Samstag, 6. Februar 2016

150 Jahre »Schuld und Sühne« von Fjodor M. Dostojewski

2016 jährt sich zum 150. Mal »Schuld und Sühne«, einer der grossen Romane der Weltliteratur. Er ist immer noch aktuell, heute mehr denn je. Der 1866 erschienene Roman des russischen Autors Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) wurde als Feuilleton-Roman mit zwölf Fortsetzungen in der Monatszeitschrift »Russki Westnik« (»Der russische Bote«) veröffentlicht, beginnend Ende Januar 1866 und endend im Dezember 1866.

Dostojewski liefert hier eine spannende und psychologisch perfekt konstruierte Geschichte über einen vermeintlich perfekten Mörder, der vor der Polizei und, viel wichtiger, vor seinem eigenen Gewissen auf der Flucht ist. Der Held, Rodion Raskolnikow, ein verarmter Student, hat eine alte Frau ermordet, um an ihr Geld - sie ist Wucherin - heranzukommen. Er hat die Tat perfekt geplant und sich eine wohldurchdachte Rechtfertigung ausgedacht, um sein Gewissen zu beruhigen. Aber es funktioniert nicht alles wie geplant.


Den Hintergrund bildete die Stadt Sankt Petersburg, nicht die Stadt der glänzenden Paläste und des Zarenhofs, sondern die Stadt der armen Menschen, welche in Vororten hausten und Not litten, oft nichts zu essen fanden und sich überlegen mussten, wie sie die nächste Miete bezahlen würden. “Wir sind alle dem Mantel von Nikolaj Gogol entsprungen”, schrieb Fjodor Dostojewski. Beide russischen Schriftsteller verstanden meisterhaft, die Welt der kleinen Leute zu schildern. Ihre detailgetreuen Porträts von hemdsärmeligen, dummen Polizisten oder engstirnigen, habgierigen Wohnungsvermietern könnten uns an gewisse Zeitgenossen erinnern. Es sind lebens- und zeitnahe Porträts, damals wie heute.

Der Jura-Student Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist die Hauptfigur des Romans “Schuld und Sühne”. Er lebt in bitterer Armut und hat das Studium aufgegeben. Eines Tages beschliesst er, die Pfandleiherin zu ermorden und zu berauben, bei der er sich gelegentlich Geld besorgt. Mit einem Beil erschlägt er die Pfandleiherin Alina Iwanowna und ihre Schwester, die zu Besuch kommt und über die Leiche ihrer Schwester stolpert. Obgleich er danach versucht, vor seinem Gewissen die Tat zu rechtfertigen, gelingt ihm dies nicht. Er findet keine Ruhe mehr und erkrankt an Fieber. Schliesslich stellt er sich der Polizei und wird zu acht Jahren Haft in einem sibirischen Arbeitslager verurteilt, wo er seine Straftat sühnt.



Schuld und Sühne

von Fjodor M. Dostojewski

"Aus hundert Kaninchen wird niemals ein Pferd und

aus hundert Verdachtsgründen niemals ein Beweis."



Fjodor Michailowitsch Dostojewski, »Schuld und Sühne«

Die Ereignisse sind so angeordnet, dass der Mord bereits im ersten der sechs Teile geschildert wird, während der Prozess der Läuterung die nächsten fünf Teile einnimmt; die biblische Lazarus-Episode dient dabei als Leitbild. Der Held ist von Charakteren umgeben, die helle und dunkle Fassetten seines eigenen Charakters symbolisieren: Sonja und dem treuen Freund Rasumichin stehen der perfide Kleinbürger Luschin und der moralisch verkommene Swidrigailow gegenüber. Auch die einzelnen Figuren sind nach dem Kontrastprinzip und gerade deshalb so spannungsvoll konzipiert: Raskolnikow ist ein widerwilliger Mörder, Sonja eine ehrbare Prostituierte und Porfiri Petrowitsch will den Studenten zwar überführen, zeigt ihm gegenüber aber auch väterliches Verantwortungsbewusstsein.

Das Ende des Romans im sibirischen Arbeitslager hat einen persönlichen, autobiografischen Hindergrund. Fjodor Dostojewski verbrachte selbst vier Jahre in einem sibirischen Straflager, von 1850 bis 1854. Der Autor gehörte einem subversiven Zirkel an, der den Dezembristen nahestand, die Zar Nikolaus I. stürzen wollten. 1849 wurde Dostojewski verhaftet und zum Tode verurteilt, später jedoch begnadigt und nach Sibirien geschickt, wo er vier Jahre in dem Gefängnislager von Omsk verbrachte. Nach seiner Freilassung publizierte Fjodor Dostojewski den teilweise autobiografischen Roman “Aufzeichnungen aus einem Totenhaus” (Записки из Мёртвого дома). Das Werk, in welchem er seine Erlebnisse in Sibirien verarbeitete, erschien 1862.

Dostojewski arbeitete an Schuld und Sühne seit Sommer 1865. Den frühen Entwürfen zufolge war eigentlich der Trinker Marmeladow, eine spätere Nebenfigur, als Held vorgesehen, bevor die Geschichte eines Studenten, der zum Mörder wird, in den Mittelpunkt des Interesses rückte und dem Roman eine völlig neue Richtung gab.

"Jeder Mensch, egal wer er ist oder wie heruntergekommen er sein mag,
erwartet instinktiv oder im Unterbewusstsein,
dass man Respekt für seine Menschenwürde aufbringt."


Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 - 1881)

»Schuld und Sühne« ist der erste von Fjodor Dostojewskis großen Romanen und vielleicht sein bekanntestes Werk. Die spannende Kriminalhandlung, die harmonische Komposition und die psychologisch brisanten Charaktere machen den Text zu einem Höhepunkt realistischer Erzählkunst.

Die Geschichte ist packend, der Held gehört zu den lebendigsten Figuren, die die Literatur zu bieten hat und sein Innenleben ist beklemmend gut geschildert. Darüber hinaus ist die Stadt St. Petersburg, in welcher der Roman spielt, großartig und sehr atmosphärisch beschrieben. Dieses Buch gehört zur Weltliteratur, es läßt einen nicht mehr los.

»Schuld und Sühne« mag zu den Zeiten eines Thomas Mann "der größte Kriminalroman aller Zeiten" (Zitat Thomas Mann) gewesen sein, eine Aussage die aber schon damals als etwas gewagt gelten muss – schließlich gab es schon längst »Die Affäre Lerouge« von Émile Gaboriau, ein Werk das denn auch wirklich ein Kriminalroman ist. »Schuld und Sühne« ist eher Milieu- und Gesellschaftsstudie und auch da nicht das Größte, da es einem gewissen Honoré de Balzac eingefallen war, mit seiner »Menschlichen Komödie« sehr viel umfangreicher solche Studien vorzulegen.



Weblinks:

Olivia Kroth: 150 Jahre “Schuld und Sühne” von Fjodor Michailowitsch Dostojewski - olivia2010kroth.wordpress.com


Weltliteratur, die man gelesen haben sollte::

Schuld und Sühne
Schuld und Sühne
von Fjodor M. Dostojewski





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