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Mittwoch, 13. Januar 2021

Friedrich Dürrenmatts Schweizbild


Friedrich Dürrenmatt

Der Autor hieße nicht Dürrenmatt, wenn er nicht sein Schweizbild und seine Haltung zur Schweiz in seinem Werk ausbreiten würde. Das Schweizbild setzt sich bei Dürrenmatt aus vielen einzelnen Aspekten zusammen, welche er in seinen Werken einer Kritik unterwirft und dabei folgende Regel befolgt:

»Man soll sich seiner Liebe nicht schämen,
und die Vaterlandsliebe ist immer noch eine gute Liebe,
nur muß sie streng und kritisch sein, sonst wird sie eine Affenliebe.«

Die Schweiz ist eine führende Wirtschaftsnation unter strikter Wahrung der Neutralität, aber mit zweifelhaften Wirtschaftspraktiken. Immer wieder schildert er die Schweiz als Wirtschaftsnation, verwickelt in kriminelle Geschäfte.

»Wer wirtschaftlich so tüchtig mithurt wie die Schweiz,
kann politisch nicht als Jungfrau auftreten.«

Mit »Frank der Fünfte. Oper einer Privatbank« entwarf Dürrenmatt schon 1959 das wüste Bild einer Schweizer Finanzindustrie, die kriminelle Aktivitäten als ihr Kerngeschäft versteht, und auch «Der Besuch der alten Dame», Dürrenmatts erfolgreichstes Bühnenstück, ist eine Parabel der Käuflichkeit voller gemütlichem Lokalkolorit.

Bereits in seinem ersten Welterfolg, »Der Richter und sein Henker«, erschien die Schweiz als schillerndes Zwitterreich aus ländlicher Gemütlichkeit und internationalem, zynisch protegiertem Wirtschaftshub. Dürrenmatts bevorzugte Metapher für den komplexfreien helvetischen Geschäftssinn ist der Waffenhandel oder gleich das internationale Verbrechersyndikat, nicht nur in »Der Richter und sein Henker«, sondern auch in den grossen philosophischen Kriminalromanen des Spätwerks, »Justiz« und »Durcheinandertal«.

Aber Dürrenmatt war auch deshalb besonders hellhörig für die Auswirkungen des Verschontgebliebenseins auf die nationale Psyche, weil es für seinen eigenen Werdegang so entscheidend war. Die Schweiz «war einfach von der Weltgeschichte vergessen worden, dispensiert, sitzen gelassen, als Fossil behandelt — auch das kommt ja vor». So beschreibt Dürrenmatt sein Lebensgefühl in den letzten Kriegsjahren.

»Es war nicht auszumachen, ob sie (die Schweiz) ein Gefängnis war,
eine belagerte Festung oder eine Produktionsstätte für Hitler.«

Die Metapher von der Schweiz als Gefängnis – und ganz allgemein das Labyrinth, das Stollensystem, das Spiegelkabinett als Bild der Verworrenheit und Bedrängnis der menschlichen Existenz – wurde ein Leitmotiv des Dürrenmatt'schen Werks.

Aus dem Gefangensein in der Neutralität wollte Dürrenmatt ausbrechen - und die Schriftstellerei schien ihm dazu der einzige Weg:

»Diese Groteske des Verschontseins stellte mich endlich vor eine Aufgabe:
Die Welt, die ich nicht zu erleben vermochte, wenigstens zu erdenken, der Welt Welten entgegenzusetzen, die Stoffe, die mich nicht fanden, zu erfinden.«

Wie unverständlich Dürrenmatt jedoch bis zuletzt für seine Miteidgenossen geblieben ist, das zeigte der krachende Skandal, mit dem er von der Bühne abtrat. Seine Rede »Die Schweiz – ein Gefängnis«, die er drei Wochen vor seinem Tod zu Ehren von Vadav Havel hielt, wurde ihm vom politischen Establishment derart verübelt, dass der anwesende Alt-Bundesrat Furgler danach den Handschlag verweigert haben soll.

Natürlich war es ein – typisch Dürrenmatt'sches – Bubenstück, ausgerechnet in einer Hommage an Havel, der jahrelang in sehr realen tschechoslowakischen Gefängnissen zugebracht hatte, das Land Schweiz als grosses Gefängnis darzustellen, das sich dadurch auszeichne, dass alle Insassen zugleich ihre eigenen Wärter seien. Die damals brodelnde Fichenaffäre – es gab eine dicke Dürrenmatt-Fiche – dürfte das ihrige dazu beigetragen haben, dass in der Havel-Rede die Schilderung des verwirrlichen Schweizer Gefängnissystems gar nicht mehr aufhören wollte.



Weblinks:

Friedrich Dürrenmatt-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Friedrich Dürrenmatt-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Dürrenmatts Schweizbild - www.mrkunz.ch

Samstag, 9. Januar 2021

»Der Richter und sein Henker« von Friedrich Dürrenmatt

Der Richter und sein Henker


Der Richter und sein Henker

Hans Bärlach ist ein alter Kriminalkommissar in Bern - ein Kommissär, wie es Bernerischen heißt. Sein bester Mitarbeiter, Ulrich Schmied, wird auf einer Landstrasse vor Twann erschossen aufgefunden. Dürrenmatts Kommissar bärbeißiger Bärlach gehört nicht zu den strahlenden Helden der Kommissars-Zunft. Er ist ein schwerkranker Misanthrop aus Erfahrung, der im günstigsten Fall noch ein Jahr zu leben hat. Friedrich Dürrenmatts Kommissär Bärlach ist eine Kriminalfigur, die stark autobiographische Elemente offenbart.

Ein junger und ehrgeiziger Polizist ist erschossen worden. Ort des Verbrechens ist die Twannbachschlucht in der beschaulichen Westschweiz. Kommisär Bärlach sucht den Mörder seines geschätzen Kollegen. Abgründe tun sich auf, auch bei den polizeilichen Ermittlungen.

»Sie haben Schmieds Mörder festzustellen,
ohne Rücksicht darauf, daß ich einen bestimmten Verdacht habe.«


Wenn der, den ich verdächtige, der Mörder ist, werden sie Selbst auf ihn stoßen.«

Kommissar Bärlach hat einen unbegründeten Verdacht, dem er nachgeht und von dem er weiß, dass er möglicherweise richtig liegt. Im Laufe des Romans sammelt Kommissar Bärlach Indizien, deren "Sammlung" beim ersten Lesen unbegründet erscheint, da sich Bärlachs Vorgehensweise erst am Ende des Romans aufklärt.

Schnell begreift der Leser, dass Bärlach viel mehr weiß und mit äußerster Berechnung vorgeht. Unbeantwortet bleibt, wie er über die Hintergründe der Tat im Bilde sein kann. Dieser kantige, eigenbrödlerische Polizist lockt den faszinierten Leser immer tiefer in den Roman hinein. Atemlos verfolgt der Leser Schritt um Schritt den beharrlichen Kömmisär.

Um keinen Preis lässt dieser zu, dass jemand seine Pläne durchkreuzt. Selbst Bärlachs Vorgesetzter unterlässt es, Anweisungen zu geben, weil er dessen fehlende Einsicht und Sturheit fürchtet. Die nüchterne und kantige Sprache Dürrenmatts spiegelt schnörkellos den Charakter des Ermittlers wieder.

Die Berner Polizei hat sich wirklich ungeschickt benommen,
man erschießt mal nun keinen Hund, wenn Bach gespielt wird.


Der Autor zeichnet sein Bild der Schweiz in den 50er Jahren und feuert immer wieder feine Spitzen gegen den Staat, Gesellschaft und die Polizei ab. Ohne Überheblichkeit begreift sich Dürrenmatt absolut als Teil dieser Gesellschaft. Sein alter ego im Roman, der Kommissär Bärlach, lebt in Bern, „dieser verschlafenen, biederen Stadt, von der man nie recht weiß, wieviel Totes und wieviel Lebendiges eigentlich noch an ihr ist."

Vor der Forderung der Gerechtigkeit gibt es keine Neutralität. Von dieser Maxime wird schon »Der Richter und sein Henker« bestimmt, das in der Bundeshauptstadt des Jahres 1948 spielende Kriminalstück, in dem die Protagonisten nach langen Auslandsaufenthalten mehr oder weniger gezwungenermassen wieder in der Schweiz gelandet sind, hadernd mit dem Leben in der Provinz.

Der bärbeissige Kommissar Bärlach, der sich zum selbsternanten Richter und Henker erhebt, bringt zwar den Bösewicht und Waffenhändler Gastmann zur Strecke, aber nur um den Preis, daß er ihn exekutieren lässt für ein Verbrechen, das Gastmann gar nicht begangen hat. Wer dem Unrecht entgegentreten will, muss sich die Hände schmutzig machen, sich kompromittieren. Obwohl Dürrenmatt sich immer mit Schaudern dagegen verwahrte, ein engagierter Literat zu sein, und sich damit dezidiert von Brecht und zeitweilig auch von Max Frisch absetzte - einfach weil er nie an die Reinheit politischer Lehren geglaubt hat, für die er sich hätte engagieren können -, gab es für ihn auch keine künstlerische Warte, die frei schwebend und «neutral» über den Dingen gestanden hätte.

Friedrich Dürrenmatt schrieb auch erfolgreiche Kriminalromane, die einer eigenen kriminalistischen Logik folgen. Dieser Kriminalroman zeichnet sich dadurch aus, dass er die üblichen Genre-Erwartungen enttäuscht, dafür aber durch Ironie und Groteske neue und überraschende Spannungsmomente schafft. Ausgangspunkt der Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt ist die Nichtberechenbarkeit der Welt.

Damit verletzt er die üblichen Regeln des Genres, das die Berechenbarkeit des menschlichen Handelns und die innere Ordnung der Welt durch ausgleichende Gerechtigkeit voraussetzt. In Dürrenmatts Kriminalromanen - wie auch in seinen Dramen - spielt der Zufall die Hauptrolle.

Bis auf ein paar Schweizer Spezialitäten wie z.B. die Jura-Frage oder Ortsnamen alles ohne Nachschlagen auch von Lesern, die keinerlei Alemannisch oder Schweizerdeutsch verstehen, bewältigt werden kann. Das Atmosphärisch-Schweizerische, das unter Anderem auch den Reiz des Buches ausmacht, kommt aber keineswegs zu kurz.

Der Leser erfährt im Roman, daß die Schweiz eine auf Vertraulichkeit und Verschweigenheit bsaierende Gesellschaft ist, welche in ihrer Kriminalistik nicht auf dem neuesten Stand ist und spart dabei nicht mit Spott: Die ganze Polizei muß aus kriminalistischer Ahnungslosigkeit abdenken.

Dürrenmatt hält sich an seine eigene Maxime für Schauspiele, dass es immer mit der denkbar schlechtesten Lösung enden muss. Wer Dürrenmnatts Maxime kennt, der weiß auch, wie das Kriminalstück ausgeht:

Eine Geschichte ist erst dann zu Ende erzählt,
wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.

Nach zwei Theaterstücken und zwei Erzählungen veröffentlichte Friedrich Dürrenmatt 1950/51 den Kriminalroman „Der Richter und sein Henker“ als Fortsetzungsgeschichte in der Zeitung »Der Schweizerische Beobachter«. 1952 erschien die Buchausgabe. Damit schaffte er den Durchbruch.

Literatur:

Der Richter und sein Henker
Der Richter und sein Henker
von Friedrich Dürrenmatt


Der Richter und sein Henker
von Friedrich Dürrenmatt


Dienstag, 5. Januar 2021

Friedrich Dürrenmatt 100. Geburtstag

Friedrich Dürrenmatt


Friedrich Dürrenmatt wurde vor 100 Jahren am 5. Januar 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines protestantischen Pfarrers geboren. Friedrich Dürrenmatt war ein berühmter schweizer Dramatiker und Erzähler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Schriftsteller und Dramatiker zählt zu den wichtigsten Nachkriegsautoren und in den 1950er Jahren zu den wichtigsten Autoren seiner Generation.

Dürrenmatt gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Er war ein Dramatiker mit Hang zum absurden Theater. Dürrenmatt sah die Zukunft des Theaters in der grotesken Komödie. Er bevorzugte die Komödie und Tragikomödie und kritisiert mit Witz, Humor und Ironie das selbstgefällige Spiessbürgertum.

Eigentlich wollte er eine Ausbildung zum Kunstmaler machen, studierte aber dann ab 1941 Philosophie, Naturwissenschaften und Germanistik an der Universität Bern, dazwischen 1942/43 an der Universität Zürich.

1945/46 entstand sein erstes veröffentlichtes Stück, das genialische Jugendstück »Es steht geschrieben«, eine gelungene Adaption des Wiedertäufer-Stoffes, dass 1947 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde.

1950 schrieb Dürrenmatt seinen ersten Kriminalroman »Der Richter und sein Henker«.

1950 entstand sein Theaterstück »Die Ehe des Herrn Mississippi«, mit dem er seinen ersten grossen Erfolg auf den bundesdeutschen Bühnen verzeichnen konnte.

„Das Komödiantische ist meine dramaturgische – ich möchte fast sagen – wissenschaftliche Methode, mit der ich mit den Menschen experimentiere,“ sagte Friedrich Dürrenmatt 1962.

Weltweiten Erfolg erzielte er mit seiner Komödie »Der Besuch der alten Dame». Sein erfolgreichstes Theaterstück wurde »Die Physiker«, dass er ebenfalls als Komödie bezeichnete, denn Dürrenmatt wollte seinen Dramen immer als Komödien verstanden wissen.

In den sechziger Jahren stand Dürrenmatt mit seinen Theaterwerken auf dem Höhepunkt seines Öffentlichkeitserfolges.

Zehn Jahre blieb Dürrenmatt auf der Erfolgsspur. Dann mehrten sich die Verrisse. Seine derben, manchmal flachen Witze werden kritisiert, auch die oft entscheidende Rolle des Zufalls in seinen Stücken. Anlässlich seines 60. Geburtstags klagte Dürrenmatt: „Der Ruhm befreit nicht, sondern der Ruhm versklavt.“ Allerdings ergänzte er versöhnlich: „Man muss gerade so viel Ruhm haben – das ist wahrscheinlich das Kunststück –, dass man eben frei arbeiten kann – und das habe ich eigentlich erreicht, dass ich schreiben kann, was ich jetzt will.“

Dürrenmatt entwickelte eine eigene Dramentheorie, den gemäss den Vorstellungen des Dramatikers soll der Zuschauer nicht weiter die Rolle eines passiven Konsumenten inne haben. Er soll zum eigenständigen Nachdenken angeregt werden.

Dürrenmatt schuf so seinen eigenen Typus der Tragikomödie, einer Mischform aus Tragödie und Komödie, seiner Meinung nach "die einzig mögliche dramatische Form, heute das Tragische auszusagen". Seine bekanntesten Werke sind die Dramen »Die Ehe des Herrn Mississippi« (1952) und »Die Physiker« (1962) und die Tragikkomödie »Der Besuch der alten Dame« (1956).

Friedrich Dürrenmatt schrieb auch erfolgreiche Kriminalromane wie »Das Versprechen«, in dem Kommissar Matthäi den grausamen Mord an der kleinen Gritli Moser aufklären muss.

Bereits in seinem ersten Welterfolg, »Der Richter und sein Henker«, erschien die Schweiz als schillerndes Zwitterreich aus ländlicher Gemütlichkeit und internationalem, zynisch protegiertem Wirtschaftshub. Dürrenmatts bevorzugte Metapher für den komplexfreien helvetischen Geschäftssinn ist der Waffenhandel oder gleich das internationale Verbrechersyndikat, nicht nur in »Der Richter und sein Henker«, sondern auch in den grossen philosophischen Kriminalromanen des Spätwerks, »Justiz« und »Durcheinandertal«.

Mit «Frank der Fünfte. Oper einer Privatbank» entwirft er schon 1959 das wüste Bild einer Schweizer Finanzindustrie, die kriminelle Aktivitäten als ihr Kerngeschäft versteht, und auch «Der Besuch der alten Dame», Dürrenmatts erfolgreichstes Bühnenstück, ist eine Parabel der Käuflichkeit voller gemütlichem Lokalkolorit.

Der Autor hieße nicht Dürrenmatt, wenn er nicht sein Schweizbild und seine Haltung zur Schweiz dezidiert und hintergründig in seinem Werk ausbreiten würde.

Die Metapher von der Schweiz als Gefängnis – und ganz allgemein das Labyrinth, das Stollensystem, das Spiegelkabinett als Bild der Verworrenheit und Bedrängnis der menschlichen Existenz – wurde ein Leitmotiv des Dürrenmatt'schen Werks.

Friedrich Dürrenmatts Werke sind Klassiker und Pflichtlektüre in Schulen. Dass er sich das Schreiben zunächst kaum leisten konnte, ist weniger bekannt. Als Schriftsteller warf er große, moralische Fragen auf und provozierte – von Spenden finanziert.

Für sein Werk, das neben Theaterstücken, Detektiv-Romanen, Erzählungen und Hörspielen auch Essays und Vorträge umfasst, erhielt er viele Auszeichnungen.

Schon in frühen Jahren begann er zu malen und zu zeichnen, eine Neigung, die er sein Leben lang verspüren sollte. Er illustrierte später manches seiner eigenen Werke, verfasste Skizzen, zum Teil ganze Bühnenbilder. Seine Bilder wurden 1976 und 1985 in Neuenburg, 1978 in Zürich ausgestellt.

Friedrich Dürrenmatt starb im Dezember 1990 kurz vor Vollendung seines 70. Lebensjahres in Neuenburg.


Weblinks:

Friedrich Dürrenmatt-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Friedrich Dürrenmatt-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Dürrenmatts Schweizbild - www.mrkunz.ch

100. Geburtstag Weblinks:

100. Geburtstag Friedrich Dürrenmatt - https://www.deutschlandfunk.de

100. Geburtstag Friedrich Dürrenmatt - www.oe1.orf.at
100 Jahre Provokateur Dürrenmatt - www.zdf.de

Literatur:

Der Richter und sein Henker
Richter und sein Henker
von Friedrich Dürrenmatt

Samstag, 5. Januar 2019

»Die Physiker« von Friedrich Dürrenmatt


Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten


»Die Physiker« von Friedrich Dürrenmatt ist eine Tragikkomödie mit humorvollen Anklängen - Das Drama des letzten Lachens vor dem Ende der Welt. Die Physiker ist eine Komödie in zwei Akten des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt. Sie entstand im Jahr 1961 und wurde am 21. Februar 1962 unter der Regie von Kurt Horwitz im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. 1980 überarbeitete Dürrenmatt das Theaterstück zu einer Endfassung für seine Werkausgabe.


Drei Physiker haben sich in eine Inrrenanstalt geflüchtet, simultieren den Schwachsinn, um die Weltverncihtungsformel geheim zu halten bzw. zu stehlen. Möbius ist der Entdecker der Formel und der Moralist. Er spielt Irrsinn, er fingiert die Heimsuchung durch den Geist Salomos, um das, was er entdeckte, als Produkt des Irrsinns zu diffamieren. Doch zwei Geheimagenten, ebenfalls als Wahnsinnige getarnt, sind ihm auf der Spur.


Schauplatz der Handlung ist ein Heilsanatorium für Geisteskranke, in dem sich kurz nacheinander drei Mordfälle ereignen. Die Täter sind die drei Patienten - besser bekannt als die drei Physiker Newton, Einstein und Möbius. Nacheinander stellen sie den Inspektor vor eine schier unlösbare Aufgabe, da es so scheint, als habe keiner der Täter ein Motiv, seine ihm zugeteilte Krankenschwester zu ermorden.




Die drei Physiker ermorden ihre Krankenschwestern, weil sie um ihre Geheimnisse fürchten. Als die Polizei mit ihren Ermittlungen der Todesfälle eintrifft, vernichtet Möbius seine Formel. Es gelingt ihm, auch seine beiden Kollegen davon zu überzeugen, ihr gefährliches Wissen zu verschweigen, damit die Welt vor dem Untergang bewahrt werde. Doch der Pakt der Physiker kommt zu spät. Mathilde von Zahnd, die missgestaltete Besitzerin und Chefärztin des Irrenhauses, hat bereits Möbius’ sämtliche Aufzeichnungen kopiert. Als die einzig wirklich Verrückte glaubt sie tatsächlich, im Auftrag König Salomos zu handeln, und will mit der Formel die Weltherrschaft erringen. Die Physiker aber, durch die von ihr eingefädelten Morde öffentlich als Verrückte gebrandmarkt, bleiben im Irrenhaus eingesperrt und haben keine Möglichkeit mehr, von Zahnds Pläne zu verhindern.




Die von Friedrich Dürrenmatt verfasste Komödie »Die Physiker« thematisiert die verheerenden Folgen, welche die Wissenschaft zur Folge haben können. Trotz humorvoller Anklänge stellt Dürrenmatt jene Dimensionen dar, die die Vernichtung der Menschheit bedeuten können.


In »Die Physiker« wird auf vertraut tragikomische Weise ein sehr ernstes und anspruchsvolles Thema behandelt: die Verantwortlichkeit der Wissenschaft gegenüber der Welt. Ein Wissenschaftler hat eine Entdeckung gemacht, die die Gefahr der Vernichtung der Welt in sich birgt und damit zur Grundfrage des Stücks nach der Verantwortung der Wissenschaft führt. Dürrenmatt verknüpft diese Thematik mit seiner Dramentheorie, nach der jede Geschichte, ausgelöst durch den Zufall, die schlimmstmögliche Wendung nehmen müsse. Daher werden die Physiker oft auch als Tragikomödie oder Groteske eingeordnet.

In dem Werk verhandelt wird die Frage nach der Verantwortlichkeit der Welt. Der Leser wird mit der Auseinanderstzung mit der Frage der Verantwortlichkeit der Wissenschaftler konfrontiert. Er soll sich fragen, wer die Verantwortung tragen soll, wenn nicht die Physiker.

Das Stück passt gut in den Geist der damaligen Zeit. Bereits die Uraufführung der Physiker war ein Erfolg. In der folgenden Saison avancierte es zum meistgespielten Theaterstück im deutschen Sprachraum und gehört heute zu den größten deutschsprachigen Theatererfolgen nach dem Zweiten Weltkrieg.


Literatur:


Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten
von Friedrich Dürrenmatt

Donnerstag, 17. Dezember 2015

»Der Richter und sein Henker« von Friedrich Dürrenmatt

Der Richter und sein Henker
Der Richter und sein Henker

Hans Bärlach ist ein alter Kriminalkommissar in Bern. Sein bester Mitarbeiter, Ulrich Schmied, wird auf einer Landstrasse vor Twann erschossen aufgefunden. Dürrenmatts Kommissar Bärlach gehört nicht zu den strahlenden Helden der Kommissars-Zunft. Ein schwerkranker Misanthrop aus Erfahrung, der im günstigsten Fall noch ein Jahr zu leben hat. Friedrich Dürrenmatts Kommissär Bärlach ist eine Kriminalfigur, die stark autobiographische Elemente offenbart.

Ein Polizist ist erschossen worden. Ort des Verbrechens ist die Twannbachschlucht in der beschaulichen Westschweiz. Kommisär Bärlach sucht den Mörder seines geschätzen Kollegen. Abgründe tun sich auf, auch bei den polizeilichen Ermittlungen.

Die ganze Polizei muß aus kriminalistischer Ahnungslosigkeit abdanken.

Kommissar Bärlach hat einen unbegründeten Verdacht, dem er nachgeht und von dem er weiß, dass er möglicherweise richtig liegt. Im Laufe des Romans sammelt Kommissar Bärlach Indizien, deren "Sammlung" beim ersten Lesen unbegründet erscheint, da sich Bärlachs Vorgehensweise erst am Ende des Romans aufklärt.



Schnell begreift der Leser, dass Bärlach viel mehr weiß und mit äußerster Berechnung vorgeht. Unbeantwortet bleibt, wie er über die Hintergründe der Tat im Bilde sein kann. Dieser kantige, eigenbrödlerische Polizist lockt den faszinierten Leser immer tiefer in den Roman hinein. Atemlos verfolgt der Leser Schritt um Schritt den beharrlichen Kömmisär.



Um keinen Preis lässt dieser zu, dass jemand seine Pläne durchkreuzt. Selbst Bärlachs Vorgesetzter unterlässt es, Anweisungen zu geben, weil er dessen fehlende Einsicht und Sturheit fürchtet. Die nüchterne und kantige Sprache Dürrenmatts spiegelt schnörkellos den Charakter des Ermittlers wieder.

Dürrenmatt wirft ein Bild auf die Berner Polizei - und macht einen gekonnten Seitenhieb auf die provinzielle Polizei des Kantons Bern.

Die Berner Polizei hat sich wirklich ungeschickt benommen,
man erschießt mal nun keinen Hund, wenn Bach gespielt wird.

Der Autor zeichnet sein Bild der Schweiz in den 50er Jahren und feuert immer wieder feine Spitzen gegen den Staat, Gesellschaft und die Polizei ab. Ohne Überheblichkeit begreift sich Dürrenmatt absolut als Teil dieser Gesellschaft. Sein alter ego im Roman, der „Richter" Bärlach, lebt in Bern, „dieser verschlafenen, biederen Stadt, von der man nie recht weiß, wieviel Totes und wieviel Lebendiges eigentlich noch an ihr ist."


Der Richter und sein Henker
Der Richter und sein Henker

Dieser Kriminalroman zeichnet sich dadurch aus, dass er die üblichen Genre-Erwartungen enttäuscht, dafür aber durch Ironie und Groteske neue und überraschende Spannungsmomente schafft. Ausgangspunkt der Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt ist die Nichtberechenbarkeit der Welt.

Damit verletzt er die üblichen Regeln des Genres, das die Berechenbarkeit des menschlichen Handelns und die innere Ordnung der Welt durch ausgleichende Gerechtigkeit voraussetzt. In Dürrenmatts Kriminalromanen - wie auch in seinen Dramen - spielt der Zufall die Hauptrolle.

Literatur:


Der Richter und sein Henker
von Friedrich Dürrenmatt


Der Richter und sein Henker
von Friedrich Dürrenmatt


Mittwoch, 23. November 2011

»Die Physiker« von Friedrich Dürrenmatt

Die Physiker
Die Physiker

»Die Physiker« ist eine ernste und tragische Komödie des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt. Sie entstand vor 50 Jahren im Jahr 1961 und wurde am 21. Februar 1962 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.

Im Mittelpunkt der Handlung dieser Tragikomödie stehen drei Physiker, die sich als Geisteskranke ausgeben. Der erste von ihnen behauptet, Albert Einstein zu sein, der zweite hält sich angeblich für Isaac Newton. Der dritte, Johann Wilhelm Möbius, hat die so genannte Weltformel entdeckt, die in den falschen Händen zur Vernichtung der gesamten Menschheit führen könnte.

Mit seiner Behauptung, ihm erscheine König Salomo, will er sich selbst unglaubwürdig machen und so dem Missbrauch seiner revolutionären Entdeckung vorbeugen. Newton und Einstein hingegen sind in Wahrheit Agenten rivalisierender Geheimdienste und haben sich nur ins Irrenhaus einweisen lassen, um an Möbius’ Erkenntnisse zu gelangen und diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Die drei Physiker ermorden ihre Krankenschwestern, weil sie um ihre Geheimnisse fürchten. Als die Polizei mit ihren Ermittlungen der Todesfälle eintrifft, vernichtet Möbius seine Formel. Es gelingt ihm, auch seine beiden Kollegen davon zu überzeugen, ihr gefährliches Wissen zu verschweigen, damit die Welt vor dem Untergang bewahrt werde. Doch der Pakt der Physiker kommt zu spät.

Mathilde von Zahnd, die missgestaltete Besitzerin und Chefärztin des Irrenhauses, hat bereits Möbius’ sämtliche Aufzeichnungen kopiert. Als die einzig wirklich Verrückte glaubt sie tatsächlich, im Auftrag König Salomos zu handeln, und will mit der Formel die Weltherrschaft erringen. Die Physiker aber, durch die von ihr initiierten Morde öffentlich als Verrückte gebrandmarkt, bleiben im Irrenhaus eingesperrt und haben keine Möglichkeit mehr, Zahnds Pläne zu verhindern.

Dürrenmatt verknüpft diese Thematik mit seiner Dramentheorie, gemäss der, ausgelöst durch den Zufall, jedes Stück die schlimmstmögliche Wendung nehmen müsse. Seine Komödie wird daher oft auch als Tragikomödie oder Groteske eingeordnet.

Weblink:

Die Physiker
Die Physiker
von Friedrich Dürrenmatt

Donnerstag, 20. Januar 2011

Dürrenmatts Kriminalroman »Der Richter und sein Henker«

Friedrich Dürrenmatt, der Anfang 2011 90 Jahre alt geworden wäre, gehört zu den großen Kriminalschriftstellern der Moderne. Seine Kriminalromane haben dem Genre wichtige Impulse vermittelt. Durch die Erweiterung der Spielart des Krimis trug zur Attraktivität und zum Fortbestand des Genres bei.


Der Richter und sein Henker


1950 schrieb Frieddrich Dürrenmatt seinen ersten Kriminalroman »Der Richter und sein Henker«, in dem seine Hauptfigur, der alternde Kommissar Bärlach, den Tod eines erschossenen jungen Kollegen aufzuklären hat. Der hinterhältige Mord am begabten Polizeilieutenant Ulrich Schmid ruft den alternden Kommissar Bärlach auf den Plan. Bärlach, der in Schmid seinen Nachfolger gesehen hatte ist sehr betrübt über dessen Tod, denn er wird ihm aufgrund seiner Krankheit schon bald folgen.


Kommissar Bärlach hat einen unbegründeten Verdacht, dem er nachgeht und von dem er weiß, dass er möglicherweise richtig liegt. Im Laufe des Romans sammelt Kommissar Bärlach Indizien, deren "Sammlung" beim ersten Lesen unbegründet erscheint, da sich Bärlachs Vorgehensweise erst am Ende des Romans aufklärt.

Schnell begreift der Leser, dass Bärlach viel mehr weiß und mit äußerster Berechnung vorgeht. Unbeantwortet bleibt, wie er über die Hintergründe der Tat im Bilde sein kann. Dieser kantige, eigenbrödlerische Polizist lockt den faszinierten Leser immer tiefer in den Roman hinein. Atemlos verfolgt der Leser Schritt um Schritt den beharrlichen Kömmisär. Um keinen Preis lässt dieser zu, dass jemand seine Pläne durchkreuzt. Selbst Bärlachs Vorgesetzter unterlässt es, Anweisungen zu geben, weil er dessen fehlende Einsicht und Sturheit fürchtet. Die nüchterne und kantige Sprache Dürrenmatts spiegelt schnörkellos den Charakter des Ermittlers wieder.

Wie auch Kommisär Matthäi in Dürrenmatts »Das Versprechen« ermittelt Bärlach nach seinen eigenen Spielregeln und aus eigenem Antrieb. Ohne Rücksicht auf die eigene Person und die angeschlagene Gesundheit muss er (s)eine offene Rechnung begleichen. Nach einem halben Menschenleben auf der Jagd handelt er wie besessen und erschreckend kaltblütig: „Der Henker, den ich ausersehen habe, wird heute zu dir kommen. Er wird dich töten, denn das muss nun eben einmal in Gottes Namen getan werden."


Bärlach meinte, dass die menschliche Unvollkommenheit, die Tatsache, dass wir die Handlungsweise anderer nie mit Sicherheit voraussagen können, und dass ferner der Zufall, der in alles hineinspielt, der Grund sei, der die meisten Verbrechen zwangsläufig zu Tage fördern müsse.

Der Richter und sein Henker
Dieser Kriminalroman zeichnet sich dadurch aus, dass er die üblichen Genre-Erwartungen enttäuscht, dafür aber durch Ironie und Groteske neue und überraschende Spannungsmomente schafft. Ausgangspunkt der Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt ist die Nichtberechenbarkeit der Welt. Damit verletzt er die üblichen Regeln des Genres, das die Berechenbarkeit des menschlichen Handelns und die innere Ordnung der Welt durch ausgleichende Gerechtigkeit voraussetzt. In Dürrenmatts Kriminalromanen - wie auch in seinen Dramen - spielt der Zufall die Hauptrolle.

In »Der Richter und sein Henker« werden noch weitere Genre-Erwartungen enttäuscht und einfach durch das Groteske ersetzt: Der Kommissar macht sich schuldig – er ist dem Verbrecher in seinem Verhältnis zur Gerechtigkeit sehr ähnlich – und der Verbrecher wird ausgerechnet für ein nicht begangenes Verbrechen bestraft.

So ist bei Dürrenmatt ein meisterhafter Kriminalroman mit ironischen und grotesk überzeichneten Elementen entstanden - so unberechenbar wie die Welt ist der auch dieser Kriminalroman eine feine Satire auf die schweizer Polizei.



Der Richter und sein Henker


Der Richter und sein Henker

rororo Verlag, 1955.
115 Seiten, 4,95 EUR.
ISBN-1