitmenschen aus Weißrussland, Russland und der Ukraine nachzeichnet und in Demut und Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaften Ausdruck verleiht.

Alexijewitsch ist mit einem ganz eigenen literarischen Stil zum moralischen Gedächtnis des zerfallenen Sowjetimperiums geworden. Die weißrussische Schriftstellerin hat mit ihren Collagen das Leid, die Katastrophen und den harten Alltag der Menschen in ihrer Heimat aufgearbeitet.

Mit den Berichten über Tschernobyl, über den sowjetischen Afghanistan-Krieg und über die unerfüllten Hoffnungen auf ein freiheitliches Land nach dem Auseinanderbrechen des Sowjetimperiums lässt sie in der tragischen Chronik der Menschen einen Grundstrom existentieller Enttäuschungen spürbar werden.

Sie interviewt Zeitzeugen und macht daraus Literaur. Sie gibt den Menschen eine Stimme. Aus den vielen Stimmen setzen sich ihre Protokolle zusammmen.

Swetlana Alexijewitsch hat durch die Komposition ihrer Interviews, die auch die Grundlage ihres neuesten Buches »Secondhand-Zeit« bilden, zu einer eigenen literarischen Gattung gefunden, zu einer chorischen Zeugenschaft. Als moralisches Gedächtnis hinterfragt sie, ob Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit nicht die besseren Alternativen wären.

Mit ihrer Affinität zum Abgründigen im Menschen steht Alexijewitsch in der russischen Tradition einer großen Literatur des Leidens. Doch ihre Erzähler sind nicht nur Nachfahren Dostojewskis. Sie sind ebenso Kafkas Enkel, deren Welt zerfallen ist und die ihr Leben wie im Schock erfahren.

Die nun ausgezeichnete Autorin ist hierzulande keine Unbekannte. Swetlana Alexijewitsch wurde bereits 2013 mit dem »Friedenspreis des deutschen Buchhandels« und 1998 mit dem »Leiziger Buchpreis für den Frieden« augezeichnet.

Weblink:

Vielstimmige Mahnerin - 3 Sat Kultuzeit - www.kulturzeit.de

Samstag, 19. September 2015

»Transit« von Anna Seghers

TransitTransit

»Transit« ist ein erschienener Roman von Anna Seghers.

Den Titel verdankt das Buch dem unter den „Abfahrtssüchtigen” und „Visumsbesessenen” zum Fetisch gediehenen Begriff „Transit”, der Durchreisegenehmigung, ohne die man keine Ausreiseerlaubnis bekam, sofern man ein Einreisevisum und womöglich ein Affidavit besaß – jeder Begriff, jeder Schein ein anderes bürokratisches Monstrum, dessen Erwerb unabdingbar war neben einem der raren Plätze auf einem Schiff. Spätestens vor den Fahrkartenschaltern der Schifffahrtslinien und den Visa-Abteilungen der Ziel- und Durchreisestaaten ist das Gemeinschaftsgefühl verflogen. Die einen machen mit der Not ihre Geschäfte, manche spielen sich auf als Retter und Wohltäter, andere sind schamlose Verräter.

In ihren Figuren verdichtet sie alle möglichen Schicksale, besonders ihr eigenes vertracktes Problem, die Identität der flüchtigen Anna Seghers mit der bürgerlichen Netty Radvani nachzuweisen. Ihr Held und Erzähler Seidler, dem Literatur nichts bedeutet, hat den Namen eines Schriftstellers Weidler übernommen, der sich in Paris umbrachte. Doch er stiehlt sich nicht einfach in eine andere Identität, er erlangt sie auf dem mexikanischen Konsulat, weil der Beamte, der den Schwindel offenbar durchschaut, die Sache sportlich nimmt und sein intellektuelles Vergnügen daran hat.

„Transit” gilt als beinah historisches Zeugnis vom Schicksal der Flüchtenden. Aber der Verzweiflung der Bedrohten gegenüber steht der skeptisch distanzierte Seidler, gutmütiger Schelm und kapriziöser Held zugleich.

Damals hatten alle nur einen einzigen Wunsch: abfahren. Alle hatten nur eien einzige Furcht: zurückbleiben. Fort nur fort aus diesem zusammengebrochenen Land, fort aus diesen zusammengebrochenen Leben, fort von diesem Stern.

Flüchtlinge aus allen Ländern Europas treffen 1940 zu Tausenden in Marseille ein. Sie hetzen nach Visa, Stempeln, Bescheinigungen, ohne die sie den Kontinent nicht verlassen können. Im Chaos der Stadt, in den Cafés, auf der Jagd von Behörde zu Behörde kreuzen sich ihre Wege. Unter ihnen der Ich-Erzähler, der eine schmerzliche Liebe zu der Frau durchlebt, die rastlos ihren Mann sucht, an dessen Tod sie nicht glauben will.

Mit falschen Papieren und - durch Zufall - mit der Hinterlassenschaft jenes Toten ausgestattet, erhält er durch glückliche Umstände eine Passage nach Übersee. Doch er gibt sie zurück. Auf ihrer eigenen Odyssee von Marseille nach Mexiko - unmittelbar unter dem Eindruck ihrer persönlichen Erlebnisse - begann Anna Seghers an diesem Roman zu arbeiten. Dennoch spiegelt er die Ereignisse nicht einfach wider, sondern ist ein Werk großer Kunst und Künstlichkeit, voll Ironie, Spiel und scheinbarer Leichtigkeit.


Mit diesem Band liegt die erste authentische Buchausgabe von "Transit" vor. Sie basiert auf der ersten deutschen Veröffentlichung in der "Berliner Zeitung" von August bis November 1947, die erheblich von allen bisherigen Buchpublikationen abweicht und sprachliche wie stilistische Eigenheiten der Autorin erhalten hat. Anmerkungen und Kommentar erläutern die komplizierte Geschichte und die vielschichtige Struktur des Romans, der, so Heinrich Böll, "zum schönsten wurde, den Anna Seghers geschrieben hat".




Weblink:

TransitTransit von Anna Seghers

Samstag, 22. August 2015

»Vor dem Sturm« von Jesmyn Ward

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm

Jesmyn Ward, geb. 1977, wuchs in der Stadt DeLisle in Mississippi auf. Nach einem Literatur-Studium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der »University of Mississippi«. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der »Tulane University« in New Orleans. Ihr erster Roman »Vor dem Sturm«, eine literarische Verarbeiung des Wirbelsturms "Katrina", wurde mit dem »National Book Award« ausgezeichnet.

Jesmyn Ward

Ein Hurrikan braut sich über dem Mississippi-Delta zusammen. Esch und ihre drei Brüder sind Halbwaisen. Sie wohnen in einer Hütte am Rande des Waldes und kämpfen gemeinsam ums Überleben: Mit kleinen Diebstählen halten sie die Familie über Wasser. Als Esch merkt, dass sie schwanger ist, weiß sie nicht, wem sie sich anvertrauen kann.

Unterdessen wird das Wetter drückender und drückender, ein Sturm zieht auf. Trotz aller Widrigkeiten stehen die vier Geschwister unverbrüchlich zueinander. Nach dem dramatischen Unwetter sammelt die Familie ihre Kräfte, um einem neuen Tag ins Gesicht zu sehen. Es ist der Tag nach dem Wirbelstrum "Katrina".

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm

Das Buch der Südstaaten-Autorin ist tief berührend. Es schildert das Leben einer Familie, wie sie in der Gegend von Louisiana häufiger vorkommt, aber von der man als Tourist normalerweise nichts wahrnimmt. Die Famiie ist sehr arm und kommt gerade so durch, bis der Sturm naht. Jetzt zeigt sich, wie stark der Zusammenhalt ist und wie der Kampf um das Überleben gemeistert wird.

Der Schreibstil der Autorin ist ungemein fesselnd. Schnörkellos, tiefgründig, direkt und sprachlich unglaublich gut an die Situationen angepasst. Sie erzählt die Geschichte aus Sicht der jungen Esch in der Ich-Perspektive und lässt somit einen wunderbaren tiefen Blick auf das Innerste ihrer Protagonistin zu. Sie erzählt aus dem schwierigen Leben in einem sehr armen Viertel im Süden der USA, in dem die Bevölkerung hauptsächlich Schwarz isz und konzentriert sich dort bewusst auf die Familie von Esch und deren Freunde bzw. Umfeld.

Die Autorin behandelt in der Südstaaten-Prosa die ganze Thematik unglaublich behutsam und doch sehr direkt und scheut sich auch nicht, dabei politisch aufzutreten und ihre Leser auf diverse Missstände hinzuweisen. Sie öffnet einen tiefen Blick auf die arme Seite der USA, die zwar zum Teil bekannt ist, aber den Leser doch wieder erschüttert zurücklässt. Der angekündigte Sturm, der drohende Hurricane, wird von der Familie anfänglich ignoriert. Nur Eschs Vater nimmt die Lage ernst, doch sein Hang zum Alkohol raubt ihm die Energie, sich ernsthafter darauf vorzubereiten. So fährt er seine Kinder herrisch an, das Haus zu sichern, Vorräte herbei zu schaffen und Wasser zu bunkern.

Doch noch herrscht die große "Ruhe vor dem Sturm". Die Kinder hängen ihren eigenen Sorgen und Bedürfnissen nach. Da sie ihre Mutter früh verloren haben, müssen sie sowieso schon viele Aufgaben erledigen und Verantwortung übernehmen für Dinge, für die sie eigentlich noch zu jung sind. Esch muss sich um ihren jüngsten Bruder Junior kümmern, Skeetah versorgt seine Pitbull-Hündin China, die Nachwuchs bekommt und Randall trainiert verbissen für seine Basketball-Karriere.

Esch führt heftigste innere Kämpfe mit sich durch. Beobachtet sie doch an einem Tag noch die Hündin China bei der Geburt ihrer Welpen, muss sie am nächsten Tag feststellen, dass sie selbst Schwanger ist! Eine Achterbahn der Gefühle macht sich breit - in ihr brodelt quasi ein eigener Sturm, braut sich ein eigener Gefühls-Hurricane zusammen.

Jeder der Kinder hat so seinen eigenen persönlichen Sturm zu bewältigen. Ihre Charaktere sind dabei sehr tiefgründig und facettenreich gezeichnet.

Kleine typische Dramen des Erwachsenwerdens spielen sich ab. Die junge unerwiderte Verliebtheit von Esch in Manny, der vermeintliche Vater ihres ungeborenen Kindes. Dieser distanziert sich sofort von ihr, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt und kehrt zu seinem Mädchen zurück.


Literatur [ >> ]:

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm
von Jesmyn Ward

Samstag, 15. August 2015

»Wer die Nachtigall stört« von Harper Lee

Harper Lee

»Wer die Nachtigall stört« (»To Kill a Mockingbird«)ist ein 1960 erschienener Roman der 1926 in Monroeville, Alabama,geborenen amerkanischen Schriftstellerin Harper Lee. Das Südstaatenepos ist ein packender Roman über Unrecht und Gerechtigkeit, über Rassismus und Fremdheit und ein flammendes Plädoyer für die Gleichheit aller Menschen. Harper Lee beschwört darin den Zauber und die versponnene Poesie einer Kindheit tief im Süden der Vereinigten Staaten in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.







Die Geschwister Scout und Jem Finch wachsen in einer äußerlich idyllischen Welt heran, erzogen von ihrem Vater Atticus, einem menschenfreundlichen Anwalt. Auf den weiten Rasenflächen des fiktiven Örtchens Maycomb, Alabama, auf denen weiße Villen und tropische Bäume stehen, erfahren sie die Freuden und Geheimnisse des Heranwachsens. Doch durch die alte Gesellschaft des Südens ziehen sich tiefe Risse: zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Arm und Reich.

Wer die Nachtigall stört
Wer die Nachtigall stört




Als Scouts Vater, der Anwalt, die Verteidigung eines schwarzen Landarbeiters übernimmt, der angeblich ein weißes Mädchen vergewaltigt hat, erfährt die Achtjährige staunend, dass die Welt viel komplizierter ist, als sie angenommen hat. Tapfer versucht sie, die demokratischen Gerechtigkeitsideale ihres Vaters gegen alle Anfechtungen hochzuhalten, und gerät selbst in Gefahr.

Für den 1960 veröffentlichten Debütroman und ihr bisher einziges Buch »Wer die Nachtigall stört« erhielt sie mehrere Preise, u.a. den »Pulitzer-Preis«. Der Roman zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Romanen des 20. Jahrhunderts, wurde in 40 Sprachen übersetzt und hat sich international rund 40 Millionen Mal verkauft.

Nun ist der moderne Klassiker in einer Neuauflage erschienen. 1960 in den USA publiziert, wurde »Wer die Nachtigall stört« schnell ein Welterfolg und eroberte die Herzen von Generationen von Lesern im Sturm.

Weblink:

Wer die Nachtigall stört
Wer die Nachtigall stört
von Harper Lee


Samstag, 1. August 2015

»Sommergäste in Trouville« von Undine Gruenter

Sommergäste in Trouville


Sommergäste in Trouville

Trouville ist ein beliebtes Seebad an der französischen Atlantikküste. »Sommergäste in Trouville« ist ein stimmungsvoller Erzählband mit 15 Kurzgeschichten der im Jahr 2002 verstorbenen Schriftstellerin Undine Gruenter. Der Erzählband »Sommergäste in Trouville« ist postum erschienen, ist also sozusagen ein poetisches Vermächtnis der Undine Gruenter.

»Sommergäste in Trouville« erzählt von sommerlichen Stimmungen in einem Seebad an der Atlantikküste. Eine handvoll Sommerstimmungen kreiert Undine Gruenter mit ihren Kurzgeschichten »Sommergäste in Trouville«. Es sind wie Erzählungen wie aus vergangenen Zeiten. Fin de Siècle des ausgehenden 20. Jahrhunderts, die Morbidität Frankreichs, der Scheinreichen und der wirklich Reichen, Dekadenz, die Melancholie des verblassenden Blaus in den adligen Adern, Sehnsüchte, Traurigkeit.
Gruenter betont die für einige Augenblicke im Sommerdomizil wiedergefundene Langsamkeit und Ursprünglichkeit, vermittelt gleichzeitig jedoch die Unmöglichkeit, in den heutigen Zeiten ein solches Leben außerhalb der Ferien fortzusetzen zu können.

Leicht lassen sich diese 15 Kurzgeschichten lesen, denen nur der Ort und die Grundstimmung gemeinsam ist. Nachdenken muss man manchmal über die mögliche Zweideutigkeit der Situationen. Eine Vielzahl wunderschöner Wörter und Umschreibungen werden verwendet. Edle Speisen, Bekleidung und Wohnausstattung wie auch Baustile werden mit französischem Fachvokabular erklärt, dessen Kenntnis die Geschichten sicher noch interessanter machen würde. Ein Wörterbuch auf den Knien verscheucht andererseits jedoch die gewobenen Stimmungen!

Seltsame und faszinierende Menschen am Strand, in den Hotels und auf den Promenaden: die Achtzigjährige, die seit Jahr und Tag ans Meer fährt und bereits vom ewig gleichen Taxifahrer erwartet wird, Künstler, Geschäftsleute und Müßiggänger. Mit großer atmosphärischer Dichte und sprachlicher Finesse lässt Undine Gruenter eine Welt entstehen, die von großer Wirklichkeit ist und zugleich immer wirkt wie ein Traum aus einer anderen Zeit.

Die turbulente Hochsaison ist vorbei. Jetzt kommen die Dauergäste wie die Achtzigjährige, die seit Jahr und Tag vom gleichen Taxifahrer erwartet wird. Jetzt kommt das junge Mädchen, das in der schattigen Ferienvilla die eigene Sexualität erkundet. Oder der Schriftsteller, der auf der Suche nach einem Feriendomizil die Gassen des Badeorts durchstreift und dabei plötzlich ein Kind in einem Zimmer entdeckt, das mit einem weißen, apathischen Gesicht auf eine erleuchtete Weltkugel starrt.

Vergangenes scheint im Gegenwärtigen auf in den wunderbaren, zarten und leichten Arrangements, die Undine Gruenter für ihre Erzählungen entwirft. Mehr als Personen werden in ihnen Stimmungen lebendig. Und über allem liegt ein Hauch Melancholie.

Dieser Art sind die Erzählungen der Undine Gruenter in dem Erzählband. Und sie sind unvergleichlich schön, von großer poetischer Kraft und Dichte, voller sprachlicher Finesse. In ihnen steht die Zeit still. Es sind elegische Idyllen, Skizzen und Traumbilder über Leben und Liebe, Mann und Frau. Es sind gleichermaßen "offene Kunstwerke", Geschichten ohne Ende.

Vor allem gelingt es Undine Gruenter - hier erweist sich die Dichterin als gelehrige Schülerin von Proust und Flaubert - , Atmosphäre zu vermitteln: von der Tristesse des verlassenen Ortes, von Interieurs, Villen und Hotels und von Seelenlandschaften. So sind »Sommergäste in Trouville« Erzählungen wie aus vergangenen Zeiten und gleichzeitig moderne Geschichten von den existenziellen Befindlichkeiten des Menschen.

Literatur:

Sommergäste in Trouville


Sommergäste in Trouville von Undine Gruenter"

Mittwoch, 29. April 2015

»Who The Fuck Is Kafka« von Lizzie Doron

Who the Fuck Is Kafka
Who the Fuck Is Kafka

Die 1953 als Tochter einer Holocaust-Überlebenden in Tel Aviv geborene israelische Schriftstellerin Lizzie Doron ist in Deutschland durch ihre ausnahmslos autobiographisch geprägten Bücher bekannt geworden, in denen sie das Lebensgefühl und die Probleme der sogenannten „zweiten Generation“ thematisierte.

Nun hat Lizzie Doron ein neues Buch mit einem provokanten Titel veröffentlicht: »Who the Fuck Is Kafka«. - In Israel weiß man wohl, wer Kafka ist, aber gilt dies auch für die Palästinenser? Der Titel des Buches könnte einem Palästinenser jedenfalls in den Mund gelegt worden sein.

Das Buch besticht durch eine andere Weltsicht auf Israel: der eines Palästinsers. Wie können sich Menschen, Völker, die in einem Land leben, so fremd sein? Kann es eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinenaern geben?

Auf einer Friedenskonferenz in Rom lernt die Schriftstellerin Anfang 2009 jenen Nadim kennen, während unter dem Namen „Operation gegossenes Blei“ in Israel und Gaza Krieg herrscht. Die beiden freunden sich an, und besonders durch die unsägliche Geduld von Lizzie Doron bleibt diese ungewöhnliche Freundschaft über viele Jahre bestehen und besteht viele Krisen.

Eine israelische Schriftstellerin und ein palästinensischer Journalist begegnen sich in Rom auf einer Friedenstagung. Beide bleiben bis zum Schluss Freund und Feind gleichzeitig. Sie stecken in Schubladen aus denen sie Kraft ihrer Geburt nicht herauskommen, nicht einmal beim besten Willen.

Mit unglaublich wenigen Klischees kommt Lizzie Doron in ihrem neuen Roman aus. Auf der Friedenstagung werden alle Teilnehmer gebeten ihre Ausweise im Safe des Hotels zu hinterlegen. Der Palästinenser weigert sich, die israelische Autorin braucht eine Weile um zu kapieren warum er gerade so handelt. Indem sie beginnen nicht nur in vorgefertigten, eingefahrenen Denkschablonen zu verweilen, wächst Verständnis.

Mit der Tagung ist die Freundschaft nicht beendet. Beiden wird bewusst wie fremd ihnen doch eigentlich das Leben des Anderen und seines Volkes ist. Sie besuchen sich gegenseitig, lernen die Lebensumstände kennen und der Palästinenser will, dass die Autorin ein Buch schreibt, er selbst will einen Film drehen. Als sie den 6-Tage-Krieg erwähnt, muss sie lernen, dass diese Bezeichnung eine Beleidigung für die Palästinenser ist.

Plötzlich taucht eine Deutsche auf. Auch sie will einen Film drehen. Sie hat bereits eine Film-Firma und sogar Fördergelder. Allein das Feingefühl und das Wissen um die Problematik fehlen ihr.

Aus einem Mosaik nüchtern präziser Beobachtungen erschafft Lizzie Doron in »Who the Fuck Is Kafka« ein sehr intimes Psychogramm der derzeitigen israelischen und palästinensischen Gesellschaft, wie man es noch nicht gelesen hat.

Weblink:

Who the Fuck Is Kafka
Who the Fuck Is Kafka
von Lizzie Doron

Mittwoch, 25. Juni 2014

»Das goldene Ei« von Donna Leon

Das goldene Ei
Das goldene Ei

»Das goldene Ei« - Commissario Brunettis zweiundzwanzigster Fall - ist zugleich Brunettis privatester Fall: ein Mord im näheren Umfeld des Commissarios direkt vor seiner Haustüre. Alles sieht zunächst – nach einem Unfall aus und niemand in der Umgebung des Opfers will bei diesem verdeckten Mord etwas gewusst haben, doch auch Nichtstun kann zum Verhängnis führen.

In der Nachbarschaft ist ein behinderter junger Mann gestorben, den Brunettis Frau Paola oft gesehen hatte, weil der Junge in der Wäscherei aushalf, obwohl er nicht sprechen konnte und geistig zurückgeblieben wirkte. Er ist an Schlaftabletten gestorben, wobei es unklar ist, ob er sie absichtlich eingenommen hatte, oder aus Versehen, weil sie bunt überzogen waren und wie Bonbons aussahen.

Ein junger Mann ist in Venedig zu Tode gekommen. Commissario Brunetti und auch seine Frau Paola kannten ihn seit einigen Jahren. Weil der taubstumme Junge als Aushilfe in der Reinigung arbeitete, die die Familie Brunetti fast wöchentlich frequentiert. Paola ist schockiert darüber, dass man so wenig über den toten Jungen wusste und bittet ihren Mann, mehr über ihn herauszufinden.

Der Tod des Jungen durch Schlaftabletten soll als Unfall wie so oft zu den Akten gelegt werden. Gleichzeitig will Vice-Questore Guiseppe Patta seinem Freund dem Bürgermeister einen großen Gefallen tun und gibt Brunetti einen zweifelhaften Auftrag, der aber in Italien offenbar zum Alltag gehört. hat daran großes Interesse. Während Brunetti diesen Auftrag schnell erledigt hat, lässt ihn aber der Tod des Jungen nicht ruhen

Von seiner Schöpferin seit nunmehr 21 Bänden ihrer Krimireihe mit ungewöhnlichem Instinkt ausgestattet, wittert Brunetti hinter diesem Tod etwas anderes, obwohl es zunächst einmal reine private Neugier ist, die ihn mit der Mutter des Jungen Kontakt aufnehmen lässt. Der Junge dürfte eigentlich gar nicht existiert haben, denn es gibt keine einzige offizielle Erwähnung. Weder Geburt noch Taufe sind dokumentiert und auch keine Krankenversicherung etc.

Wieder einmal löst er einen Fall, indem er Schicht um Schicht zu der Wahrheit vordringt. Aber wie schon so oft, kann er seine Schlussfolgerungen nicht beweisen, und es kommt - wie so oft in Italien - zu keinen strafrechtlichen Folgen für diese Tat.

Verpackt in einen Unterhaltungsroman ist auch dieser Kriminalfall eine schreiende Anklage gegen das italienische System, die Regierung, die Korruption, das Beamtentum, die Vetternwirtschaft die sich in alle soziale Schichten drängt.

Donna Leon ist es gelungen dies wieder in einem Beispiel der menschlichen Tragödie zu verpacken, die auch vor Menschenverachtung, Mord und der Spekulation mit allen Mitteln nach dem "Goldenen Ei" - dem Mammon - zu greifen, nicht haltmacht.

Weblink:

Das goldene Ei
Das goldene Ei
von Donna Leon

Donnerstag, 21. November 2013

Nadine Gordimer zum 90. Geburtstag

Vor 90 Jahren wurde die südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer am 20. November 1923 in dem Minenstädtchen Springs, Transvaal, geboren. Nadine Gordimer ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Südafrikas und gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit.

Beinahe ihr gesamtes Leben lebte und schrieb sie in einem Südafrika, das von Apartheid gespalten war. Gordimer gehörte in den 1950ern zu einer kleinen Gruppe, die bewusst die damaligen Apartheidgesetze missachtete, um diese zu unterhöhlen.

In ihrer Kindheit früh mit Rassentrennung und Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung konfrontiert, wurde sie zur politischen Schriftstellerin, die öffentlich für die Gleichberechtigung der Schwarzen eintrat. Ihre Bücher standen oft auf dem Index der südafrikanischen Zensur.

Ihre Romane, Erzählungen und Essays behandeln vor allem die südafrikanische Apartheidpolitik und deren zerstörerische Folgen sowohl für die schwarze als auch für die weiße Bevölkerung. 1974 bekam Nadine Gordimer den Booker Prize, 1991 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

In dem Roman "Die Hauswaffe" (dt. 1998) und "None to Accompany Me" (1994) schrieb sie über die veränderten Verhältnisse in Südafrika nach der Apartheid. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt sie 1991 den Literaturnobelpreis.

1990 trat die politisch engagierte Schriftstellerin in den "African National Congress" (ANC) ein.
Die UNO ernannte sie 1998 zur Sonderbotschafterin ihres Entwicklungsprogramms (UNDP). Die Schriftstellerin lebt in Johannesburg, Südafrika.

Weblink:

Nadine Gordimer - Wikipedia

Sonntag, 13. Oktober 2013

»Zu viel Glück: Zehn Erzählungen« von Alice Munro

Dantes Göttliche Komödie
»Zu viel Glück: Zehn Erzählungen«


Die Erzählungsbände der kanadischen Autorin Alice Munro, erzielen in ihrem Heimatland Kanada und in der gesamten angelsächsischen Welt jedes Mal Rekordauflagen. Hierzulande haben Bücher mit Erzählungen und die gesamten Gattung leider weniger Erfolg. Das Publikum steht mehr auf Romane. Doch das tut der Gattung der Erzählung viel Unrecht, wie auch der Erzählband »Zu viel Glück: Zehn Erzählungen« beweist.

Alice Munro musste die Geschichten nicht erfinden, sie hat sie bereits vorgefunden im Alltag in der kanadischen Provinz. Immer wieder erzählt Alice Munro von Menschen, denen ihr Leben abhanden gekommen ist oder die es haarscharf verpasst haben. Immer wieder fasziniert sie die Liebe und die unsäglichen Mühsale, die meist mit ihr verbunden sind. Ihr literarisches und menschliches Vermögen, sich sensibel und fein in die Seelenzustände der von ihr beschriebenen Personen einzufühlen, macht die Lektüre ihrer Geschichten nicht nur einem literarischen Genuss, sondern gibt auch an manchen Stellen Gelegenheit zu ungeahnter Selbsterfahrung.

Glück ist eine sehr verletzliche Sache. So bewegen sich auch die unvergleichlich schönen Erzählungen der kanadischen Schriftstellerin Alice Munro auf einem sehr schmalen Grad zwischen dem, was Glück ist und irgendwann das Gegenteil davon. Ob das Glück sich letzlich wieder einfindet, bleibt offen. Die Sehnsucht jedenfalls, auch nach noch so großen Enttäuschungen des Lebens, ebenso wie nach der Freude und Schönheit des Lebens, gibt die Autorin aber nie auf.

Empfohlene Bücher von Alice Munro:










Jede Erzählung darin ist wie ein kleines Universum. Die Menschen darin, oft sind die Hauptprotagonisten Frauen, geben sich unheimlich Mühe, um in ihrem Leben glücklich sein zu können, doch oft scheitern sie im Leben. Umstände die nicht zu beeinflussen sind, Wertigkeiten die sich verändern, Verbindungen die zerbrechen, ein Leben das die Menschen wie zu verschlucken scheint.

Munro zeichnet Lebenspläne, Lebensträume, die nicht selten von Veränderungen heimgesucht werden, Beziehungen und Lieben, die einfach nicht glücken wollen. Munro zeichnet Menschen, zwischen Angepasstheit und Selbstbestimmung, genauso wie zwischen der Gratwanderung von Lebensglück und Lebensschicksal, oder Licht und Schatten.


Alice Munro, 1931 in Ontario geboren, gehört zu den bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart und galt schon seit Jahren als Kandidatin für den Literaturnobelpreis. Mit ihrem umfangreichen erzählerischen Werk – sie hat 13 Erzählungsbände und einen Roman veröffentlicht – ist sie Bestsellerautorin in ihrem Heimatland Kanada und der gesamten angelsächsischen Welt.

Munro wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2009 mit dem Man Booker International Prize. Alice Munro lebt in Ontario und in British Columbia. Eine begnadete Erzählerin, die die Tiefen menschlicher Existenz auslotet.

Weblink:

Alice Munro - 2103 Nobel Prize in Literauture -www.nobelprize.org