Samstag, 15. Juni 2024

Parzival-Epos

Pazival

Parzival ist ein Epos von Wolfram von Eschenbach. Eschenbach konnte weder lesen noch schreiben. Seine Gedichte sagte er einem Schreiber vor. Sein Parzival ist eine der tiefsten und gedankenreichsten Schöpfungen mittelalterlich-höfischer Dichtung, die zwischen 1203 und 1210 entsanden sein muss. Im Parzival verschmolz Eschenbach zwei große Sagenkreise: die Sage vom heiligen Gral und die Sage von König Artus und der Tafelrunde. Auch Elemente der Lohengrin-Sage sind hierin angelegt. Die Wandgemälde im Sängersaal von Neuschwanstein zeigen verschiedene Episoden aus dem Parzival-Epos.

Wolfram von Eschenbachs Roman über den "tumben Tor" Parzival, der unter allen Umständen Ritter von König Artus und seiner Tafelrunde werden wollte, gilt als Literaturschlager seiner Entstehungszeit. Mit fast 25.000 Versen ist der "Parzival" das längste deutsche Erzählwerk dieser Epoche und mit über hundert Abschriften auch eines der beliebtesten im Mittelalter. Das liegt vor allem an den Themen, die Wolfram von Eschenbach ansprach:

Es geht um ritterliche Ideale, verwoben mit christlichen Tugenden – um weltliche und religiöse Lebensfragen. Der naive Adlige, der nichts von höfischen Sitten und ritterlichen Idealen weiß und sie erst mühsam erlernen muss, wird nach harten Prüfungen schließlich zum Hoffnungsträger: Er soll eine Welt aus Gewalt und Leid erlösen und christliche Ideale erneuern.

Im Parzival-Epos wuchs der Titelheld ohne Kenntnis seiner adligen Abstammung in der Wildnis auf. Als er Rittern begegnete, machte er sich auf die Reise, selbst ein Ritter zu werden. Sie führte ihn auf die Gralsburg, wo ein neuer Gralskönig gesucht wurde. Doch Parzival stellte nicht die alles entscheidende Frage, die ihn als würdigen Nachfolger für Anfortas erwiesen hätte.

Seine Suche nach dem Heiligen Gral ist zugleich die Suche nach einem gottgefälligen Leben, ohne der Welt zu entsagen. Die Geschichte Wolframs spiegelt die Ordnung in Europa um 1200 wider, mit all ihren Vorstellungen, Tugenden und Werten, aber auch Fehden, Konflikten, Kriegen. In einer Zeit des Umbruchs ist der Roman nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen jener Epoche, sondern auch die Suche nach einem neuen Selbstverständnis des Ritterstands. Die Kreuzzüge im fernen Orient, der Thronstreit im eigenen Land und das Aufstreben der Ritterorden bilden den Hintergrund, vor dem Parzival seinen Weg zu Gott finden muss, um christlichen Begriffen wie Liebe und Hoffnung neuen Sinn zu verleihen.

http://www.koenig-ludwig-schloss-neuschwanstein.de/schloss-neuschwanstein/sagen/parzival-epos/ Das Parzival-Epos

»Alle Menschen seh ich leben« von Novalis



Alle Menschen seh ich leben
Viele leicht vorüberschweben
Wenig mühsam vorwärtsstreben
Doch nur Einem ists gegeben
Leichtes Streben, schwebend leben.

Wahrlich der Genuß ziemt Toren
In der Zeit sind sie verloren,
Gleichen ganz den Ephemeren[.]
In dem Streit mit Sturm und Wogen
Wird der Weise fortgezogen
Kämpft um niemals aufzuhören
Und so wird die Zeit betrogen
Endlich unters Joch gebogen
Muß des Weisen Macht vermehren.

Ruh ist Göttern nur gegeben
Ihnen ziemt der Überfluß
Doch für uns ist Handeln Leben
Macht zu üben nur Genuß.


»Alle Menschen seh ich leben« von Novalis




Novalis-Gdichte:

Gedichte
Gedichte
von Novalis

Die Philosophie im Werk von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard

Wer Bücher liebt, wer sich für die Machart von literarischen Texten interessiert, wird immer auch auf die philosophischen Inhalte eines Autors achten, auf die formalen Extravaganzen, das Eigenwillige und Einmalige.

Die Philosophie spielt im Werk von Thomas Bernhard eine zentrale Rolle. In seinen Texten finden sich mannigfache direkte und indirekte intertextuelle Bezüge, die von Michel de Montaigne und Blaise Pascal bis Gottlob Frege und Ludwig Wittgenstein reichen. haben Anklang gefunden

Bereits als Knabe studierte er, angeleitet von seinem Großvater, dem Schriftsteller Johannes Freumbichler, Hegel, Kant, Kierkegaard und Schopenhauer. Bernhard selbst bezeichnete sich als eine Art „philosophischen Aasgeier“.

Doch reicht die Bandbreite seiner - stets apodiktisch vorgetragenen - Aussagen bezüglich des Wertes der Philosophie von absoluter Bejahung bis hin zur uneingeschränkten Ablehnung. Die Philosophie sei ihm einerseits nicht weniger als „die mathematische Lösung des Lebens“, die den Ausweg aus der als sinnentleert empfundenen Welt bietet. In Der Weltverbesserer dagegen heißt es:

„Einmal habe ich Montaigne vertraut / zuviel / dann Pascal / zuviel / dann Voltaire / dann Schopenhauer / Wir hängen uns so lange an diese / philosophischen Mauerhaken /
bis sie locker sind / und wenn wir lebenslang daran zerren / reißen wir alles nieder."

Mit Wittgenstein verbindet der Hang zu philosophischer Betrachtung und ebensolcher Sicht auf die Welt. Wittgenstein fungiert in dem Stück als Professor in Cambridge lediglich als eine literarische Andeutung in Gestalt des Professors Josef Schuster.

Die Besonderheit an Ludwig Wittgenstein war sein radikal neuer Denkstil. Ein unreflektierter Sprachgebrauch und die konventionelle Verwendung von Begriffen innerhalb der Philosophie sind für Wittgenstein die Ursache der Verwirrung beim Lösen philosophischer Probleme. Die sinnvolle Sprachverwen dung einer normalen Sprache in sinnvollen Kontexten ist sein Lösungsansatz. Wittgenstein lieferte jedoch keine explizit formulierte Theorie und ließ trotz seiner konzisen, klaren Sprache Spielraum für die eigenen Gedanken des Lesers.

Als Erster seiner Berufsgattung die Sprache in den Mittelpunkt seiner Theorien gestellt und eigene Theorie über Sprache entwickelt. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, lautet ein seine Weltsicht fundierendes Diktum. Der österreichische Philosoph übte mit seiner Theorie über Sprache einen wesentlichen Einfluß auf die Literatur aus.

Thomas Bernhard hat, noch ehe er auch als Theaterautor reüssierte, sein Schreiben einmal als performativen Akt charakterisiert: Man denke sich eine Bühne in totaler Finsternis, auf der es, sobald die Worte erscheinen, allmählich licht wird.

Montag, 3. Juni 2024

Franz Kafka 100. Todestag

Franz Kafka

Franz Kafka starb vor 100 Jahren am 3. Juni 1924 im Alter von nur 40 Jahren in einem Lungensanatorium in Kierling bei Klosterneuburg in Niederösterreich.

Der Prager Schriftsteller gilt als der wohl rätselhafteste und vielschichtigste Autor der Moderne. Alle seine Prosawerke stellten den Menschen in einer Art Selbstentfremdung dar.

Franz Kafka

Kafka zählt zu den wenigen Autoren des frühen 20. Jahrhunderts, welche den größten Teil ihres literarischen Werkes nicht als freie Schriftsteller, sondern neben einer sie voll in Anspruch nehmenden Berufsarbeit geschrieben haben. Dieser Umstand führte dazu, dass Kafka zeit seines Lebens nicht als Schriftsteller wahrgenommen wurde.

Auch Kafka widerfuhr eine seltsame Verwandlung als Schriftsteller. Bei Tage führte er das Leben eines Versicherungsbeamten, bei Nacht verwandelte er sich während der ekstatischen Exerzitien des Schreibens in den bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Wenngleich Kafka seine Arbeit mit bestem Gewissen versah und als zuverlässig und genau galt, waren die Stunden im Büro für ihn eine Belastung. Er sah die Arbeit stets als Hindernis für das Schreiben, dem er meist nachts nachging.

Franz Kafka zeichnete in seinen Romanen das Bild einer düsteren Welt, in der der ohnmächtige Einzelne anonymen, undurchschaubaren Mächten und Machtinstanzen gegenübersteht und denen er ausgeliefert ist. Wie in einem Albtraum bewegen sich Kafkas Protagonisten durch ein Labyrinth undurchsichtiger Verhältnisse und sind anonymen Mächten ausgeliefert.

Die beklemmende Welt der Kafka'schen Protagonisten, die im Bannkreis unsichtbarer, bedrohlicher Mächte leben, ist durch Verstörung und vitale Erschöpfung gekennzeichnet.

Zu Lebzeiten war Kafka der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Seine Skepsis gegenüber seinem Werk und seiner Dichterexistenz überhaupt ging so weit, dass er seinem engsten Freund und Nachlassverwalter Max Brod auftrug, seine unveröffentlichten Texte (darunter alle seine Romane) zu vernichten.

Überzeugt, "daß ich mich mit meinem Romanschreiben in schändlichen Niederungen befinde", hatte Franz Kafka vor seinem Tod, 1924, in "letzter Bitte" an seinen "liebsten" Freund Max Brod verfügt, "alles, was sich in meinem Nachlaß ... findet, restlos und ungelesen zu verbrennen".

Weltweit bekannt wurde Kafkas Werk erst nach dem Zweiten Weltkrieg, zunächst in den USA und Frankreich, in den 1950er-Jahren dann auch im deutschsprachigen Raum.

Heutzutage wird er als einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts eingeschätzt. Seine Werke wurden in alle Sprachen übersetzt und seine Bücher werden in anerkannten Universitäten analysiert.

Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 im jüdischen Viertel von Prag geboren.


Weblinks:

Franz Kafka-Biografie - www.die-biografien.de


Franz Kafka-Zitate - www.die-zitate.de


Ein Roman als Biografie - oder umgekehrt - www.cicero.de

Onkels Schätze - Literatur Kafka-Nachlass - »DER SPIEGEL«

Freitag, 31. Mai 2024

»Die Legende vom heiligen Trinker« von Joseph Roth

Die Legende vom heiligen Trinker


Als »eine der schönsten Legenden, die im 20. Jahrhundert gedichtet wurde« (Marcel Reich-Ranicki) hinterließ Joseph Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«, die kurz vor seinem Tod entstand. Joseph Roth verwebt Realität und Fiktion in einer märchenhaft erzählten Novelle. Joseph Roth hat eine wunderbare Parabel geschrieben, die seinem eigenen Leben wunderbar vorweg greifen sollte.

In dieser Erzählung wird der dem Alkohol verfallene Clochard Andreas von einem Unbekannten mit 200 Francs beschenkt. Die soll er, falls es ihm eines Tages möglich sei, in einer bestimmten Kapelle zugunsten der Heiligen Therese von Lisieux hinterlegen. Andreas geht von seinem unerwarteten Reichtum gut essen, wäscht sich, lässt sich rasieren und besucht ein Café. Dort spricht ihn ein Herr an, der seine schäbige Kleidung bemerkt und bietet ihm einen Job als Möbelpacker an. Als Lohn werden 200 Francs vereinbart.

Andreas führt die vereinbarte Arbeit gewissenhaft aus und erwirbt, weil er sich bereits einer neuen Klasse zugehörig fühlt, eine lederne Brieftasche. Am nächsten Sonntag geht er zu der Kapelle, um einen Teil seiner Schuld zu zahlen, versackt jedoch in einer Eckkneipe. Dort trifft er auf Karoline, eine verflossene Liebe. In einem Nebel von Hochprozentigem erinnert er sich, wie er vor vielen Jahren aus dem polnischen Schlesien nach Paris kam, da man in Frankreich Kohlenarbeiter suchte.

Er hatte bei Landsleuten logiert. Dabei verliebte er sich in die damals verheiratete Karoline, und als ihr Mann sie eines Tages zu Tode schlagen will, schlägt er den Mann tot. Dafür saß er zwei Jahre im Gefängnis, dann folgte sein Absturz in den Alkohol, der ihn bis unter die Brücken von Paris führte. Als ihm in der Nacht die Heilige Therese im Traum erscheint und an seine Schuld erinnert, verlässt er Karoline.

In der Reihe der Wunder, die Andreas widerfährt, entdeckt er plötzlich einen Tausend-Francs-Schein in der frisch erworbenen Brieftasche. Er wechselt sie in einem Tabac und sieht dort das Foto eines ihm bekannten Landsmanns, der inzwischen zum Fußballstar avancierte. Er spürt diesen alten Kumpel auf, wird herzlich von ihm in die Arme geschlossen, mit frischer Kleidung beschenkt und zum Essen geladen.

Am Sonntag geht Andreas wieder Richtung Kirche, um der Heiligen Therese ihr Geld zu erstatten. Doch dort trifft er auf einen weiteren Freund aus der Vergangenheit, Woitech, dem er sein gesamtes Geld schenkt, um ihm aus einer angeblichen Not zu helfen. Und wieder fließt Alkohol in Strömen.

Nun kreuzt erneut jener Herr seinen Weg, der ihm die ersten 200 Francs geschenkt hat, und der Mann schenkt ihm erneut Geld. Das verzehrt Andreas in einer Bar. Am Sonntag geht er wieder voll guter Vorsätze zu der Kapelle. Ein Polizist spricht ihn unterwegs an und überreicht ihm eine fremde Brieftasche, die er angeblich verloren habe. Darin liegen 200 Francs.

Ein Kumpel verleitet ihn jedoch erneut zum Saufen, bevor Andreas die Kirche betreten kann. An der Theke kippt er plötzlich um und wird in die gegenüber liegende Sakristei geschleppt, wo er mit einer Bewegung, als wollte er in die linke innere Rocktasche greifen und seine Schulden zahlen, einen letzten Seufzer tut und stirbt.

Und in dem Moment, da er das Geld vermeintlich abliefern soll, wie dem Herren vor der Kirche versprochen, da trifft ihn der Schlag und er fällt tot um. Unter diesen Aspekten ist der Titel "Die Legende vom heiligen Trinker" sehr treffend, denn Andreas haucht sein Lebenslicht in der Sakristei aus.

»Es gibt Dinge, die muss man vergessen. Sie sind zu schön, um wirklich zu sein.«

Joseph Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«


Jospeh Roth ein modernes Märchen geschrieben. Mit dieser wunderschönen, märchenhaft geschriebenen Novelle setzt sich Roth mit seiner eigenen Trunksucht auseinander und macht dabei immer wieder die Ehrenhaftigkeit deutlich, die ihn sein gesamtes Leben auszeichnete. Bei Joseph Roths letztem Werk handelt es sich auch um eine Selbstreflektion der eigenen Alkoholprobleme und die Selbsterkenntnis der eigenen Unverbesserbarkeit.

Joseph Roths Novelle überzeugt durch klare Prosa und erinnert ein wenig an die Geschichte von "Hans im Glück". Der aufgrund glücklicher Fügungen mögliche soziale Aufstieg des Hauptprotagonisten wird aber letztlich durch dessen Trunksucht vereitelt.


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Die Legende vom heiligen Trinker von Joseph Roth

Montag, 20. Mai 2024

Honoré de Balzac 225. Geburtstag

href="http://www.die-biografien.de/biografien/124.php" target="blank"> Honoré de Balzac


Honoré de Balzac wurde vor 225 Jahren am 20. Mai 1799 in Tours als Sohn eines Verwaltungsbeamten geboren. Honoré de Balzac war ein berühmter französischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, wird er mit dem 17 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert als Dreigestirn der großen Realisten gesehen.

Im Juli 1819 quittierte der junge Balzac sein Jurastudium und die bereits begonnen Lehre bei einem Notar.

Zwei Jahre sollte er gemäß dem Wunsch seiner Eltern Gelegenheit haben, sein Talent als Schriftsteller zu beweisen. Der Bezug einer schäbigen Mansarde sollte ihm die Grille austreiben, Schriftsteller zu werden.

Vater Goriot

1834 hatte er beim Schreiben eines seiner besten Romane »Le Père Goriot« die Idee, die Figuren seiner bis dahin verfassten und der künftigen erzählenden Werke immer wieder neu auftreten zu lassen, um mit ihnen und um sie herum eine überschaubare Welt entstehen zu lassen.

Wirklich schuf er so im Lauf der Zeit ein Universum von gut 2.000 Figuren, die zugleich Repräsentanten der nachrevolutionären französischen Gesellschaft sein sollten und in der Tat eine plastische Vorstellung vom Leben zumindest der zeitgenössischen bürgerlichen und adeligen Schichten samt ihren Domestiken vermitteln.

Balzac unternahm den Versuch, die gesamte menschliche Gesellschaft seiner Zeit in einer gewaltigen Romanfolge, der »Menschlichen Komödie« darzustellen.

Die menschliche Komödie

Sein Hauptwerk ist der über 90 Titel umfassende, aber unvollendete Zyklus »Die menschliche Komödie«, dessen Romane und Erzählungen ein Gesamtbild der Gesellschaft im Frankreich der Zeit zu zeichnen versuchen.

Die »Menschliche Komödie« war Balzacs Lebenswerk, das er jedoch nicht mehr vollenden konnte. Nur 91 der geplanten 137 Romane und Erzählungen vermochte er bis zu seinem Tode fertigzustellen.

Honoré de Balzac

Balzac verband die einzelnen Texte zu einem Zyklus, indem er viele Figuren mehrfach auftreten lässt. Mit dieser literarischen Innovation wollte er ein System schaffen, das seiner Intention entsprach, ein umfassendes Sittengemälde seiner Zeit zu entwerfen.

Die menschliche Komödie

Balzac nannte die Gesamtheit seiner Romane die »Menschliche Komödie« (»La comédie humaine«) im Gegensatz zur »Göttlichen Komödie« Dante Alighieris.

Die wichtigsten Bücher aus diesem unvollständig gebliebenen Werk mit 40 Bänden sind »Das Chagrinleder« (1831), »Vater Goriot« (1834/35), »Oberst Chabert« (1837), »Die Frau von dreißig Jahren«.

Balzac gilt als Begründer des kritischen Realismus, sein Werk hatte großen Einfluss auf die gesamte europäische Literatur. Vor allem Émile Zola bekannte sich zu ihm als Vorbild.

Balzac war ein Mann von außergewöhnlicher Vitalität und Schaffenskraft. Er war nicht nur Erzähler, sondern auch Journalist und gelegentlicher - allerdings recht erfolgloser - Dramatiker.

Honoré de Balzac starb am 18. August 1850 in Paris.

Sonntag, 28. April 2024

Karl Kraus zum 150. Geburtstag


Karl Kraus


Karl Kraus war wohl einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Denn er war nicht nur einfach so Publizist, sondern darüber hinaus auch Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprachforscher und Kulturkritiker, sowie vor allem ein analytischer, scharfzüngiger Beobachter der Presse und des Hetzjournalismus oder, wie er selbst es ausdrückte, der Journaille. Ich möchte euch heute ein bisschen was über den Mann erzählen der heute vor 99 Jahren den Epilog über "Die letzten Tage der Menschheit" veröffentlichte.

Karl Kraus wurde am 28. April 1874 im böhmischen Jicín als Sohn eines örtlichen wohlhabenden jüdischen Papierfabrikanten und angesehenen Kaufmanns geboren. 1877 zogt die Familie nach Wien um, wo Kraus ab 1892 zuerst Jura, dann Philosophie und schließlich Germanistik studierte, ohne jedoch jemals das Studium wirklich abzuschließen. 1897 wurde er stattdessen Korrespondent der Breslauer Zeitung. 1899 verließ er ziemlich desillusioniert die jüdische Glaubensgemeinschaft und konvertiert übrigens zwölf Jahre später, also im Jahre 1911 zum Katholizismus.

Wieder zwölf Jahre später, im Juni 1923, trat er dann auch wieder aus diesem Verein aus, weil er erkennt das auch hier letztlich derselbe Dogmatismus herrschte wie im Judentum. Sein Privatleben war übrigens primär geprägt von der langjährigen Beziehung zur böhmischen Baronin Sidonie Nádherny von Borutin, die er bereits 1913 kennen lernt. Zwar erwiderte die seine Liebe nicht, doch bleiben sich die beiden eng verbunden, besuchten sich häufig und unternehmen gemeinsame Urlaubsreisen. Bereits seit 1892 für die Wiener Literaturzeitung immer wieder journalistisch tätig, gründete er im April 1899 die Zeitschrift „Die Fackel“.

Auf dieser Plattform wendet er sich gegen die Verlogenheit, Dummheit und Korrumpierbarkeit, den Militarismus und den Bürokratismus der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Zeitschrift erscheint immerhin 37 Jahre lang mit Kraus als dem verantwortlichen Herausgeber und ab 1911 sogar mit ihm als primären Autor welcher im Grunde die meisten Beiträge wohl auch letztlich entscheidend geprägt haben dürfte. Zielrichtung seiner über 500 Artikel ist von Anfang an die Bekämpfung der seiner Meinung nach eklatanten sprachlichen Verwahrlosung seiner Zeit. Kraus ist im Grunde von den Möglichkeiten mit Sprache ein und denselben Sachverhalt auf unterschiedliche Art und Weise darzustellen geradezu besessen und führt das Unheil der Welt letztlich auf den gedankenlosen Gebrauch der Sprache in der zwischenmenschlichen Kommunikation innerhalb der Gesellschaft zurück. Die "Fackel" macht Kraus bei seinen Gegnern gefürchtet. Immer wieder wird er in Prozesse verwickelt, die er aber wegen seiner guten Recherche allesamt gewinnt. Eine der bekanntesten Skandale im wilhelminischen Kaiserreich war die "Affäre Eulenburg", in der Kraus den Publizisten Maximilian Harden argumentativ buchstäblich demontierte und so quasi literarisch "hinrichtete". Für seine Bewunderer hingegen wird Kraus spätestens jetzt durch die scharfzüngigen Beiträge zu einer zornigen Autorität, die im Wien der Jahrhundertwende ihresgleichen suchte.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schwieg Karl Kraus zunächst in der Öffentlichkeit, seine Zeitschrift „Die Fackel“ erschien auch nach der üblichen Sommerpause nicht. Erst am 19. November 1914 hielt er in seiner 80. Vorlesung als Gastdozent an der Berliner Uni einen sehr analytischen Vortrag über diese vermeintlich so große Zeit, welcher dann auch in der Nr. 404 von "Die Fackel" am 5. Dezember 1914 unter dem Titel „ Die Anrede“ als Artikel erschien. Darin wandte er sich entschieden gegen den Krieg, was er übrigens durch Fakten und nicht durch Polemik belegte. Aber auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs antwortet Karl Kraus letztlich mit der bitterbösen Realsatire "Die letzten Tage der Menschheit“. Die Realität des Krieges als Farce? Nicht ganz. Er beschrieb alles, die Gasangriffe, der zähe Stellungskampf oder das Sterben im aufgeweichten Sumpf der Schützengräben. Er brachte es auf den Punkt oder kurz gesagt, seine Credo lautete schlicht, was sie nicht sofort tötete, zermürbte die Soldaten und daheim verhungern derweil die Familien. Die Lage war letztlich von Anfang an hoffnungslos.

Aber für die beiden Hauptverbündeten, also das deutsche und das österreichisch-ungarische Kaiserreich, gab es halt kein Zurück mehr. Das Verheizen von Menschen und Material ging weiter, dabei unterstützt von einem Propagandaapparat, den heuchlerische Kriegsberichterstatter und andere Claqueure mit einseitigen Berichten fütterten. Kritischere Texte verhinderte die Zensur der Mittelmächte. Deshalb konnte der österreichische Realsatiriker Karl Kraus seine in den Jahren ab 1915 verfasste bitterböse Abrechnung eben auch erst nach dem Waffenstillstand veröffentlichen. Aber immerhin gleich vier Wochen später, am 13. Dezember 1918, brachte er den Epilog als ersten Teil seiner monumentalen Antikriegstragödie "Die letzten Tage der Menschheit" in einer Sondernummer seiner Zeitschrift "Die Fackel" heraus. So eilig hatte er es, diesen apokalyptischen Abgesang, der zu großen Teilen heute noch aktuell wirkt, unter die Leute zu bringen. Es ihnen endlich um die Ohren zu hauen, was er von ihnen hielt, von den Mächtigen, die "mit Munition regieren", von den Fabrikanten, die vom Sterben profitieren, von den Kriegstreibern und Höflingen, die die "Sprache durch ihr Sprechen beschmutzen", von all den Händlern, Helden und Bombenwerfern. Hüben wie drüben hätten sie, so zumindest lässt er eine "Stimme von Oben" predigen:

"Im Frevel geeint, von Süden bis Norden
den Geist nur verwendet, um Leiber zu morden
und einverständlich von Osten bis Westen
die Luft mit Rache und Rauch zu verpesten".


Karl Kraus entwarf hier letztlich ein fast visionäres Szenarium. Ein letztes Mal treten die zynischsten aller Subjekte auf und wie die auftreten. Journalisten schießen Fotos anstatt Sterbenden zu helfen, fliehende Generäle holpern mit dem Automobil wild hupend über Leichen und ein Ingenieur namens Abendrot präsentiert stolz seine neueste Erfindung. Einfach per Knopfdruck tötet er geräuschlos Tausende von Soldaten. Am Horizont erscheinen Flammenwände und später, als das Inferno einsetzt, das die Erde und ihre Bewohner komplett zerstören wird, regnet es Blut und Asche. Der Mars schickt ein Meteoritenbombardement samt Weltendonner. Klingt toll, aber das auf die Bühne zu bringen, Puh! Was für eine Herausforderung für Regie und Bühnenbild! In mehr als zweihundert nur lose zusammenhängenden Szenen, die größtenteils auf authentischen zeitgenössischen Quellen beruhen, wird die Unmenschlichkeit und Absurdität des Krieges ohne falsches Pathos, ja schon fast klinisch steril, dargestellt. Über ein Drittel des endgültigen Textes ist übrigens tatsächlich aus echten Zitaten montiert. Nämlich aus Zeitungen, militärischen Tagesbefehlen, Gerichtsurteilen, eigenen und fremden Briefen, Verordnungen und Erlässen, Verlautbarungen des Kriegspressequartiers, Anordnungen der Zivilbehörden, Kriegspredigten, Ansprachen, Prospekte, aber auch Postkarten, Fotos, Plakaten, usw. Kraus schrieb darüber im Vorwort: „Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ Das Stück ist übrigens einem fiktiven „Marstheater“ zugedacht und führt in "hundert Szenen und Höllen", seine Helden sind "Operettenfiguren, welche die Tragödie der Menschheit aufführen". Der Text der Weltkriegstragödie ist authentisch, noch die grellste Erfindung ein Zitat. Dennoch sei, was aus dieser "Versuchsstation des Weltunterganges" dringt, so gestand Karl Kraus, das "Echo meines blutigen Wahnsinns". Nach "irdischer Zeitrechnung", so schätzte der Wiener Moralist, müssten für „Die letzten Tage der Menschheit“ zehn Abende vergehen. In der vorzüglichen Hörspielfassung des Österreichischen Rundfunks, für die 1974 alle 220 Szenen vom Blatt gesprochen wurden, sind es exakt 22 Stunden und 12 Minuten. Aber als echtes Theaterstück ist es übrigens bisher auch noch nie komplett auf der Bühne aufgeführt worden.

Natürlich lässt sich dieses Stück nicht aufführen. Die spärlichen Versuche, es in Ausschnitten auf eine Theaterbühne zu zwingen, blieben stets unbefriedigend. Denn der fragmentarische Charakter dieser Aufführungen reduzierte es noch in jedem Fall auf groteske Anekdoten, welche die kosmische Dimension, die der Autor seinem Werk zugedacht hatte, zerstörten. Das Weltgericht verkümmert zum schrillen Panoptikum kakanischer Unwürdenträger, die allesamt so authentisch sind, wie es einst die spaßigen Soldatenkarikaturen eines Fritz Schönpflug in der Muskete waren. Aber das war letztlich nicht das Problem des Verfassers. Vielmehr knabberte Karl Kraus an der Frage, wer genau für den Terror und Horror auf den Schlachtfeldern verantwortlich zu machen wäre. Lange dachte er es wäre das jüdische Großbürgertum, speziell Kapital und Presse, und noch spezieller der "Antichrist" Moriz Benedikt, seines Zeichens Chefredakteur der Neuen Freien Presse in Wien, gewesen. Die erste Fassung des Dramas ist dabei noch wesentlich geprägt von Kraus’ konservativer Haltung, die er bis in die zweite Hälfte des Weltkriegs beibehielt.

Er war nämlich, so kurios es klingen mag, ein Verehrer des Thronfolgers Franz Ferdinand gewesen, ja mehr noch, er schätzte die Habsburger und das österreichische Militär extrem hoch ein. Erst ab etwa dem Beginn des Jahres 1917 löste er sich von dieser Sicht und näherte sich an die Sozialdemokratie an. Neben der Presse machte er jetzt eben wie gesagt auch die Habsburger, verantwortungslose Politiker und Militärs für den Krieg verantwortlich. Besonders scharf griff er den deutschen Kaiser Wilhelm II. an, dem er, übrigens gestützt auf Erinnerungen seiner Zeitgenossen an ihn, totale Inkompetenz, Größenwahn und Sadismus vorwarf. Aber das reichte ihm scheinbar immer noch nicht. Denn in dem Epilog, den er im Sommer 1917 schrieb, modifizierte erstmals seine antisemitischen Attacken. Nicht der Jude als solcher, sondern die Menschheit an sich sei schuldig.

Denn gibt es neben den Großkotzigen nicht unzählige schweigende Kleingeister, die die Katastrophe nicht verhinderten? Trotz aller Polemik, der Autor selbst spielte natürlich eine Sonderrolle. Während Millionen jubelten und starben, dokumentierte er ja den Aberwitz des Krieges für seine in der Tat einzigartige Tragödie von den "letzten Tagen der Menschheit". Bei der Uraufführung des Epilogs sprach Karl Kraus denn auch den allerletzten Satz, mit dem Gott das Drama höchstpersönlich abschließt, indem er Wilhelm II., den deutschen Kaiser, zitiert, der seine Hände so verlogen in Unschuld wusch: "Ich habe es nicht gewollt." So klingt entweder bitterböse Ironie, oder nihilistische Menschenverachtung!

Bedingt durch seine stark veränderte Einstellung zu den Habsburgern und dem Militär sowie auch durch erst nach Kriegsende zugängliche Informationen veränderte Kraus in den nächsten Monaten die Letzten Tage wesentlich. Rund 50 Szenen kamen neu hinzu, während nur eine gestrichen wurde. Die Szenenabfolge wurde völlig verändert. Die Dialoge zwischen dem Optimisten und dem Nörgler wurden wesentlich ausgebaut, ebenso die deutschlandkritischen Bereiche. Die Verehrer der Reichspost wurden eingefügt, um neben der liberalen Neuen Freien Presse nun auch die christlich-soziale Reichspost bloßzustellen. Die sogenannte Buchausgabe erschien am 26. Mai 1922 in einer Auflage von 5.000 Stück, eine zweite, gleich hohe Auflage folgte im Dezember. Die dritte Auflage 1926 von 7.000 Stück blieb bis zum Tode von Kraus lieferbar.

In seinen nachfolgenden Essays zu Literatur, Dichtern und Zeitgeschehen profilierte er sich auch später nicht nur als sarkastischer Satiriker, sondern wendet sich auch immer wieder gegen prominente Zeitgenossen. Legendär ist zum Beispiel seine Fehde mit dem Berliner Feuilletonisten Alfred Kerr. Kraus beschäftigt sich auch intensiv mit Shakespeare, dessen teilweise jahrzehntealte Übersetzungen etlicher Dramen er nicht nur grundlegend überarbeitet, sondern falls notwendig auch Shakespeares Sonette nachdichtet, um sie so seinem deutschsprachigen Publikum überhaupt erst mal verständlich zu machen. Im Alter wurde Kraus immer verbitterter. Vor allem die Machtergreifung der Nationalsozialisten deprimierte ihn stark. Schon zwei Wochen nach der Machtergreifung im Jahr 1933 erklärten die Nationalsozialisten in der logischen Konsequenz seine Werke daraufhin für unerwünscht und schädlich. Von den Bücherverbrennungen werden sie jedoch verschont, was Kraus allerdings nun weniger gefiel.

Seinen bereits im Druck befindlichen Essay "Die dritte Walpurgisnacht", in dem er sich Ende 1933 hart mit den Nazis auseinandersetzte und der mit dem berühmten Satz "Mir fällt zu Hitler nichts ein" begann, zog er kurz vor der Auslieferung am 13. Dezember 1933 doch noch zurück. Er verzichtete deswegen auf eine Veröffentlichung, weil er nämlich zurecht fürchtet, die Faschisten könnten sich für dieses Werk mit der Ermordung von Juden rächen. Am 12. Juni 1936 starb Karl Kraus in Wien und erlebte so nicht mehr, wie sein Heimatland von den Deutschen kurzerhand übernommen wurde.