Donnerstag, 26. September 2013

»Die satanischen Verse« vor 25 Jahren erschienen

Salman Rushdie

»Die satanischen Verse« sind ein Roman des Schriftstellers Salman Rushdie, der von indischen Immigranten in Großbritannien handelt und teilweise vom Leben des Propheten Mohammed inspiriert ist. Rushdie wurde nach Erscheinen des Buches der Gotteslästerung bechuldigt und hatte die enorme Wirkung seines Werkes in der islamischen Welt unterschätzt. Das Erscheinen des Buches am 26. September 1988 im Verlag Viking Press löste eine Reihe von Protesten und Gewalttaten von Muslimen aus.

Dabei ist laut Rushdies eigener Aussage ist sein Roman kein Buch über den Islam, sondern über Auswanderung, Verwandlung, Persönlichkeitsspaltung, Liebe und Tod, Bombay und London. Der Autor wollte vorführen, wie zerstörend der Verlust der Religiosität sein kann. Das alles ist kein Grund, das Buch zu verbieten oder zu verbrennen, Demonstrationen dagegen zu veranstalten, bei denen es Tote gibt, oder den Autor gar per Fatwa zum Tod zu verurteilen.

Worte sollen durch Worte widerlegt werden, nicht durch Gewalt. Das Problem der Diskussion über das Buch lag allerdings vor allem darin, daß weder das Buch selbst noch Rushdies Interpretation ausreichend bekannt waren. Im Grunde ging es nur um ein Aufeinanderprallen zweier Kulturen beim Kampf um die Macht.


Rushdie gelingt es mit seinem Werk einen kolossalen Rundumschlag durch mehrere Jahrtausende Kultur, Geschichte, Literatur und Religion zu schlagen. Es scheint, als habe er die Schriften der drei monotheistischen Weltreligionen, Ovids Metamorphosen, Dantes Divina Comedia und viele Märchen, sowohl westlicher als auch orientalischer Provinienz, in einen großen Kochtopf gegeben, sie mit einer spannenden Handlung und fantastischer Erzählweise gewürzt und schließlich mit einer Prise grotesken Humors verfeinert.

Scheinbar schwerelos springt der Erzähler in diesem phantastischen Roman durch Raum und Zeit, eben noch im Bombay des 20. Jahrhunderts, dann schon wieder im Mekka zur Zeit Mohameds, um daraufhin wieder den Ort und die Zeit zu wechseln. Großartig auch die Verschmelzung von fantastischen Elementen mit der Realität, wobei dem Leser jeweils verschiedene Versionen angeboten werden, und er sich selbst die Frage stellen muss: War es so oder war es nicht so?

Mitunter markieren Bücher Zeitenwenden. Ein solches Buch ist Salman Rushdies »Satanische Verse«, weil es exemplarisch für diese Welt ist. Mit der Fatwa, die die Islamisten in der ganzen Welt nach dem Erscheinen des Buches gegen den Autor ausriefen, wurde eine Epoche eingeläutet, für die Samuel Huntington erst einige Jahre später den Begriff »Clash of Zivilisation« einführen sollte.



Literatur:

Die satanischen Verse
Die satanischen Verse
von Salman Rushdie

Mittwoch, 25. September 2013

»Ich bekenne, ich habe gelebt« von Pablo Neruda

Pablo Neruda


Pablo Neruda, einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts und einzigartig als Mensch, Politiker und Humanist, hat mit seinen Memoiren »Ich bekenne, ich habe gelebt« ein grandioses Dokument seines Lebens und seiner Welt hinterlassen. Neruda legt Zeugnis ab von seinem bewegten Leben.

Fast 20 Jahre hat Pablo Neruda an seinen Memoiren gearbeitet. Neruda - ein ebenso engagierter Politiker wie grenzüberschreitender Lyriker - hatte ein sehr bewegtes Leben, über das es sich zu schreiben lohnt: Aufgewachsen ist er in Südamerika, dann kam er während des Bürgerkriegs nach Spanien, er lebte mehrmalig im Exil, reiste viel durch verschiedene Teile Asiens, wurde anschließend chilenischer Präsidentschaftskandidat, erhielt 1971 den Literatur-Nobelpreis.


Ich bekenne, ich habe gelebt



»Ich bekenne, ich habe gelebt«
von Pablo Neruda:




Pablo Neruda - das Pseudonym legte sich Neftal Ricardo Reyes Basualto 1920 in Anlehnung an den fast vergessenen patriotischen Dichter Tschechiens, Jan Neruda, zu - wurde neunundsechzig Jahre alt. Das sind nicht so sehr viele Jahre, aber seine Jahre waren voller Leben. Er lässt den Leser teilnehmen an dem bewegten Auf und Ab seines aufregenden Lebens.

Der 1904 im süchilenischen Ort Parral geborene Dichter und Freiheitskämpfer beschreibt in seinen Memoiren die Phasen seines Lebens: Seinen Jugendjahre im südchilenischen Tucuman, seine Lehrzeit bei der Natur im laurentinischen Regenwald folgen stimmungsvolle Bilder der frühen Vagantenzeit in den großen Städten seines Landes, in Santiago und vor allem in Valparaiso, dessen weltabgewandte Melancholie der reife Dichter noch aus einem Abstand von einem halben Jahrhundert beschwört.

1969 wurde Neruda von der Kommunistischen Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert, er verzichtete aber zugunsten des vom Wahlbündnis »Unidad Popular« favorisierten Sozialisten und Freundes Salvador Allende. 1970 gewann Allende die Präsidentschaftswahlen und überredete Neruda, Botschafter in Paris zu werden.

Trotz seiner mittlerweile angegriffenen Gesundheit willigte er ein, musste sich aber schon nach wenigen Monaten einer Operation unterziehen. Noch während seiner Genesung wurde ihm 1971 der Nobelpreis für Literatur für eine Poesie, die mit der Wirkung einer Naturkraft Schicksal und Träume eines Kontinents lebendig macht - verliehen.

Mit zum Teil überwältigender sprachlicher Schönheit ( "Von dem, was ich in diesen Blättern hinterlasse, werden sich - wie in den Baumalleen des Herbstes und wie zur Zeit der Weinernte - die gelben Blätter lösen, die sterben werden, und die Trauben, die auferstehen werden im heiligen Wein") führt der große Chilene durch sein Leben.

Nerudas Leben ist gleichermaßen von Erfolgen und Rückschlägen geprägt, er bemüht sich nicht, zu mystifizieren und legt mit symphatischer Bescheidenheit ein - leider unvollständiges - Bekenntnis ab.

Literatur:

Ich bekenne, ich habe gelebt
Ich bekenne, ich habe gelebt
von Pablo Neruda

Montag, 23. September 2013

Pablo Neruda zum 40. Todestag

Pablo Neruda

Pablo Neruda starb vor vierzig Jahren am 23. September 1973 – kurz nach Pinochets Militärputsch – in Santiago de Chile. Pablo Neruda - eigentlich Neftal Ricardo Reyes Basoalto - war ein chilenischer Dichter und Schriftsteller, der sich vor allem gegen den Faschismus in seinem Heimatland und in Spanien einsetzte. 1971 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.


Das Pseudonym Pablo Neruda legte sich Neftal Ricardo Reyes Basualto 1920 in Anlehnung an den fast vergessenen patriotischen Dichter Tschechiens, Jan Neruda, zu. Geboren wurde Pablo Neruda am 12.07.1904 in Parral. Sein Vater war Zugführer in dem armen und wirtschaftlich unbedeutenden Parral im Süden Chiles.

Pablo Neruda wollte nicht nur die Dichtung seiner Heimat erneuern, er war auch das Sprachrohr des einfachen Volkes im Kampf gegen den Faschismus. Der junge Neruda war einer der literarischen Vorkämpfer eines antikolonialen Freiheitskampfes Lateinamerikas. Seine Poesie ist auch heute noch Ausdruck eines humanen Sozialismus.

Nerudas Lebensweg steht beispielhaft für den vieler Intellektueller seiner Zeit. Sein Leben war geprägt von der Suche nach dem richtigen Weg zu Wahrheit und Gerechtigkeit, er verirrte sich in Abwege und Widersprüche und war dennoch konsequent im Einsatz für die Schwachen und Unterdrückten.

Militärputsch in Chile

Am 23. September 1973 erlag Neruda einem Krebsleiden, zwölf Tage nach dem Putsch in Chile unter Führung von Augusto Pinochet und dem gewaltsamen Sturz von Salvador Allende. Die Todesursache ist bis heute umstritten.

Sein Begräbnis, an dem Hunderte Menschen teilnahmen, von bewaffneten Soldaten beobachtet und bedrängt, wurde zum Protestmarsch gegen die Militärjunta. Nach seinem Tod wurde Nerudas Haus vom Militär geplündert und zerstört.

Das Grab Nerudas befindet sich an der wilden Küste von »Isla Negra«, wo sich sein Haus befindet, das er 1939 erworben hatte.


Empfohlenes Buch von Pablo Neruda:









Weblinks:

Pablo Neruda auf dem Portal www.el-poeta.de/

  Jan Neruda - Wikipedia.org

Sonntag, 22. September 2013

"Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki


Man nannte ihn den Literaturpapst: Marcel Reich-Ranicki ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Als Kritiker prägte er über Jahrzehnte das bundesdeutsche Verständnis von Literatur. Die Sendung "Das Literarische Quartett" machte ihn zum Fernsehstar, seine Memoiren "Mein Leben", in denen er seine Verfolgung durch die Nazis verarbeitete, waren ein Bestseller.

Dieser streitbare wie unnachahmliche Großkritiker, mit dem eigenen, viel zitierten und bespöttelten, Sprachduktus, war Fluch und Segen für ein verunsichertes Land, das den Krieg gerade aus den Ärmeln schüttelte und mit Literatur unbekanntes Terrain betrat. Reich agierte zuweilen wie der kleine Trommler aus Günter Grass´ "Die Blechtrommel." Er hinterließ Scherben aber auch viel gläserne Durchsichtigkeit und Klarheit. Das müssen auch seine Gegner anerkennen.




Es war der Film Schindlers Liste«,
der Reich-Ranicki dazu bewegt hat,
seine Geschichte aufzuschreiben.




Kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag veröffentlichte Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie "Mein Leben", die zu einem Bestseller wurde, seine Lebenserinnerungen. Der einflussreichste Literaturkritiker Deutschlands, der eher seine Leser, Hörer und Zuschauer polarisierte, blickt hier ungewohnt leise und versöhnlich auf sein bewegendes Leben zurück. Marcel Reich-Ranicki blickt zwar auf ein Leben voller Brüche, aber auch auf eines, dass man als geglückt bezeichnen darf, klug und niemals selbstverliebt.


Über sein bewegtes Leben hat er - natürlich auch als Zeitzeuge - viel zu erzählen. In Polen im Jahr 1920 geboren, kommt er als Neunjähriger nach Berlin. Hier besucht er ein humanistisches Gymnasium und liest schon mit zwölf lieber Schiller als Karl May. Er ist enthusiastischer Theatergänger und hat in der ausgehenden Weimarer Zeit noch Gelegenheit, die größten Darsteller ihrer Zeit auf der Bühne zu bewundern. Doch bald sind die nach Hitlers Machtergreifung immer deutlicher werdenden Repressalien für Juden auch für Marcel Reich unübersehbar. Ihm gelingt es noch, sein Abitur abzulegen, dann wird er nach Polen deportiert.

Warschauer Ghetto

Er leidet unter unmenschlichen Bedingungen im Warschauer Ghetto, flüchtet mit seiner jungen Frau Tosia und wird von einfachen Menschen auf dem Land versteckt. Nach dem zweiten Weltkrieg will er zunächst in Polen bleiben, wird aber mit seiner offen-streitbaren Art bald zum Risiko, so dass er 1958 während einer Studienreise nach Deutschland zurückkehrt. Sehr bald macht er sich als Literaturkritiker einen Namen, es beginnt ein sagenhafter Aufstieg zur literarischen Instanz, die seit 1988 durch seine Fernsehsendung "Das literarische Quartett" eine ungeheuer große Bekanntschaft für Marcel Reich-Ranicki bedeutet.

Autobiografie »Mein Leben« von Marcel Reich-Ranicki:






Marcel Reich-Ranicki ist ein profunder Kenner der Literatur - der deutschen zumal. Es ist seine Kennerschaft, die ihm viel Bewunderung und vor allem auch den Respekt seiner Gegner einbrachte. Marcel Reich-Ranicki hat zweifellos Literatur gelebt. Sein Wissen und sein klares Urteilsvermögen sind ohne Beispiel. Hinzu kommt ein mediales Talent und eine Präsenz, die bisher kein Literaturkritiker zuvor und auch niemand danach erreicht hat.

In seinen Lebenserinnerungen, die auch einen höchst unterhaltsamen Rückblick auf die deutsche Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts bieten, paaren sich Weitblick, Klarheit, schnörkellos-schöne Sprache. Als einer der letzten Zeitzeugen kann er noch von der fruchtbaren künstlerischen Atmosphäre im Berlin der Weimarer Zeit berichten.

Als Jude war er im Dritten Reich den Repressionen der Nazis ausgesetzt. Im Jahre 1938 wurde er, da er polnischer Jude ist, nach Warschau deportiert. Während der Zeit im Warschauer Ghetto erlebte er den Terror der Nazis. Er, der als junger Mensch die dunklen Seiten während der Nazi-Zeit am eigenen Leib kennengelernt hat und als Jude von den Nazis verfolgt wurde, hat sich mit den Deutschen, den Nachfahren seiner Feinde, und Deutschland versöhnt. Er blickt daher versöhnlich ohne Groll auf sein Leben zurück. - Sein Freund Gottschalk bezeichnete ihn als einen »Held des Vergessens«.




NAchruf:

"Ich bin ihm nahe" -Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - Martin Walser-Nachruf - www.zeit.de

Blog-Artikel über Marcel Reich-Ranicki:

Literatur als Wegbereiter: Zum Tode Marcel Reich-Ranickis

Zum Tode des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki

weitere Blog-Artikel:

»Tagebücher 1982-2001« von Fritz J. Raddatz - Literatenwelt-Blog

Fritz J. Raddatz zum 80. Geburtstag - Literatenwelt-Blog





Samstag, 21. September 2013

Literatur als Wegbereiter: Zum Tode Marcel Reich-Ranickis


Marcel Reich-Ranicki war angetreten, den Deutschen ihre Literatur näherzubringen - den Deutschen, die ihn einst verfolgt hatten. Als Reich-Ranicki, kaum neun Jahre alt, aus seiner polnischen Geburtsstadt Wloclawek an der Weichsel nach Berlin übersiedelte, verabschiedete ihn seine Lehrerin mit den Worten: „Du fährst, mein Sohn, in das Land der Kultur.“ Doch das Land der Kultur stellt sich schon dem Kind nicht ohne düstere Seiten dar.

Als Jude wurde er von den Nationalsozialisten verfolgt und überlebte erst das Warschauer Ghetto und später die Deportation nur wie durch ein Wunder. Ein polnischer Schriftsetzer versteckte Reich-Ranicki und seine Ehefrau damals vor den Nazis. Im Gegenzug unterhielt der Literaturliebhaber seinen Retter mit Dramen von Shakespeare, Schiller und Goethe. Spannend erzählen, um zu überleben: das hat den späteren Kritiker geprägt.

Marcel Reich-Ranicki war Deutscher und Pole, aber er fand lange keine Heimat, weil er Jude war. Als heimatloser Jude war er immer ein Wanderer zwischen den Welten. Dass er schließlich nach langen Irrungen und Wirrungen doch eine Heimat fand, hat er der Literatur - der deutschen zumal - zu verdanken.

Empfohlene Bücher über Marcel Reich-Ranicki:








""Es ist eher angebracht, einen Autor zu kränken,
als Hunderttausende von Lesern zu betrügen."



sagte Reich-Ranicki über seinen Beruf


Schon während seiner Schulzeit im Berlin der dreißiger Jahre las er begeistert die großen Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts. Es handelte sich um Autoren, die im Dritten Reich verboten oder zumindest unwillkommen waren. Ihre Bücher hatten den Reiz, den man verbotenen Früchten nachsagen kann. Zu diesem Reiz gesellte sich bald noch ein anderer Reiz - der der Modernität.

Er hat es damals schon gepürt, daß mit den frühen Büchern Schnitzlers, Thomas Manns und Robert Musils und der noch vor dem Ersten Weltkrieg folgenden Prosa Döblins und Kafkas eine neue Epoche der deutsche Literatur begonnen hatte. Der Einzug der Moderne in der Literatur begründete eine neue Epoche sollte für den jungen Reich-Ranicki zu einem Wegweiser und inneren Kompass werden.

Die Schriftsteller der Moderne waren seine Wegbereiter und sollten zu seinen Wegbegleitern werden. Auf allen Etappen seines bewegten Lebens ist er zu ihnen zurückgekehrt. Sie bildeten das Fundament, auf dem sich sein literarisches Urteilsvermögen gründete.

Marcel Reich-Ranickiist abgetreten. Mit ihm ist auch eine Epoche zu Ende gegangen. Richtig deuten können wird man lange nicht, was das für eine Epoche war. Mehr jedenfalls als das „Literarische Quartett“ und F.A.Z. und Gruppe 47 und deutsche Nachkriegsliteratur. Dieser Mann war in Verfolgung und Ruhm die Personifikation des zwanzigsten Jahrhunderts.

Weblinks:

Ein sehr großer Mann - Nachruf auf Marcel Reich-Ranicki - F.A.Z. www.faz.net

Der Literaturpapst - Deutsche Welle Portrait www.dw.de

Donnerstag, 19. September 2013

Zum Tode des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki

Marcel Reich-Ranicki

Deutschlands bedeutendster Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist tot. Er ist im Alter von 93 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Er war ein Literaturpapst, Großkritiker und eine literarische Instanz. Er hat den Deutschen, die ihn einst verfolgt hatten, sein tiefes Verständnis von Literatur nahegebracht. Als Literaturpapst und als temperamentvoller Leiter des "Literarischen Quartetts" hat er sich hierzulande nicht nur im Literaturbetrieb einen Namen gemacht.

Seine Belesenheit war legendär und sein Urteil war meinungsbildend: was Marcel Reich-Ranicki sagte, hatte Gewicht. Als scharfzüngiger Literaturkritiker prägte er über Jahrzehnte das bundesdeutsche Verständnis von Literatur. Der wortmächtige Kritiker bestimmte das bundesdeutsche Verständnis davon, was gute Literatur ausmacht. Er bestach durch seine offene, direkte, ehrliche Art und sein untrügliches Urteil in dem steten Bemühen, den Deutschen auch schwere literarische Kost näher zu bringen.

In Polen 1920 geboren, besuchte er als 13-jähriger die Schule in Berlin. Er hat sich als 13-jähriger in die Welt der Literatur gerettet. Sie bildete für ihn eine Gegenwelt zu der der Barbarei und Dunkelheit während der Zeit des Nationalsozialimus.Seine große Liebe galt der deutschen Kultur, den Büchern, dem Theater und der Musik. Mit ihnen allen hat Reich-Ranicki eine bis zuletzt andauernde, heftige Liebesaffäre.


Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Marcel Reich-Ranicki als "leidenschaftlichen Streiter und entschiedensten Anwalt" der deutschen Literatur. "Er, den die Deutschen einst aus ihrer Mitte vertrieben haben und vernichten wollten, besaß die Größe, ihnen nach der Barbarei neue Zugänge zu ihrer Kultur zu eröffnen", erklärte Gauck.

Empfohlene Bücher über Marcel Reich-Ranicki:








"Die Klarheit ist die Höflichkeit des Kritikers,
die Deutlichkeit seine Pflicht und Aufgabe."



Reich-Ranickis Credo

Auf die Schulzeit im »Dritten Reich« folgen 1938 die Deportation nach Polen und das demütigende Leben im Warschauer Getto. Seine polnisch-jüdische Familie wurde von den Nazis verfolgt, seine Eltern und die seiner späteren Frau Teofila, mit der er sieben Jahrzehnte lang verheiratet war, bis sie 2011 starb, kamen um. Überlebt hat er das Ghetto, weil ihn ein Pole bei sich zu Hause unter Lebensgefahr vor den Nazis versteckte.

Nach einer Studienreise siedelte er im Sommer 1958 aus Polen in die Bundesrepublik über und eroberte sich mit Artikeln in "Die Zeit" und "Welt" rasch einen Ruf als ebenso kundiger wie scharfzüngiger Literaturkritiker. 1973 ging er zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wo er bis zu seinem Ruhestand 1988 die Redaktion für Literatur und literarisches Leben leitete. Kaum im Ruhestand gab der Literaturpapst den Gastgeber in der Fernsehsendung "Das literarische Quartett", mit der er Fernseh- und Kulturgeschichte schreiben sollte und einem breiten Publlikum bekannt wurde.

Marcel Reich-Ranicki

Mit Marcel Reich-Ranicki ist eine Legende des deutschen Literaturbetriebes abgetreten. Er blickt als Nazi-Verfolgter und Holocaust-Überlebender versöhnlich auf sein wechselvolles Leben ohne Groll zurück. Großen Erfolg hatte Reich-Ranicki mit seinen Memoiren unter dem Titel "Mein Leben" (1999). Hier sprach er als Mensch und Zeitzeuge aus seinen eigenen schrecklichen Erinnerungen.Monatelang stand das über 1,2 Millionen Mal verkaufte Buch an der Spitze der Bestseller-Listen - die bewegende Geschichte eines Mannes, der zum Außenseiter gemacht, verfolgt und mit dem Tode bedroht worden war, schließlich aber eine der populärsten Persönlichkeiten des Landes wurde.

Schon seit einigen Jahren war Reich-Ranicki gesundheitlich angeschlagen. 2013 offenbarte er, dass er an Krebs erkrankt sei. Um welche Art von Krebs es sich handelt, wollte der Autor und Kritiker nicht sagen. Es gehe ihm aber "nicht sehr gut", sagte er, erklärte aber, er beschäftige sich täglich mit dem Tod. "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr, man ist nicht mehr da."


Weblinks:

Marcel Reich-Ranicki ist tot - www.spiegel.de/kultur

"Ich bin ihm nahe" -Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - Martin Walser-Nachruf - www.zeit.de

Ein sehr großer Mann - Nachruf auf Marcel Reich-Ranicki - F.A.Z. www.faz.net

Gnadenloser Kritiker - Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - 3 Sat Kulturzeit www.kulturzeit.de

Blog-Artikel über Marcel Reich-Ranicki:

"Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki - Literatenwelt-Blog

Literatur als Wegbereiter: Zum Tode Marcel Reich-Ranickis - Literatenwelt-Blog

Dienstag, 17. September 2013

»Nikolaikirche« von Erich Loest

Nikolaikirche Leipzig

Die Wende ging von Leipzig aus und dort war eine der Keimzellen die Nikolaikirche. Das Gotteshaus war Symbol des gewaltlosen Wandels in der DDR. Hier trafen sich die Verzweifelten, sprachen über die notwendigen Veränderungen, beteten dafür.

Der Roman "Nikolaikirche" von Erich Loest greift dieses Thema auf und schildert die Geschichte einer Leipziger Familie vor dem Hintergrund der Ereignisse, die 1989 zum Fall der Mauer und zur Kapitulation der DDR führten. Die Familie Bacher spiegelt im Kleinen die Konflikte und Entwicklungen eines ganzen Volkes wieder.

Anhand ganz unterschiedlicher Personen, die aus Aufrührern und Angepassten, Helden und Nichthelden bestehen, schildert Loest den hoffnungslosen Niedergang einer Stadt und schließlich den Zusammenbruch eines Staates, der mit jener Ausweglosigkeit zeitlebens zu kämpfen hatte.


Loest setzt die Geschichte keimender Opposition lange vor den Friedensgebeten bereits im Jahr 1968 mit der Sprengung der Leipziger Universitätskirche an: Eine Kirche stürzte in sich zusammen und gab den Blick auf St. Nikolai frei. Schließlich steuert die Handlung auf die historische Montagsdemonstration von 70.000 Menschen am 9. Oktober 1989 in Leipzig zu - für Loest zugleich das Datum der Wende.

Der Roman "Nikolaikirche" gilt als einer der wichtigsten Romane der Wende. Loest verzichtet auf Pathos und Schwarzweißmalerei. Das Buch wurde in Deutschland gleich nach Erscheinen ein Bestseller. Es trug ebenso dazu bei, den Autor auch im Westen bekannt zu machen.


Empfohlener Roman von Erich Loest: