Samstag, 30. Januar 2016

»Ein sterbender Mann« von Martin Walser

Martin Walser

Der 1927 geborene Walser widmet sich seit einiger Zeit noch intensiver als sonst dem Phänomen der Sterblichkeit . Walser hat sich einen passenden Stoff für sein furioses Alterswerk zurechtgelegt und dabei das Theman etwas modifiziert. »Ein sterbender Mann« von Martin Walser ist ein Buch über Tod und Verrat, der Liebe und dem Leben mit einem älteren Herren als Hauptdarstelller.

Liebe und Tod – drunter tut es der Autor Marin Walser nun einmal nicht. Und doch kreisen sie beide nur wie Trabanten um das unverrückbare Zentrum seines Schreibens, den Mann in all seinen Höhen und Tiefen.

Der Roman ist ein Werk über die Leichtigkeit des Seins im Alter. Er beschreibt, wie ein älterer Herr noch einmal die Wonnen der Liebe genießt. Er beschreibt kunstvoll die Spielarten der Liebe im Alter. Walser wäre nicht Walser, wenn der Roamn kein guts Ende nehmen würde. So ist »Ein sterbender Mann« von Martin Walser ist eine Fortsetzung von »Ein liebeender Mann«.

Theo Schadt, 72, Firmenchef und auch als „Nebenherschreiber“ erfolgreich, wird verraten. Verraten ausgerechnet von dem Menschen, der ihn nie hätte verraten dürfen: Carlos Kroll, seinem engsten und einzigen Freund seit 19 Jahren, einem Dichter. Beruflich ruiniert, sitzt Theo Schadt jetzt an der Kasse des Tangoladens seiner Ehefrau, in der Schellingstraße in München. Und weil er glaubt, er könne nicht mehr leben, wenn das, was ihm passiert ist, menschenmöglich ist, hat er sich in einem Online-Suizid-Forum angemeldet. Da schreibt man hin, was einem geschehen ist, und kriegt von Menschen Antwort, die Ähnliches erfahren haben. Das gemeinsame Thema: der Freitod.

Ein sterbender MannEin sterbender Mann

Eines Tages, er wieder an der Kasse, löst eine Kundin bei ihm eine Lichtexplosion aus. Seine Ehefrau glaubt, es sei ein Schlaganfall, aber es waren die Augen dieser Kundin, ihr Blick. Sobald er seine Augen schließt, starrt er in eine Lichtflut, darin sie. Ihre Adresse ist in der Kartei, also schreibt er ihr – jede E-Mail der Hauch einer Weiterlebensillusion. Und nach achtunddreißig Ehejahren zieht er zu Hause aus. Sitte, Anstand, Moral, das gilt ihm nun nichts mehr. Doch dann muss er erfahren, dass sie mit dem, der ihn verraten hat, in einer offenen Beziehung lebt. Ist sein Leben “eine verlorene, nicht zu gewinnende Partie"? Martin Walsers neuer Roman über das Altsein, die Liebe und den Verrat ist beeindruckend gegenwärtig, funkelnd von sprachlicher Schönheit und überwältigend durch seine beispiellose emotionale Kraft.




Ein Roman ist nach Walser auch immer ein Selbstporträt. Der Verrat hat es sehr wohl gegeben. Wen es betraf, dazu schweigt der Autor. Mit fast 89 Jahren schreibt Walser ein Buch, dass den Leser in die Welt der Blogger in Internetforen und bis nach Nordafrika führt. Alles dicht verwoben und auch in dem hohen Alter noch mit der bei Walser stets auftauchenden Liebe, der Beziehung zwischen Menschen versehen. Schadt, der Hauptheld des Buches erhält eine Krebsdiagnose und stößt in der Auseinandersetzung mit der Krankheit auf Suizidforen im Internet.

Walser lehnt jedoch ab, es sei die Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden eigenen Tod. Dazu erklärte er dass der Tod, das Ende nichts bedeutet. Es ist das Sterben, was uns betrifft, was wir uns nicht vorstellen können und wollen solange wir es nicht selbst erleben. Ein leichtes Sterben bringt er an, indem er seinen Romanhelden Kroll als erfolglose Schriftsteller mit einer gewissen kritischen ironischen Distanziertheit zum eigenen Beruf darstellt. Es ist erstaunlich, wie dicht verwoben die neue Geschichte ist, ein komplexer Roman, der seine Leser in den Bann zu ziehen vermag, keinesfalls "jenseits der Literatur".

Der 1927 geborene Walser widmet sich seit einiger Zeit noch intensiver als sonst dem Phänomen der Virilität. Dass es sich letztlich um seine eigene handelt, macht er sich und seinen Lesern fragend, nachfragend, bohrend und schürfend ständig bewusst, und zwar in einem unerhört ekstatischen Akt des Schreibens.



Der 1927 geborene Walser widmet sich seit einiger Zeit noch intensiver als sonst dem Phänomen der Sterblichkeit. Dass es sich letztlich um seine eigene handelt, macht er sich und seinen Lesern fragend, nachfragend, bohrend und schürfend ständig bewusst, und zwar in einem unerhört ekstatischen Akt des Schreibens.

Selbstredend steht in diesen Texten die komplexe Mann-Frau-Thematik immer im Vordergrund. Gleichzeitig aber holt Walser sämtliche verfügbaren philosophischen, theologischen, gesellschaftspolitischen Implikationen mit in die Sätze hinein. Im Schreiben konzentriert sich die ganze Lebens- und Welterschöpfungs-Gier – in weiten rhetorischen Schwüngen, in sinnlich anmutenden Nebensatz-Verwicklungen und Wortfindungs-Steigerungen.

Mit »Ein sterbender Mann« scheint jetzt die letzte Stufe der das eigene Leben ausstellenden Schreibwut erreicht zu sein – natürlich denkt man bei diesem Titel sofort an den 88-jährigen Walser.

Walser, der manisch Belesene, weiß um die unvermeidlichen Fallen der Autobiografie. Deshalb sollte man den 72-jährigen Theo Schadt, der als Hauptfigur in seinem neuen Roman fungiert, nicht automatisch mit dem Autor gleichsetzen. Obwohl man schon bei dem skizzenhaft umrissenen Beruf hellhörig werden könnte: Schadt ist ein Unternehmer, der mit Erfindungen und Patenten handelt, einem Schriftsteller nicht ganz unähnlich.

Und gleich zu Beginn schreibt dieser Schadt auch einen Brief an einen „Schriftsteller“, von dem man nicht weiß, in welcher Beziehung er zu ihm steht. Man ahnt, dass es eine Spiegelung von ihm ist, eine alte literarische Finte, genauso wie diejenige, dass der Erzähler je nach Lust und Laune zwischen der Ich- und der Er-Perspektive wechselt und zur Abwechslung aphoristische Sentenzen einstreut. Walser jongliert mit zwei, mit drei und plötzlich auch mit zunächst fünf Bällen, und es scheint ihn überhaupt nicht zu kümmern, dass da auch schnell mal einer herunterfallen kann.

Im Zentrum der Handlung steht ein Verrat. Theo Schadt hatte ursprünglich 44 Mitarbeiter in seiner Firma. Als sein engster Freund und Angestellter Theo Kroll dem großen Konkurrenten Oliver Schumm ein lukratives Geschäftsgeheimnis hinterbringt, muss er alle entlassen und in der Boutique seiner Frau in der Münchner Schellingstraße verschämt an der Ladenkasse sitzen. Das bildet den Dreh- und Angelpunkt des Romans.
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