Donnerstag, 29. Juni 2017

»Die Geschichte der Bienen« von Maja Lunde


Die Geschichte der Bienen

Was macht die Natur mit ihren Geschöpfen? Die Bienen sind in Gefahr: Sie verschwinden und ihre Population nimmt in der ganzen Welt ab. Grund für die norwegische Schriftstellerin Maja Lunde, über das Bienensterben einen kunstvollen Roman zu schreiben. »Die Geschichte der Bienen« ist ihre eigene Geschichte über das Sterben der Bienen.

Der Roman ist ein Raum-Zeit-Projektion, welche aus drei Teilen besteht: Schilderung des Lebens des ersten Imkers in England, eines Bienenzüchters in Amerika im Jahr 2007 und einer Honigfrau in einer fernen Zukunft in China. Es werden im Wechsel, die Geschichten von Tao, einer chinesischen Arbeiterin im Jahr 2098, George, einem amerikanischen Imker im Jahr 2007 und William, einem englischen Saatgut-Händler im Jahr 1852 erzählt.

Tao bestäubt Bäume per Hand, da es keine Bienen mehr gibt, George muss mit der Zurückweisung seines Sohnes, der den Familienbetrieb nicht übernehmen will, und einem mysteriösen Bienensterben zurechtkommen und William befindet sich in einer Lebenskrise, aus der er in erster Linie herausfindet, indem er sich mit der Erfindung einer neuen Art von Bienenstöcken beschäftigt.

England im Jahr 1852: Der Biologe und Samenhändler William kann seit Wochen das Bett nicht verlassen. Als Forscher sieht er sich gescheitert, sein Mentor Rahm hat sich abgewendet, und das Geschäft liegt brach. Doch dann kommt er auf eine Idee, die alles verändern könnte – die Idee für einen völlig neuartigen Bienenstock.

Ohio, USA im Jahr 2007: Der Imker George arbeitet hart für seinen Traum. Der Hof soll größer werden, sein Sohn Tom eines Tages übernehmen. Tom aber träumt vom Journalismus. Bis eines Tages das Unglaubliche geschieht: Die Bienen verschwinden und die Welt wird eine andere.

China, im Jahr 2098: Die Arbeiterin Tao bestäubt von Hand Bäume, denn Bienen gibt es längst nicht mehr. Mehr als alles andere wünscht sie sich ein besseres Leben für ihren Sohn Wei-Wen. Als der jedoch einen mysteriösen Unfall hat, steht plötzlich alles auf dem Spiel: das Leben ihres Kindes und die Zukunft der Menschheit.


Die Geschichte der Bienen

Mitreißend und ergreifend erzählt Maja Lunde von Verlust und Hoffnung, vom Miteinander der Generationen und dem unsichtbaren Band zwischen der Geschichte der Menschen und der Geschichte der Bienen. Sie stellt einige der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie gehen wir um mit der Natur und ihren Geschöpfen? Welche Zukunft hinterlassen wir unseren Kindern? Wofür sind wir bereit zu kämpfen?

Maja Lundes Roman »Die Geschichte der Bienen« ist ein oft rezensiertes, hoch gelobtes Buch und mittlerweile auch fast ganz oben auf den Bestsellerlisten – und das zu Recht! Ich bin immer noch begeistert von diesem Buch. Maja Lunde versteht es außerordentlich gut, das hochaktuelle Thema des Bienensterbens in einen Roman zu verpacken. Es gibt nicht den erhobenen Zeigefinger aber dennoch bewegt einen dieses Buch so sehr, dass man noch einmal mehr sein eigenes Verhalten überdenkt.

Die drei Geschichten sind, jede für sich, fesselnd und ganz wunderbar erzählt - es gibt einfach Bücher, die ganz wunderbar geschrieben sind, Autoren, die auf eine Art und Weise schreiben, dass man gleich in eine Geschichte eintaucht und das Buch "in einem Rutsch" durchliest.


Literatur [ >> ]:


Die Geschichte der Bienen
von Maja Lunde


Blog-Artikel:

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»Telex aus Kuba« von Rachel Kushner

»Landschaften nach der Schlacht

Juan Goytisolo gestorben

Mittwoch, 28. Juni 2017

»Mitternachtskinder« von Salman Rushdie

Mitternachtskinder
Mitternachtskinder

»Mitternachtskinder« ist der Roman von Salman Rushdie, mit dem er weltberühmt wurde. Rushdie galt nach Erscheien des Buches als das indische Pendant zu Gabriel García Márquez.

Mitternachtskinder sind sie, geboren zwischen Null und Ein Uhr am 15. August 1947, dem Tag der Indien seine Unabhängigkeit bescherte. Und alle haben sie eine einzigartige, herausragende, nur ihnen bekannte Fähigkeit. So lehrt das Leben etwa unserem Helden und Ich-Erzähler Saleem Sinai, der Rotznase in die Gedanken seiner Mitmenschen einzutauchen.

Salman Rushdie erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus reicher Familie, von hohem Stand, der von der ambitionierten jungen Hebamme Mary Pereira kurzerhand mit dem zugleich geborenen Shiva getauscht wird, der in den Straßen Bombays aufwachsen wird, ohne Chance auf ein besseres Leben. Schon bald hat die junge Frau ihren Irrtum erkannt, ihr Gewissen jedoch ließ sie elf weitere Jahre mit der Untat leben.

Der Roman ist in drei Teile gegliedert, wobei im ersten Teil der Familienstammbaum mit dem Großvater beginnt, der in Heidelberg Medizin studiert hatte, um dann nach Kaschmir zurück zu kommen und ein junges Mädchen zu heiraten, das er durch ein Loch in einem Laken Stück für Stück ertasten konnte. Der zweite Teil erzählt die schelmische Geschichte der Kindheit des Ich-Erzählers, um schließlich im dritten Teil in einem Krieg, sein altes Leben von der Erde zu fegen und ihn dorthin zu verbannen, wo er von Geburtsrecht her leben sollte, in die Straßen und unter die Brücken Bombays.

Nicht zu Unrecht wird der Roman mit Marquez' »Hundert Jahren Einsamkeit« verglichen. Die Charaktere sind einzigartig, extravagant, durchwegs individuell und liebenswürdig. Ein ums andere Mal fügen sie sich in unbeschreiblicher Situationskomik ihren Lebensplagen und entwirren geduldig die zahlreichen, verspielt in der Handlung platzierten Verstrickungen, die immer wieder angedeutet, plötzlich mit ungehemmtem Hurra über mich Leser hereinbrechen. Selten habe ich so zufrieden in einen Roman hineingeschmunzelt! Doch der dritte Teil lässt alle Leichtigkeit hinter sich, ganz unvermutet, nur wenige Bomben reichen aus, eine ganz andere Geschichte aus dem zu bauen, was nach dem Krieg übrig geblieben war.

Die Geschichte der Familie Sinai ist auch die Geschichte Indiens, die Geschichte vom Weg zur Unabhängigkeit, von der Abspaltung des islamischen Pakistan, von den Kriegen und den Militärs und der Gründung Bangladesch's. Es ist die Geschichte des Lebens nach Möglichkeit der Geburtsstunde oder vielmehr des Geburtsrechtes. Der Kontrast aus unbeschwerter Kindheit in reichem Elternhaus und dem rastlosem Leben in den Slums Indiens Tag um Tag, die größte Kunst beherrschend: das Unsichtbarsein.

Ein Roman, der die unterschiedlichen Stimmungen eines Lebens erfunden haben mag, der im gleichen Atemzug höchste Zufriedenheit stimuliert wie er seinen Charakteren das Leben aushaucht, der in gleichem Maße humorvoll und spitzzüngig wie bitter und traurig ist!


Literatur:

Mitternachtskinder
Mitternachtskinder
von Salman Rushdie


Blog-Artikel:

Salman Rushdie 70. Geburtstag

Magischer Realismus in der Literatur

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»Die satanischen Verse« vor 25 Jahren erschienen

Montag, 26. Juni 2017

Alfred Döblin 60. Todestag

Alfred Döblin

Alfred Döblin starb vor 60 Jahren am 26. Juni 1957 in Emmendingen. Alfred Döblin war ein deutscher Arzt, Psychiater und Schriftsteller. 1938 emigrierte er als einer der Letzten aus Deutschland.

Sein episches Werk umfasst mehrere Romane, Novellen und Erzählungen, daneben verfasste er unter dem Pseudonym »Linke Poot« satirische Essays und Polemiken. Als führender Expressionist und Wegbereiter der literarischen Moderne in Deutschland integrierte Döblin früh das Hörspiel und Drehbuch in seinem Werk.

Er schrieb Erzählungen und Aufsätze, fand aber keinen Verleger. Im Ersten Weltkrieg war er Kasernenarzt. Der S. Fischer Verlag brachte seine ersten Romane heraus, nicht gerade Bestseller, aber langsam begann Döblin, in der Welt der Literatur ein Begriff zu werden.
Da war er Anfang 40 und Berlin, das Berlin der 20er Jahre, die Großstadt, das war, so sagte er, "das Benzin, mit dem sein Motor läuft".


Er war Mitbegründer der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm" (1910) und legte mit seinem 1913 erschienenen Erzählband "Die Ermordung der Butterblume" erste eigene expressionistische Texte vor.

1920 veröffentlichte er den historischen Roman »Wallenstein«. Weiterhin setzte Döblin als avantgardistischer Romantheoretiker mit den Schriften »An Romanautoren und ihre Kritiker. Berliner Programm, Bemerkungen zum Roman« und »Der Bau des epischen Werks« zahlreiche Impulse in der erzählenden Prosa frei.

1929 erschien sein bekanntestes Werk »Berlin Alexanderplatz«. Seine Erzähltechnik, die zwischen registrierender, neuer Sachlichkeit und Eindrücken der modernen Großstadt schwankt, brachte Döblin Vergleiche mit James Joyce ein.

„Wenn ein Roman nicht wie ein Regenwurm in zehn Stücke geschnitten werden kann und jeder Teil bewegt sich selbst, dann taugt er nicht.“


Alfred Döblin stammte aus einer Familie assimilierter Juden. In seinem zehnten Lebensjahr trennte sich der Vater von seiner Frau und ließ die Familie mittellos zurück. Das plötzliche Verschwinden des Vaters traumatisierte den Jungen nachhaltig. Bereits in seinem letzten Schuljahr verfasste Döblin mehrere Erzählungen und einen Kurzroman. Nach dem Abitur studierte er Medizin und wurde 1905 promoviert. Ein Jahr darauf eröffnete er eine kassenärztliche Praxis und heiratete die Medizinstudentin Erna Reiss.


Die Metropole Berlin wurde Döblins eigentliche Heimat. Er schloss sich dem Sturmkreis um Herwarth Walden an. Döblin wurde mit seinem Erzählband »Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen« sowie den Romanen »Die drei Sprünge des Wang-lun« und »Berge, Meere und Giganten« zu einem der führenden Exponenten der expressionistischen Literatur. Im Ersten Weltkrieg war er als Lazarettarzt an der Westfront stationiert. In der Weimarer Republik wurde der streitbare Döblin einer der führenden Intellektuellen des linksbürgerlichen Spektrums.

1933 musste der Jude und Sozialist Döblin aus Deutschland flüchten, kehrte nach Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, um Deutschland 1953 erneut resigniert zu verlassen. Große Teile seines literarischen Schaffens, darunter die »Amazonas-Trilogie«, die »Novembertetralogie« und der letzte Roman »Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende« werden der Exil-Literatur zugeordnet.

Alfred Döblin ist der große „Unbekannte“ der Literaturgeschichte Deutschlands, der sich nie aus Thomas Manns Schatten befreien konnte. Er war ein Mensch, der als Arzt und Künstler, als Jude und Katholik, als Patriot und Sozialist in die Tragödien des 20. Jahrhunderts hineingezogen wurde.

Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 in Stettin geboren.



Montag, 19. Juni 2017

Salman Rushdie 70. Geburtstag

Salman Rushdie

Salman Rushdie wurde vor 70 Jahren am 19. Juni 1947 in Bombay geboren. Salman Rushdie ist ein britisch-indischer Schriftsteller, der zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen Literatur gehört. Seine Erzählungen reichert er mit Elementen aus der Märchenwelt an. Dieses Vermischen von Mythos und Fantasie mit dem realen Leben wird als "Magischer Realismus" bezeichnet. Rushdie gilt als das indische Pendant zu Gabriel García Márquez.

Der Schriftsteller schrieb mit Vernunft und Phantasie gegen religiöse Hetze. Mit seinem Roman »Mitternachtskinder« wurde er weltberühmt. Mit seinem 1988 erschienenen Roman »Die satanischen Verse« hatte er sich den Zorn vieler Muslime zugezogen, die sich in ihrem religiösen Empfinden verletzt fühlten.

Salman Rushdie

Im Februar 1989 verkündete der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini einen Mordaufruf ("Fatwa"), mit einer "Belohnung" von einer Million Dollar. Er beschuldigte den Schriftsteller, den Islam beleidigt zu haben. Anfang der 1990er Jahre tauchte Rushdie, der seit 1961 in England lebte, unter und führt seitdem ein Leben im Untergrund.




"Man wacht jeden Tag in einer anderen Welt auf."

Salman Rushdie

Neun Jahre verbarg sich Rushdie an ständig wechselnden Orten und trat in der Öffentlichkeit nur unter extremen Sicherheitsvorkehrungen oder als Überraschungsgast auf. Erst ab 2006 konnte er nach Jahren unfreilliger Emigration wieder ein "normales" Schriftstellerleben führen.

Seine Bücher erhielten renommierte internationale Auszeichnungen, u.a. den Booker Prize, und sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2008 schlug ihn die Queen zum Ritter.

Weblink:

Mit Vernunft und Fantasie gegen religiöse Hetze: Salman Rushdie - www.dw.de


Literatur:

Die satanischen Verse
Die satanischen Verse
von Salman Rushdie

Mitternachtskinder
Mitternachtskinder
von Salman Rushdie


Blog-Artikel:

Magischer Realismus in der Literatur

»Die satanischen Verse« vor 25 Jahren erschienen


Sonntag, 18. Juni 2017

Lew Kopelew 20. Todestag

Lew Kopelew

Lew Kopelew starb vor 20 Jahren am 18. Juni 1997 in Köln. Lew Kopelew war ein russischer Germanist, Schriftsteller und Humanist mit dem Werdegang eines Dissidenten. Er war ein Zeitzeuge des Jahrhunderts. Ab 1980 lebte er im unfreiwilligen Exil in Deutschland und wurde zu einer bedeutsamen Figur im bundesdeutschen Geistesleben. Der enge Freund Heinrich Bölls und Marion Gräfin Dönhoffs setzte sich unermüdlich für Verständnis und Aussöhnung zwischen Ost und West ein.

Seit Mitte der sechziger Jahre setzte er sich zunehmend für Andersdenkende wie Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn sowie für den Prager Frühling ein. Hierdurch geriet er in immer stärkere Opposition zu dem sich wieder verhärtenden Regime. Er verlor immer mehr den Glauben an den Kommunismus und wurde, als er gegen den Einmarsch anderer kommunistischer Länder in die Tschechoslowakei und die brutale Zerschlagung aller Reformerfolge protestierte, mit Parteiausschluss, Schreibverbot und dem Verlust seiner Stelle am Institut für Kunstgeschichte bestraft. Damit endeten für ihn die letzten Hoffnungen, die er in den Kommunismus gesetzt hatte.

Kopelew wollte in den Westen reisen, aber er wollte auf keinen Fall seine Heimat aufgeben und ins Exil gehen. Eine Einladung von Böll und Marion Gräfin Dönhoff zu einer Studienreise nach Deutschland, der ein langes diplomatisches Ringen um eine Rückkehr-Garantie vorausgegangen war, ließ Kopelew 1980 das Wagnis eingehen, mit seiner Frau ins Ausland zu reisen. Nachdem Kopelew sich zu Anfang des Jahres mit anderen Intellektuellen für Andrej Sacharow eingesetzt hatte, wurden ihm und seiner Frau überraschend im Oktober die Genehmigung zur Ausreise erteilt. Mitte November traf das Ehepaar in Köln ein.

Doch schon Anfang 1981 wurde die Auslandsreise zum Exil – man hatte das Ehepaar ausgebürgert. Nach einer Reise in die USA wurde Köln die neue Bleibe für das Ehepaar Kopelew-Orlowa. Raissa Orlowa hatte wesentlich größere Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen, als ihr mit der deutschen Kultur aufs beste vertrauter Mann. Sie berichtet in einem Buch über das ihr nur langsam zur Gewohnheit werdende Leben in Deutschland. Kopelew wurde kurz nach Ankunft deutscher Staatsbürger.

Aufgrund der Perestroika Gorbatschows erhielt Kopelew 1989 die Erlaubnis, seine alte Heimatstadt Moskau zu seinem 77. Geburtstag zu besuchen. 1990 konnte er Russland ein zweites Mal besuchen. Er reiste durch das Land und besuchte alte Freunde, doch das Land war ihm inzwischen fremd geworden. Da seine Frau Raissa 1989 gestorben war, ging er schließlich wieder nach Köln zurück, um dort seine Arbeit zur Versöhnung der Völker fortzusetzen.

Am 18. Juni 1997 starb Lew Kopelew in Köln. Seine Urne wurde nach Moskau überführt, wo die Asche auf dem Donskoi-Friedhof neben seiner Frau Raissa Orlowa beigesetzt wurde.

Geboren wurde der Humanist und Weltbürger Lew Kopelew am 9. April 1912 in Kiew.

Literatur:

Lew Kopelew: Humanist und Weltbürger
Lew Kopelew: Humanist und Weltbürger
von Reinhard Meier


Aufbewahren für alle Zeit!
von Lew Kopelew und Heinrich Böll



Mittwoch, 14. Juni 2017

»Landschaften nach der Schlacht« von Juan Goytisolo

Landschaften nach der Schlacht

Landschaften nach der Schlacht

»Landschaften nach der Schlacht« von Juan Goytisolo ist ein im Jahr 1982 erschienener Roman des spanischen Schriftstellers Juan Goytisolo. Der Titel des Romans ist allerdigns etwas irreführend: der Roman ist kein Schlachtengemälde, sondern ein stilvolles Selbstportrait. Darin negiert der innovative Autor so ziemlich alle politischen und moralischen Überzeugungen, als Homosexueller lässt er seine bürgerliche Herkunft ebenso hinter sich wie die katholische Religion, mit der er schon früh gebrochen hat.

Es handelt sich nicht um ein Geschehen, das sich mit handelnden Personen allmählich entfaltet. Vielmehr wird ein Protagonist erkennbar, der alles Mögliche tut, um den Wirklichkeitsgehalt seiner Aussagen zu verschleiern, dessen Aussagen überwiegend sarkastisch also indirekt sind, der in seiner Person solche Extreme vereinigt, dass es kaum möglich ist, ihn als ein einheitliches Ich zu erkennen und der vor allem seine Eindrücke vom Sentier-Viertel in den Vordergrund stellt (Sentier: gekennzeichnet durch eine chaotische Völkermischung, nur noch wenige Franzosen sind da, stattdessen findet eine für die Franzosen bedrohliche Überlagerung durch fremde ethnische Gruppen, Gebräuche, Zeichen statt).

Der Sprecher, der früher Korrespondent war und für sozialistische Ideale kämpfte, hat nicht mehr das Gefühl, ein gefestigtes Ego zu haben: "Mehr denn seine früheren Besuche als Korrespondent in den vielfältigen Spannungszentren dessen, was man unzutreffend Dritte Welt nennt, hat der lange Aufenthalt im Sentier unseren Helden die heilsamen Tugenden des Relativismus gelehrt. Wie der komplizierte, wundersame Mikrokosmos der Zellen birgt sein Viertel das universale Chaos. Eingetaucht in sein flüssiges Protoplasma hat der Schreiber nach und nach auf seine egozentrischen Anmaßungen verzichtet.

Von Mario Vargas Llosa als aufregendes apokalyptisches Werk bezeichnet, sprengt dieser innovative Roman die biederen bürgerlichen Vorstellungen in einer "Periode planetarischer Ungewissheit", hinterfragt gnadenlos wohlfeile gesellschaftliche Klischees. Schauplatz ist das zentrale Pariser Viertel Le Sentier, das ein Protagonist, erkennbar nur an der immergleichen Kleidung, als Flaneur ruhelos durchstreift.

Seine Identität bleibt fraglich, letzten Endes weiß er nicht mehr, ob er dieses abseitige Individuum ist, das seinen Namen usurpiert, oder ob dieser Goytisolo ihn eben erschafft. Die Perspektive wechselt unablässig zwischen dem auktorialen Erzähler, der seinen Protagonisten als pensionierten Schriftsteller schildert, und dem schrulligen Helden, dessen abartige Neigungen und sonstigen Spleens ebenso verstörend wirken wie seine fremdenfeindlichen Obsessionen.

Literatur [ >> ]:

Landschaften nach der Schlacht
Landschaften nach der Schlacht
von Juan Goytisolo

Samstag, 10. Juni 2017

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen« von Wolfgang Hilbig

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen« von Wolfgang Hilbig ist ein Erzählband über seinen Heimatort, die Erzählungen haben eigentlich keine Handlung, sie handeln von Meuselwitz - dem Ort, an dem Hilbig 1941 geboren wurde und an dem er lange Zeit lebte, bevor er 1985 nach Westdeutschland übersiedelte.

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen«, wie auch schon frühere Werke, lässt darauf schliessen, dass Hilbig nie wirklich aus Meuselwitz herausgekommen ist, diesem Ort südlich von Leipzig, der vorwiegend aus heruntergekommenen Industriebrachen besteht. Die in der Jugendzeit angesiedelten Texte vermitteln, dass Hilbig geradezu körperlich an Meuselwitz klebt, wo er sich fast zwanghaft in den Elementen, in Tümpeln, im Schlamm, in der Erde aufgehalten hatte. Mit Vorliebe unter der Oberfläche, in Kellern und Gruben.

Sofern in den Erzählungen überhaupt Ansätze von Handlung zu erkennen sind, so scheinen diese lediglich dazu angetan zu sein, Zustände zusätzlich atmosphärisch zu untermalen. Der Mensch Hilbig hat kaum Erinnerungen an Tätigkeiten, von denen er berichten will; an einer Stelle schreibt er, das Fehlen von Erinnerungen behindere ihn als Schriftsteller. Umso erstaunlicher sind Wucht und Kraft seiner Sprache. Starke Bilder zeugen von seinen Erfahrungen als Trinker, die in die Ausweglosigkeit führten - sowohl volle als auch leere Flaschen blitzen als Menetekel auf. Rückhaltlose Offenheit bis hin zur Selbstbezichtigung prägt Hilbigs Stil.

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen

Wer nach den Gründen für Hilbigs Daseins- und Ausdrucksform sucht, findet einen Ansatzpunkt in der letzten Erzählung im Band, "Der schwarze Mann". Darin macht sich ein früherer Stasi-Mann an den Erzähler heran, um ihm von seiner Überwachungstätigkeit zu berichten. Der Geheimdienstler streicht heraus, dass er den Schriftsteller vor politischen Repressalien beschützt habe. Schmeichlerisch gesteht er ihm die Bewunderung für die Liebesbriefe, die der Schriftsteller einer A. geschrieben hatte.

Er habe durch diese Briefe selber Gefühle für A. entwickelt und auf die Beziehung Einfluss genommen, indem er Briefe und Karten zurückbehalten habe. Dass er durch diese Anmassung des Schriftstellers Beziehung zu A. vielleicht gar zerstört hatte, macht ihn nicht wirklich schuldbewusst, er wirkt eher schmierig-kumpelhaft. Man gewinnt den Eindruck, dass in der DDR mit der Verhinderung von echter Intimität auch das Entwickeln von Individualität verhindert wurde, was es den Menschen verunmöglichte, nach der Wende ihren eigenen Weg zu finden, weil sie "keinen Begriff von sich selbst" hatten, wie er es in dieser Erzählung ausdrückt.

Literatur:

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
von Wolfgang Hilbig

Weblinks:

Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft: Aktuell - www.wolfgang>-hilbig.de

Biografie - Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft - www.wolfgang-hilbig.de/wolfgang-hilbig/biografie

Erinnerung an Wolfgang Hilbig: Eine Liebe von damals - www.tagesspiegel.de › Kultur


Blog-Artikel:

Wolfgang Hilbig 10. Todestag