Samstag, 10. November 2018

»Kapuzinergruft« von Joseph Roth

Kapuzinergruft
Kapuzinergruft

Die großen Zeiten der Donaumonarchie sind vorüber, das kakanische Reich liegt im Sterben. Die »Kapuzinergruft« ist Joseph Roth literarischer Abgesang auf die Habsburger Monarchie. Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Joseph Roths »Kapuzinergruft« ist eine kunstvolle Erzählung über die Melancholie des Untergangs und ein Abgesang auf das Habsburger-Reich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Ein Untergang, der in die Gruft führt. Daraus erklärt sich auch der Titel: der letzte große Kaiser dieses Reiches, Franz Joseph, ist in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt - der Protagonist des Romanes sucht mehrmals im Verlaufe der Handlung die Gruft auf.

Der Roman erzählt eine Familiengeschichte über drei Eopochen, in der die Politik hineinreicht, so daß das Bild einer Epoche entsteht.

Die Zeitspanne von der berichtet wird, ist die Zeit kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges bis zum Ausbruch des Faschismus in Österreich . Der Handlungsort ist Wien, unterbrochen von der Kriegszeit von Trottas - des Protagonisten, die er hauptsächlich in russischer Gefangenschaft verbringt.

Die Handlung kreist um die durch den Krieg orientierungslos gewordenen Hauptfigur - ein dekadenter slowenischer Adliger, ohne Ausbildung und durch Investitionen in Kriegsanleihen ohne Vermögen. Eine herausgestellte Rolle spielt auch seine Mutter, die versucht, die großbürgerlichen und adligen Ideale der Kaiserzeit in Würde bis zu ihrem Tod aufrecht zu erhalten. Trottas Frau Elisabeth stellt hierzu das Gegenbild dar - sie ist einer ungarischen Künstlerin in einer lesbischen Allianz verbunden und verkörpert in vielen Dingen den Geist der Nachkriegszeit.


Jung und frei und wohlhabend streunt der Protagonist durch Wien, bis zwei Männer in sein Leben treten: der Vetter Joseph Branco, Maronibrater aus Slowenien, der ihn um einen Gefallen bittet. Nämlich den Juden und Fiaker (Kutscher) Manes Reisiger zu empfangen, der wiederum hat einen hochbegabten Jungen, der als Violinist ans Konservatorium soll. Die drei Männer so unterschiedlich sie auch sind, freunden sich schnell an.

Der Reisiger Sohn kommt aufs Konservatorium. Zwischenzeitlich verliebt sich der junge Protagonist aus gutem Hause in eine junge Dame namens Elisabeth, was nicht den Gefallen der kalten, zurückhaltenden und sehr auf Contenance bedachten Mutter findet. Und dann die Schicksalsstunde die die Welt in Atem hält: Der Erste Weltkrieg bricht aus.

Die drei Männer sind in einem Regiment und geraten schnell in Gefangenschaft. Die Gefangenschaft ändert die drei Männer nachhaltig - so wie das Kaiserreich Österreich nachhaltig verändert wird. Heimgekehrt aus Krieg und Gefangenschaft hat der nicht mehr ganz so junge Protagonist Schwierigkeiten sich anzupassen, in dem was von der glanzvollen Monarchie übrig geblieben ist: Nichts ist übrig geblieben. Er ist kein junger Mann mehr, das Geld ist weg, die Mutter alt und schwerhörig, die junge Elisabeth will von dem flugs nach dem Ausbruch des Krieges geheirateten Gatten nicht viel wissen, die Freunde sind verarmt und desillusioniert.


Die »Kapuzinergruft« von Joseph Roth ist ein symbolischer Roman: er steht für den Glanz, den Niedergang und den totalen Untergang der KuK-Monarchie. Demokratie, Armut, soziale Unruhen, das Zerbrechen jeglicher Strukturen, all das findet sich in der Kaisergruft wieder - und die Unmöglichkeit sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, statt in Nostalgie auf die guten alten Tage zu schwelgen. - Wenn es ein Buch gibt, das den Zusammenbruch jeglicher alter Ordnung und den Niedergang einer einstigen Großmacht wiedergibt, dann ist es dieses Buch.

Joseph Roth skizziert in diesem Buch den Abgesang auf eine große Zeit, die nie so gut war, wie erinnert, die nie wieder so gut sein wird und die Menschen, die nicht die neue Zeit verstehen wollen oder können. Wer wissen will, warum man bis dato immer noch in Österreich den Blick rührselig, stolz und anmutig nach hinten schweifen lässt und sich die gute alte Zeit herbeiwünscht, der sollte dieses Buch lesen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Auch für den Geschichts- oder Deutschunterricht hervorragend geeignet.

Wichtig für Trotta sind auch die beiden Figuren Branco (ein Maroniverkäufer) und Reisiger (ein jüdischer Kutscher), die das ursprüngliche und kraftvolle Leben verkörpern, nach dem sich Trotta sehnt, aber auch die Vielfalt der Völker und Kulturen der Donaumonarchie darstellen.

Dekadenz, Todesahnung, -sehnsucht und Zerfall kennzeichnen Trottas Leben im Wien der Nachkriegszeit - das letzte Mal hat er sich bizarrerweise in russischer Kriegsgefangenschaft zu Hause gefühlt.

Lesenswert wird der nicht sehr umfangreiche Roman vor allem durch die wunderschöne Prosa Roths, die einerseits reflektierende Passagen anbietet, andererseits in der Dialoggestaltung und Personenskizzierung ihre Meisterschaft zeigt.


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Kapuzinergruft
von Joseph Roth

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