Freitag, 24. September 2010

Über den Romanautor Michel Houellebecq

Michel Houellebecq gilt in Frankreich zurzeit als der meistgelesene, aber auch umstrittenste Autor seiner Generation. Houellebecq ist ein gewiefter Provokateur im literarischen Betrieb. In seinen Romanen erzielte er Aufmerksamkeit durch die gepflegte Kunst der gezielten Provokation.

<em>»Provocation sells!«</em> - Mit seinen Romanen »Ausweitung der Kampfzone« (1994) und vor allem »Elementarteilchen« (1998), die beide verfilmt wurden, erreichte er nationale und internationale Bekanntheit. Der dritte Roman  »Plattform« (2001) und der vierte, »Die Möglichkeit einer Insel« (2005) waren gleich bei ihrem Erscheinen Erfolge.

In seinen meist in der Ich-Form erzählten Romanen zeichnet Houellebecq, ähnlich wie sein Freund Frédéric Beigbeder, das provokante Bild einer narzisstischen westlichen Konsumgesellschaft. Seine Protagonisten leiden unter ihrer Egozentrik, ihrem Unerfülltsein und ihren Schwierigkeiten, in einer kontakt- und gefühlsgehemmten Gesellschaft menschliche Nähe und gegenseitige Hingabe zu erleben. Insbesondere die sexuelle Frustration erscheint als ein Leitmotiv.

Eine von Houellebecqs Spezialitäten, die besonders in seinem Roman »Plattform« zum Tragen kommt, besteht darin, regelmäßig halb- bis anderthalbseitige Sexszenen in die Handlung einzufügen. Hierbei werden die Vorgänge (die sich i. d. R. im Rahmen des „Normalen“ halten) teils sachlich, teils einfühlsam dargestellt. Ein anderes Merkmal sind die ebenfalls oft en passant eingefügten essayistischen, zeitkritischen oder populär-wissenschaftlichen Betrachtungen. Insgesamt ist Houellebecqs Sprache schnörkellos und präzise; sein Erzählstil wirkt nüchtern und beiläufig.

Nun hat Michel Houellebecq seinen fünften Roman »Die Landkarte« veröffentlicht. Er hat ein packendes, trauriges und humorvolles Buch geschrieben, kurz: ein klassisches und auch skandalfreies. Die Zeit der Provokationen ist vorerst vorbei, Houellebecqs neues Buch ist eine schlichte Anbiederung an den Kulturbetrieb. Wer einen neuen Skandalroman erwartete hatte, wird enttäuscht: nicht das allerklitzekleinste Elementarteilchen des Stoffs, aus dem Skandale sind. Mit diesem Roman vollzieht eine Wandlung von Skandal- zum Romanautor - oder anders formuliert: er öffnet sich einem breiteren Publilkum.

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