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Samstag, 16. März 2024

»Harlekins Millionen« von Bohumil Hrabal



»Harlekins Millionen« ist ein modernes Märchen von Bohumil Hrabal. In Lysá, wo das Schloss des Grafen Sporck vor sich hin träumt, spielen die zauberhaft-traurigen Erzählungen aus »Harlekins Millionen«.

»Harlekins Millionen« ist ein Musikstück, das als Dauerberieselung in einem Altersheim irgendwo in Tschechien Tag für Tag gespielt wird. Die Erzählerin, Hrablas Mutter, wandelt durch eben dieses Altersheim als eine der Rentner und entdeckt jedes Mal Neues als der Gegenwart und der Vergangenheit. Drei alte Männer stehen ihr zur Seite, die ihr von den alten Zeiten des kleinen tschechischen Dorfes erzählen, in dem ihr Mann vor dem Kommunismus Brauereiverwalter war. Sie lässt in diesen Reflektionen die Geschichte passieren, erzählt über die Familiegeschichte des Landes und der Bevölkerung.


Hrabal verbindet in seinem „Märchen“ viele Ebenen, die des Jungseins und des Alterns bis hin zum Sterben. Seine Vergleiche einer alternden Frau mit den ewig jungen Statuen im Park des Heimes, wie auch die Stärke seiner Charaktere, die sich von nichts, was um sie herum passiert ändern lassen, sind unerreicht und machen das Buch zu einer spannenden und zum Nachdenken anregenden Lektüre. Den Mittelpunkt steht immer die Fragen: Was ist das Leben? Was ist die Liebe?, dies jedoch so unaufdringlich und frei von jeglichem Pathos, dass es ein reines Lesevergnügen ist.

Literatur:

Harlekins Millionen
Harlekins Millionen
von Bohumil Hrabal

Samstag, 25. Juni 2022

»Die Verwandlung« von Franz Kafka



»Die Verwandlung« ist eine im Jahr 1912 entstandene Erzählung von Franz Kafka. Die Geschichte handelt von Gregor Samsa, dessen plötzliche Verwandlung in ein Ungeziefer die Kommunikation seines sozialen Umfelds mit ihm immer mehr hemmt, bis er von seiner Familie für untragbar gehalten wird und schließlich zugrunde geht. Der Roman wurde zumeist als absurde Allegorie oder als kafkaeske Parabel gelesen.

"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte,
fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt."




Kafka schildert gleich zu Beginn dieses Romans die groteske Situation, in dem ein junger morgens in seinem Bett als Käfer verwandelt aufwacht und schildert damit zugleich eine absurde Kafkaeske der Moderne.


Da erwacht also dieser Gregor, ein junger Handlungsreisender, der unter seinem Beruf und der Lieblosigkeit seiner Umwelt leidet, eines Morgens als riesiges Insekt. Zur Arbeit zu gehen, macht in seinem Zustand wenig Sinn. Schon taucht der erboste Prokurist auf und verlangt wütend eine Erklärung für Gregors Fernbleiben. Diese Szene, in der Gregor hinter verschlossener Tür sein Verhalten entschuldigt, seinen Käferkörper zur Tür quält und sich schließlich zu erkennen gibt, ist so haarsträubend kafkaesk, daß spätestens jetzt dieser Begriff jedem einleuchten dürfte. Gregors Familie ist angewidert, läßt den Sohn aber bei sich wohnen, bis schließlich -- nun, Sie werden es erfahren.

Keine Erklärung, nur dieser Hilfeschrei! Solche Radikalität war neu in der Literatur. Deutungen gab es viele. Gregor, wie Kafka, ein schwacher Mensch, der Tag für Tag mitansehen muß, wie diese Welt mit Schwachen umgeht, droht daran zugrundezugehen und vollzieht Die Verwandlung. Das ist seine "Rettung".

„Ohne jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen könnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Geschäft lief, mit dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein, um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise vielleicht nur verkostet oder – der häufigste Fall – gänzlich unberührt war, mit einem Schwenken des Besens hinauszukehren.“
»Die Verwandlung« - Franz Kafka

Wie kaum ein anderes Stück Literatur hat »Die Verwandlung« die Leser zugleich begeistert und verstört und zu verschiedensten Deutungen des vielschichtigen Textes angeregt. Kafkas Erzählung unterläuft und übertrifft jedoch jegliche Interpretationsschemata und ist über alle verkürzenden Zugänge zum Text erhaben.

Die Metamorphose des Prokuristen Gregor Samsa zum Käfer iste ein Kafkeske, welche von Kafka selbst nicht als beängstigendes Geschehen entworfen wurde. In einem Gespräch mit Gustav Janouch antwortete er angeblich auf dessen Vergleich mit der Devise »Zurück zur Natur«: »Doch heute geht man weiter. Man sagt es nicht nur - man tut es. Man kehrt zum Tier zurück. Das ist viel einfacher als das menschliche Dasein.«

In der düsteren Welt Kafkas sind das Menschliche, die Bindung an den Nachbarn, das Vertrauen auf die Gesellschaft verlorengegangen. Die Welt ist rätselhaft und undurchschaubar geworden und flösst dem Menschen Angst ein. Der Mensch sieht sich einer absurden Welt gegenüber und macht die Erfahrung des Absurden.

Bei Kafka wird der Mensch der Moderne häufig durch einen Blick der Selbstentfremdung dargestellt, das Vertrauen zu Nahestehenden ist erschüttert, und auch Einsamkeit ist ein großes Thema Kafkas.


Träume, Ängste, Komplexe, Zerstörerisches und Symbolhaftes spiegeln eine Grundhaltung in seinen Werken wider, in denen der Mensch als Fremder oder Ausgeschlossener immer wieder nach Sicherheit, Halt und Geborgenheit sucht.

Die beklemmende Welt der Kafka'schen Protagonisten, die im Bannkreis unsichtbarer, bedrohlicher Mächte leben, ist durch Verstörung und vitale Erschöpfung gekennzeichnet.


»Die Verwandlung« von Franz Kafka ist Kafkas Ausdruck seines Seelenlebens und eine Parabel auf den seelenlosen Zustand der Welt. Wie so oft trifft Kafka ins Schwarze. Eine beissende Gesellschaftskritik, die mittels einer skurrilen Idee zeigt wie Menschen sich in auswegslosen Situationen verhalten. Empathie, und deren Verblassen, Trotz, Scham, Widerstand und Verzweiflung werden gelungen thematisiert. Prägnant und angenehm kurz gehalten ist dieses Werk Pflichtlektüre.

Die Geschichte um Gregor Samsa macht sehr betroffen. Wie schnell ein geliebter Mensch einfach mal so im Stich gelassen wird da dieser sich in ein Insekt verwandelt hat. - Diese Lektüre muss man gelesen haben, um die Verwandlung zu verstehen.

Literatur:

Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Die Verwandlung


Samstag, 26. Februar 2022

»Ich dachte an die goldenen Zeiten« von Bohumil Hrabal



»Ich dachte an die goldenen Zeiten« ist ein Roman von Bohumil Hrabal, der erste Band einer dreiteiligen autobiografischen Reihe. Der wehmütige Titel weist übrigens auf vorliterarische Zeiten Hrabals hin, die endgültig vorbei waren, als sich erste literarische Erfolge einstellten und damit plötzlich auch genügend Geld verfügbar war für ein unkonventionelles Künstlerleben.

Aus der Sicht seiner Frau erzählt der tschechische Autor Bohumil Hrabal die Geschichte seiner eigenen Ehe und damit die einer ganz und gar ungewöhnlichen Liebe. Während er, ein lange erfolgloser Schriftsteller, endlich den Durchbruch schafft, sieht sie, seine Frau, nur seine Schwächen und seine unmöglichen Freunde, bei denen er der Champion ist, die Nummer eins, besonders in der Kneipe "Zum Goldenen Tiger". Das Buch ist gleichzeitig ein burlesker Gesellschaftsroman mit einer unkonventionellen Schilderung des Prager Frühlings.

Mit den Augen seiner Frau beschreibt Bohumil Hrabal sein eigenes Leben und nimmt dabei auf sich keine Rücksicht. Er erscheint dem Leser als bäurischer, martialischer Mann, der mehr durch Zufall Schriftsteller geworden ist. Und doch bekennt Hrabal darin seine Art zu schreiben, seine Art zu erzählen. Man versteht seine Verliebtheit in die Natur und den Augenblick. Was in den Augen seiner Frau manchmal wie Wahnsinn erscheint, offenbart sich als Möglichkeit Gefühle und Stimmungen zu verschriftlichen.

Und nebenbei lernt der Leser auch die Ängste der Bevölkerung während des Prager Frühlings kennen, die Sinnlosigkeit und pure Machtdemonstration, die er gebracht hat. Hrabal gelingt dies aber auf eine subtile und sympathische Weise, er prangert nicht an, er stellt nicht einmal in Frage sondern baut es in sein eigenes Leben als schlichte Tatsache ein, die in ihrer Aberwitzigkeit auch zu seiner eigenen literarischen Gestalt passt.

Wer Hrabal nur von seinen Romanen her kennt, sollte sich diese andere Art von Autobiographie nicht entgehen lassen. Wie dem auch sei, die gute Elišska hat es nicht leicht mit diesem Kerl. Schon gleich zu Anfang hastet sie zum Verlag ihres Mannes, den längst überfälligen Vorabdruck seines neuen Buches abzuholen. Bohumil wartet derweil entnervt zu Hause, ein hilfloses Bündel, suizidal unentschlossen zwischen Prager Fenstersturz oder Wacholderschnapsvergiftung. Oder die Episode, in der ihr Gatte stark alkoholisiert auf dem Bahnsteig auftaucht, den Verlagsvorschuß in einem Einkaufsnetz voller Geldscheine schwenkend. Wie bemerkt die Dame im Abteil gegenüber so treffend: "Der Herr Gemahl ist ein lustiger Kerl, sie erleben wohl so allerlei mit ihm!"

Aber was waren für den Autor die goldenen Zeiten? - Eliska erzählt über das Erscheinen des ersten Buches ihres Mannes Ende der 50er Jahre bis zum Publikationsverbot nach der Niederschlagung des Prager Frühlings. Mehr aber noch erzählt sie über den Schriftsteller Hrabal: Bohumil ist ein schwieriger, immer an sich selbst zweifelnder, sehr dem Alkohol und dem fetten Essen zugetaner Mensch, der eigentlich immer ein Kind geblieben ist. Er liebt seine Frau, seine Freunde und seine Katzen, er hasst Lesungen und Diskussionen; am liebsten ist er (allein) irgendwo in der Natur.

Bohumil Hrabal hat ein wunderbares Buch geschrieben, über dessen Wiederentdeckung man sich freut. Und natürlich kann Hrabal den tschechischen Nationalhelden Schwejk nicht verleugenen: nicht nur einmal wird man beim Lesen an Jaroslav Hasek erinnert, besonders bei Hrabals Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht und dem Publikationsverbot.

Literatur:

Ich dachte an die goldenen Zeiten
Ich dachte an die goldenen Zeiten
von Bohumil Hrabal

Ich dachte an die goldenen Zeiten
Ich dachte an die goldenen Zeiten - SZ-Reihe
von Bohumil Hrabal

Samstag, 19. Juni 2021

Deutsche Literatur aus Prag

Altstädter Ring mit Teynkirche

Prag trägt nicht zu unrecht so schmückende Beinamen wie "Goldene Stadt" oder "Hunderttürmige Stadt". Der Name "hunderttürmiges Prag" ist schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt. Inzwischen kann man in der Stadt rund 500 Türme und Aussichtstürme aus verschiedenen Epochen zählen. In der Baukunst der Stadt verschmelzen Barock, Rokoko, Jugendstil und Kubismus. Prag ist jedoch auch eine bedeutende Stadt der Literatur.


Vor 100 Jahren gab es in Prag eine lebendige Literaturszene mit einer langen literarischen Tradition. Damals lebten dort viele deutschsprachige Schriftsteller in der Stadt an der Moldau, die lesbare Spuren hinterlassen haben. Eine Annäherung an Prag und an seine literarischen und künstlicherischen Größen, an die Menschen, die hier gewirkt und von hier aus Prag und Böhmen berühmt gemacht haben.

Karlsbrücke in Prag

 Prag war einmal eine Stadt, in der es eine lebendige deutschsprachige Gemeinschaft gab, die  vor allem von jüdischen Autoren wie Franz Kafka und Max Brod bestimmt wurde. Sie lebten in einer abgeschlossenen Welt der Literatur – die mit dem Holocaust und der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand. Seit 2004 bemüht sich das Prager Literaturhaus darum, dieses literarische Vermächtnis zu erhalten und zu fördern.


Kafka beschrieb in seinen Werken das böhmische Prag mit seinen deutschen, jiddischen und tschechischen Bewohnern.



Es ist eine ironische Nuance, daß Prags fremder Sohn Franz Kafka heute das Aushängeschild der jüdischen Literaten Prags ist, obwohl er selbst nie von seinem eigenen Talent überzeugt war und seinen unveröffentlichten Nachlass nach seinem Tod zerstört haben wollte. Kafkas letzter Wille: "Alles dieses ist ausnahmslos zu verbrennen und dies möglichst bald zu tun." - Um Kafkas Vermächtnis muss man sich also keine Sorgen machen. Deshalb macht es sich das Prager Literaturhaus zur Aufgabe, die Werke seiner weniger bekannten Kollegen zu erhalten.

Moldau-Brücke im Nebel


Franz Kafka


Franz Kafka gilt als der rätselhafte Sonderling der großen Literaten des 20. Jahrhunderts, als ihr undurchschaubarster Vertreter. So rätselhaft wie der Schriftsteller, so rätselhaft war auch seine Welt. In seiner Heimatstadt Prag hat sich Kafka literarisch eine eigene Welt, einen eigenen Kosmos erschaffen.

Kafkas Welt ist düster und bedrohlich, der Mensch wird von anonymen Mächten bedroht und steht ihnen hilflos gegenüber. Er ist diesen Mächten ausgesetzt. Kafkas Welt ist eine allgemeine Chiffre auf die Bedrohung des Menschen durch die moderne Zeit.


Weblinks:

Kafka und Prag - www.kafkaesk.de

Prag um 1900 - www.kafkaesk.de

Kafka-Museum

Franz Kafka

Kafkas Testamente

Ein Roman als Biografie - oder umgekehrt - www.cicero.de


Literatur:


Im Licht der Goldenen Stadt
von Franz Loquai

Kafkas Welt: Eine Lebenschronik in Bildern
Kafkas Welt: Eine Lebenschronik in Bildern
von Hartmut Binder

Samstag, 4. April 2020

»Nacht mit Hamlet« von Vladimír Holan

»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«

»Nacht mit Hamlet« (»Noc s Hamletem«) ist ein 1969 entstandenes Werk des tschechoslowakischen Schriftstellers und Dichters Vladimír Holan.

"Huldigung an Shakespeare" nannte der "große alte Mann" der tschechischen Lyrik sein metaphysisch- esoterisches Hauptwerk. Die Zeilen "Kunst ist Klage/Etwas für manchen/Nichts für alle ..." könnten als Motto über diesem nächtlichen Dialog mit der zeitlosen Gestalt Shakespeares stehen.


»Sein Versepos 'Nacht mit Hamlet' ist in der Phase des tschechischen Poststalinismus entstanden und setzt sich im Gewand eines Dialogs des Dichters mit dem Dänen-Prinzen aus dem Shakespeare-Drama mit den Themen Macht, Verrat und Enttäuschung auseinander. Über seine eigene Position in dieser Konstellation läßt Holan keinen Zweifel aufkommen: 'Kunst als werk, damit du nicht hoffärtig wirst./Ich sage dir, kunst ist klage.'«

 Hans-Peter Riese, FAZ, Juni 2006


Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurde Vladimír Holan von den Kommunisten mit Publikationsverbot belegt. Seine große Enttäuschung schrieb er im Jahr 1969 in seinem Werk »Nacht mit Hamlet« nieder.


Literatur:

»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«
von Vladimír Holan

Dienstag, 31. März 2020

Vladimír Holan 40. Todestag

Vladimír Holan

Vladimír Holan starb vor 40 Jahren am 31. März 1980 in seiner Heimatstadt Prag. Der tschechoslowakische Schriftsteller und Dichter gilt als der "große alte Mann" der tschechischen Lyrik. Holan war einer der bedeutendsten tschechischen Lyriker des 20. Jahrhunderts.

Der Prager Dichter Vladimír Holan (1905-1980) hat bei den Tschechen den Status eines Kultautors. Noch heute findet man seine Gedichte als Graffiti auf den Mauern von Prag. Jaroslav Seifert nannte Holan „den Größten unter uns“, Václav Havel einen „großen poetischen Zauberer“. Die F.A.Z. urteilte: „Kein anderer Lyriker ... hat so musikalische Gedichte geschrieben wie Vladimír Holan.“ Holan ließ sich denn auch gern durch Musik inspirieren, seine Lieblingskomponisten waren Mozart und Janáček. Mozarts „Adagio h-moll“ hat ihn sogar unmittelbar zu einer lyrischen Phantasie angeregt, die als Melodram aufgeführt wird.

Seine dichterische Laufbahn im Zeichen der böhmischen Avantgardeströmung begann für Holan 1926. Die gesammelten Werke seiner Schaffenszeit umfassen vierzehn Bände, die auch in deutscher Sprache herausgegeben werden.

Seine hermetischen Gedichte der dreißiger Jahre brachten seine eigene, unverwechselbare Poetik zur Entfaltung und Holan gehörte damit zu den bedeutenden Vertretern des Poetismus. In der Zeit der Okkupation seines Landes wurde er zum Ankläger des Nationalismus und nach der Befreiung ein begeisterter Anhänger der Sowjetunion.

Holan erlitt das Schicksal vieler Schriftsteller nach der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1948: Anpassung, Konflikt mit der Partei, Publikationsverbot, Ausschluß aus der Partei.

Er wurde trotzdem von den Kommunisten mit Publikationsverbot belegt. Seine große Enttäuschung schrieb er in seinem Werk »Nacht mit Hamlet« nieder. Nach dem Prager Frühling wurden die Werke Holans auch international bekannt und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Holans politische Lyrik macht nur einen Bruchteil seines Gesamtwerks aus, doch gerade dieser kann vielleicht am eindeutigsten zwischen der Symbolwelt holanscher Gedichte und der Realität vermitteln.

Vladimír Holan wurde am 16. September 1905 in Prag geboren.

Blog-Artikel:

»Nacht mit Hamlet« von Vladimír Holan - Literatenwelt


Literatur:

Gesammelte Werke / Lyrik VII: 1966-1967
Gesammelte Werke / Lyrik VII: 1966-1967
von Vladimír Holan


»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«
von Vladimír Holan


Werke in deutscher Übersetzung:

  • Nacht mit Hamlet. Übertragen von Reiner Kunze. Merlin, Gifkendorf 1969
    Rückkehr. Ausgewählte Gedichte. Wilhelm Schmitz, Wettenberg-Launsbach 1980
  • Die Kiefer. Herbst 3. Zwei Gedichte, in Bernhard Setzwein, Edith Ecker, Hgg.: Tschechische Gegenwartsliteratur. Heft 27–28 von Passauer Pegasus. Zeitschrift für Literatur. 14. Jg. Karl Krieg, Passau 1996 ISSN 0724-0708 S. 63f., Übers. Christa Rothmeier
  • Gesammelte Werke in 14 Bänden, Mutabene, Köln 2003; Wieder bzw. Fortsetzung bei Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg ab 2009


Donnerstag, 28. März 2019

»Die Bezirksstadt« von Karel Poláček


Die Bezirksstadt

»Die Bezirksstadt« ist ein 1936 erschienener Roman von Karel Poláček. Ein liebevoll-satirischer Roman aus dem Böhmen der kuk-Zeit, humorvoll und sprachlich elegant erzählt, mit einem Schuss Absurdität. Antonín Brousek, der Übersetzer des »Švejk«, hat diesen Roman aus dem Jahr 1936, dessen Autor in Tschechien so bekannt ist wie Hašek, Hrabal oder Kundera. Dieser Roman - kongenial neu übersetzt - ist eine Entdeckung für deutsche Leser.

Der Roman spielt am Vorabend des Ersten Weltkrieges in einer Kleinstadt irgendwo in Böhmen. Die Moderne hat auch in der Provinz schon Einzug gehalten mit Filmvorführungen, den ersten Automobilen und sogar Flugzeugen. Der junge, geckenhafte Kaufmannssohn Kamil, der schon mal die Luft der Großstadt geschnuppert hat, kann sich gar nicht genug tun, die Moderne gegen diese altmodische Provinz auszuspielen. Denn hier geht noch alles seinen gewohnten Gang:

Da waschen die Wäscherinnen noch am Fluss, da sitzen die Männer im Kaffeehaus, da promenieren die Honoratioren und die Töchter der Handwerker und dazwischen die Juden, da kommen mal Komödianten und mal Soldaten, mal feiert man den Abgeordneten, mal brennt das Freudenhaus ab – viel mehr passiert nicht. »Sie schläft, die Bezirksstadt« – bis die Nachricht von der Ermordung des Thronfolgers in Sarajewo eintrifft: Dann konnte man hören, wie jemand in der Stadt ein Fenster zuschlug.«

»Die Bezirksstadt« ist sicherlich eines der besten Bücher über diesen einmaligen Zeitraum zwischen 1900 bis 1914 und braucht sich dabei auch nicht vor dem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« von Musil zu verstecken, in der die Wucht es neuen und der Glanz des Alten seltsam anachronistisch nebeneinander existierten. Der Roman ist eine gelungene, doppelbödige menschliche Komödie.

So eben auch in dieser kleine Stadt in Böhmen, wo die verschiedensten Menschentypen unterwegs sind; alles ist ländlich, dabei aber auch bürgerlich, verschlafen, aber geschäftig. In dieser Stadt lebt auch der Kaufmann Stedry. Er hat drei Söhne Jaroslav, Kamil und Viktor, die ihm manchen Kummer mit ihren Entscheidungen bereiten. In der Stadt hält die Moderne Einzug, mit der die BewohnerInnen gleichsam fremdeln und liebäugeln. …

Karel Poláček war kein großer Philosoph und auch kein epischer Geschichtenerzähler. Dafür ist er ein Autor mit bemerkenswertem Sinn für subtilen Humor und das schnelle Entwerfen von belebten, authentischen Charakteren. Das erste Talent macht »Die Bezirksstadt« zu einer unterhaltsamen Lektüre, letzteres macht das Buch zu einem bedeutsamen Roman über den Vorabend der „Urkatastrophe“ des 21. Jahrhunderts. Diese Stadt in Böhmen mit ihrer Beschaulichkeit, der auch die ankommende Moderne nichts anhaben kann, ist fast schon ein Sinnbild für Österreich-Ungarn als Ganzes im Jahre 1914: ein auf den neu aufgestellten Pulverfässern sitzender Gewohnheitsraucher.

Selbst in der Übersetzung erkennt man die hohe Sprachkunst des Autors; die Einflüsse von Hasek (mit dem der Autor persönlich bekannt war), Turgenjew, Tolstoi und Tschechow sind erkennbar). Die Menschen reden im Roman viel, sagen aber im Grunde immer dasselbe.

»Die Bezirksstadt« ist sicher einer der besten tschechischen Romane des 20. Jahrhunderts und man wünscht dem Buch in dieser kongenialen Übersetzung viele Leser.


Literatur:

Die Bezirksstadt
Die Bezirksstadt
von Karel Poláček

Samstag, 23. März 2019

»Winterbergs letzte Reise« von Jaroslav Rudiš



»Winterbergs letzte Reise« ist der aktuelle Roman von Jaroslav Rudiš, der eine geheimnisvolle Geschichte über zwei Menschen erzählt, welche die Vergangenheit zusammenbringt und auf eine letzte gemeinsame Reise auf der Suche nach der verlorenen Liebeschickt. Jaroslav Rudiš, geboren 1972, ist Schriftsteller, Drehbuchautor, Dramatiker und Musiker. Er studierte Deutsch und Geschichte in Liberec, Zürich und Berlin und arbeitete u.a. als Lehrer und Journalist.

Jan Kraus arbeitet als Altenpfleger in Berlin. Geboren ist er in Vimperk, dem früheren Winterberg, im Böhmerwald. Seit 1986 lebt er in Deutschland. Unter welchen Umständen er die Tschechoslowakei verlassen hat, das bleibt sein Geheimnis. Und sein Trauma.

Kraus begleitet Schwerkranke in den letzten Tagen ihres Lebens. Die Tage, Wochen, Monate, die er mit seinen Patienten verbringt, nennt er „Überfahrt“. Einer von denen, die er auf der Überfahrt begleiten soll, ist Wenzel Winterberg, geboren 1918 in Liberec, Reichenberg. Als Sudetendeutscher wurde er nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei vertrieben. Als Kraus ihn kennenlernt, liegt er bereits gelähmt und abwesend im Bett.

Es sind Kraus' Erzählungen aus seiner Heimat Vimperk, die Winterberg aufwecken und ins Leben zurückholen. Doch Winterberg will mehr von Kraus, er will mit ihm eine letzte Reise antreten, auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe – eine Reise, die die beiden durch die Geschichte Mitteleuropas führt. Von Berlin nach Sarajevo über Reichenberg, Prag, Wien und Budapest. Denn nicht nur Kraus, auch Winterberg verbirgt ein Geheimnis.

Der Roman erzählend von einer Reise - einem Road trip - ist eine mitreißende, melancholische und hochkomische Road novel.

Literatur:


Winterbergs letzte Reise
von Jaroslav Rudiš

Samstag, 2. März 2019

»Der Scherz« von Milan Kundera


Milan Kundera

1967 veröffentlichte er seinen ersten Roman »Der Scherz«. In diesem Roman zeichnet er ein sehr drastisches Bild, was der Sozialismus Anfang der 1950er Jahre in seinem Land angerichtet hat.

Ein naiver Student schickt in der kommunistischen Welt seiner Freundin in Postkarte, weil er sie durch Kessheit beeindrucken möchte. Dieser bringt dabei folgendes zu Papier:

"Optimismus ist das Opium der Menschheit.
Ein gesunder Geist trieft nach Dummheit. Es lebe Trotzki!"

Die Partei begreift all dies und nimmt den Scherz des Studenten todernst. Der naive Student wird zum Verhör zitiert, gemaßregelt und anschließend aus seiner Lebensbahn geworfen. Der Kommunismus, indem er nicht zu Scherzen aufgelegt ist, erweist sich als humorlos.

Die tiefere Botschaft bzw. Moral lautet: In einer Welt, in der das Lachen verboten ist, gibt es auch keine Freude unter den Menschen.

Fanatiker und totalitäre Menschen sind immer humorlos. In ihrer Welt ist das Lachen verboten und es darf daher nicht gelacht werden. Dies erinnert sehr stark an Umberto Ecos Roman »Der Name der Rose«, wo religöse Fanatiker die Bibliothek und schließlich die ganze Abtei wegen eines geheimen Buch des Aristoteles in Brand setzen.

Literatur:

Der Scherz
Der Scherz
von Milan Kundera

Montag, 5. Oktober 2015

»Versuchung« von Václav Havel

Vanek-Triloge
Versuchung & Vanek-Triloge

Faust - der Mann, der die Geister rief, nicht mehr los wurde. Der Faust-Stoff, die alte Geschichte des Menschen, der einen Pakt mit dem Teufel schließt, um Wissen und Macht zu gewinnen, wird von Václav Havel in seinem Schauspiel »Versuchung« in das 20. Jahrhundert verlagert, in ein Land, das Eingeweihte unschwer als »sozialistisch« identifizieren können.

Das merkt man z.B. daran, dass eine kalte Vernunft regiert, die entsprechend der materialistischen Doktrin des Staates alles Geistige unterdrückt; oder daran, dass man während der Arbeitszeit einkaufen geht, wenn es etwas in der Mangelwirtschaft so seltenes wie Orangen zu ergattern gibt.

Vielleicht auch daran, dass die Beschäftigten im Institut eigentlich nichts so Richtiges zu tun haben; das soll es ja auch gegeben haben. Ein merkwürdiges Institut, das sich als Wächter über die Vernunft versteht. Aber im real existierenden Sozialismus gab es so etwas, das war »die Partei«.

Hier arbeitet Dr. Heinrich Faustka, der sich für mehr als Marx und Engels oder Logik und Empirie interessiert: die Metaphysik hat es ihm angetan. Er will verstehen, was junge Menschen an in die Arme von Okkultisten treibt, will sich mit einer Wissenschaft, die die Frage nach dem »Wozu« ausklammert, nicht zufrieden geben, sucht nach Sinn und – trifft auf Fistula.

Dieser stellt sich als Esoteriker vor, der Faustka zu Diensten sein will in seinen eigenwilligen Forschungen. Der Doktor gerät nun auf Abwege, die ihn in den Konflikt mit dem Chef des Instituts treiben und seine Liebe zu Wilma gefährden. Wer beizeiten seinen Goethe gelesen hat, ahnt, dass es kein gutes Ende mit Faustka nehmen wird. Aber wer ist Fistula wirklich, wer ist der »Chef«?

Václav Havel schrieb »Die Versuchung« als Kritik an den ideologischen Zuständen in den letzten Jahren des kommunistischen Systems. Nachdem 1968 der Versuch, in der Tschechoslowakei einen »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« zu verwirklichen, also den Sozialismus mit der Freiheit zu versöhnen, von den »Bruderländern«, also den anderen Ostblockstaaten, mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurde, begann in der ČSSR die Phase der »Normalisierung«.

Liberales Gedankengut wurde unterdrückt, unzuverlässige Politiker ausgetauscht und Künstler wie Václav Havel mundtot gemacht. Havel ließ sich das freie Wort aber nicht verbieten, wurde zum Abweichler, zum »Dissidenten« und dafür wiederholt eingesperrt. Seine Theaterstücke zeigen eine Welt der Sinnlosigkeit, des Stillstands, in der Individuen wie Heinrich Faustka zu Außenseitern werden, die auf sehr subtile und sehr wirkungsvolle Art vernichtet werden.

Dieses System sorgte sich um seine Bürger, indem es sie bespitzelte: „Ich liebe (euch) doch alle“, verkündete Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, am 13. November 1989 in der Volkskammer der DDR. Darüber durfte und darf gelacht werden.

Die Geschichte des Dr. Heinrich Faustka schrieb Havel 1985, Ssie wurde ein Jahr später in Wien uraufgeführt. Nur wenige Jahre später brach die kommunistische Diktatur in Europa zusammen. Die politische Verfolgung Havels hatte ein Ende, das Suchen Heinrich Faustkas jedoch nicht.


Weblinks:

Václav Havel: Die Versuchung - Theatergruppe am Pfalz-Kolleg - www.zotova.de

Vanek-Triloge
Versuchung & Vanek-Triloge
von Vaclav Havel

Samstag, 19. September 2015

Ferdinand Vanek steht in der Tradition des braven Soldaten Schwejk

Mit seinem Vanek (Wanjek gesprochen) karikiert Vaclav Havel die Gesellschaft im Rahmen der »Vanek-Trilogie«. Sein Vanek steht in der Tradition des braven Soldaten Schwejk, der in der tschechischen Gesellschaft heute noch immer allgegenwärtig ist. Auch sein Vanek ist längst zu einer tschechischen Nationalfigur geworden.

Aber anders als der possenhaft-schelmische und naiv-verschmitzte Schwejk ist Havels Vanek ein durch und durch rational-nüchterner und unangepasster Zeitgenosse, der sich nicht verbiegen lässt und der seine festen Prinzipien hat, mit denen er in unterschiedlichen Situationen, die Havel beschreibt, konfrontiert wird - kurzum: er ist Vaclav Havels Alter ego.

Die Texte bilden seismografischen Studien einer Gesellschaft, die weniger von einem Unterdrückungsregime als von allgemeinen strategischen Überlegungen, nicht hinterfragten Anpassungsmustern und festgelegten Denkmustern beherrscht wird.

Im Rahmen der »Vanek-Trilogie« stößt er in jedem der Stück mit unterschiedlich eingestufen Anpassungsmodellen seiner Mitbürger zusammen. Es sind dies jeweils Gestalten, denen die "Anpassung" zur Norm geworden ist.

In »Audienz« ist es die Anpassung an betriebliche Strukturen und Verhaltensweisen. In »Vernissage« geht es um Anpassung im privaten Bereich des Lebens. In »Protest« geht es um systemkonformes Verhalten eines bedrängten Schriftstellers.

Vaclav Havel war ein Dramatiker, der sein Dissidententum zum Prinzip erhob. Mit seinem "unermüdlichen Dissidenten" Ferdinand Vanek hat Havel eine zeitlose Figur erschaffen, die auch heute noch als Figur des Widerstands gegen überkommene gesellschaftliche Strukturen erstaunlich aktuell ist. Mit seinem Vanek hält Havel der Gesellschaft gekonnt den Spiegel vor.

Auch mehr als 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des mittel- und osteuropäischen kommunistischen Blocks, gegen den Havel mit diesen in den 1980er Jahren verfassten und uraufgeführten Werken protestiert hat, sind diese Stücke nicht nur lesenswert und frisch geblieben, sondern sogar weiterhin auf unsere politischen und gesellschaftlichen Landschaften anwendbar.

Weblink:

Vanek-Triloge
Vanek-Triloge
von Vaclav Havel

Samstag, 4. Juli 2015

Franz Kafka ist der rätselhafteste Autor der Moderne

Kafka: Die Jahre der Erkenntnis
Kafka: Die Jahre der Erkenntnis

Franz Kafka gilt als bekanntester, weltberühmter Vertreter der deutschen Prager Literatur, Autor der Moderne und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Er gilt als der wohl rätselhafteste und vielschichtigste Autor der Moderne. Alle seine Prosawerke stellten den Menschen in einer Art Selbstentfremdung dar.

Franz Kafka

Franz Kafka war ein Mensch mit einer überbordenden Phantasie und einer überdurchschnittlich hohen Auffassungsgabe, was seine Mitmenschen und deren Verhalten anging. Sein Leben war Leiden, doch Leiden sind auch Erkenntnis und ein Gewinn war und ist dies allemal für die Welt.

Er war nun deutscher Jude mit tschechischem Pass, und er litt an einer Krankheit, welche die seit Jahren erträumte literarische Existenz unmöglich machte. Sein Werk gilt als rätselhaft wie der Autor selber, ein zu Papier gebrachtes Seelen-Labyrinth.

Kafka war ein Autor, der Zeit seines Lebens keine Bestätigung bekommen hat für sein Werk und das, was er tat. »Gott wöll nicht, daß ich schreibe«, sagte er vor einem leeren Blatt Papier.

Bereits 1921, also noch zu Lebzeiten Franz Kafkas, legte Max Brod in einem Aufsatz in der «Neuen Rundschau» den Grundstein für diese Mythisierung: Kafka sei ein Dichter des «Seelenguten», «Heiligen», mit dem «tiefen Ernst des religiösen Menschen», der nichts so sehr liebe wie den «ewig rettenden … blauen, unbefleckten Himmel über sich».

1924 war eine Zeit, in der Kafkas vertraute Welt unterging, politisch ebenso wie physisch. Franz Kafka hatte ein außergewöhnliches Leben hinter sich, als er 1294 an Tuberkulose starb.

Kafka-Biografie:

Kafka: Die Jahre der Erkenntnis
Kafka: Die Jahre der Erkenntnis



Weblinks:

Franz Kafka- Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Ein Roman als Biografie - oder umgekehrt - www.cicero.de

Freitag, 3. Juli 2015

Franz Kafka - der schwierige Autor

Kafka: Die Jahre der Entscheidungen
Kafka: Die Jahre der Entscheidungen


Franz Kafka war ein Prager Versicherungsbeamte, der in seiner Freizeit - bevorzugt nachts - schrieb. Er war deutscher Jude mit tschechischem Pass, und er litt an einer Krankheit, welche die seit Jahren erträumte literarische Existenz unmöglich machte. Sein Werk gilt als rätselhaft wie der Autor selber, ein zu Papier gebrachtes Seelen-Labyrinth.

Franz Kafka hat es niemandem leicht gemacht. Seinen Lesern nicht, seinen Verlegern und Biografen nicht, und sich selbst am allerwenigsten. Er war nach eigenen Maßstäben ein Gescheiterter - nur eine Hand voll Erzählungen betrachtete er als abgeschlossen, alles andere blieb Fragment.

Trotzdem ist er zweifellos einer der wichtigsten und einflussreichsten Autoren der literarischen Moderne. In den Jahren von 1910 bis 1915 erlebt Kafka einen ersten schöpferischen Durchbruch, als er in einer Nacht in einem Rutsch seine erste große Erzählung »Das Urteil« verfasst.

Zwei der drei großen Romanfragmente stammen aus dieser Zeit, außerdem begann die "Hölle der Selbsterforschung" in Tagebüchern und Briefen. Prägend außerdem: das "schreckliche Doppelleben" zwischen Büro und Schreibtisch, die jahrelange, aber letztlich aufgelöste Verlobung mit Felice Bauer, sowie der Schrecken des ersten Weltkrieges. Und aus allen Fakten und Dokumenten heraus leuchtet die Aura der Fremdheit, des Andersseins, die diesen großen Gescheiterten umgibt.

Weblinks:

Franz Kafka-Biografie - www.die-biografien.de


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Literatur:

Kafka: Die Jahre der Entscheidungen
Kafka: Die Jahre der Entscheidungen
von Reiner Stach

Montag, 8. Juni 2015

Tschechischer Schriftsteller Ludvík Vaculík gestorben

Ludvík Vaculík

Der tschechische Schriftsteller und Dissident Ludvík Vaculík ist am 6. Juni im Alter von 88 Jahren in Prag gestorben. Er zählte zu den Erneuerern der Literatur und zu den frühen Kritikern der Kommunistischen Partei. Er war eine Stimme des »Prager Frühlings«.

Ludvík Vaculík, Jahrgang 1926, wurde in dem östlichsten Teil Mährens, in der schönen, aber armen Gebirgslandschaft der Walachei (Valašsko) geboren und von ihr auch geformt. Es war zuerst die erlebte Naturnähe, das Leben auf dem Lande, die seine Sicht der Welt prägte.

Die Abstammung aus einer Arbeiterfamilie in Brumov bestimmte die Weichenstellung seines Lebens. Die Erfahrung der Armut führte ihn später in die Kommunistische Partei und schränkte seine Ausbildungsmöglichkeiten auf die Schuhmacherlehre bei dem grössten Arbeitgeber in der Region, dem Schuhkonzern Bata, ein.

Während des Prager Frühlings gehörte er zu den Initiatoren der Charta 77 und veröffentlichte im Juni 1968 das »Manifest der 2000 Worte«. Das von Vaculík verfasste und von zahlreichen Reformern mitgetragene »Manifest der 2000 Worte«» vom Juni 1968 löste eine kontroverse Diskussion aus und diente den Warschaupaktstaaten als Vorwand zum Einmarsch in Prag.

Es folgte das Publikationsverbot. Vaculík gründete daraufhin in den 1970er Jahrenden Samizdat-Verlag »Edice petlice« (»Edition hinter Schloss und Riegel«) und gab dort in Eigenregie zwischen 1972 und 1989 an die 400 Bücher heraus, die nahezu die gesamte Bandbreite der tschechischen Literatur der Zeit repräsentierten.

In dem Verlag vertrieb er in Eigenregie bis 1989 fast 400 Werke verbotener Autoren. Darin erschien auch sein Roman »Tagträume. Alle Tage eines Jahres« (Petlice 1981, Toronto 1983, Brno 1990), das zu seinen bedeutendsten Werken zählt.



Zu seinen bekanntesten Romanen gehören »Tagträume. Alle Tage eines Jahres« (dt. 1982), »Das Beil« (2006), »Die Meerschweinchen« (2011).

Weblink:

Skeptischer Optimist Zum Tod des Schriftstellers Ludvík Vaculík - www.nzz.ch/feuilleton

Die Meerschweinchen
Die Meerschweinchen
von Ludvík Vaculík

Das Beil
Das Beil
von Ludvík Vaculík

Dienstag, 31. März 2015

Vladimír Holan 25. Todestag


Vladimír Holan

Vladimír Holan starb vor 25 Jahren am 31. März 1980 in Prag. Holan war einer der bedeutendsten tschechischen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Er gilt als großer Magier der Dichtkunst. Er war ein Dichter, der prophetische Fäghigkeiten mit einer symbolischer Bildsprache verband, aber auch eine Ruhmesode an die Rote Armee, die Befreier von Prag im Mai 1945 verfasst hatte.

Seine dichterische Laufbahn im Zeichen der böhmischen Avantgardeströmung begann für Holan 1926. Die gesammelten Werke seiner Schaffenszeit umfassen vierzehn Bände, die auch in deutscher Sprache herausgegeben werden.

Mit seinem Frühwerk trat Holan das Erbe der Symbolisten und ihrer Nachfolger an und verweigert sich dem Poetismus, in dessen Zeichen noch sein Debüt steht. Seine Verse waren nun nicht mehr leicht, optimistisch, erotisch und der zweckfreien Ästhetik gewidmet, sondern zeichnen sich durch Formstrenge, metaphysischen Ernst, Dunkelheit und Tragik aus. Damit entdeckte Holan die poésie pure wieder und knüpft an Dichter wie Stéphane Mallarmé, Rainer Maria Rilke und Paul Valéry an.

Die dem Poetismus folgende nächste avantgardistische Strömung, der tschechische Surrealismus, konnte den Dichter genauso wenig für sich gewinnen. Holan probierte, wie auch andere Dichter, z. B. František Halas, Bohuslav Reynek usw., eine neue anti-avantgardistische Poetik aus. Dabei knüpfte er an den Symbolismus an, ergibt sich ihm jedoch nicht völlig.

Seine hermetischen Gedichte der dreißiger Jahre brachten seine eigene, unverwechselbare Poetik zur Entfaltung und Holan gehörte damit zu den bedeutenden Vertretern des Poetismus. In der Zeit der Okkupation seines Landes wurde er zum Ankläger des Nationalismus und nach der Befreiung ein begeisterter Anhänger der Sowjetunion.


Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurde Holan für das Regime vom gefeierten zu einem nur noch geduldeten Dichter.

Er wurde trotzdem von den Kommunisten mit Publikationsverbot belegt. Seine große Enttäuschung schrieb er im Jahr 1969 in seinem Werk »Nacht mit Hamlet« nieder. Nach dem Prager Frühling wurden die Werke Holans auch international bekannt und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Er verbrachte seine Zeit grübelnd in seiner Schreibstube, die im Prager Stadtteil Kleinseite lag, verfasste mystische Gedichte und empfing nur selten Gäste.

Vladimír Holan wurde am 16. September 1905 in Prag geboren.


Blog-Artikel:

»Nacht mit Hamlet« von Vladimír Holan - Literatenwelt


Literatur:

Gesammelte Werke / Lyrik VII: 1966-1967
Gesammelte Werke / Lyrik VII: 1966-1967
von Vladimír Holan


»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«
von Vladimír Holan

Freitag, 10. Dezember 2010

»Kafka: Die Jahre der Erkenntnis« von Reiner Stach

Kafka: Die Jahre der Erkenntnis
Kafka: Die Jahre der Erkenntnis

»Kafka: Die Jahre der Erkenntnis« ist eine gelungene und hoch gelobte Biografie über Franz Kafka. Das Werk zeigt seinen letzten Lebensabschnitt als Biographie in deutscher Sprache und liefert zugleich ein Panorama seiner Zeit, so nah am Zeitgeschehen, als wäre man selbst dabei.

Dieser hoch gelobte Band im Rahmen eines auf drei Bände angelegten Werkes behandelt die Jahre von 1916 bis zu Kafkas Tod 1924 ― eine Zeit, in der Kafkas vertraute Welt unterging, politisch ebenso wie physisch.
Er war nun deutscher Jude mit tschechischem Pass, und er litt an einer Krankheit, welche die seit Jahren erträumte literarische Existenz unmöglich machte. Beides steigerte seine Hellsicht: Für Kafka wurden es die Jahre der Erkenntnis.

Reiner Stach beschreibt Kafka deutlich als einen Mann, dem die Liebe über alles geht und zum bestimmenden Prinzip wird. Das Schreiben hilft ihm das Lieben zu ertragen. In dem Punkt ist Kafka der schreibende Zwilling van Goghs. Es ist bestimmt kein Zufall, daß diese beiden Menschen, die aus der Not der Liebe ihre Kunst geschaffen haben, heute als die größten Seelen in ihrem Metier gelten.

Was Franz Kafka an Literatur geschrieben hat, ist einzigartig und der Begriff "kafkaesk" trifft seine Ausnahmestellung. Doch in seinem eigenen Leben ist sein Lieben viel bedeutender als sein Schreiben. Das hat auch damit zu tun, daß sein Genie so lange nur von wenigen erkannt wurde. Was wohl auch gut war: denn was wäre aus Kafkas Kunst geworden, wenn sie, so wie heutzutage üblich medial breitgetreten worden wäre?

Reiner Stach schafft es in diesem Buch, wie auch schon im letzten, Intimität zu erzeugen. Genau das ist auch Kafkas Botschaft. Intimität verbindet sowohl Liebe als auch Kunst mit Seele und erst durch diese Verbindung wird das persönliche zum allgemeinen.

Die auf drei Bände groß angelegte Kafka-Biographie von Reiner Stach übt eine sogartige Wirkung aus. Vor allem die szenische Vergegenwärtigung, die bisweilen an die Erzählformen des Films erinnert, führt sehr nahe an Kafkas private Existenz und eröffnet zugleich das Panorama seiner Zeit.

Weblink:

Kafka: Die Jahre der Erkenntnis
Kafka: Die Jahre der Erkenntnis
von Reiner Stach

Montag, 13. Februar 2006

Frühwerk Vladimir Holans erstmals übersetzt »Gesammelte Werke, Band 1« (K)

Vladimír Holan

Fast 26 Jahre nach dem Tod des tschechischen Dichters erscheint jetzt der erste Gedichtband von Vladimir Holans »Gesammelte Werke«. Bis in das Jahr 2029 sollen laut Übersetzer und Herausgeber Urs Heftrich im Zwei-Jahres-Rhythmus dreizehn weitere Bände folgen.

Lyrik 1: 1932 – 1937

Vladimír Holans so genanntes kanonisches Frühwerk umfasst die Bände Das Wehen (Vanutí, 1932), Der Bogen (Oblouk, 1934) und Stein, kommst du… (Kameni, přicházíš…, 1937). Der Lyrikband Das Wehen (Vanutí) ist eigentlich Holans dritte Gedichtsammlung, jedoch die erste, die im Nachhinein vor der Selbstkritik des Dichters bestehen kann. Von den früheren beiden Lyrikbüchern Der schwärmerische Fächer (Blouznivý vějíř, 1926) und Triumph des Todes (Triumf smrti, 1930) distanziert er sich später. Mit seinem Frühwerk tritt Holan das Erbe der Symbolisten und ihrer Nachfolger an und verweigert sich dem Poetismus, in dessen Zeichen noch sein Debüt steht. Seine Verse sind nun nicht mehr leicht, optimistisch, erotisch und der zweckfreien Ästhetik gewidmet, sondern zeichnen sich durch Formstrenge, metaphysischen Ernst, Dunkelheit und Tragik aus. Damit entdeckt Holan die poésie pure wieder und knüpft an Dichter wie Stéphane Mallarmé, Rainer Maria Rilke und Paul Valéry an.


Die Lyrikbände Das Wehen (1932), Der Bogen und Stein, kommst Du sind als Band 1 der Gesammelten Werke Vladimir Holans (1905-1980) zusammengefasst. Bis ins Jahr 2029 sollen im Zwei-Jahres-Rhythmus dreizehn weitere Bände folgen, darunter acht weitere Lyrikbände, drei mit epischen Dichtungen und zwei Prosa-Bände.

Diese übersetzerische Mammutprojekt ist dem Heidelberger Slawisten Urs Heftrich zu verdanken, der zusammen mit dem tschechischen Bohemisten Michael Spirit erstmals vollständig in einer Fremdsprache das Gesamtwerk des Tschechen zugänglich macht.

Die erwähnten drei Lyrik-Bände, die als Band 1 erscheinen, waren nicht die ersten Veröffentlichungen Holans, doch sie bilden sein kanonisches Frühwerk und sind ebenfalls erstmals übersetzt worden. Diese späte Rezeption im Ausland liegt nicht an der Qualität der Verse – Holan gilt in seiner Heimat als einer der größten Dichter und hätte ebenso wie sein Freund und Weggefährte Jaroslav Seifert den Literaturnobelpreis verdient – sondern an den Schwierigkeiten einer Übertragung der Lyrik Holans, die als hermetisch, dunkel, tragisch und schwer verständlich gilt. Doch wie bereits der vorliegende erste Band beweist, zeigen seine Gedichte sehr viel mehr Facetten.

Jaroslav Seifert: „Weil sie vermutlich neugierig sind, wer von uns damals der beste Dichter war, will ich es Ihnen gleich verraten: Vladimír Holan, der schwarze Engel.“

Nach einer ersten Phase unter dem Einfluss des tschechischen Poetismus, einer Avantgardeströmung mit spielerischem und lebens- und lustbetontem Ansatz in den 20er Jahren, entdeckte Holan bald das Werk von Mallarmé, Rilke und Valery und entwickelte auf dieser Grundlage einen eigenen Stil, der ihn zum führenden Vertreter der „poésie pure“, der reinen Dichtung machte: Er experimentierte im klassizistischen Gewand mit Sprachdeformationen, erfand grammatikalische Eigenwilligkeiten, gedankliche Paradoxien, Neologismen, frönte dem freien Spiel der Klänge.

Inhaltlich umkreiste er das dichterische Schaffen an sich, die Frage nach der Inspiration, die Beziehung zwischen realer und transzendenter künstlerischer Welt. Das Gedicht „Abend“:

"Wir dauern durch das Glänzen von Phantomen! Gierig und erschreckt!
So haben wir am Tanze teil, wo schon Pfeile zielen
um uns das Gift der Zärtlichkeit ins matte Fühlen
zu jagen, das den Rausch erweckt."

Früh und geradezu radikal entschied sich Holan für seine Dichter-Berufung: Ein Jura-Studium brach er nach dem ersten Semester ab. Der Plan, durch eine Beamtentätigkeit beim Prager Allgemeinen Pensionsinstitut mehr Zeit und Ruhe für seine Gedichte zu finden, scheiterte. Holan ließ sich, gerade mal 30 Jahre alt, frühpensionieren, um nur noch zu schreiben.

Unter dem Eindruck der politischen Entwicklungen verließ Holan seinen lyrischen Elfenbeinturm. Er reagierte in der zweiten Hälfte der 30er Jahre auf den spanischen Bürgerkrieg und die Bedrohung der Tschechoslowakei durch den Nationalsozialismus.

„An die spanischen Arbeiter“:
"Mit euch vereint, mit euch auch attackiert
will ich sie donnern hören, die Antennen
wer euch für Früchte hielt, der spürt
den harten Kern, der lernt euch kennen"

Holans Verse werden formal einfacher, verständlicher und klarer, doch sie bedienen sich immer noch einer ganz eigenen Bildsprache. In dem Gedicht „Europa 1936“ heißt es zum Beispiel:

"So wie ein Kind bei seiner Scheibe weißen Brots
die Rinde bis zum Schluss bewahrt
so wird die Zeit, gerüstet, auch vom Mond abbeißen.
Stück für Stück. Die Sichel blieb noch aufgespart."

Die Befreiung durch die Rote Armee begrüßte Holan mit großer Begeisterung – auch in seinen Versen – doch unvorsichtige Bemerkungen über die Befreier in seinem nun schon erzkommunistischen Heimatland des Jahres 1949 brachten ihm eine Denunziation und ein jahrlanges Publikationsverbot ein. Bis 1955 durfte er kein einziges Buch veröffentlichen, bis 1963 wurden allenfalls bibliophile Drucke geduldet. Die materielle Not wurde von einer künstlerischen Isolation begleitet.

Doch gerade in diesen „grausamsten Jahren“ seines Lebens schrieb er sein Lebenswerk „Nacht mit Hamlet“ und „Toskana“, beides 1000 Verse umfassende Gesänge, in denen er Gericht hielt über sein Leben und sein Jahrhundert.

1969 wurde Holan für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Eine der traurigsten Paradoxien im Leben des verfemten Dichters ist, dass ihm das Regime bei seinem Tod 1980 ein Staatsbegräbnis ausrichtete.

Vladimír Holan: Gesammelte Werke, Band 1
Das lyrische Frühwerk (1932-1937):
Die Gedichtsammlungen „Das Wehen“, „Der Bogen“, und „Stein, kommst Du...“
Mutabene Verlag