Samstag, 6. August 2016

»Christus kam nur bis Eboli« von Carlo Levi

Eboli

Der Arzt, Künstler und Politiker Carlo Levi wurde 1935 von Mussolinis Faschisten nach Lukanien in ein Bergdorf verbannt. Der Städter und Intellektuelle trifft dort auf eine Umgebung, in der das sonstige Treiben der Welt kaum eine Rolle spielt, weil die bäuerlichen Menschen in ihrer abgrundtiefen Armut versunken, mit dem puren Überleben gegen Hunger und Malaria bechäftigt sind.

In seinem Erfahrungsbericht erzählt Carlo Levi in locker aneinander gereihten Szenen von seinen Erfahrungen in der bäuerlichen und rückständigen Welt Lukaniens, einer vergessenen Welt im Süden Italiens, die er während seines Exils kennen gelernt hat. Das Buch kam 1945 heraus und wurde ein Bestseller.

Es lenkte den Blick auf die Region, die schnell als “Armenhaus Europas” bekannt wurde. Per Gesetz wurde die Bevölkerung ab 1956 in neu gebaute Viertel umgesiedelt, Arbeitsprogramme gaben eine Perspektive. Die letzten Sassi wurden erst Anfang der 60er Jahre aufgegeben. 25 Jahre später erging ein Gesetz zur Erhaltung und Renovierung der Sassi.

1935 wurde der 31-jährige Levi wegen seines Protestes gegen den Abessinien-Krieg von den faschistischen Machthabern in ein Dorf in der Basilicata (damals Lukanien) verbannt. In Gagliano (aus Gründen der Diskretion taufte Levi den Ort in seinem Werk in Aliano um) empfand sich der elegante Norditaliener zunächst als Fremdkörper, bis es ihm gelang, die Sympathie der Bauern zu gewinnen.

Der Titel des Romans bezieht sich auf ein Sprichwort, mit dem die Bauern ihre eigene Rückständigkeit begründen: »Christus kam nur bis Eboli.« Es besagt, dass Gott es nicht mehr bis in die Berge der Basilicata, nach Aliano geschafft hat. Deshalb sind in dieser Region Zeit und Sitten auf einem heidnischen Niveau stehen geblieben. Trotz unsäglichen Elends, trotz Armut und der Malaria behaupten sich die Bewohner in einem mühseligen, vom Wechsel der Jahreszeiten rhythmisierten Überlebenskampf und beziehen aus dieser Existenzweise ihren eigenen Stolz.

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli


Levi beschreibt die vielfältigen Verflechtungen der dort lebenden Menschen. Dabei ist er nicht nur außenstehender Beobachter, sondern er nimmt Anteil an ihren Sorgen. Er behandelt sie als Arzt, obwohl er vorher noch nie praktizierte, und wird selbst einer der ihren. Angesprochen wird die Armut der Bauern und ihre Ausbeutung durch die von den Großgrundbesitzern beauftragten Steuereinnehmer, die enge Verbundenheit der Menschen zu Tieren und Geisterwesen. Er berichtet von der allgegenwärtigen Malaria und der Nachlässigkeit in deren Bekämpfung von seiten der Behörden. All diese Themen behandelt er mit Engagement und seine eigenen Ideen und Empfindungen sind dabei stets erkennbar.

Der Kargheit der Landschaft, der unfruchtbare Lehmboden findet Ausdruck in der resignativen Haltung der Bauern und ihrer Schicksalsergebenheit. Ihre Aufstände sind kurz, heftig und unorganisiert und damit zum Scheitern verurteilt. Lukanien ist ein von der Zivilisation unberührtes Land mit einer eigenen archaischen Kultur und einem tief eingewurzelten Misstrauen allem Staatlichem gegenüber.

Eindrucksvoll schildert Levi das Überleben heidnischer und naturmagischer Praktiken unter dem Deckmantel der christlichen Liturgie und das gelegentliche Aufflammen politischer Aufsässigkeit am Beispiel der Bauern, die Geldeintreiber erschlagen und sich den Briganten in den unzugänglichen Bergnestern der Basilicata anschließen, weil sie ihre drückenden Abgaben nicht leisten können. Die Versuche der Regierung, sich der politischen Zustimmung der Einwohner zu versichern, scheitern am fundamentalen Misstrauen der Bauern gegen jede Art von Obrigkeit, die sie immer nur als Unterdrückung erfahren haben.


Wegen des sachlichen Tonfalls seines Romans, der dem Elementaren und Schlichten des Lebens im Mezzogiorno entspricht, wurde der Roman zu einem herausragenden Dokument des Neorealismus (Stichwort R S. 681). Er ist eine der bewegendsten Schilderungen des Lebens im Süden, der in der italienischen Literatur eine Art nostalgische Berufung auf das von den Entfremdungserscheinungen der Moderne unbeschädigte Leben des Südens einleitete, obwohl Levis Beschreibung die Verhältnisse nicht beschönigte, sondern eher geeignet ist, sich der italophilen Verklärung Süditaliens zu widersetzen.

Das Buch ist 1945 erschienen und wurde ein Bestseller. Es lenkte den Blick auf die Region, die schnell als “Armenhaus Europas” bekannt wurde. - Eine Verfilmung von Francesco Rosi (1978) trug wesentlich zur Popularität des Buches bei.


Literatur:

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli
von Carlo Levi


Weblinks:

Das Reisetagebuch (2): Christus kam nur bis Eboli - Silencers Blog - http://silencer137.com

Sonntag, 31. Juli 2016

»Wilhelm Tell« von Friedrich Schiller

Wilhelm tell

Wilhelm Tell ist der Nationalheld der Schweiz, seine Taten viel gerühmt und bis heute unvergessen – und das, obwohl er vermutlich nie gelebt hat. Friedrich Schiller greift in seinem letzten vollendeten Drama den Mythos des Schweizer Freiheitskämpfers auf. Geschrieben in einem Zeitalter der Revolutionen aber auch des Humanismus, wird Tell zum Symbol für den freien, vernunftbegabten Menschen. Einmal mehr traf Schiller damit den Nerv seiner Zeit und bis heute hat das Stück nicht Aktualität verloren.

»Wilhelm Tell« ist Schillers letztes vollendetes Drama und bringt eine Utopie auf die Bühne: die Versöhnung der Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft. Den historischen Hintergrund bildet der Schweizer Unabhängigkeitskampf gegen Habsburg im 13. Jahrhundert, aus dessen Umkreis die berühmte Tell-Sage stammt.

Wilhelm Tell weigert sich, die Vorherrschaft der Habsburger anzuerkennen, sieht sich aber vor allem als Einzelkämpfer, der nur in bestimmten Situationen für die Sache der Allgemeinheit eintritt. Erst nach der legendären Apfelschuss-Szene und seiner darauf folgenden Inhaftierung und Flucht setzt sich Tell, über seinen persönlichen Rachefeldzug hinaus, für ein selbstbestimmtes Leben der Schweizer ein.




Erzählt wird die Tell-Sage, wobei hier Tell eigentlich nicht so sehr im Mittelpunkt steht. Vielmehr geht es um die gesellschaftlichen Verhältnisse während der Besetzung der Schweizer Kantone durch Habsburg im ausgehenden 13. Jahrhundert.

Wilhelm Tell


Tell wird unfreiwillig zu Volkshelden, als er, weil er es für Nonsens hält, einen Hut auf einem Stock, der auf dem Marktplatz steht, nicht grüßt. Der Landvogt Gessler hatte aber allen befohlen dies zu tun, nun wird Tell vorgeladen und muß als Strafe mit Pfeil und Bogen einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen. Dies gelingt Tell, aber zu gleich erfährt der Landvogt, wenn Tell sein Kind und nicht den Apfel getroffen hätte, er den Landvogt mit einem zweiten Schuß getötet hätte.

Daraufhin läßt der Vogt Tell gefangen nehmen und will ihn über den Vierwaldstätter See nach Küsnacht überführen. Tell aber gelingt eine abenteuerliche Flucht. Weil Tell jedoch klar wird, dass der Vogt weiter tyrannisieren wird und auch Tell jagen wird, lauert Tell dem Vogt auf und erschießt ihm, unerkannt, oder besser natürlich hat keiner was gesehen, kehrt er zu seiner Familie zurück. Zwischenzeitlich wird auch der habsburgische Herrscher ermordet und die Schweizer nehmen ihren Freiheitskampf wieder auf und gründen die Schweiz mit ihren drei Urkantonen.


Weblink:

WilhelmTell-Portal - www.wilhelm-tell.info




Wilhelm Tell
von Friedrich Schiller

Dienstag, 26. Juli 2016

George Bernard Shaw 160. Geburtstag

George Bernard Shaw


George Bernard Shaws Geburtstag jährt sich am 26. Juli zum 160. Male. Shaw wurde am 26. Juli 1856 in Dublin geboren und entstammte aus einer englischstämmigen Familie.

George Bernard Shaw war ein bedeutender irischer Schriftsteller und Bühnenautor des 19. und 20. Jahrhunderts und einer der prägenden Autoren seiner Zeit.

George Bernard Shaw

Shaw zog als junger Mann nach London und begann 1885 als Theater- und Musikkritiker.
Als Schriftsteller schrieb er fünf Romane, blieb aber zunächst erfolglos.

1895 wurde er Theaterkritiker bei einer Zeitung. Dies markierte einen ersten Schritt seines Lebenswerkes als Dramatiker.
1898 erschien sein erstes erfolgreiches Stück »Candida«.

Weltbekannt wurde er durch sein umfangreiches Bühnenwerk und seine Komödien wie »Der Teufelsschüler« (1897), »Arms and the Man« (1898), »Frau Warrens Beruf« (1898), »Captain Brassbound's Conversion« (1900), »Mensch und Übermensch« (1902), »Cäsar and Cleopatra« (1901), »Major Barbara« (1905), »Androkolus und der Löwe« (1912) und »Pygmalion« (1913).

Als Vertreter des intellektuellen Theaters schuf Shaw einen neuen Dramentypus – das Diskussionsdrama, dessen Helden als Träger bestimmter Ideologien aufeinandertreffen. Das Hauptinteresse Shaws gilt nicht der Handlung, sondern dem Kampf der Meinungen, den Diskussionen über philosophische, moralische, politische Probleme, die seine Helden führen. Shaw greift oft zu satirischer Überspitzung und Groteske, eine Helden sind nicht selten exzentrisch.

Sein Werk ist gekennzeichnet durch Kritik an überkommenen gesellschaftlichen Verhaltensweisen und persönlichen Vorurteilen.

Er brachte seine Kritik meist voller Ironie, Hohn und beissendem Spott, mitunter aber auch humorvoll zum Ausdruck.

Zu seinen bekanntesten Stücken gehören »Helden«, »Pygmalion« (1956 zu dem Musical »My fair Lady« verarbeitet), »Die heilige Johanna«.

1925 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Shaw war bis ins hohe Alter von 90 Jahren als Autor tätig. In der letzten Schaffensperiode (1930-1949) schenkte er politischen Problemen immer mehr Aufmerksamkeit und liess dabei phantastische und satirische Elemente verschmelzen.

Bekannt wurde Shaw auch durch seine originelle und ironische Persönlichkeit.

George Bernard Shaw starb am 2. November 1950 in Ayot Saint Lawrence.


Weblinks:

George Bernard Shaw-Biografie - Biografien-Portal - www.die-Biografien.de

George Bernard Shaw-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Freitag, 22. Juli 2016

»Vormittag am Strand« von Christian Morgenstern



Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte;
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.

Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis'
dicht unter dem durchsonnten Spiegel.


Christian Morgenstern (1871-1914)

Mittwoch, 20. Juli 2016

»Harmonia Cælestis« von Péter Esterházy

»Harmonia Cælestis« heißt eine Sammlung sakraler Gesänge, die Paul Esterházy 1711 in Wien herausgab. In Péter Esterházys literarischer Chronik seiner jahrhundertelang als Inbegriff von Glanz und Gloria geltenden Aristokratenfamilie, die im kommunistischen Ungarn schließlich ihren bitteren Niedergang fand, gewinnt der Titel freilich eine vielschichtig ironische Dimension.

In »Harmonia Cælestis« (»Himmlische Harmonie«) entwirft Péter Esterházy auf über 900 Seiten das faszinierende, sich über mehrere Jahrhunderte erstreckende Lebenspanorama der ungarischen Aristokratenfamilie Esterházy, also seiner eigenen Familie. Das Buch erzählt die Geschichte seiner eigenen Familie, einer Seitenlinie ("verarmt", wie er immer wieder erklärte) des berühmten Geschlechts der Esterházy.

Statt eines Familienromans traditioneller Art hat der Autor aus Einzelgeschichten, Episoden und Stimmungsbildern eine Chronik geschaffen, in der sich Authentisches und Erdachtes zu einem beeindruckenden literarischen Vexierspiel vereinen, in dem sich der Mythos einer der einflussreichsten europäischen Familien nahezu auflöst.

»Harmonia Cælestis« von Péter Esterházy ist eine literarische Genealogie vergegenwärtigt noch einmal das "Esterházysche Feenreich" (Goethe), als könne sie erst so dessen Entzauberung richtig nachvollziehen. Denn dieser widmet sich das zweite Buch "Bekenntnisse einer Familie Esterházy", das von ihrem Schicksal im Ungarn des 20. Jahrunderts erzählt. Es ist die bewegende Geschichte von Enteignung, Unterdrückung und den Versuchen, sich trotz des plötzlich verfemten Namens in der Diktatur zu behaupten.

Harmonia Cælestis
Harmonia Cælestis

»Harmonia Cælestis« besteht aus zwei großen Teilen: Das erste Buch "Numerierte Sätze aus dem Leben der Familie Esterházy" versammelt 371 Textabschnitte, die ohne Chronologie durch die Jahrhunderte springen, ein Vexierspiel aus historischen Episoden, kuriosen Anekdoten, traurigen und heiteren Reverien, in denen der Vater als allgegenwärtige Chiffre fungiert.

Der Kontrast zwischen dem Alles und dem Nichts, die Falltiefe innerhalb der Familiengeschichte birgt natürlich großes dramatisches Potenzial, das Esterházy mit seinem Reichtum an Stilmitteln meisterhaft in Sprache zu setzen versteht. Dabei sprühen immer wieder - oft an überraschender Stelle - humoristische Funken, etwa wenn sich in ein seitenlanges, altes Register wertvollen Mobiliars aus ehemaligem Familienbesitz plötzlich banale Alltagsgegenstände wie "1 klein schwartz kasstl cum instrumentis scriptorijs, in concreto Kugelschreiber mit Tesafilm umwickelt" einschleichen.

Das scheinbar Spielerische, mit dem sich Esterházy auch in den tragischen Episoden vor jeglichem Pathos bewahrt, harmoniert bestens mit seinem scharfen, ungetrübten Blick für Menschliches und Allzumenschliches, der auch vor dem Grausamen und Lächerlichen nicht zurückscheut.


Weblink:

Harmonia Cælestis
Harmonia Cælestis
von Péter Esterházy

Sonntag, 17. Juli 2016

Schriftsteller Péter Esterházy gestorben

 Péter Esterházy

Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Dies berichtete eine ungarische Nachrichtenagentur am Donnerstag unter Berufung auf die Familie und den Verlag des Autors. Esterhazy hatte an Bauchspeicheldrüsenkrebs gelitten.

Péter Esterházy wurde 1950 in Budapest geboren, in der Stadt an der Donau, in der er auch lebte. Seit 1978 arbeitete er als freier Schriftsteller.

Esterházy pflegte einen geistreichen post-modernen Stil. Bekannt wurde er unter anderem durch die Werke "Kleine ungarische Pornographie" (1997), "Donau abwärts" (1992) und "Harmonia Caelestis" (2001).
Die meisten von Esterházys Romanen wurden ins Deutsche übersetzt.


Knapp zehn Jahre schrieb Péter Esterházy an "Harmonia Caelestis" (»Himmlische Harmonie«), seiner schriftstellerischen Bändigung der persönlichen Erblast. Das Ergebnis ist nicht nur wegen der über 900 Seiten ein großes Buch: gleichermaßen literarisches Denkmal einer berühmten Aristokratenfamilie und fassettenreiches Erinnerungsprotokoll, gesättigt mit ungarischer und europäischer Geschichte.

Für seinen Roman "Harmonia Cælestis" erhielt er unter anderem den Ungarischen Literaturpreis und den Grinzane-Cavour-Preis. 2004 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Esterházy war 1980 Stipendiat des DAAD, 1996/97 Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie seit 1998 der Akademie der Künste (Berlin), Sektion Literatur.

Esterházy hielt im Wintersemester 2006/2007 in Tübingen die Tübinger Poetik-Dozentur zusammen mit Terézia Mora. Im Wintersemester 2011/2012 war er Literator, Dozent für Weltliteratur, am Internationalen Kolleg Morphomata an der Universität zu Köln.

Vor gut einem halben Jahr hatte Esterházy seine Erkrankung in seinem neuesten Buch "A bünös" ("Der Schuldige") thematisiert. "Ich glaube nicht, dass das Schreiben eine Therapie wäre, aber nachdem ich seit 45 Jahren schreibe, fehlt mir vielleicht der Überblick", hatte er einmal gesagt.

Esterházy hatte im vergangenen Oktober erstmals erwähnt, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs leidet. Damals hatte er damit eher beiläufig und selbstironisch sein Fernbleiben von der Buchmesse im schwedischen Göteborg begründet. Nun ist er daran gestorben.

Literatur, die man gelesen haben sollte:

Keine Kunst
Keine Kunst
von Péter Esterházy


Harmonia Cælestis
Harmonia Cælestis
von Péter Esterházy

Samstag, 16. Juli 2016

»Loreley« von Heinrich Heine


Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldnes Haar.

Sie kämmt es mit goldnem Kamme,
Und singt ein Lied dabey;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodey.

Den Schiffer, im kleinen Schiffe,
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh'.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Loreley getan.

»Loreley« von Heinrich Heine (1797-1856)