Joseph Roth: Eine Biographie
Starjournalist, Bestsellerautor, verlorener Trinker. Joseph Roth war eine der schillerndensten Figuren des Habsburger-Reiches. - Unter eine Zeichnung, die ihn am Bistrotisch zeigt, schrieb er im November 1938: "Das bin ich wirklich: böse, besoffen, aber gescheit.". So lautet das Fazit seines Lebens. Als Jospeh Roth diese Zeilen schrieb, hatte er bereits sein wechselvolles Leben hinter sich.
Joseph Roth verkörpert die ganze Widersprüchlichkeit seiner Zeit. Welch ein Leben: Vom jüdischen Außenseiter aus Ostgalizien zum Wiener Studenten und Weltkriegssoldaten, vom Starjournalisten der Weimarer Republik und Reisereporter zum österreichischen Literaten mit Weltruhm, der als verlorener Trinker im Pariser Exil starb.
Joseph Roth war Moralist, Polemiker, Schriftsteller und Journalist. Er war bekennender Ostjude mit Neigung zum Katholizismus, Pazifist und Einjährig-Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, zeitweise engagierter Sozialist und bald Propagandist einer erneuerten Habsburgmonarchie, analytischer Journalist und Legendenerzähler des eigenen Lebens, weitherziger Moralist und begnadeter Polemiker. Wilhelm von Sternburg gelingt es, dieses zerrissene, leidenschaftliche und erschütternde Leben brillant zu schildern und Licht in das von Mythen durchwirkte Selbstbild Roths zu bringen.
Als Feuilletonist und Kolumnist schrieb er für linke und konservative Zeitungen. Seine Unrast bietet ihm nirgendwo Halt, er lebt in Hotels und Pensionen und schreibt in Kaffeehäusern und auf Fluchten, die ihn weit von sich selbst wegtreiben. Ohne die Atmosphäre der k.u.k. Monarchie, wie er sie in seinem Roman »Radetzkymarsch« beschrieben hat, ist ein Joseph Roth nicht denkbar.
Der ruhelose Reisereporter schrieb für bedeutende Zeitungen der Weimarer Republik und des Exils, starb am 27. Mai 1939 in Paris an den Folgen seines Alkoholismus. Als Joseph Roth 1939 im Pariser Exil starb, hatte er einen weiten Weg hinter sich: Geboren 1894 im ostgalizischen Städtchen Brody, am äußersten Rand des Habsburgerreichs gelegen, brach er früh nach Westen auf, nach Wien, Berlin und Frankfurt. Als Starjournalist reiste er durch ganz Europa und schrieb stilistisch brillante Reportagen mit pointierten Analysen.
Das Ende war schrecklich: Am Morgen des 23. Mai 1939 brach Joseph Roth zusammen. Die Ärzte und Schwestern des Krankenhauses Hôpital Necker in Paris wussten nicht, dass er der berühmte Schriftsteller und ein schwerer Trinker war. Roth schreit nach Alkohol, will das Spital verlassen. Man fesselt ihn ans Bett. Er fällt ins Delirium, weil ihm jeder Alkohol versagt wird. Fieber, Lungenentzündung, Wahnbilder, hochgradige Erregung – vier Tage später ist er tot.
Das ist jetzt 70 Jahre her. Aus diesem Anlassn ist die große Joseph-Roth-Biografie Wilhelm von Sternburgs erschienen – brillant geschrieben, vorzüglich recherchiert. Sie wird flankiert von der überarbeiteten Fassung des Roth-Bildbands von Heinz Lunzer und Victoria Lunzer-Talos (erstmals 1994, Kiepenheuer & Witsch, 280 Seiten, 39,95 Euro).
Roths Schwanengesang ist die Novelle „Die Legende vom heiligen Trinker“. Der Clochard Andreas, ein hellsichtiges Selbstporträt, stirbt darin einen raschen, schmerzlosen Tod. „Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!“ Das war Roth nicht vergönnt. Er wurde keine 45 Jahre alt.
Weblink:
Joseph Roth: Eine Biographie von Wilhelm von Sternburg