Die populären Münchhausen-Geschichten von Gottfried August Bürger
erzählen von den fantastischen Reiseberichten eines Lügenbarons und
Aufschneiders, der in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Sie
wurden zum erzählerischen Gemeingut und regten etliche Nachfolger zu
neuen Erfindungen um den großspurigen Aufschneider an.
Der Leser wird Zeuge von abenteuerlichen Geschichten eines
leibhaftigen Barons aus Bodenwerder an der Weser, der frei erfundene
Geschichten auftischt, daß sich die Balken nur so biegen. Auf einer
beschwerlichen Reise nach Russland findet Münchhausen sein Pferd, das er
an einen Stecken angebunden zu haben glaubte, nach der plötzlichen
Schneeschmelze auf der Kirchturmspitze wieder, holt es mit einem Schuss
durch den Halfter herunter und reitet zu weiteren Abenteuern.
Von ähnlicher Qualität sind seine unwahrscheinlichen Jagderfolge und
Erlebnisse mit wilden oder fabelhaften Tieren. Das Glück bleibt ihm
auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen treu. Wenn sein Hengst
entzweigehauen wird, reitet der Held auf dem Vorderteil weiter, während
das Hinterteil sich selbstständig und an einem Dutzend Stuten zu
schaffen macht.
Zwar gerät Münchhausen in türkische Gefangenschaft, doch kehrt er
nach vielen mit List und Körperkraft bestandenen Gefahren wohlbehalten
in seine Heimat zurück. Seine Seeabenteuer führen ihn durch alle Meere
und Kontinente sowie zu den Mächtigen der Erde, als neuen Jonas durch
den Bauch von riesigen Fischen, in den Krater des Ätna und sogar bis auf
den Mond.
In lockerer anekdotischer Reihung berichtet Münchhausen von seinen
Abenteuern, beglaubigt durch die Ich-Form, die auch das Unglaublichste
als selbst Erlebtes präsentiert. Im ersten Teil dominieren die Tiere,
die der aktive Held besiegt oder als Helfer benutzt. Im zweiten Teil
stehen die fremden Welten im Vordergrund, deren Herausforderungen der
Erzähler neugierig begegnet.
Als erfolgreicher und tatenlustiger Kraftkerl, der mit seiner
Respektlosigkeit gegenüber politischen Herrschern und seiner
ursprünglichen, unverbildeten Intelligenz allen Unbilden der Natur und
der Zivilisation trotzt, ist der fiktive Münchhausen ein typisches
Produkt des Sturm und Drang. Bürgers volkstümlich-witziger Sprachgestus
machte ihn zu einer Identifikationsfigur des aufstrebenden Bürgertums.
1788 veröffentlichte er eine erweiterte Fassung des Werkes, dessen
Episoden in der Tradition der Lügenliteratur und der fantastischen
Reiseberichte zum erzählerischen Gemeingut wurden und etliche Nachfolger
zu neuen Erfindungen um den großsprecherischen Aufschneider
inspirierten.
Bürger hat sich selbst zu seiner Autorschaft an diesem Werk nicht
bekannt, einerseits um sich als Verfasser von Lügengeschichten in seiner
ungesicherten gesellschaftlichen Position nicht in Verruf zu bringen,
andererseits aus Rücksicht auf den in Bodenwerder an der Weser lebenden
realen Karl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen (1720 bis
1797).
Die populären Münchhausen-Geschichten sicherten Gottfried August
Bürger seinen Nachruhm, auch wenn er als deren Autor fast in
Vergessenheit geriet.
Weblink:

Münchhausen von Gottfried August Bürger