Donnerstag, 19. September 2013

Zum Tode des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki

Marcel Reich-Ranicki

Deutschlands bedeutendster Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist tot. Er ist im Alter von 93 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Er war ein Literaturpapst, Großkritiker und eine literarische Instanz. Er hat den Deutschen, die ihn einst verfolgt hatten, sein tiefes Verständnis von Literatur nahegebracht. Als Literaturpapst und als temperamentvoller Leiter des "Literarischen Quartetts" hat er sich hierzulande nicht nur im Literaturbetrieb einen Namen gemacht.

Seine Belesenheit war legendär und sein Urteil war meinungsbildend: was Marcel Reich-Ranicki sagte, hatte Gewicht. Als scharfzüngiger Literaturkritiker prägte er über Jahrzehnte das bundesdeutsche Verständnis von Literatur. Der wortmächtige Kritiker bestimmte das bundesdeutsche Verständnis davon, was gute Literatur ausmacht. Er bestach durch seine offene, direkte, ehrliche Art und sein untrügliches Urteil in dem steten Bemühen, den Deutschen auch schwere literarische Kost näher zu bringen.

In Polen 1920 geboren, besuchte er als 13-jähriger die Schule in Berlin. Er hat sich als 13-jähriger in die Welt der Literatur gerettet. Sie bildete für ihn eine Gegenwelt zu der der Barbarei und Dunkelheit während der Zeit des Nationalsozialimus.Seine große Liebe galt der deutschen Kultur, den Büchern, dem Theater und der Musik. Mit ihnen allen hat Reich-Ranicki eine bis zuletzt andauernde, heftige Liebesaffäre.


Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Marcel Reich-Ranicki als "leidenschaftlichen Streiter und entschiedensten Anwalt" der deutschen Literatur. "Er, den die Deutschen einst aus ihrer Mitte vertrieben haben und vernichten wollten, besaß die Größe, ihnen nach der Barbarei neue Zugänge zu ihrer Kultur zu eröffnen", erklärte Gauck.

Empfohlene Bücher über Marcel Reich-Ranicki:








"Die Klarheit ist die Höflichkeit des Kritikers,
die Deutlichkeit seine Pflicht und Aufgabe."



Reich-Ranickis Credo

Auf die Schulzeit im »Dritten Reich« folgen 1938 die Deportation nach Polen und das demütigende Leben im Warschauer Getto. Seine polnisch-jüdische Familie wurde von den Nazis verfolgt, seine Eltern und die seiner späteren Frau Teofila, mit der er sieben Jahrzehnte lang verheiratet war, bis sie 2011 starb, kamen um. Überlebt hat er das Ghetto, weil ihn ein Pole bei sich zu Hause unter Lebensgefahr vor den Nazis versteckte.

Nach einer Studienreise siedelte er im Sommer 1958 aus Polen in die Bundesrepublik über und eroberte sich mit Artikeln in "Die Zeit" und "Welt" rasch einen Ruf als ebenso kundiger wie scharfzüngiger Literaturkritiker. 1973 ging er zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wo er bis zu seinem Ruhestand 1988 die Redaktion für Literatur und literarisches Leben leitete. Kaum im Ruhestand gab der Literaturpapst den Gastgeber in der Fernsehsendung "Das literarische Quartett", mit der er Fernseh- und Kulturgeschichte schreiben sollte und einem breiten Publlikum bekannt wurde.

Marcel Reich-Ranicki

Mit Marcel Reich-Ranicki ist eine Legende des deutschen Literaturbetriebes abgetreten. Er blickt als Nazi-Verfolgter und Holocaust-Überlebender versöhnlich auf sein wechselvolles Leben ohne Groll zurück. Großen Erfolg hatte Reich-Ranicki mit seinen Memoiren unter dem Titel "Mein Leben" (1999). Hier sprach er als Mensch und Zeitzeuge aus seinen eigenen schrecklichen Erinnerungen.Monatelang stand das über 1,2 Millionen Mal verkaufte Buch an der Spitze der Bestseller-Listen - die bewegende Geschichte eines Mannes, der zum Außenseiter gemacht, verfolgt und mit dem Tode bedroht worden war, schließlich aber eine der populärsten Persönlichkeiten des Landes wurde.

Schon seit einigen Jahren war Reich-Ranicki gesundheitlich angeschlagen. 2013 offenbarte er, dass er an Krebs erkrankt sei. Um welche Art von Krebs es sich handelt, wollte der Autor und Kritiker nicht sagen. Es gehe ihm aber "nicht sehr gut", sagte er, erklärte aber, er beschäftige sich täglich mit dem Tod. "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr, man ist nicht mehr da."


Weblinks:

Marcel Reich-Ranicki ist tot - www.spiegel.de/kultur

"Ich bin ihm nahe" -Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - Martin Walser-Nachruf - www.zeit.de

Ein sehr großer Mann - Nachruf auf Marcel Reich-Ranicki - F.A.Z. www.faz.net

Gnadenloser Kritiker - Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - 3 Sat Kulturzeit www.kulturzeit.de

Blog-Artikel über Marcel Reich-Ranicki:

"Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki - Literatenwelt-Blog

Literatur als Wegbereiter: Zum Tode Marcel Reich-Ranickis - Literatenwelt-Blog

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