Dienstag, 14. September 2021

Dante Alighieri 700. Todestag


Dante Alighieri


Dante Alighieri starb vor 700 Jahren am 14. September 1321 in Ravenna. Dante Alighieri war ein berühmter italienischer Dichter und gilt als »Vater der italienischen Dichtung«. Er ist der bekannteste Dichter des Italienischen und gilt als einer der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters.

Über Dantes Lebenslauf sind fast keine gesicherten Daten überliefert. Nahezu alles, was über das Leben des Dichters bekannt ist, beruht auf Angaben oder Andeutungen, die Dante selbst in seinen Werken macht. Was man genauer weiß: Dante ist der größte Dichter Italiens.

Dante war Zeit seines Lebens in politische Parteikämpfe verwickelt. Aus diesem Grunde wurde der Fiorentiner 1302 aus seiner Heimatstadt vertrieben und ging danach in Oberitalien auf Wanderschaft. Er besuchte zahlreiche Städte und Höfe und landete am Ende in der Stadt Ravenna.

Für die Jahre des Exils fehlen externe Dokumente nahezu vollständig, andererseits ist Dantes Werk so überreich an Anspielungen auf Orte, Personen und zeitgenössische Vorgänge, dass sich der biografisch orientierten Forschung ein unerschöpfliches Feld für mehr oder minder plausible Vermutungen über den weiteren Lebensweg Dantes aufgetan hat, abgesehen davon, dass kaum eine Stadt oder Kleinstadt Italiens auf die Ehre verzichten möchte, von Dante womöglich einmal besucht worden zu sein.

Wahrscheinlich ist, dass er sich ab 1302 überwiegend in Ober- und Mittelitalien aufhielt und zeitweise in Verona bei Bartolomeo della Scala (1303/1304), in Treviso bei Gerardo da Camina (1304–1306) und in der Lunigiana (einem Gebiet in Massa-Carrara im Norden der Toskana) bei den Grafen Malaspina (1306 u. ö.) Aufnahme und Unterstützung fand.


Dantes Werk schöpft souverän aus der Theologie, der Philosophie und den übrigen Wissenschaften (Artes liberales) seiner Zeit. Es bezieht sich kunstvoll auf Vorbilder in der italienischen, provenzalischen, altfranzösischen und lateinischen Dichtung. Dante verbindet dabei Gelehrsamkeit und literarische Bildung mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit in der gedanklichen Aneignung und im sprachlichen und poetischen Ausdruck.

Wie kein anderer Dichter vor ihm stellt er die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den Mittelpunkt seiner Werke. Er spricht sich dabei nicht einfach selbst bekenntnishaft aus und macht sich nicht schlicht zum Chronisten seiner persönlichen Entwicklung, sondern stilisiert das Ich seiner Werke – deren lyrisches, erzählendes oder lehrhaftes Ich und die Erfahrung, die es zur Sprache bringt

Die »Göttliche Komödie« gilt als das bedeutendste Dichtung des europäischen Mittelalters. In Dantes Hauptwerk wird eine Reise durch die drei Stationen des Jenseits beschrieben: die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies. Unterwegs begegnet Dante einer Reihe historischer, biblischer und legendärer Gestalten. Das Werk illustriert ewige katholische Wahrheiten.

Dante wurde mit der »Göttlichen Komödie« zum Schöpfer der italienischen Literatursprache. Das Werk ist in toskanischer Mundart geschrieben, die so zur italienischen Schriftsprache wurde. Dies brachte ihm den Titel »Vater der italienischen Dichtung« ein.

Nach dem Tod des Königs Heinrichs VII., den er in seiner »Göttlichen Komödie« zum "alto Arrigo" stilisierte, im Jahr 1313, zerschlugen sich die politischen Hoffnungen Dantes. Ein als schmählich empfundenes Angebot seiner Vaterstadt, bei Zahlung einer Geldbuße und Leistung einer öffentlichen Abbitte nach Florenz zurückkehren zu dürfen, lehnte Dante ab.

In der Folgezeit hielt er sich zeitweise wieder in Verona am Hof der Scala und ab 1318 in Ravenna bei Guido Novello da Polenta auf. Während einer Mission im Auftrag Guidos in Venedig erkrankte er und starb nach seiner Rückkehr in der Nacht vom 13. auf den 14. September 1321 in Ravenna, wo der Dichter auch begraben liegt.

Dante Alighieri wurde vermutlich im Mai oder Juni 1265 in der Pfarrei S. Martino del Vescovo in Florenz geboren.

Literatur:

Göttliche Komödie
Göttliche Komödie
von Dante Alighieri


Blog-Artikel:

»Göttliche Komödie« von Dante Alighieri - Literatenwelt-Blog - literaten-welt.blogspot.de

Heinrich von Kleist - eine Einordnung in seine Epoche

Seine Einordnung in das Epochenschema deutscher Literaturgeschichte bleibt bis heute problematisch. Ihn als Erzähler der »Marquise von O...« (1807) oder der »Heiligen Cäcilie« (1810) der Romantik zuzuschlagen, blieb ebenso umstritten wie der Versuch, den Verfassers der Komödie »Der Zerbrochene Krug« (1808) und des »Amphitryon« (1807; UA 1898) als 'dritten' Dramenklassiker neben Goethe und Schiller zu etablieren.

Kleist bewegte sich zwar in Kreisen der Romantiker, vor allem während seiner Aufenthalte in Dresden und Berlin 1808 und 1810/11, deren Ästhetik und gesellschaftlichen Vorstellungen stand er jedoch kritisch gegenüber. In Kleists Dramen ist wenig von der Formenstrenge und sprachlichen Zucht der Weimarer Klassik zu spüren.

In der germanistischen Forschung der Gegenwart gilt Kleist unbestritten als einer der innovativsten Erzähler der deutschen Literatur, der sich in Werken wie »Michael Kohlhaas« (1810), »Die Marquise von O...«, »Das Erdbeben in Chili« (1807) oder »Die Verlobung in San Domingo« (1810) wie kein anderer Schriftsteller seiner Zeit subversiv gegenüber einer automatisierten und gattungskonformen Redeweise verhielt.

Der lakonische Stil wird durch Paradoxien, Doppeldeutigkeiten und Ironie unterlaufen. Die komplexe Syntax erreicht öfters die Grenze des Verstehbaren. Durch den Kontrast zwischen nüchterner Berichtssprache und der starken Synchronisierung, Zeitraffung und die Dynamisierung des Geschehens wird eine Plastizität der Darstellung erreicht, wie sie erst in der Literatur der Moderne wieder erreicht wird.

In seinen Briefen an die Braut Wilhelmine von Zenge und die Schwester Ulrike reflektiert Kleist seine geistige Entwicklung und seine Lebenskrisen ebenso wie seinen schwierigen Weg zur Autorschaft. Sie zeigen ihnen aber auch als aufmerksamen Beobachter kultureller und politischer Entwicklungen seiner Zeit. Literaturwissenschaftliche Arbeiten zur Kleist orientieren ihre Interpretationen und Analysen nicht selten an diesen Selbstdeutungen des Autors.

Kleists Werke sind im kulturellen Leben der Gegenwart heute vermutlich stärker präsent als die Schillers. Seine Erzählungen werden verfilmt oder für die Bühne bearbeitet, seine Dramen von den bedeutendsten Regisseuren häufig inszeniert. Auch in der Literaturwissenschaft ist Kleist ein Gegenstand intensiver und extensiver Forschung.

Weblink:

Kleist Biographie

Samstag, 11. September 2021

»Des Knaben Wunderhorn« von Clemens Brentano

Des Knaben Wunderhorn


Des Knaben Wunderhorn

»Des Knaben Wunderhorn« von Clemens Brentano ist eine von Clemens Brentano und Ludwig Achim von Arnim Volksliedersammlung« in drei Bänden. Brentano war ein begeisterter Liedersammler, welchen die Lieder des Volkstones besonders interessierten. Er veröffentlichte zusammen mit Ludwig Achim von Arnim die Volksliedersammlung« »Des Knaben Wunderhorn, eine Liedersammlung in drei Bänden.

Auf der Rheinreise der Freunde Achim von Arnim und Clemens Brentano im Juli 1802 entstanden die ersten Ansätze zu der bedeutendsten Liedersammlung der deutschen Romantik, die von 1805 bis 1808 in mehreren Bänden erstmals erschien. Die Ausgabe erregte sofort große Aufmerksamkeit. Vor allem Arnim hatte die Absicht, die zerrissene Nation mit Hilfe des Volksliedes zu einen. Darunter verstand er im weitesten Sinn eine Schöpfung des ganzen Volkes, die unberührt von der historischen Entwicklung geradezu ewigen Bestand hat.

Aufgenommen wurden deutsche Gedichte, anonyme und namentlich bekannte, die in der Bevölkerung verbreitet waren, die gesungen und gesprochen wurden. Bis heute sind viele der Lieder aus dem Wunderhorn geläufig, so ›Bettelmanns Hochzeit‹, ›Guten Abend, gute Nacht‹, ›Da oben auf dem Berge‹, ›Bald gras' ich am Necker‹, ›Die Gedanken sind frei‹ und viele andere der mehr als 700 Texte umfassenden Sammlung.

Der vorliegende Band bietet den vollständigen Text der Erstausgabe, unter behutsamer Modernisierung der historischen Orthographie. Der Anhang enthält u.a. ein ausführliches Nachwort des Herausgebers Heinz Rölleke, des besten Kenners dieser Sammlung, zu Entstehung, Quellen und überlieferung, zur Art der Bearbeitung der ›Volksdichtung‹ durch Arnim und Brentano sowie zur Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte dieser umfassenden Gedichtsammlung.


Literatur:

Des Knaben Wunderhorn
Des Knaben Wunderhorn
von Clemens Brentano

Clemens Brentano 1778-1842: Poesie / Liebe / Glaube
Clemens Brentano 1778-1842: Poesie / Liebe / Glaube
von Günter Scholz

Stifters Sehnsucht nach seiner eigenen Welt


Adalbert Stifter

Adalbert Stifter hat die Nachwelt polarisiert - veralteter Langweiler oder aktueller Erzählkünstler?
Die einen erinnern sich an den idyllischen österreichischen Heimatdichter, andere an den exzellenten Erzähler des 19. Jahrhunderts, wieder andere an den Verfasser langweiliger Schullektüre mit seinen schier endlosen, minutiösen Schilderungen von Landschaft und Natur. Die wenigsten verbinden mit dem Namen Stifter den großen Erzähler, der in seinem Werk die Leidenschaften und Abgründe menschlichen Lebens zu bannen sucht, und zwar auf eine Weise, die sich zwar nicht unmittelbar erschließt, dem Kenner seines Werkes aber über ein künstlerisches Erlebnis hinaus eine tiefe Erkenntnis über das Rätsel Mensch vermittelt.

Auf Schriftsteller hat Stifters Erzählkunst jedoch eine fazinierende Wirkung ausgelöst. Es waren immer wieder Schriftsteller, die insbesondere von seinem Spätwerk angezogen, ja fasziniert waren, von dem ruhigen, langsam fließenden, fast übergenauen Duktus seiner Sprache, von den handlungslosen, groß angelegten Tableaus von Häusern, Landschaften, Gärten, die geplant, errichtet, bewirtschaftet werden, als sei es ein Sinn an sich. Andere sind von Stifter sofort zu Tode gelangweilt und halten ihn keine drei Seiten lang aus, weil nichts passiert.

Friedrich Hebbel versprach demjenigen die Krone von Polen, der den freiwillig, ohne als Rezensent verpflichtet zu sein, zu Ende lese. Die letztgenannte Gruppe von Stifter-Lesern beziehungsweise Nichtlesern bemerkt zumeist eines nicht: dass nämlich unter der Ruhe und der viel (manchmal zu viel) gepriesenen Klarheit des späten Stifter etwas sehr Beunruhigendes steckt, das zu benennen schwer fällt. Vielleicht ist es die Beschwerde darüber, dass die Welt so nicht ist, wie sie da beschrieben (erfunden, ersehnt) wird.

Die Beschwerde darüber, dass sie so sein sollte, aber nicht ist. Diese quasi idyllischen Gemälde Stifters funktionieren wie eine Linse, durch die man hindurchschaut, um die Welt dann bedauerlicherweise klarer zu sehen, die ganz und gar nicht so ist wie bei Stifter.

Adalbert Stifter


Die Welten Stifters stehen nicht allein groß und mächtig, wie gemeißelt, auf dem Papier und genügen sich, nein, vielmehr liest man zwischen den Zeilen überall die Sehnsucht nach ebendem, was in den Zeilen steht. Stifters Sehnsucht ist die danach, dass das, was er schreibt, die Welt sei. Sie ist es aber nicht. Und sie war auch nicht Stifters Welt.

Das ist das Tragische an Stifter, daß er wußte, daß die Welt eine andere war und ist. Hebbel muß beim »Nachsommer« ein anderes Buch gelesen haben. Und hat in anderen Welt gelebt, sow wie Stifter in seiner.

Weblinks:

Eine ganze Welt zwischen den Zeilen - www.zeit.de

Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Adalbert Stifter-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de


Weblinks:

Adalbert Stifter-Portal - www.adalbertstifter.at


Adalbert Stifter-Biografie - www.adalbertstifter.at

»The Dunkiade« von Alexander Pope

The Dunciad: In Four Books by Alexander Pope (2012-11-18)

»Die Dunkiade« ist ein satirisches Gedicht des englischen Dichters und Schriftstellers Alexander Pope.

Als seine Edition der Shakespeareschen Werke von dem Publizisten und Shakespeare-Herausgeber Lewis Theobald 1726 angegriffen wurde, antwortete er 1728 in Versform mit dem Spottepos »The Dunciad« (»Die Dunkiade«, 1778), in dem er in satirischer Form Theobald auf den Thron der Dummköpfe stellte und zugleich mit der sogenannten Grub Street, der Zunft der Lohnschreiber, abrechnete.

Die »Dunkiade« beginnt mit der Anrufung einer Göttin. Diese Göttin ist, die Stumpfheit, TochterdesChaos und der ewigen Nacht. Sie regierte schon, bevor die Sterblichen lesen und schreiben lernten. Und das sie eine Göttin ist, wird sie ewig leben.

Der Held des Gedichts ist ein glückloser Poet, dem nichs einfällt. Schließlich verbrennt er aus Verzweiflung seine eigenen Werke zusammen mit denen von Shakespeare und Moliere. Vom Rauch des Opfers gnädig gestimmt, offenbart sich ihm die Göttin und entführt ihn in ihr Heiligtum. Dort salbst sei ihn zum König un umnebelt ihn mit Opiumschwaden, fortan führt er eiene neuen Namen - Dummkopf I.

Zu Ehren der fresich genkrönten Majestät fidnen homerische Wettkämofe staatt. Sie werden nicht vom König, sondern von der Königin höchst perslnllich ausgerichtet. Als erstes müssen die Dichter, diezu Tausendne in das Reich der Dumpfheit gepilgert sind, beweisen, daß sie Krach machen können. Als nächstes sind die Journalisten dran. Sie müssen im Schlammtieftauchen ihren Mann stehen. Einer berichtet hinterher, daß ihm dort unten im Moder aus Verleumdungen und Gerüchten erotische bräunliche Schlammnymphen begegnet seien.

Zu guter Letzt werden die Literaturkritiker schwer geprüft. Während dsa Publikum ein beruhigendes Summen anstimmt, wird ihnen aus dickleibigen Wälzern vorgelesen. Wer nicht einschläft, hat gewonnen.

Nach den Wettkämpfen ruht sich König im Tempel seiner Königin aus. Während er seinen Kopf in ihrem Schoß birgt, steigen wundersame Visionen
in ihm auf. Der Held wähnt, das eine verrückte Muse ihn ins Elysium führt, wo er Zeuge wird, wie die Seelen der ungeborenen Dichter mit dem Wasser der Lethe getauft werden, das Vergessen schenkt.

Danach führt ein klappriges altes Gespenst den Helden auf den Berg der Visionen, von wo aus er Vergangenheit und Gegenwartder Dumpfheit sehen kann. Ehrfürchtig betrachet er die andalenhorden, die alles kurz udn klein schalgen, was ihren geistigen Horizont übersteigt. Er betrachtet den Siegeszug der religiösen Intoleranz, bei demn Priester Bücher verbrennen, die sie nie gelesen haben.

Er enthüllt, daß bald auch diebritischen Inseln wieder dem Reich der Königin einverleibt werden. Eine bleierne Zeit bricht an, in der dei besten Köpfe nur noch dazu da sind, daß man sie hängen lässt.

Den Schluss bildet eine Prophetie. wird mit der Zukunft bekannt gemacht. Dabei erfährt er, daß die über eine Massenvernichtungswaffe verfügt: ihr Gähnen. Niemand kann sich ihm entziehen: Bald schlafen ganze Kirchengemeinden bei der Predigt ein, darauf die Schulen, die Univesrsitäten und auch das Parlament macht ein Nickerchen.

Mit seinen letzten Versen beschreibt Alexander Pope, wie der Triumph der Göttin universal wird.


Literatur:

The Dunciadn
The Dunciad
von Alexander Pope

Samstag, 4. September 2021

»Wunschloses Unglück« - Der junge Handke

»Wunschloses Unglück« ist eines der frühen Werke Handkes. Es handelt von seiner Mutter, wobei das Verb "handeln" hier vielleicht falsche Assoziationen weckt: Handke malt ein Bild von seiner Mutter, das klar und durchsichtig ist, sachlich und dabei so wunderbar bewegend, weil es den Leser fühlen lässt, was jene Frau durchgemacht haben muß.

Als Mädchen auf dem Lande wächst sie auf, erhält dort kaum Bildung, obwohl sie wissbegierig ist und sicherlich auch begabt, doch sie muß sich in die Gesellschaft einpassen, die Rolle der damaligen Frau spielen: Haushalt und Kinder. Sie erträgt dieses Leben auf Dauer nicht, zu viel Langeweile und Einsamkeit, ein trunksüchtiger Ehemann, den sie nicht liebt, drei Abtreibungen und immer diese Lust auf das Leben, das Erleben, welche sie aber nicht stillen kann. Daran geht sie am Ende zu grunde.

Peter Handke schildert in Form einer Erzählung das Leben seiner Mutter bis zu deren Freitod mit 51 Jahren. Er selbst, erstgeborenes und uneheliches Kind, war damals 30.

Zunächst fragte ich mich, wie kann es sein, dass man als Autor zum Leben der Mutter (zumindest hier) nur 89 Seiten zusammenbringt. Oder verfasst? Dann wäre es ein Grund, keine Offenbarung oder Fehlbarkeit.

Als ich das Buch das erste Mal begann, legte ich nach 25 Seiten eine Pause ein. Dies war keine geplante Pause und auch keiner Unverträglichkeit geschuldet. Ich fand offenbar keinen Zugang, war mehr beim Überlesen als dem Lesen und Verstehen. Intransparent gab es schon auf den ersten Seite Anknüpfungen umhüllt von Unbehagen, dem gelernten Verbot einer Neugier. Also Weglegen. Was anderes tun.

Ich legte es schließlich für einen Neustart zurück ins Regal. Solche Neustarts folgen aufgrund der Masse der ungelesenen Bücher in diesem Regal manchmal Monate, manchmal Jahre später oder vielleicht gar nicht mehr. Diesmal war es anders, denn nach drei Tagen beschäftigten mich Sätze und Textfragmente, die ich nie bewusst gelesen hatte, die sich aber dennoch begründbar bei mir eingegraben hatten. Hiernach beendete ich das Buch sogleich am Tag des Neubeginns.

Einen Neubeginn hatte die Mutter nie, allenfalls mal einen Beginn von was, was über Ansätze von Ausdruck oder Entfaltung nicht hinauskam. Ja, es war ein unglückliches Leben, aber auch wunschlos. Wie geht das zusammen? Das erklärt Peter Handke besonders und bemerkenswert, distanziert und nah. Dabei ist man fragen und wissend. Und es zu verstehen, ist nicht so schwer, doch Verständnis oder gar eine Befriedigung und Auflösung bringt dieses Verstehen nicht.

Der Ich-Erzähler und Sohn greift in die Beschreibung hinein, berichtet von dem Schreibprozess, die Arbeit und Kraft, die er erfordert. Handke verbindet hier innere und äußere Realität, schaft damit eine "Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt".

Ein sicherlich sehr persönliches Buch, welches aber trotzdem kein Denkmal für eine Mutter wird, oder das wenigstens versucht zu werden. Nur eine Beschreibung, ein Bild, mit erzählerischen Qualitäten die mindestens an Stefan Zweig heranreichen.

Handke deckt auch hier seine Wunden schonungslos auf, lässt teilhaben an seinen Verletzungen. Seine ständige literarische "Aufarbeitung" ist ein großer Gewinn für die Literatur.

Literatur:

Wunschloses Unglück
Wunschloses Unglück
von Peter Handke

Samstag, 28. August 2021

»Professor Unrat« von Heinrich Mann

»Professor Unrat« ist ein 1905 erschienener Roman von Heinrich Mann über die Erziehung von jungne Menschen in der Wilhelminischen Zeit. Der Roman ist Satire auf die fragwürdigen Erziehungsmethoden in dieser Zeit.

Professor Rat ist ein spießiger, reaktionärer, unglücklicher, hasserfüllter Lehrer an einem Kleinstadt-Gymnasium, der dort Altgriechisch und Latein unterrichtet. Dieser Professor Raat ist ein Symbol der Wilhelminischen Zeit und Erziehung. Er fühlt sich der Tugendhaftigkeit derart verpflichtet, dass er seine Schüler regelrecht tyrannisiert. Der Zeitgeschmack und die Bedürfnisser der Jugend interessieren ihn nicht. Die Jugend hasst ihn daher ebenso wie er die Jugend, die er in Wirklichkeit nicht versteht.

Im Prinzip begreift er die Menschheit im Allgemeinen nicht. Da er aber gegen seine Schüler Krieg führt und diese Siege gegen seine Schüler ihm Genugtuung verschaffen, er das Scheitern seiner Schüler aus gutem Hause im Leben früh beeinflussen kann, indem er diesen schlechte Noten gibt, erhält er ein Gefühl von Macht.

Seine Wertevorstellungen nähren sich aus einem Idealismus, der seinen Ursprung in altgriechischen Klassikern hat, wie z.B. Homers »Ilias», mit dem er sich noch immer Tag für Tag auseinandersetzt, und die für ihn eine der wenigen Quellen der Wahrheit darstellt. Wenn von dieser Wahrheit seine Umgebung abrückt, so ist die Umgebung dafür zu verurteilen, und nicht etwa sein geliebter Homer.

Legendär ist sein strenger Ruf, hat er doch schon Generationen von Schülern zurechtgestutzt. Doch den Schöpfer des Spitznamens »Professor Unrat« kann er nicht ausmachen, obwohl er bereits den einen oder anderen Verdacht hegt. Fast schon militant auf seinen guten Ruf achtend, macht er jedem Verdächtigen das Leben zur Hölle. Bald schon hat er den frechen Lohnmann im Visier, der ihm ein ganz spezieller Dorn im Auge ist. Scheint er doch gegen Raats Schikanen und Strafen vollkommen immun zu sein.

Er ist ein Lehrer der alten Schule. Aber genau das wird ihm eines Tages zum Verhängnis. An eine Stätte des Lasters begibt er sich nur, um einige seiner jugendlichen Schüler, für dessen Schutz er sich verantwortlich fühlt, vor allem aber um diese öffentlich bloßstellen zu können, aufzufinden. Bei dieser Gelegenheit verfällt er aber dem billigen Charme einer Revuetänzerin, die gerade halbnackt Aufführungen macht.

Völlig weltfremd und ohne echte Kenntnis des anderen Geschlechtes glaubt er in der Frau eine seiner Heldinnen aus der griechischen Sage wiederzuerkennen, um die Liebe zu ihr zu rechtfertigen. Fortan beginnt er mit ihr eine Beziehung, die ihm seinen Ruf kostet, als auch später seinen Arbeitsplatz als Lehrer. Er ist von nun an dem Gespött einer Welt ausgesetzt, die er vorher verfolgt hat.

Doch auf dem Hintergrund des Rotlichtmilieus entwickelt der Tyrann schließlich ungeahnte Fähigkeiten, und setzt seine Bosheit dieses Mal dafür ein, von hier aus als "gefallener Engel" seine spießigen Mitmenschen aus Rache zum Laster zu bringen.

Unrats Liaison mit der Künstlerin Fröhlich wird ruchbar, die bigotten Kollegen schneiden ihn, doch kann man den unbeliebten Kollegen nicht so ohne weiteres loswerden. Das besorgt Unrat letztlich selbst als er in einem Prozeß, in dem über die Zerstörung eines Hünengrabes verhandelt, dessen Lohmann, Ertzum und Kieselack angeklagt sind, leidenschaftlich für die Künstlerin Fröhlich, die verdächtigt wird, einen der drei angestiftet zu haben, und gegen seine Schüler Partei ergreift. Die drei werden von der Schule verwiesen, aber auch Unrat ist durch seinen Auftritt untragbar geworden. Er wird in den Ruhestand versetzt.

Heinrich Mann verstand sein Buch als politisches Buch mit Seitenhieben auf die spießige wilhelminische, kaisertreue, antidemokratische Gesellschaft seiner Jugend. Als überzeugter Demokrat rechnete er mit dem Lehrer-Typus seiner eigenen Schulzeit ab. Er hasste selber die Schule und ging vor dem Abitur ab, obwohl er immer ein guter Schüler war.

Das Buch, der größte Erfolg von Heinrich Mann, wurde im Jahr 1929 verfilmt. Die Verfilmung war eine der größten internationalen Kinoerfolge deutschen Ursprungs und machte nebenbei die Schauspielerin Marlene Dietreich weltbekannt.

Literatur:

Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
von Heinrich Mann

Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
von Heinrich Mann