Samstag, 19. Dezember 2009

»Das Walnusshaus« von Miljenko Jergović

Das Walnusshaus
Das Walnusshaus

Miljenko Jergović, geboren 1966 in Sarajevo, lebt in Zagreb. Er arbeitet als Schriftsteller und politischer Kolumnist und ist einer der großen europäischen Gegenwartsautoren. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden. Miljenko Jergović gehört zu den großen und bedeutendsten Erzählern Osteuropas. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Das Walnusshaus«, »Sarajewo Malboro« und »Freelander«.

Miljenko Jergović erzählt die Geschichte einer Frau (und ihren weiteren Familenangehörigen) aus Dubrovnik, deren Leben praktisch das ganze 20. Jahrhundert erfasst. Und er erzählt diese Geschichte rückwärts! Im "ersten" Kapitel (das die Nummer XV trägt) erfährt der Leser von den Ereignissen nach dem Tod der Protagonistin, danach liest man das Kapitel Nummer XIV wo von ihrem Tod die Rede ist, und so weiter, jedes Kapitel ist gleichsam die Vorgeschichte des bereits gelesen. Und das Konzept geht auf, die Lektüre bleibt von der ersten bis zur letzten Seite spannend.

Der Autor nimmt uns mit auf einer Reise durch die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, erzählt aus den höchst individuellen Blickwinkeln seiner Figuren, einfacher Menschen, durchwegs Kindern ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft. Hier geht es nicht um das Erzählen "großer" Geschichte, sondern um die Wirkung die historische Veränderungen auf ganz normale Menschen haben, wie diese damit Umgehen und darüber denken.

»Freelander« vom selben Autor ist noch viel mehr eine Mentalitätsstudie des "homo croaticus" und seiner Verwandten als dieses Buch. »Das Walnusshaus« ist einfühlsamer geschrieben.

Miljenko Jergović erzählt Zeitgeschichte aus der Sicht einfacher Menschen. Das Buch ist ein großartiges Panorama des Balkans im 20. Jahrhundert. Zwischen Grauen und Komik entsteht die tragische Geschichte des Balkans im 20. Jahrhundert. 600 Seiten prallvoll mit Geschichte und Geschichten. Bunt, vielfältig und nebenbei auch noch lehrreich.

Weblink:

Das Walnusshaus
Das Walnusshaus
von Miljenko Jergović

Montag, 9. November 2009

Imre Kertész 80. Geburtstag

Imre Kertesz

Imre Kertész wurde am 9. November 1929 in Budapest geboren. Kertesz ist ein ungarischer Schriftsteller jüdischer Abstammung. Er erhielt 2002 den Nobelpreis für Literatur. Er ist der erste und bislang einzige Literaturnobelpreisträger Ungarns.

Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde er mit vierzehn Jahren im Juli 1944 (im Verlauf eines gegen Miklós Horthy gerichteten Gendamerieputsches in Budapest, der aber letztlich scheiterte) über Auschwitz in das Konzentrationslager Buchenwald und in dessen Außenlager Wille in Tröglitz/Rehmsdorf bei Zeitz verschleppt.

Am 11. April 1945 wurde er befreit und kehrte nach Budapest zurück. Diese ihn zeitlebens prägende Zeit im Lager verarbeitete er zuerst in dem 1973 vollendeten »Roman eines Schicksallosen«.

Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1953 begann Kertész in Budapest als freier Schriftsteller und Übersetzer zu arbeiten. Seine schriftstellerische Tätigkeit wurde in seiner Heimat besonders nach dem Aufstand von 1956 durch die kommunistische Diktatur eingeschränkt. Seinen Lebensunterhalt sicherte er sich zunächst mit dem Schreiben von Texten zu Musicals und kleinen Theaterstücken, die er aber nicht zu seinem schriftstellerischen Werk zählt.

Als Übersetzer übertrug er unter anderen Werke von Friedrich Nietzsche, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud, Joseph Roth, Ludwig Wittgenstein und Elias Canetti, welche allesamt sein eigenes Werk entscheidend prägten.

1960 begann er mit der 13 Jahre dauernden Arbeit an dem Buch »Roman eines Schicksallosen«, das zu einem der bedeutendsten Werke über den Holocaust zählt und das seinen Ruhm begründete. Die meisten seiner Texte sind autobiographisch inspiriert.

Imre Kertész starb am 31. März 2016 im Alter von 86 Jahren in Budapest.

Weblinks:

Roman eines Schicksallosen
Roman eines Schicksallosen
von Imre Kertész

Samstag, 10. Oktober 2009

»Die Blechtrommel« von Günter Grass

Die Blechtrommel
Die Blechtrommel

»Die Blechtrommel« ist ein Schelmenroman von Günter Grass, der in seiner Heimatstadt Danzig spielt. Mit seinem ersten Roman gelang dem damals 31-jährigen  der Durchbruch auf dem Literaturmarkt.

Held des Romans ist der boshaft tabulose Oskar Matzerath, ein Gnom, der mit drei Jahren beschließt, nicht weiter zu wachsen, um im Kindskörper vor allerhand Strafen geschützt zu sein, Matzerath, der kreischt und trommelt und nicht wachsen will in der Nazi-Umgebung, wird durch die Spuren der Realitätsverweigerung gezeichnet.

Buchstäblich mit einem Paukenschlag meldete sich in diesem Schelmenroman der kleine Oskar Matzerath in die Literatur. Er weigerte sich zu wachsen und beobachtete mit dem Blick eines bösen Zwerges die schreckliche Erwachsenenwelt nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Der Roman repräsentiert ein Stück deutscher Zeitgeschichte, denn der Roman umspannt die fünf Jahrzehnte von 1899 bis in die Anfänge der Bundesrepublik. Auch ist der Krieg ist allgegenwärtig. Im seinem Werk thematisiert er die kollektive Verdrängung der Zeit während des Dritten Reiches durch die deutsche Bevölkerung. Es ging ihm auch um eine Kritik an der mangelnden Aufarbeitung.

Weblink:

Die Blechtrommel
Die Blechtrommel
von Günter Grass


Samstag, 30. Mai 2009

Joseph Roth und die Verlorenheit der Welt

Joseph Roth: Eine Biographie
Joseph Roth: Eine Biographie

Starjournalist, Bestsellerautor, verlorener Trinker. Joseph Roth war eine der schillerndensten Figuren des Habsburger-Reiches. - Unter eine Zeichnung, die ihn am Bistrotisch zeigt, schrieb er im November 1938: "Das bin ich wirklich: böse, besoffen, aber gescheit.". So lautet das Fazit seines Lebens. Als Jospeh Roth diese Zeilen schrieb, hatte er bereits sein wechselvolles Leben hinter sich.

Joseph Roth verkörpert die ganze Widersprüchlichkeit seiner Zeit. Welch ein Leben: Vom jüdischen Außenseiter aus Ostgalizien zum Wiener Studenten und Weltkriegssoldaten, vom Starjournalisten der Weimarer Republik und Reisereporter zum österreichischen Literaten mit Weltruhm, der als verlorener Trinker im Pariser Exil starb.

Joseph Roth war Moralist, Polemiker, Schriftsteller und Journalist. Er war bekennender Ostjude mit Neigung zum Katholizismus, Pazifist und Einjährig-Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, zeitweise engagierter Sozialist und bald Propagandist einer erneuerten Habsburgmonarchie, analytischer Journalist und Legendenerzähler des eigenen Lebens, weitherziger Moralist und begnadeter Polemiker. Wilhelm von Sternburg gelingt es, dieses zerrissene, leidenschaftliche und erschütternde Leben brillant zu schildern und Licht in das von Mythen durchwirkte Selbstbild Roths zu bringen.

Als Feuilletonist und Kolumnist schrieb er für linke und konservative Zeitungen. Seine Unrast bietet ihm nirgendwo Halt, er lebt in Hotels und Pensionen und schreibt in Kaffeehäusern und auf Fluchten, die ihn weit von sich selbst wegtreiben. Ohne die Atmosphäre der k.u.k. Monarchie, wie er sie in seinem Roman »Radetzkymarsch« beschrieben hat, ist ein Joseph Roth nicht denkbar.


Der ruhelose Reisereporter schrieb für bedeutende Zeitungen der Weimarer Republik und des Exils, starb am 27. Mai 1939 in Paris an den Folgen seines Alkoholismus. Als Joseph Roth 1939 im Pariser Exil starb, hatte er einen weiten Weg hinter sich: Geboren 1894 im ostgalizischen Städtchen Brody, am äußersten Rand des Habsburgerreichs gelegen, brach er früh nach Westen auf, nach Wien, Berlin und Frankfurt. Als Starjournalist reiste er durch ganz Europa und schrieb stilistisch brillante Reportagen mit pointierten Analysen.

Das Ende war schrecklich: Am Morgen des 23. Mai 1939 brach Joseph Roth zusammen. Die Ärzte und Schwestern des Krankenhauses Hôpital Necker in Paris wussten nicht, dass er der berühmte Schriftsteller und ein schwerer Trinker war. Roth schreit nach Alkohol, will das Spital verlassen. Man fesselt ihn ans Bett. Er fällt ins Delirium, weil ihm jeder Alkohol versagt wird. Fieber, Lungenentzündung, Wahnbilder, hochgradige Erregung – vier Tage später ist er tot.

Das ist jetzt 70 Jahre her. Aus diesem Anlassn ist die große Joseph-Roth-Biografie Wilhelm von Sternburgs erschienen – brillant geschrieben, vorzüglich recherchiert. Sie wird flankiert von der überarbeiteten Fassung des Roth-Bildbands von Heinz Lunzer und Victoria Lunzer-Talos (erstmals 1994, Kiepenheuer & Witsch, 280 Seiten, 39,95 Euro).

Roths Schwanengesang ist die Novelle „Die Legende vom heiligen Trinker“. Der Clochard Andreas, ein hellsichtiges Selbstporträt, stirbt darin einen raschen, schmerzlosen Tod. „Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!“ Das war Roth nicht vergönnt. Er wurde keine 45 Jahre alt.

Weblink:

Joseph Roth: Eine Biographie
Joseph Roth: Eine Biographie
von Wilhelm von Sternburg

Mittwoch, 1. April 2009

Nikolai Gogol 200. Geburtstag

Nikolai Gogol

Der russische Schriftsteller Nikolai Gogol wurde vor 200 Jahren am 1. April 1809 als eines von fünf Kindern in Welikije Sorotschinzy in der Region Poltawa, Ukraine geboren. Der Sohn eines ukrainischen Gutsbesitzers siedelte 1828 nach St. Petersburg über und versuchte sich als Beamter und Lehrer.

Nikolai Wassiljewitsch Gogol bildet zusammen mit Alexander Puschkin und Michail Lermontow jene Dichtertrias, die für die erste große Entfaltung der russischen Literatur steht. In einer Epoche, die nach dem militärischen Triumph des Zarenreiches über Napoleon vom reaktionären Geist der Heiligen Allianz, durch die Adelsrevolte der Dekabristen und das repressive Regime Nikolaus' I. markiert wurde, rückte die russische Literatur nach einem langen Prozess der Aneignung fremder Muster jetzt in eine Reihe mit der europäischen Romantik. Goethe, Schiller, E.T.A. Hoffmann, Byron, Mickiewicz waren nicht mehr unerreichbare Vorbilder, sondern Dialogpartner der Russen, die sich ihrerseits nun auf die eigenen Traditionen und Themen stützten.

Gerade in Gogols Werken ist deutlich zu sehen, wie er aus der ukrainischen Überlieferung und seinen Petersburger Erfahrungen schöpft und dabei immer wieder ureigene künstlerische Lösungen findet. Seine Herkunft aus einer ukrainisch-polnischen Familie, die ein kleines Landgut in der Nähe von Poltawa besaß, hat ihn nicht gehindert, gezielt auf eine Tätigkeit als Beamter oder als Schriftsteller in Petersburg hinzustreben. Er hatte eine der von Kaiser Alexander I. geschaffenen Eliteschulen besucht, dort beachtliche Literaturkenntnisse erworben und sich bereits als Dichter versucht:
Im Jahr 1831 lernte Gogol den Dichter Alexander Puschkin kennen, der ihm den Weg in die russische Literatur wies. Puschkin wurde ihm Freund und Förderer, der ihn in seiner Dichtkunst inspirierte und zum Schreiben anregte.

Mit seinen ersten volkstümlichen Erzählungen "Abende auf dem Gutshof bei Dikanka" erwarb sich Gogol 1831/32 große Anerkennung. Außerdem schrieb Nikolai Gogol zahlreiche Kurzgeschichten wie "Die Nase" oder "Der Mantel". Nachdem 1836 sein Werk "Der Revisor" erschienen war, reiste Gogol die nächsten Jahre durch Deutschland, Frankreich und Italien.

div style="float: right; margin: 0px 10px 10px 0px; height: 75px">
Die toten Seelen
1842 erschien sein einziger Roman »Die toten Seelen«, ein Werk, dessen verschiedene Fassungen und Fortsetzungen der pessimistische Autor im Laufe seines Lebens wieder vernichtete, neu schrieb und zuletzt doch wieder vernichtete.

Gerade in Gogols Werken ist deutlich zu sehen, wie er aus der ukrainischen Überlieferung und seinen Petersburger Erfahrungen schöpft und dabei immer wieder ureigene künstlerische Lösungen findet. Seine Herkunft aus einer ukrainisch-polnischen Familie, die ein kleines Landgut in der Nähe von Poltawa besaß, hat ihn nicht gehindert, gezielt auf eine Tätigkeit als Beamter oder als Schriftsteller in Petersburg hinzustreben. Er hatte eine der von Kaiser Alexander I. geschaffenen Eliteschulen besucht, dort beachtliche Literaturkenntnisse erworben und sich bereits als Dichter versucht.

In den 1840er Jahren stürzte Gogols Religiosität ihn in eine schwere schöpferische Krise. 1848 begab sich Gogol auf eine Wallfahrt nach Palästina und unternahm eine Pilgerreise nach Jerusalem. Er geriet nach seiner Rückkehr unter den Einfluss eines Priesters, der seine Werke als verderbt ansah. Er verbrannte – möglicherweise in einem wahnhaften Anfall – das Manuskript des zweiten Teils der Toten Seelen, bezeichnete dies aber kurz darauf als großen Fehler.

Am 4. März 1852 starb der russische Schriftstellerim Alter von 42 Jahren in Moskau an den Folgen allzu strengen religiösen Fastens.

Literatur:


Die toten Seelen
von Nikolai Gogol


Die toten Seelen
von Nikolai Gogol


Dienstag, 20. Januar 2009

Bettina von Arnim 150. Todestag

Bettina von Arnim

Bettina von Arnim starb vor 150 Jahren am 20. Januar 1859 im Kreise ihrer Familie in Berlin. Sie wurde neben ihrem Mann an der Kirche von Wiepersdorf beigesetzt. Bettina von Arnim war eine deutsche Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin und Ikone der deutschen Romantik.

1810 verlobte sich Arnim mit Bettina, das Paar heiratete am 11. März 1811. Die Arnims hatten sieben Kinder: Freimund, Siegmund, Friedmund, Kühnemund, Maximiliane, Armgart, und Gisela von Arnim. Das Paar lebte meist getrennt, sie in Berlin, er auf seinem Gut Wiepersdorf. Bald nach der Hochzeit reisten sie gemeinsam nach Weimar, um Goethe zu besuchen. Ein heftiger Streit Bettinas mit Goethes Frau Christiane führte zu einer lebenslangen Entfremdung zwischen Goethe und Arnim. 1813 während der Befreiungskriege gegen Napoleon befehligte Arnim als Hauptmann ein Berliner Landsturmbataillon.

Es war eine der großen Liebesgeschichten der deutschen Romantik: Bettina Brentano und Achim von Arnim. Ihre Ehe dauerte von 1811 bis 1831 und verband zwei eigenwillige, gegensätzliche Gefühlsmenschen in einer höchst modern anmutenden Melange aus Zärtlichkeit und Konflikten, idealistischen Höhenflügen und profanen Sachzwängen.

Auf den ersten Blick steht Bettina für das Bunte, Spontane, Prächtige, auch für das moralisch und emotional Offene. Sie war überzeugt, dass Autoritäten aller Art es so genau nicht nehmen, weil sie jederzeit bereit sind, ihr liebes Kind, das es ja nicht schlimm gemeint hat, wieder in die Arme zu schließen. Armin dagegen war geprägt von der preußischen Pflichtauffassung, […] Er war ernst, schmal, streng und verlangte viel von sich und anderen.
Bettina von Arnim Der Witwenstand führte zu einer Verstärkung ihres öffentlichen Wirkens. Sie wurde zur Herausgeberin seiner »Gesammelten Werke«. Während der Cholera-Epidemie 1831 in Berlin engagierte sie sich für soziale Hilfsmaßnahmen in den Armenvierteln und pflegte Erkrankte. Aus Anlass der Thronbesteigung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. veröffentlichte sie 1843 die Sozialreportage »Dies Buch gehört dem König«. Das aus fiktiven Dialogen zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des preußischen Königs bestehende Werk wurde in Bayern verboten.

In der Ernüchterung, die der gescheiterten Revolution von 1848 folgte, verfasste sie 1852 die Fortsetzung »Gespräche mit Dämonen«, in der sie für die Abschaffung der Todesstrafe und die politische Gleichstellung von Frauen und Juden eintrat. Ihre weitreichende Korrespondenz zur Ermittlung statistischer Angaben für ihr Armenbuch erregte großes Aufsehen.

1854 erlitt Bettina von Arnim einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholte.

Bettina von Arnim am 4. April 1785 in Frankfurt am Main geboren.


Literatur:

»Bettine und Achim von Arnim: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Ehe«

Bettine und Achim von Arnim: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Ehe von Hildegard Baumgart