Dienstag, 10. Mai 2022

Peter Weiss 40. Todestag

Peter Weiss

Peter Weiss starb vor 40 Jahren am 10. Mai 1982 in Stockholm. Peter Weiss - Pseudonym: Sinclair - war ein deutsch-schwedischer Schriftsteller, Maler, Grafiker und Experimentalfilmer. Schon früh begriff er die Literatur als Gegenwelt zur Realität.

Peter Weiss erwarb sich in der deutschen Nachkriegsliteratur gleichermaßen als Vertreter einer avantgardistischen, minutiösen Beschreibungsliteratur, als Verfasser autobiographischer Prosa wie auch als politisch engagierter Dramatiker einen Namen.

Internationalen Erfolg erzielte er mit dem Stück Marat/Sade, das mit dem amerikanischen Theater- und Musicalpreis „Tony Award“ ausgezeichnet wurde. Das dem dokumentarischen Theater zugerechnete „Auschwitz-Oratorium“ Die Ermittlung führte Mitte der 1960er Jahre zu breiten vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen.

Weiss verstand sich zeit seines Lebens eher als "Fremdling", wie der Titel eines unter dem Pseudonym Sinclair veröffentlichten Textes lautet. Für sein Leben traf dies auch zu: In Berlin geboren, aus Deutschland vertrieben, wohnt er er seit 1939 in Schweden, galt dort gleichfalls als "fremder Vogel".


Mitte der fünfziger Jahre begann Peter Weiss in deutscher Sprache zu schreiben. 1960 erschien sein erstes Prosabuch »Der Schatten des Körpers des Kutschers«. Zu Beginn der siebziger Jahre wand sich Peter Weiss wieder der Prosa zu. Zwischen 1975 und 1981 erschien der dreibändige Roman »Die Ästhetik des Widerstands«, deren letzter Band begleitet wird von Notizbücher 1971 – 1980.

Am 29. April 1964 wurde ein Weiss-Drama mit dem Titel »Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats« dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade uraufgeführt. Regie führte der polnische Regisseur Konrad Swinarski am Berliner Schillertheater. Das Stück lebte von dem „Konflikt zwischen dem bis zum Äußersten geführten Individualismus und dem Gedanken an eine politische und soziale Umwälzung.“

Auf Anregung des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman verfasste Weiss 1974 eine Bühnenfassung von Franz Kafkas unvollendetem Roman »Der Prozess«, die sich eng an die Vorlage anlehnte und im folgenden Jahr in Bremen uraufgeführt wurde.


1975 erschien der erste Band von Peter Weiss’ Hauptwerk »Die Ästhetik des Widerstands«, an dem Weiss seit 1972 gearbeitet hatte. Das Romanprojekt stellte den Versuch dar, die historischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und die ästhetischen und politischen Erkenntnisse der Arbeiterbewegung in den Jahren des Widerstands gegen den Faschismus aufzuarbeiten und zu vermitteln.

Mit dem beinahe 1.200 Seiten umfassenden, monumentalen Werk »Die Ästhetik des Widerstands« versucht der Autor Peter Weiss ein subjektiv, aus dem Blickwinkel des kommunistischen Widerstands wahrgenommenes Gesamtgemälde der Epoche des Nationalsozialismus und des Faschismus in Europa zu entwerfen.

Mehr als acht Jahre schreibt Peter Weiss an seinem Hauptwerk über den kommunistischen Widerstand gegen den Faschismus. Geschichtliche Trauer und Erinnerungsarbeit und zugleich das Bewegendste, was über Widerstand zu schreiben war. Mit gleichsam filmischen Mitteln montiert Weiss historische Szenen und Fragmente, verbindet Vergangenheit und Gegenwart in Dialogen und reflektierenden Passagen.

Als Peter Weiss auf der Pressekonferenz anlässlich des Erscheinens seiner »Die Ästhetik des Widerstands« gefragt wurde, was er glaube, wie lange ein Arbeiter brauche, um das Werk zu lesen, antwortete er völlig entspannt, dass das durchaus ein Jahr in Anspruch nehmen könne. Dafür bekam er nicht nur Applaus. Zeit ist zunehmend ein Faktor geworden, was alleine die Rezeption eines Kunstwerkes betrifft. Voluminöse literarische Werke hatten und haben es immer schwer. Nicht selten ist es so, dass die Spekulation derer, die es gar nicht lesen, berühmter machen als die Kritik derer, die sich die Zeit genommen haben.

Peter Weiss wurde am 8. November 1916 in Nowawes bei Potsdam geboren. 1945 wurde er schwedischer Stastsbürger. Er lebte bis zu seinem Tod in Schweden. Ihm wurde posthum der Georg-Büchner-Preis für das Jahr 1982 zuerkannt.


Literatur:

Die Ästhetik des Widerstands
Die Ästhetik des Widerstands
von Peter Weiss

Die Ästhetik des Widerstands
Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats
von Peter Weiss

Montag, 2. Mai 2022

Novalis 250. Geburtstag

Novalis


Am 2. Mai jährt sich der Geburtstag des Dichters Novalis zum 250. Mal. Novalis wurde vor 250 Jahren am 2. Mai 1772 geboren. Novalis - eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg - war ein berühmter Dichter des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Novalis gilt als einer der wichtigsten deutschen Frühromantiker.

Novalis von einem unerschütterlichen Glauben an die eigene Mission angetrieben, die Welt zu Romantisieren.


Novalis wurde.
Novalis begeisterte sich schon früh für alles Schöngeistige, insbesondere die Dichtung, wovon seine vielen Jugendgedichte (Jugendwerk 1788-1791) ein lebendiges Zeugnis ablegen.

Novalis hatte viele Talente: er war Jurist, Bergwerksdirektor und Philosoph. Bekannt wurde er als ein bedeutender Dichter der Frühromantik.

Dieser schon mit 28 Jahren verstorbene Genius des wahren Mitteleuropas war der Prophet eines magischen Idealismus. Novalis wurde aber auch der Verkünder eines allertiefsten Christentums – eines von jeglicher konfessionellen Gebundenheit freien Geist-Christentums. Magischer Idealismus ist zugleich tiefste Religion – Menschheits-Liebe, Erden-Verwandlung, Gottes-Erkenntnis.

Novalis war neben den Schlegel-Brüdern und Ludwig Tieck ein führender Vertreter der Romantik. Die romantische Bewegung begann im ausgehenden 18. Jahrhundert und reifte parallel mit der Aufklärung, dem Nützlichkeitsstreben und der beginnenden Industrialisierung.

Novalis war angetrieben von einem unerschütterlichen Glauben an die eigene Mission, der Romantisierung der Welt.

Seine poetischen und philosophischen Gedichte übten einen starken Einfluss auf die Romantik aus. Während seines Jura-Studiums in Jena, Leipzig und Wittenberg lernte er Friedrich Schiller und Friedrich von Schlegel kennen und befasste sich mit den philosophischen Ideen von Kant und Fichte. Anschließend übernahm er eine Stelle im Salinenwerk in Weissenfels.

Novalis

In den Werken von Novalis spiegelt sich die romantische Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, dem Phantastischen, dem Ahnungsvollen, nach der Kindheit, nach der Philosophie und Religion wieder.

Zu seinen bekanntesten Werken gehören der Roman »Heinrich von Ofterdingen«, »Hymnen an die Nacht« und seine Fragmente »Blüthenstaub« und »Die Lehrlinge zu Sais«.

Sein bedeutendstes Werk ist der unvollendete Roman »Heinrich von Ofterdingen« (1802) mit dem Symbol der Blauen Blume. Charakteristisch für seine von der Mystik beeinflussten Dichtkunst sind vor allem die »Hymnen an die Nacht« (1800).

Novalis


Novalis-Blog
In dem Roman »Heinrich von Ofterdingen« schickt er seinen Helden auf eine lange Reise in exotische Länder. immer auf der Suche nach der geheimnisvollen blauen Blume, ein zentrales Symbol der Romantik. Sie steht für Sehnsucht und Liebe und für das metaphysische Streben nach dem Unendlichen. Die "blaue Blume" symbolisiert die romantische Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, dem Phantastischen, dem Ahnungsvollen, nach der Kindheit, nach der Philosophie und Religion und dem Unendlichen.

Für die Veröffentlichung der Fragmentsammlung »Blüthenstaub« in der von den Schlegel-Brüdern herausgegebenen Literaturzeitschrift »Äthenäum« wählte er erstmal das Pseudonym »Novalis«. Novalis war ein Pseudonym, das nicht in erster Linie einen Gegensatz in der Persönlichkeit betont, sondern zunächst sicherlich auch und vor allem als Schutz gedacht war, dem 'ehrbaren Beamten von Hardenberg' nicht den nötigen Respekt zu verweigern, denn diese 'zivile' Existenz war keine Last, sondern durchaus auch Lust für von Hardenberg.

Eine Krankheit setzte seinem hoffnungsvollen Leben früh ein Ende. Seit August des Jahres 1800 erkrankte Novalis an Schwindsucht. Novalis starb am 25. März 1801 in Weißenfels.

Novalis' Schriften wurden erst nach seinem Tode veröffentlicht. Sie erschienen erstmals 1802 und wurden von Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck herausgegeben.

Die eigentliche Wirkungsgeschichte seines Werkes begann erst nach seinem Tode, als Ludwig Tieck und Friedrich Schlegel 1800, einige der nachgelassenen Werke herausgaben, den in seinem ersten Teil fertiggestellten Roman »Heinrich von Ofterdingen«, das Romanfragment »Die Lehrlinge zu Sais« und die »Geistlichen Lieder«. Den Aufsatz »Die Christenheit oder Europa« ungekürzt der Öffentlichkeit bekannt zu machen, wagten die Herausgeber nicht.

Literatur:

Novalis - Poesie und Poetik
Novalis - Poesie und Poetik
von Novalis

Novalis Werke
Novalis Werke
von Novalis


Weblinks:

Die grossen Meister der Feder I - www.wissen.de

Novalis Weissenfels - www.novalis-weissenfels.de

Novalis-Museum Schloß Oberwiederstedt

Samstag, 26. März 2022

Heinrich Heine als politischer Dichter

Heinrich Heine


Der Journalist und Dichter Heinrich Heine war ein Freigeist, Querdenker und begnadeter Analyst - und lebte zur falschen Zeit im falschen Land. Denn Presse- und Meinungsfreiheit gab es im Deutschland des frühen 19. Jahrhundert nicht. Nicht einmal Deutschland gab es als einheitlichen Staat - das Gebiet der heutigen Bundesrepublik war ein Flickenteppich aus Königreichen und Fürstentümern.

Gedanken von Freiheit und Gleichheit, die er auf Papier brachte, wurden von den Zensoren zerpflückt oder komplett erstickt, bevor Verleger sie drucken und verbreiten konnten. Damit wollte und konnte sich Heine nicht abfinden. Er suchte die Öffentlichkeit, war sich seines Könnens sicher. Seinem Frust machte er satirisch unter anderem in seinen "Reisebildern" Luft: ein ganzes Kapitel füllte er nur mit Spiegelstrichen, dazwischen die Worte "Die deutschen Zensoren" und "Dummköpfe".

Heinrich Heine emigrierte 1831 nach der Juli-Revolution nach Frankreich in die Zauberstadt. Heine wandelte sich in seiner Pariser Zeit zum politischen Dichter. In dieser Zeit erfolgte seine Politisierung der Schriftstellerei und der Lyrik.

In Frankreich genoß Heine großes Ansehen, weil der gegen die Teutomanmie und für die deutsch-französische Verständigung kämpfte. Er repäsentierte den "guten" Deutschen, weil er im Grunde französisch dachte und schrieb. Heine, der selbst unter dem Nationalismus und Chauvinismus in seiner Heimat zu leiden hatte, war der Repräsentant eines anderen, besseren Deutschlands.

In der zweiten Phase seines Schaffens in den 1830er/40er Jahren trat Heines Interesse an der gesellschaftlichen Realität in den Vordergrund. Seine Forderung lautet: eine neue Literatur für eine neue Zeit. Heine verlangte von den Schriftstellern, Stellung zu nehmen zu den politischen Ereignissen, um dadurch die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland voranzutreiben.


Seine Bekanntschaft mit den Saint-Simonisten in Paris hat sein Weltbild geprägt und sein politisches Denken beeinflusst. Der Saint-Simonismus war ihm als eine der wichtigsten Neuerungen der Gegenwart erschienen, der er als sozialer Theorie gegenüber den politischsen Parteibildungen, die nur auf eine Änderungen der politischen Machtverhältnisse hinzielte, entschieden den Vorzug gab.

Was Heine an dieser Doktrin besonders interessierte, war zu einen ihr universalistischer Charakter, der alle Lebensbereiche umfaßte und dabei doch auf einer rationalistischen, den Geschichtsprozeß schon weitgehend als Klassenauseinandersetzung definierenden Geschichtstheorie aufbaute. Zum anderen die besondere Betonung der Rehabilitation des Fleisches, der Wiedereinsetzung körperlicher Bedürfnisse und Genüsse in ihre angestammten Rechte, d.h. dei Ausbalancierung des christlichen Spiritualismus durch einen pantheisitischen Sensualismus.

Seine politische Ansichten waren dem Frühsozialismus entlehnt. Vorstellung einer Gesellschaft geprägt von sozialer und materieller Gleichheit. Leben als universales Dasein emanzipatorische Gedanken.

Die zeitweilige Begeisterung für den Saint-Simonismus fand ihren Niederschlag in einem 1833 entstandenen programmatischen Gedicht aus dem Seraphin-Zyklus, in dem Heine die Vision eines neeun Zeitalters formulierte.

Heines Selbstverständnis: Er verstand sich als freier, unabhängiger Dichter und Journalist und sah sich Zeit seines Lebens keiner politischen Strömung verpflichtet. Heine kündigte einen neuen Stil an, der sich von den politischen Stänkerreimen unterscheiden sollte.

Heine fehlte es nicht an pathetischer Selbststilisierung. Stilisierung als braver Soldat im Befreiungskrieg der Menschheit.


1843 schrieb Heine sein Gedicht »Nachtgedanken« mit dem oft zitierten Eingangsvers:

"Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Thränen fließen."


Die „deutschen Sorgen“ Heines betrafen nicht nur die politischen Zustände jenseits des Rheins, sondern auch seine mittlerweile verwitwete, allein lebende Mutter, deren Wohnung dem großen Hamburger Stadtbrand von 1842 zum Opfer gefallen war.

Deutlich wird dies in den "Neuen Gedichten" von 1848. In dieser Zeit entstand eine Vielzahl von satirischen Texten und Gedichten, die wegen der strengen Zensur oft nur in verdeckter Weise Gesellschaftskritik enthielten.


Weblinks:

Heinrich Heine – der „entlaufene Romantiker“ - www.derweg.org

Heinrich Heine - einflussreicheleute.wordpress.com


Literatur:


Heinrich Heine in Paris
Heinrich Heine in Paris
von Jörg Aufenanger


Donnerstag, 24. März 2022

Martin Walser 95. Geburtstag

Martin Walser


Am 24. März feiert Martin Walser seinen 95. Geburtstag. Martin Walser wurde vor 95 Jahren am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Martin Walser ist ein deutscher Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde Walser durch seine Darstellung innerer Konflikte der Antihelden in seinen Romanen und Erzählungen.

Nach Kriegsende machte er 1946 in Lindau am Bodensee-Gymnasium das Abitur und studierte an den Universitäten Regensburg und Tübingen Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit einer Dissertation zu Franz Kafka wurde er 1951 in Tübingen promoviert. Von 1949 bis 1957 arbeitete er beim Süddeutschen Rundfunk.

In dieser Zeit unternahm er Reisen für Funk und Fernsehen nach Italien, Frankreich, England, CSSR und Polen und schrieb erste Hörspiele.1950 heiratete er Katharina Neuner-Jehle. Aus dieser Ehe gingen die Töchter Franziska, Alissa, Johanna und Theresia hervor.



Mit seinem ersten Roman »Ehen in Philippsburg« (1957) gelang Walser der literarische Durchbruch. Walser lebte von da an mit seiner Familie als freier Schriftsteller am Bodensee.

Seit 1953 wurde Walser regelmäßig zu den Tagungen der »Gruppe 47« eingeladen, die ihn 1955 für die Erzählung »Templones Ende« auszeichnete.

Martin Walser hat ein vielgestaltiges und erfindungsreiches literarisches Werk geschaffen. Er schrieb zahlreiche Romane, Novellen, Erzählungen und Theaterstücke. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Romane

Das Einhorn



»Das Einhorn« (1966), »Ein fliehendes Pferd« (1985), »Brandung« (1985), »Jagd« (1988), »Finks Krieg« (1996), »Ein springender Brunnen« (1998). Zu seinem Alterswerk gehören die Romane »Der Lebenslauf der Liebe« (2000), »Tod eines Kritikers« (2002), »Der Augenblick der Liebe« (2004), »Angstblüte« (2007), »Ein liebender Mann« (2008) und »Mein Jenseits« (2010).

Sein gehässiger Roman »Tod eines Kritikers« (2002) ist auf den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gemünzt.

Diejenigen seiner Altersromane, die sich mit mit den Themen Liebe und Alter beschäftigen, sind häufig Leidensgeschichten.

In seinem Roman »Angstblüte« (2007) stürzt sich sein Romanheld Karl von Kahn in die Liebe zu einer jungen Schauspielerin.

Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 1981 den »Georg-Büchner-Preis« und 1998 den »Friedenspreis des Deutschen Buchhandels«. Außerdem wurde er mit dem Orden »Pour le Mérite ausgezeichnet und zum »Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres« ernannt.

Anlegestelle in Überlingen

Walser ist ein bodenseeischer Schriftsteller. Immer wieder fand seine Heimat Eingang in sein Werke und viele seiner Helden leben am Bodensee. Fast ist es so, als könne man ihnen dort persönlich bei einem Ausflug begegnen.

Martin Walser lebt mit seiner Familie als freier Schriftsteller in Nußdorf am Bodensee.


Literatur:

Ein fliehendes Pferd
Ein fliehendes Pferd
von Martin Walser

Das Einhorn
Das Einhorn


Samstag, 19. März 2022

»Ein fliehendes Pferd« von Martin Walser

Ein fliehendes Pferd
»Ein fliehendes Pferd«

Den Schriftsteller Martin Walser muss man von seiner Herkunft verstehen. Er wurde stark durch die alemannisch-schwäbische Bodenseeregion geprägt. Dies wird deutlich in dem autobiografisch gefärbten Roman »Ein fliehendes Pferd«, in dem Walser sein mittleres Lebenalter literarisch verarbeitet.

Walser erzählt in seiner Novelle »Ein fliehendes Pferd« eine muntere Beziehungsgeschichte zwischen zwei Paaren im mittleren Alter, die auf einer zufälligen Urlaubsbegegnung am Bodensee beruht. Walser stellt zwei Männer in deren Lebensmitte dar, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine angepasst, fast spießbürgerlich - jedenfalls aber vergangenheitsverhaftet und kopflastig. Der andere lebensfroh bis zum Exzess, auch wenn es nur Kulisse bzw. Fassade ist.

Helmut Halm, Lehrer und Mittvierziger hat sich mit seinem Leben abgefunden, dass ohne jede Überraschung und Raffinesse vor sich hin plätschert. Nur nichts ändern, das bringt nur Mühe oder gar Stress und führt zu nichts, scheint seine Devise. Seit Jahren fährt er mit seiner Frau Sabine zum Urlaub an den Bodensee, dort möchte er seine Ruhe genießen und Lesen. Jede sportliche aber auch sexuelle Aktivität ist ihm ein Gräuel.

Als unversehens Helmuts alter Schulfreund Klaus mit seiner attraktiven Frau Helene am Urlaubsort auftaucht, ist es jedoch mit der Ruhe dahin. Voller Energie und Tatekraft nötigt er Helmut und Sabine eine Unternehmung nach der andren auf. Halm ahnt, diese Quälgeister wird man in diesem Urlaub nicht mehr los. Klaus Buch, außer sich vor Freude über das unverhoffte Wiedersehen mit seinem alten Studienfreund, beginnt, die Urlaubsplanung zu übernehmen. Klaus scheint den Stein des Glücks gefunden zu haben und genießt offenbar jede Minute seines Lebens. Dennoch beneidet er auch den gut situierten Helmut.

Die muntere Beziehungsgeschichte gipfelt bei Walser im Symbol des fliehenden Pferdes: Während eines Ausflugs der beiden Paare fängt Klaus übermütig ein durchgegangenes Pferd ein und führt es zu seinem Besitzer zurück. Helmut sieht hier seine eigene Situation gespiegelt. Er fühlt sich von der aufdringlichen, aktiven Art Klaus’ bedroht und fürchtet, von diesem in seiner wahren Identität erkannt zu werden. Ihm entgeht, dass sich auch Klaus hinter einer Fassade verbirgt. Erst als dieser Helmut während der gemeinsamen Segeltour drängt, sich seinem eigenen Lebensstil anzuschließen, wird offenbar, dass beide sich gegenseitig etwas vorgemacht haben.

Die stark von seiner Herkunft geprägte Beziehungsgeschichte gilt als Walsers erfolgreichstes und gelungenstes Werk. Die Novelle von 1978 wurde von Lesern und Kritikern gleichermaßen begeistert aufgenommen.

Literatur:

Ein fliehendes Pferd
»Ein fliehendes Pferd«
von Martin Walser

Donnerstag, 17. März 2022

»Frühling« von Clemens von Brentano

Frühling soll mit süßen Blicken
mich entzücken
und berücken,
Sommer mich mit Frucht und Myrthen
reich bewirten,
froh umgürten.
Herbst, du sollst mich Haushalt ehren,
zu entbehren,
zu begehren,
und du Winter lehr mich sterben,
mich verderben,
Frühling erben.

Clemens von Brentano (1778 - 1842), deutscher Lyriker und Erzähler

Montag, 14. März 2022

»Lucinde« von Friedrich Schlegel


Friedrich Schlegel

»Lucinde« ist ein Roman von Friedrich Schlegel, der im Jahr 1799 erschienen ist. »Lucinde« ist eine literarische Revolution – ein Roman, der die Gattung von innen her aufsprengt. Nur mit der Fortsetzung geht es nicht voran: Fritz steckt mitten in einer Schreibkrise, als er 1799 Berlin endgültig verlässt.

Auf der einen Seite hatte Schlegel Erfolg und auf der anderen Seite wurde ihm angekreidet, dass er vieles aus seinem eigenen Leben hineingebracht hatte. Die beiden Hauptfiguren sind Julius und Lucinde. Schlegel formte Julius` Persönlichkeit durch seine eigene. Lucinde ist Julius` zukünftige Ehefrau, die viel Ähnlichkeit mit Schlegels zukünftiger Ehefrau hat.

Der Roman ist in mehrere Kapitel eingeteilt. Im Ganzen zeigt er aber die Entwicklung Julius`. Durch die Einteilung in Kapitel ist es manchmal schwierig, den Zusammenhang zu sehen. Die Kapitel haben einen zeitlichen Abstand. Das erschwert das Zusammenfügen noch mehr. Es kommen in den verschiedenen Kapiteln Dialoge zwischen Julius und Lucinde, Ich-Erzählungen des Julius und Briefe vor.


Man hat am Anfang das Gefühl, dass der Text nur aus einzelnen Teilen besteht. Es waren für mich einzelne zusammengesetzte Fragmente. Erst nachdem ich ihn fertig gelesen hatte und in Gedanken nochmals durchging, bemerkte ich, dass die Fragmente irgendwie zusammengehören. Schlegel beschreibt die Entwicklung Julius`. Julius lernt viele Mädchen kennen und will sich mit ihnen geistig vereinigen. Bei den meisten klappt das nicht. Am Schluss kommt er mit Lucinde zusammen.

Mit ihr kann er sich geistig vereinigen, weil sie sich in der Denkweise ergänzen und sich auch verstehen. Es bleibt aber nicht bei der geistigen Vereinigung, auch die körperliche spielt eine wichtige Rolle. Der Text ist sehr schön und gefühlvoll geschrieben. Er könnte durchaus Realität sein, aber Schlegel hat wahrscheinlich auch ein bisschen eine Traumwelt hineinfliessen lassen und übertrieben. Das ist für die Romantik auch normal.

Julius beschreibt als Ich-Erzähler, was er in seiner Entwicklung mit Mädchen und Frauen erlebt, was er fühlt und was das Mädchen, mit dem er zusammen ist, fühlen könnte. Schlegel stellt Julius so dar, wie wenn er ganz genau wüsste, was die anderen fühlen. Er erzählt sehr ausführlich, was er denkt. Als Leser weiss man also genau, was er denkt, und kann für sich entscheiden, ob man in einer ähnlichen Situation auch so denken würde. Dass Schlegel Julius ein trauriges Mädchen fast ausnützen lässt, gefällt mir zum Beispiel nicht.

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Schlegel zeigt, dass sich Julius nach einer glücklichen Beziehung sehnt. Zuerst findet er keine solche Beziehung. Erst als er mit Lucinde zusammenkommt, hat er eine solche Beziehung.

Für mich weiss Julius auf jede Fall zu genau, was die Frauen denken und fühlen. Er kann höchstens aufgrund der Erfahrung, die er mit der Zeit, spekulieren, was sie fühlen. Diese Beschreibungen sind sehr gefühlvoll geschrieben. Die Gefühle schwanken von Traurigkeit und Nachdenklichkeit bis zu grosser Freude. Schlegel ist es gelungen, durch Julius zu zeigen, wie sich ein junger Mann in der Entwicklung fühlen könnte. Er zeigt auch die weibliche Seite durch Lucinde. Trotzdem denke ich, dass Schlegel sein eigenes Leben vielleicht ein bisschen verschönert dargestellt hat. Es kommen allgemein viele Situationen aus dem Leben vor, der Roman hat also keine direkt spannende Handlungen. Spannend ist es aber, wenn man versucht die Gedankengänge von Julius nachzuvollziehen.

Die verschiedenen Mädchen und Frauen, die Julius kennen lernt, beschreibt Schlegel eine Weile lang intensiv, später kommen sie nicht mehr vor. Das ist auch logisch, denn Julius lernt während seiner Entwicklung immer wieder andere kennen und vergisst sie wieder. Dazu kommt, dass die Kapitel zeitliche Sprünge haben. Schon aus diesem Grund kommt jede Frau nur an einer bestimmten Stelle im Buch vor. Er kann sich nicht für eine entscheiden. Bis jetzt ist er noch nicht mit der Richtigen zusammen. Einzig Lucinde ist wichtig für ihn. Sie versteht ihn und er versteht sie. Sie können gut miteinander sprechen. Sie philosophieren zusammen über die Liebe. Sie sprechen viel in Bildern. Auch während den Dialogen haben sie eine sehr feine Sprache.

Literatur:

Lucinde
Lucinde
von Friedrich Schlegel