Mittwoch, 13. Juli 2016

Gustav Freytag 200. Geburtstag

Gustav Freytag

Gustav Freytag wurde vor 200 Jahren am 13. Juli 1816 in Kreuzburg in Oberschlesien geboren. Gustav Freytag war ein bedeutender deutscher Schriftsteller seiner Zeit und ein Chronist des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

Von 1817 bis 1828 wohnte Freytag mit seinen Eltern in Pitschen in Schlesien. Ostern 1829 zog er zu seinem Onkel nach Oels, um dort das Gymnasium zu besuchen, wo er am 30. Mai 1835 seine Abiturprüfung bestand. Danach studierte er bis Oktober 1836 in Breslau Philologie, anschließend in Berlin. Am 30. Juni 1838 erfolgte die Promotion, am 1. Mai 1839 die Habilitation in Breslau. Von 1839 bis 1844 war Freytag Privatdozent in Breslau.

Nach seinem Philologiestudium in Breslau und Berlin und der anschließenden Tätigkeit als Privatdozent widmete sich Freytag ganz dem Schreiben. Gemeinsam mit Julian Schmidt arbeitete er in der Folgezeit als Redakteur der Leipziger Wochenzeitung "Die Grenzboten".

Nach einem kurzen Wohnortwechsel nach Leipzig 1846 zog er 1847 nach Dresden und 1848 wieder nach Leipzig. Im Herbst 1847 heiratete er Emilie Scholz, geschiedene Gräfin Dyhrn, die er 1842 während eines Helgoland-Urlaubs kennengelernt hatte, als sie noch verheiratet war. 1851 zog er nach Siebleben in die „gute Schmiede“.

Gustav Freytag schrieb zunächst Theaterstücke für die Bühne. 1844 erschien Freytags erstes Stück »Die Brautfahrt oder Kunz von der Rosen«, ein Lustspiel über Kaiser Maximilian, für das er den Preis der Berliner Hofbühne gewann. 1847 erschienen die Schauspiele »Die Valentine« und »Graf Waldemar«; im Gegensatz zu ihnen war Freytags 1854 erschienenes Lustspiel »Die Journalisten« außerordentlich erfolgreich und gehörte bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den meistaufgeführten Stücken und kanonischen Werken der deutschen Literatur.

Ab den 1850er Jahren versuchte er sich dann als Chronist. Zwischen 1859 und 1867 entstand sein kulturgeschichtliches Hauptwerk »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« in vier Bänden. Freytag schildert darin die deutsche Geschichte am Beispiel ausgewählter Quellentexte. Das Werk, das im Salomon Hirzel Verlag in Leipzig erschien, erfuhr bis 1909 je nach Band zwischen 27 und 32 Auflagen und gehört damit zu den beliebtesten deutschen Geschichtswerken des 19. Jahrhunderts überhaupt.

1869 schrieb Freytag den Text »Karl Mathy. Geschichte seines Lebens«, der das Leben eines früheren Freundes Freytags schildert. Ein weiterer Romanzyklus erschien von 1872 bis 1880 unter dem Namen »Die Ahnen« und schildert die fiktiven Schicksale einer deutschen Familie von der germanischen Zeit bis zur damaligen Gegenwart, womit er einen Bogen von den Germanen zu den Deutschen seiner Zeit spannte. Knappe zehn Jahre vor seinem Tod, im Jahre 1886, gestaltete er mit seinen »Erinnerungen« einen tagebuchähnlichen Text, in dem er seine wichtigsten Lebensabschnitte schilderte.

In seinen - von britischen Autoren wie Sir Walter Scott und Charles Dickens beeinflussten - realistischen Werken beschrieb er das Leben des deutschen Bürgertums. Zu seinen bekanntesten Büchern zählt die Komödie »Die Journalisten« und der auch international erfolgreiche Roman »Soll und Haben«.

Politisch stand Freytag den Nationalliberalen nahe und war auch Reichstagsabgeordneter dieser Partei.

Gustav Freytag starb am 30. April 1895 in Wiesbaden.

Literatur:

Die Ahnen
Die Ahnen
von Gustav Freytag

Soll und Haben
Soll und Haben
von Gustav Freytag

Samstag, 9. Juli 2016

»Wie Proust Ihr Leben verändern kann« von Alain de Botton

Wie Proust Ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung.
Wie Proust Ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung.


»Wie Proust Ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung.« von Alain de Botton ist ein anregender literartscher Ausflug in die proustsche Welt der Pariser Aristokratie und des Großbürgertums in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Versuch, in Prousts Universum einzutauchen, lohnt sich ' und ist garantiert keine verlorene Zeit.

Alain de Botton tritt in diesem Buch wie ein Fürsprecher des Proustschen Geistes auf, er ist ein richtiger Advocatus Dei. In einem Streifzug durch verschiedene Aspekte des Lebens vermittelt er dem Leser die Proustsche Perspektive und erzählt, wie dieser und jener Situation auf Proustsche Art begegnet werden könne.

Hier geht es um Themen, wie: "Wie man richtig liest", "Wie man erfolgreich leidet", "Wie man seinen Gefühlen Ausdruck verleiht", "Wie man Freundschaften pflegt" oder "Wie man in der Liebe glücklich wird" um nur einige zu nennen.


De Botton zitiert aus dem Hauptwerk Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", aus Briefwechseln zwischen Proust und seinen Freunden und aus anderen journalistischen Texten, erläutert und garniert die Zitate mit eigenen Worten und zieht Schlußfolgerungen. In dem Kapitel "Wie man erfolgreich leidet" schreibt er z.B.:

"Proust zufolge lernen wir überhaupt nur dann etwas, wenn wir auf ein Problem stoßen, wenn wir Schmerz empfinden, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es uns erhofft hatten [...] So sagt er [Proust] uns, daß es zwei Methoden gibt, Wissen und Weisheit zu erlangen - die schmerzlose, über einen Lehrer, und die schmerzhafte, über das Leben - und unterstellt, daß die schmerzhafte Variante der anderen weit überlegen sei."

De Botton zitiert anschließend die Proustsche Romanfigur, den Maler Elstir:


"Ich weiß, daß manche junge Leute ... durch ihre Erzieher vom ersten Schultage an zum Adel des Geistes und zu moralischer Haltung angehalten werden. Sie haben vielleicht im Leben später nichts zu bereuen, sie können alles, was sie gesagt und getan, nachträglich unterschreiben, doch werden sie arm an Geist sein, kraftlose Ableger von Doktrinären, deren Weisheit negativ und unfruchtbar bleibt. Man kann die Wahrheit nicht fertig übernehmen, man muß sie selbst entdecken auf einem Weg, den keiner für uns gehen und niemand uns ersparen kann."

Doch niemals ist de Botton pessimistisch, wie es auf den ersten Blick scheinen mag:


"Eine Frau, von der wir nicht lassen können, die uns Leiden verursacht, zieht aus uns ganze Folgen weit tiefer und stärker an unser Lebensmark rührende Gefühle als ein Mann von überlegenem Geist, der uns interessiert. [...] In dem Augenblick, da Leiden sich in Ideen verwandeln, verlieren sie einen Teil ihrer schädlichen Wirkung auf unser Herz´."


De Botton bemerkt: "In Prousts Roman gibt es zahlreiche Figuren, die man als Leidensdilettanten bezeichnen könnte, arme Seelen, die in der Liebe enttäuscht oder nicht zu einer Soirée geladen wurden, die von einem Gefühl intellektueller Unzulänglichkeit oder sozialer Minderwertigkeit geplagt werden, aus ihrem Schmerz jedoch nichts lernen, sondern statt dessen eine Reihe ruinöser Abwehrmechanismen entwickeln, die zu Arroganz und Selbsttäuschung, Grausamkeit und Härte, Bosheit und Zorn führen."

Und so schlägt de Botton unterschiedliche therapeutische und amüsante Lösungsansätze, wie sich diese Proustschen "Leidensdilettanten" hätten selbst helfen können.


Literatur:

Wie Proust Ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung.
Wie Proust Ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung.
von Alain de Botton

Donnerstag, 7. Juli 2016

Gottfried Benn 60. Todestag


Gottfried Benn starb vor 60 Jahren am 7. Juli 1956 in Berlin.

Gottfried Benn war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller und Dichter des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Dichter der Moderne zwischen Nihilismus und Neuer Sachlichkeit sowie als unpolitischer Ästhet.

Der Mitbegründer des literarischen deutschen Expressionismus stellte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die herkömmliche Vorstellung von Lyrik radikal in Frage. Seine Darstellung der Banalität und Vergänglichkeit der menschlichen Existenz war eine echte Provokation.

Was kann der Dichter mit der Welt anfangen? - Der Dichter Benn hat mit seinem geistigen Expressionismus den kalten Hauch der Medizin und die kalte medizinische Terminologie in die Lyrik gebracht. Als angehender Pathologe und Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten veröffentlichte er 1912 seine erste Gedichtsammlung »Morgue« *.

Darin zeichnete er die Welt als "Krebsbaracke" und versetzte der Zivilisation vor dem Ersten Weltkrieg einen kräftigen Stoß.
Dieser Band wurde von der Avantgarde gefeiert, da er die herkömmliche Form der Lyrik inhaltllich und durch seinen Umgang mit der Sprache radikal in Frage stellte.

Seine schonungslos genauen Beschreibungen von Krankheit und Tod provozierten, aber sie faszinierten bei aller Kälte der Beobachtung durch die Form, die surreale Sprache mit ihrer Sogwirkung.

Die Gedichte dieser Sammlung hatten einen bestimmenden Einfluss auf die expressionistische deutsche Lyrik. Dies gilt auch für die Novellensammlung "Gehirne", die um den Arzt Dr. Rönne, ein Alter Ego Benns, kreisen. 1930 schrieb er zusammen mit dem Komponisten Paul Hindemith das Oratorium »Das Unaufhörliche«.

Benn traute allein der Dichtung, nicht zuletzt seiner eigenen, die Kraft der Erlösung zu - symptomatisch hierfür ist sein Diktum: "Am Anfang war das Wort und es wird auch am Ende sein." An ein persönliches Glück glaubte der Melancholiker Benn dagegen nicht, geschweige denn an einen Sinn der Geschichte.

Wie viele Dichter hatte auch Benn als unpolitischer Ästhet keine glückliche politische Haltung eingenommen.  Sein antibürgerliches und antikapitalistisches Ressentiment hat Benn dazu verleitet, einen autoritären Staat und sogar terroristische Gewalt zu bejahen. Benn war nicht nur ein stiller Sympathisant, sondern unterstützte vor allem durch Radio-Essays die Politik Hitlers tatkräftig.

NS-Zeit Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten dann der Sündenfall: Benn bejahte den neuen Staat und hielt Hitler für einen grossen Staatsmann. Der Dichter der Moderne diente sich den Nazis an und verhöhnte die Emigranten.

Benn ließ im Jahr 1933 zu einer uneinsichtigen Auffassung hinreißen und bereute es ein Jahr später bitter: Im "Dritten Reich" sah er zunächst den Aufbruch in ein Zeitalter, in dem sich endlich das Elementare wieder Bahn bricht. Benn war nicht nur ein stiller Sympathisant, sondern unterstützte vor allem durch Radio-Essays die Politik Hitlers tatkräftig.

Anders als Ernst Jünger, der sich 1933 allen nationalen Appellen in die Provinz entzog, meinte ausgerechnet der unpolitische Ästhet und Kassenarzt Gottfried Benn 1933 «die Geschichte» sprechen zu hören. »Halte dich nicht auf mit Widerlegungen und Worten, habe Mangel an Versöhnung, schließe die Tore, baue den Staat!«, trompetete er 1933 ins nationalsozialistische Horn. Überraschend für alle literarischen Zeitgenossen der Weimarer Zeit war der kalte Intellektualist Benn in die Fänge der warmen Volksgemeinschaft geraten.

Benn hatte sich in einer Rundfunkansprache im April 1933 für den neuen deutschen Staat ausgesprochen, zu dem es, nach dem Debakel der Weimarer Republik, keine politische Alternative gab.

Gottfried Benn. Genie und Barbar Mit seiner unkritischen Einstellung zum Nationalsozialismus diskredierte er seinen Ruf. Nach seinem politischen Fehltritt gab Benn, der eine militärärztliche Ausbildung erhalten hatte, 1935 seine private Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten auf und kehrte zur Armee zurück - für ihn war dies "die aristokratische Form der Emigration".

Nachdem Benn selber 1936 von den Nazis attackiert und später mit Schreibverbot belegt wurde, wandte er sich schon bald vom Nationalsozialismus ab und ging er in die innere Emigration. 1938 wurde Benn aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und erhielt Schreibverbot.

Gottfried Benn Obwohl er sich schon bald vom Nationalsozialismus abwandte und diesen in Briefen kritisierte, ist der Vorwurf der politischen Blindheit für die Einschätzung seiner Bedeutung gravierend gewesen.

1945 kehrte der Arzt und Lyriker Benn nach Berlin zurück und begann wieder mit seiner Tätigkeit als Arzt. Seine Frau Herta hatte sich am 2. Juli auf der Flucht vor den eindringenden russischen Truppen das Leben genommen.

Seit dem Herbst 1948 durfte Benn wieder in Deutschland veröffentlichen. Zuerst erschien jedoch im Schweizer Arche-Verlag der Band »Statische Gedichte«. Der Verleger Max Niedermayer hatte die Druckerlaubnis in Deutschland erwirken können.

„Wenn man wie ich die letzten fünfzehn Jahre lang von den Nazis als Schwein, von den Kommunisten als Trottel, von den Demokraten als geistig Prostituierter, von den Emigranten als Überläufer, von den Religiösen als pathologischer Nihilist öffentlich bezeichnet wird, ist man nicht so scharf darauf, wieder in die Öffentlichkeit einzudringen..." (1949).

In den folgenden Jahren der frühen Bundesrepublik erlebte Benn einen rasanten Aufstieg. 1949 erschienen vier Bücher von Benn. Mit der Verleihung des Büchner-Preises 1951 fand seine Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt.

Der dichtende Doktor Benn erlebte erst 1948 mit der in der Schweiz erschienene Gedichtsammlung »Statische Gedichte«, gefolgt von »Der Ptolemäer« (1949), den wirklichen Durchbruch. Die Gedichtsammlung »Statische Gedichte« begründete seinen späten Ruhm.

Im Literaturbetrieb der Adenauer-Zeit nahm Benn durch seine Publikationen eine Sonderstellung ein.

Gottfried Benn litt seit Beginn des Jahres 1956 sehr unter Schmerzen, deren Ursache jedoch erst kurz vor seinem Tod eindeutig festgestellt wurde (Knochenkrebs). Er starb nur wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag am 7. Juli 1956 in Berlin und liegt auf dem Waldfriedhof in Berlin-Dahlem begraben.

Gottfried Benn wurde am 2. Mai 1886 in Mansfeld in Brandenburg als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren.

* Morgue = Pariser Leichenschauhaus

Weblinks:

Gottfried Benn Gesellschaft - www.gottfriedbenn.de

Gottfried Benn - Der dichtende Doktor - www.stuttgarter-zeitung.de

Gottfried Benn - Kultiversum - www.kultiversum.de

Gottfried Benn-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Gottfried Benn-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Samstag, 2. Juli 2016

»Salz auf unserer Haut« von Benoîte Groult

»Salz auf unserer Haut« von Benoîte Groult erzählt die Geschichte einer im Grunde unmöglichen, einzigartigen Liebe: George, die Pariser Intellektuelle, und Gauvin, der bretonische Fischer - Welten trennen die beiden, die Barrieren von Erziehung und Bildung, von Weltanschauung und Geschmack stehen zwischen ihnen. Als Ich-Erzählerin beschreibt Groult darin eine wilde Sex-Affäre mit einem Fischer.

Ein Leben miteinander halten beide für unmöglich. Und doch zieht sie ein Verlangen zueinander, das stärker ist als Vernunft und Konvention, eine Leidenschaft, die, auch als die Liebenden älter und reifer werden, nicht erlischt. Ein Roman voll Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, zugleich das Porträt einer freien, selbstständigen Frau, die zu ihren Gefühlen steht.

Die Liebesgeschichte zwischen der Pariser Bildungsbürgerin George und dem bretonischen Fischer Gauvain ist eine Geschichte der ständigen Verhinderungen. Über viele Lebensjahrzehnte treffen sich ihre Wege wieder und wieder. Jedes Mal flammt ihre Leidenschaft erneut auf. Jedes Mal trennen sie sich wieder und jeder geht seiner eigenen, den gesellschaftlichen Positionen angepassten, Wege.


Zwei Liebende, die einander begehren, allerdings in einer Zeit, in der der soziale Status eine unüberwindbare Mauer darstellt. Er, der bretonische Seemann aus bildungsfernem Elternhaus, derjenige, der auf dem Land aufgewachsen ist und in der körperlichen Arbeit eine Tugend sieht, wobei er für die schönen Dinge im Leben keine Zeit oder Muße hat. Sie, eine gebildete Intellektuelle, aufgewachsen in Paris, die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen stellt, aber in ihrer Liebe zu ihrem "Kormoran" nicht über ihren Schatten springen kann und so an ihre Grenzen stößt.

Eine Liebesgeschichte, die unter die Haut geht, weil sie vieles in Frage stellt und bis zum Schluss immer das Beste, das Wahrhaftigste, das Ehrlichste war, was den beiden im Leben passiert ist...einfach nur toll und dramatisch zugleich.

Salz auf unserer Haut
Salz auf unserer Haut

Ein wundervoller Roman über die Liebe zweier Seelenverwandter, denen leider ein ganzes Leben nicht ausgereicht hat, zu erkennen, dass sie auch im wahren Leben für einander geschaffen gewesen wären, bis es schliesslich zu spät war.

Damals erregten die Liebesszenen zwischen den Hauptfiguren reichlich Aufsehen. Heute sind sie noch immer prickelnd und doch so erfreulich literarisch aufgearbeitet. Dieser Roman, vor den schönsten Kulissen der unterschiedlichsten Orte auf der ganzen Welt, ist die perfekte Urlaubslektüre.

Vor allem in ihrem Heimatland wurde der Roman als "Frauen-Porno" und und "Hymne an den Phallus" kritisiert. Inzwischen gehört das Buch zu den Klassikern der erotischen Literatur. 1992 wurde es von Andrew Birkin verflimt.

Weblink:

Salz auf unserer Haut
Salz auf unserer Haut
von Benoîte Groult

Mittwoch, 29. Juni 2016

»Malina« von Ingeborg Bachmann

Malina
Malina

»Malina«, Ingeborg Bachmanns einziger Roman, Auftakt des geplanten Todesarten-Zyklus, offenbart die psychische und physische Zerstörung eines weiblichen Ichs durch das männliche Prinzip. Die fragmentarischen Teile »Der Fall Franza« und »Requiem für Fanny Goldmann« erschienen erst nach dem frühen Tod der Autorin, die 1973 an den Folgen eines Brandunfalls starb.

Nach der Trennung von Max Frisch und einem psychischen Zusammenbruch zog Bachmann zunächst nach Berlin und 1965 nach Rom, wo sie weiter an ihrem vermutlich 1962 begonnenen Todesarten-Projekt arbeitete. Über Jahre entwarf sie neue Konzepte für den Zyklus, ohne ein Buch abschließen zu können, und geriet immer mehr unter den Druck der Verleger. 1970, zehn Jahre nach ihrem ersten Prosaband Das dreißigste Jahr, erschien »Malina« in ihrem neuen Verlag Suhrkamp.

Im Alter von elf Jahren erlebte Ingeborg Bachmann den Einmarsch von Hitlers Truppen in ihrem Heimatort Klagenfurt. Das Trauma der abrupt verlorenen Kindheit überwand sie nie. Ihr Leben lang schrieb sie mit kraftvoller Poesie für eine bessere Gesellschaft und gegen die Unterdrückung des Individuums.

Die namenlose Ich-Erzählerin des Romans, eine in Wien lebende bekannte Schriftstellerin, reflektiert und beschreibt ihre Situation als Geliebte zweier Männer. Vordergründig eine Dreiecksgeschichte zwischen Ich-Erzählerin, ihrem Geliebten Ivan und Malina, mit dem sie zusammenlebt, findet das eigentliche Geschehen im Innern der Protagonistin statt. Ihre seelischen Konflikte, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien, ihre Vorstellung von Glück werden eindringlich und beklemmend dargestellt.

In Ingeborg Bachmanns Büchern wird viel gelitten und viel geliebt. Im Lieben und in der Suche nach dem Glück war sie so kompromisslos wie in ihrem Schreiben. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie »Malina«, ein stark autobiografisch geprägtes Buch. Vordergründig handelt der Roman von einer Dreiecksbeziehung der namenlosen Erzählerin mit zwei Männern: dem schönen Liebhaber Ivan und ihrem Lebensgefährten Malina.

Wenn man durch Ingeborg Bachmanns Ungargasse läuft, achtet man nicht nur auf die Häuser, sondern vor allem auf die Schilder an den Häusern. Im Haus Nr. 5 wohnte Ludwig van Beethoven, ein wenig weiter, in der Nr. 8, Joseph von Eichendorff. Nur ein Stück die Straße hinauf, jeweils eine Nummer weiter, in den Häusern Nr. 6 und Nr. 9, ließ Bachmann die Hauptfiguren ihres Romans »Malina« wohnen, deren Leben fortan um den Ort kreisen, welches von der Ich-Erzählerin ihr "Ungargassenland" genannt wird.

Bachmann selbst lebte während ihrer Zeit in Wien in der Beatrixgasse und in der Gottfried-Keller-Gasse. Beide befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Ungargasse. Dennoch wundert man sich beim Lesen des Romans „Malina“, weshalb sie gerade diese Straße als Wohnort ihrer Figuren wählt, denn die Ich-Erzählerin selbst beschreibt die Ungargasse zunächst als wenig einladend. „Sie ist […] nicht unbekannt zu nennen, denn man kennt sie schon, aber ein Fremder wird sie nie zu Gesicht bekommen, weil es in ihr nichts zu besichtigen gibt und man hier nur wohnen kann. […] Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien“.

Ivan kann ihrer Liebe letztlich jedoch nicht standhalten, die Erzählerin verzweifelt, und weder die Literatur noch Malina können sie retten; die Männerwelt ist tödlich für sie. Im Roman klingt deutlich der Wunsch nach Selbstzerstörung an, Bachmann spielt mit dem Motiv des Todes durch Verbrennen. Ahnte sie ihr eigenes, an Dramatik kaum zu überbietendes Ende? Deutungen ihrer Schriften lehnte die Autorin zeitlebens ab, sie bevorzugte stilles Nachdenken. Dafür liefert »Malina« wahrlich Stoff genug - sofern man als Leser ob der wirren Erzählung nicht frühzeitig aufgibt.




Im ersten Kapitel »Glücklich mit Ivan« beschreibt die Erzählerin ihr Verhältnis zu ihrem unerreichbar erscheinenden Geliebten. Malina, der »dritte Mann« aus dem zweiten Kapitel, ist Repräsentant der Vernunft, der die materielle Grundlage ihres Zusammenlebens sichert. Er erscheint als der männliche Teil im Bewusstsein der Erzählerin. Seine Rationalität ist dem weiblichen Ich lebensnotwendig, sie kann jedoch ihre Ansprüche ihm gegenüber nicht geltend machen. Malina wirkt menschlich und gesellschaftlich überlegen. Die Unterdrückung nimmt das weibliche Ich trotz des Wunsches nach Selbstverwirklichung und Gleichberechtigung ohne Gegenwehr hin.

Die Traumsequenzen der Ich-Erzählerin im zweiten Kapitels von »Malina« kreisen um ihren Vater. Die Ich-Erzählerin setzt die Herrschaft des Vaters über das Kind mit der Herrschaft des Mannes über die Frau gleich. Die Unterdrückung wird zusätzlich in den historischen Kontext des Holocaust gestellt.

Das dritte Kapitel »Von letzten Dingen« ist als ein fiktiver Dialog zwischen der Erzählerin und Malina über das Schreiben.

»Es war Mord«, das ist der letzte Satz ihres Romans. Die Männer haben die Erzählerin umgebracht.

Literatur:

Malina
Malina
von Ingeborg Bachmann

Rezension:

Ambivalenz eines Ortes

Samstag, 25. Juni 2016

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Wer kennt sie nicht: Die Ursituation der Angst des Tormanns beim Elfmeter. Der österreichischer Schriftsteller Peter Handke hat daraus eine Erzählung mit deutlich kriminalistischen Zügen gemacht. Der Fussball dagegen tritt eher in den Hintergrund.

»Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ist eine kriminalistische Erzählung von Peter Handke, erschienen im März 1970. Die unterhaltsame Erzählung, die sich um Fussball dreht. Diese handelt vom Monteur Josef Bloch und von einer tief greifenden Sprach- und Erkenntniskrise erzählt. Ein Nouveau Roman, der kein Roman, sondern eine Erzählung ist: Spröde, distanziert, unterkühlt. Nicht wirklich spannend. Liest sich wie eine Bewerbung für den Ingeborg-Bachmann-Preis, das Gipfeltreffen der Unlesbaren.

Dem Monteur Josef Bloch, der früher ein bekannter Tormann gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, daß er entlassen sei. Jedenfalls legte Bloch die Tatsache, daß bei seinem Erscheinen in der Tür der Bauhütte, wo sich die Arbeiter gerade aufhielten, nur der Polier von der Jause aufschaute, als eine solche Mitteilung aus und verließ das Baugelände.

Gleich zu Beginn des Buches geschieht ein Mord - doch um einen gängigen Kriminalroman handelt es sich bei Peter Handkes »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« nicht. Noch viel weniger geht es übrigens um Sport. Stattdessen setzt sich der österreichische Schriftsteller mit den Grenzen unserer Sprache auseinander. Wie ist es möglich, selbst einfache Gespräche zu führen? Was haben die banalsten Wörter, die uns scheinbar so geläufig sind, mit den Dingen zu tun? Wie kann es sein, dass wir einen Satz anfangen und schon wissen, wie er endet?

Vordergründig passiert in diesem Roman nur wenig, auf einer tieferen Ebene aber handelt er von der existenziellen Sinn- und Wahrnehmungskrise des Protagonisten Josef Bloch. Dessen Verhalten mag uns befremdlich oder gar krank erscheinen - für Handke ist es symptomatisch: Wir haben das einfache Sehen und Hören verlernt, alle Worte, Gesten und Dinge erscheinen als eine Anspielung auf etwas anderes. Handkes ebenso faszinierender wie verstörender Roman lässt uns über unsere normal erscheinenden, alltäglichen Sprechgewohnheiten nachdenken.

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung«
(suhrkamp taschenbuch)

Auf der Straße hob er den Arm, aber das Auto, das an ihm vorbeifuhr, war wenn Bloch den Arm auch gar nicht um ein Taxi gehoben hatte - kein Taxi gewesen. Schließlich hörte er vor sich ein Bremsgeräusch; Bloch drehte sich um: hinter ihm stand ein Taxi, der Taxifahrer schimpfte; Bloch drehte sich wieder um, stieg ein und ließ sich zum Naschmarkt fahren.

Es war ein schöner Oktobertag. Bloch aß an einem Stand eine heiße Wurst und ging dann zwischen den Ständen durch zu einem Kino. Alles, was er sah, störte ihn; er versuchte, möglichst wenig wahrzunehmen. Im Kino drinnen atmete er auf. Im nachhinein wunderte er sich, daß die Kassiererin die Geste, mit der er das Geld, ohne etwas zu sagen, auf den drehbaren Teller gelegt hatte, mit einer anderen Geste wie selbstverständlich beantwortet hatte. Neben der Leinwand bemerkte er eine elektrische Uhr mit beleuchtetem Zifferblatt. Mitten im Film hörte er eine Glocke läuten; er war lange unschüssig, ob sie in dem Film läutete oder draußen in dem Kirchturm neben dem Naschmarkt.

Im März 1970 erschien die Erzählung »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« in der Startauflage von 25.000 Exemplaren und ein halbes Jahr später hatte sich die Auflage bereits verdoppelt.

Die Aufnahme der Erzählung fiel recht einhellig aus: »Diese Erzählung gehört zu dem Bestechendsten, was in den letzten zehn Jahren deutsch geschrieben worden ist.« (Karl Heinz Bohrer, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«) »Um das vorweg zu sagen: ich halte »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ohne jede Einschränkung für das beste Buch, das in der deutschen Sprache nach Thomas Bernhards »Verstörung« und »Ungenach« geschrieben wurde.«




Weblinks:

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Erzählung« (suhrkamp taschenbuch)
von Peter Handke

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter - SZ-Bibliothek Band 13
von Peter Handke

Ingeborg Bachmann 90. Geburtstag

Ingeborg Bachmann


Ingeborg Bachmanns Geburtstag jährt sich zum 90. Mal am 25. Juni. Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Lyrikerin, Erzählerin, Essayistin.

Im Alter von 11 Jahren erlebte Ingeborg Bachmann den Einmarsch von Hitlers Truppen in ihrem Heimatort Klagenfurt. Das Trauma der abrupt verlorenen Kindheit überwand sie nie.

Ihr Leben lang schrieb sie mit kraftvoller Poesie für eine bessere Gesellschaft und gegen die Unterdrückung des Individuums. Im Lieben und in der Suche nach dem Glück war sie so kompromisslos wie in ihrem Schreiben.



1952 nahm die Lyrikerin an ihren ersten Lesung bei der »Gruppe 47« teil. Sie wurde mit vielen Lieraturpreisen ausgezeichnet: Bremer Literaturpreis, Hörspielpreis, Georg-Büchner-Preis, Großer Österreichischer Staatspreis, Anton-Wildgans-Preis.

Ingeborg Bachmann ist vielen mehr durch den berühmten Literaturpreis Österreichs bekannt oder vor allem als Lyrikerin.


Der Ton ihres Schaffens erinnert in den mythologischen Anklängen ein wenig an Christa Wolfs "Kassandra" oder an den feierlichen Ton klassizistischer Lyrik, etwa Schiller oder Hölderlin. Nicht selten entsteht beim Lesen eine Sogwirkung, da sich hinter dem prosaischen Zauber mehr, weit mehr zu verbergen scheint, als nur das geschriebene Wort. Bachmanns Charaktere reichen weit in die Tiefe, es fehlt also auch nicht an psychologischem Potenzial der Figuren.



Nach der Trennung von Max Frisch und einem psychischen Zusammenbruch zog Bachmann zunächst nach Berlin und 1965 nach Rom, wo sie weiter an ihrem vermutlich 1962 begonnenen Todesarten-Projekt arbeitete. Über Jahre entwarf sie neue Konzepte für den Zyklus, ohne ein Buch abschließen zu können, und geriet immer mehr unter den Druck der Verleger. 1970, zehn Jahre nach ihrem ersten Prosaband Das dreißigste Jahr, erschien »Malina« in ihrem neuen Verlag Suhrkamp.

Sie lebte nach Aufenthalten in München und Zürich viele Jahre in Rom, wo sie am 17. Oktober 1973 starb. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie ihren einzigen Roman "Malina", ein stark autobiografisch geprägtes Buch.

Weblinks:

Ingeborg Bachmann-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Ingeborg Bachmann-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de