Goethe schrieb über 60 Jahre an seinem Faust und nannte "diese sehr ernsten Scherze" am Ende sein "Hauptgeschäft". Goethe hat den Faust-Stoff nicht erfunden, aber so bearbeitet, daß aus dem mittelalterlichen Schwarzmagier Dr. Faustus ein Sucher nach Erkenntnis wurde, wie er etwa am Anfang der Neuzeit als der Arzt und Philosoph Paracelsus in die Geschichte getreten ist.
In den zwei Jahrhunderten seit Erscheinen von »Faust I« hat es viele kluge und einander widersprechende Interpretationen und auch Aufführungen gegeben - man erinnere sich nur an die theatergeschichtlich sehr bedeutsame Aufführung von Gustaf Gründgens als Regisseur und Mephisto und Will Quadflieg als Faust.
»Faust II oder Der Tragöde zweiter Teil« - wie es bei Goethe authentisch heißt - ist weniger gespielt und auch weniger klug und/oder bedeutungsvoll interpretiert worden. Noch weniger wird er gelesen. Goethes »Faust II« bleibt rätselhaft, kompliziert und wird wenig gelesen.
Er ist ein Buch für Kenner, wahre Liebhaber und Philosophen, denn er setzt einiges an Bildung und Wissen über die antike Philosophie und heidnische Religion voraus und läßt sogar Mephistopheles bekennen, daß er dafür eigentlich nicht zuständig sei, da seine Identität nun einmal die eines christlichen Teufels sei.
Goethe selbst hat 1831 an seinen Freund Zelter geschrieben: "Es ist keine Kleinigkeit, das, was man im zwanzigsten Jahr konzipiert hat, im 82. außer sich darzustellen und als solches inneres lebendiges Knochengeripp mit Sehnen, Fleisch und Oberhaut zu bekleiden, auch wohl dem fertig Hergestellten noch einige Mantelfalten umzuschlagen, damit alles zusammen ein offenbares Rätsel bleibe, die Menschen fort und fort ergetze und ihnen zu schaffen mache."
Weblink:
Kurt Flasch - www.al-kulturzentrum.de
Literatenwelt ist ein Literatur-Blog, der dem Leser interessante Einblicke und Neuigkeiten aus der Welt der Literatur und der Literaten bietet. Hier erhalten Sie regelmäßig Informationen über die Welt der Literaten und Bücher. Dieses Projekt ist ein Forum für Literatur-Nachrichten, Veröffentlichungen und Rezensionen.
Sonntag, 25. Oktober 2015
Samstag, 24. Oktober 2015
»Exil« von Lion Feuchtwanger
"Exil" ist ein Klassiker der Exil-Literatur. "Exil" ist der letzte Teil der "Wartesaal"-Trilogie Die Wartesaal-Trilogie: Erfolg / Die Geschwister Oppermann / Exil (Feuchtwanger GW in Einzelbänden)."Exil" von Lion Feuchtwanger ist ein Schlüsselroman über das Leben deutscher Emigranten.
Schauplatz dieses Romans ist Paris, die Stadt, die für Tausende deutscher Flüchtlinge zum Exilort wurde. Im Frühjahr 1935 wird Friedrich Benjamin, ein bekannter Publizist und Redakteur einer deutschen Emigrantenzeitung, von den Nazis verschleppt. Sepp Trautwein, der von seinem Münchner Lehrstuhr vertriebene Musikprofessor und Komponist, gibt die Musik auf, um Benjamins Sache zu seiner eigenen zu machen.
Er kämpft einen fast hoffnungslosen Kampf, der sich schließlich als Ansporn und Bestätigung in seiner Kunst niederschlägt. Er komponiert die Sinfonie "Der Wartesaal", eine Metapher für die Zeit des Exils. Feuchtwanger wählte einen authentischen Fall als Ausgangspunkt für eine differenzierte Darstellung der Situation deutscher Exilanten, ihrer Existenznöte, ihrer politischen Zerrissenheit und ihres "ohnmächtigen und ein bißchen lächerlichen" Kampfes gegen einen riesigen Staat und seinen übermächtigen Apparat.
Als er den Roman schrieb, war Lion Feuchtwanger selbst seit mehreren Jahren im Exil in Frankreich, seit er während einer Reise von der nationalsozialistischen Machtergreifung überrascht wurde und nicht mehr – nie mehr – nach Deutschland zurückkehrte. Erneut, wie bereits in "Erfolg" (1930), wie in "Die Geschwister Oppermann" (1933), schrieb er in einem Roman die politische Entwicklung mit, mehr und mehr "im Wettlauf mit dem Krieg", wie er einmal bemerkt hat.
Der Autor in seinem Exil in Sanary-sur-Mer und seine Figuren in ihrem Exil in Paris warten auf die große Eruption. Zu Recht: Die ersten Teile der russischen Ausgabe von "Exil" erscheinen 1939 vor, die deutsche Ausgabe erscheint nach Kriegsbeginn. Feuchtwanger wird zusammen mit anderen Ausländern im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert und "Exil" markiert damit auch das Ende des französischen Abschnittes seiner Biographie. 1940 entkommt er dem Vichy-Regime nach New York.
Was Lion Feuchtwanger über das Flüchtlingsleben schreibt, ist heute so gültig und treffend wie vor 75 Jahren. Empathisch und skeptisch zugleich, die typische Feuchtwanger-Mischung, erzählt der Autor vom Exil als einem Zustand, der jeden an seine Grenzen treibt – auch die, die Exil gewähren, auch die, die mit den Verfolgern gemeinsame Sache machen. Sehr genau zeichnet der Roman den politischen Graubereich von Diplomatie und blinden Flecken nach, von Kompromiss und Kompromittierung, in dem gleichzeitig Hilfe geleistet und Hilfe verwehrt wird.
Die „Barbarei“ – immer wieder benutzt Feuchtwanger diesen Begriff, wie ein Ostinato, mit dem er der Welt die Wahrheit über das Hitler-Regime einzuhämmern versucht – die Barbarei in Deutschland scheint in Frankreich merkwürdig weit weg. Hier trifft man auf gebildete, kultivierte Nazis und ihre Handlanger, den Journalisten Wiesener zum Beispiel.
Auch in dessen innere Logik zwingt der Autor seine Leser hinein, in eine erschreckende Mischung aus Verlogenheit und Skrupellosigkeit. Der Plot von "Exil" wurde von tatsächlichen Ereignissen inspiriert, mindestens genauso wichtig wie die Handlung aber ist der umfassende Panoramablick auf den "Zustand Exil", den Feuchtwanger in diesem Roman entwirft.
Literatur:
Exil von Lion Feuchtwanger
Rezension:
»Exil« von Lion Feuchtwanger - Rezension - literatur-rezensionen.blogspot.de
Weblink:
"Exil" von Lion Feuchtwanger - Axel Milberg liest - www.br.de/radio
Fontane und Bismarck - Dichterfürst und Fürst
Bismarck und Fontane waren zwei epochale Preußen, die sich allerdings nie persönlich begegnet sind. Aber beider Schicksale waren eng miteinander verknüpft. Fontane bekannte: "In fast allem, was ich seit 1870 geschrieben, geht der "Schwefelgelbe" um, es ist immer von ihm die Rede."
Allein das Beispiel des Romans "Effi Briest" würde genügen, um zu zeigen, wie sehr Fontane dem von ihm verehrten, zugleich aber auch als lächerlich empfundenen Fürsten anhing. Die Rede- und Schreibkunst seines Idols schätzte Fontane vorbehaltlos. Doch ließen Bismarcks Charakterschwächen "reine helle Bewunderung" bei ihm nicht aufkommen: "Etwas fehlt ihm und gerade das, was recht eigentlich die Größe leiht."
Den 80. Geburtstag des Kanzlers, in Berlin reichlich mit Fahnen bedacht - nicht aber im Hause Fontane - kommentierte er spöttisch: "Jude Neumann, uns gegenüber, hat auch nicht geflaggt und Arm in Arm mit Neumann fordre ich mein Jahrhundert in die Schranken." Und zwei Jahre später bekennt er: "Ich bin kein Bismarckianer, das Letzte und Beste in mir wendet sich von ihm ab, er ist keine edle Natur."
Fontanes lebenslange Ambivalenz gegenüber allem und jedem läßt sich in dem authentischen Satz zusammenfassen: "... nur Wien könnte mich verführen, wenn es nicht gerade wiederum Wien wäre." Der Dichter hat es selten gewagt, sicher mit gutem Grund, Gefechte gegen Bismarck direkt auszutragen. Die Entwürdigung seines Heros wird er den Briefen vorbehalten. 1895 schreibt er an seine Tochter Mete:
Bismarck-Tag mit wahrem Hohenzollernwetter ... Es ist Schade, daß dieser Tag - wenigstens in meinen Augen - doch nicht das ist, was er sein könnte. Und das liegt - noch einmal nach meinem Gefühl - an Bismarck. Diese Mischung von Uebermensch und Schlauberger, von Staatengründer und Pferdestall-Steuerverweigerer ... von Heros und Heulhuber, der nie ein Wässerchen getrübt hat, erfüllt mich mit gemischten Gefühlen ...
Wo Bismarck sich kleinlich, gehässig und rachsüchtig, ja sogar geldgierig zeigte, machte sich der Briefschreiber Luft: "Er hat die größte Aehnlichkeit mit dem Schillerschen Wallenstein: Genie, Staatsretter und sentimentaler Hochverräther." Fontane setzt hinzu: "Der historische war anders", und tatsächlich ist dieser Vergleich ja nicht ganz einleuchtend. Verrat an seinen drei Dienstherren hat der Kanzler nicht begangen. In seinem letzten Roman "Der Stechlin" läßt Fontane den alten Dubslav vernehmen: "Sehen Sie sich den alten Sachsenwalder an, unsern Zivil-Wallenstein. Aus dem hätte schließlich doch Gott weiß was werden können."
Wenn Bismarck in den Augen Fontanes als "Werkzeug der göttlichen Vorsehung" handelte, bewahrte er ihm strikt die Treue. Er war eben doch, wie Goethe gesagt hätte, gut bismarckisch gesinnt. Die Abtretung von Teilen Lothringens an das Reich 1871 sah der Hugenottensproß nur ungern; von "Mehrheitsbeschlüssen" aber hielt er, wie der Reichskanzler, nichts.
Weblink:
Heros und Heulhuber - www.spiegel.de
Allein das Beispiel des Romans "Effi Briest" würde genügen, um zu zeigen, wie sehr Fontane dem von ihm verehrten, zugleich aber auch als lächerlich empfundenen Fürsten anhing. Die Rede- und Schreibkunst seines Idols schätzte Fontane vorbehaltlos. Doch ließen Bismarcks Charakterschwächen "reine helle Bewunderung" bei ihm nicht aufkommen: "Etwas fehlt ihm und gerade das, was recht eigentlich die Größe leiht."
Den 80. Geburtstag des Kanzlers, in Berlin reichlich mit Fahnen bedacht - nicht aber im Hause Fontane - kommentierte er spöttisch: "Jude Neumann, uns gegenüber, hat auch nicht geflaggt und Arm in Arm mit Neumann fordre ich mein Jahrhundert in die Schranken." Und zwei Jahre später bekennt er: "Ich bin kein Bismarckianer, das Letzte und Beste in mir wendet sich von ihm ab, er ist keine edle Natur."
Fontanes lebenslange Ambivalenz gegenüber allem und jedem läßt sich in dem authentischen Satz zusammenfassen: "... nur Wien könnte mich verführen, wenn es nicht gerade wiederum Wien wäre." Der Dichter hat es selten gewagt, sicher mit gutem Grund, Gefechte gegen Bismarck direkt auszutragen. Die Entwürdigung seines Heros wird er den Briefen vorbehalten. 1895 schreibt er an seine Tochter Mete:
Bismarck-Tag mit wahrem Hohenzollernwetter ... Es ist Schade, daß dieser Tag - wenigstens in meinen Augen - doch nicht das ist, was er sein könnte. Und das liegt - noch einmal nach meinem Gefühl - an Bismarck. Diese Mischung von Uebermensch und Schlauberger, von Staatengründer und Pferdestall-Steuerverweigerer ... von Heros und Heulhuber, der nie ein Wässerchen getrübt hat, erfüllt mich mit gemischten Gefühlen ...
Wo Bismarck sich kleinlich, gehässig und rachsüchtig, ja sogar geldgierig zeigte, machte sich der Briefschreiber Luft: "Er hat die größte Aehnlichkeit mit dem Schillerschen Wallenstein: Genie, Staatsretter und sentimentaler Hochverräther." Fontane setzt hinzu: "Der historische war anders", und tatsächlich ist dieser Vergleich ja nicht ganz einleuchtend. Verrat an seinen drei Dienstherren hat der Kanzler nicht begangen. In seinem letzten Roman "Der Stechlin" läßt Fontane den alten Dubslav vernehmen: "Sehen Sie sich den alten Sachsenwalder an, unsern Zivil-Wallenstein. Aus dem hätte schließlich doch Gott weiß was werden können."
Wenn Bismarck in den Augen Fontanes als "Werkzeug der göttlichen Vorsehung" handelte, bewahrte er ihm strikt die Treue. Er war eben doch, wie Goethe gesagt hätte, gut bismarckisch gesinnt. Die Abtretung von Teilen Lothringens an das Reich 1871 sah der Hugenottensproß nur ungern; von "Mehrheitsbeschlüssen" aber hielt er, wie der Reichskanzler, nichts.
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Heros und Heulhuber - www.spiegel.de
Dienstag, 20. Oktober 2015
»Tod eines Handlungsreisenden« von Arthur Miller
Tod eines Handlungsreisenden
Er ist eine amerikanische Ikone und einer der erfolgreichsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Arthur Millers Ziel war es, die Welt zu verändern. Mit einem seiner Dramen ist ihm dies gelungen. 1949 schrieb er das Stück »Tod eines Handlungsreisenden« - seine Interpretation der Schattenseiten des amerikanischen Traums.
Der New Yorker Handlungsreisende Willy Loman hat 36 Jahre lang für seine Firma gearbeitet. Nun wird ihm mit 63 plötzlich gekündigt. Loman resigniert und flüchtet sich in Tagträume.
Gewissenhaft hält Willy Loman an der Seite seiner Frau Linda die Fassade vom tüchtigen Familienvater aufrecht, als ihn seine Söhne besuchen. Biff war einst ein begabtes Football-Talent, heute ist er ein haltloser Gelegenheitsarbeiter. Sein jüngerer Bruder Happy ist ein opportunistischer kleiner Angestellter, den der Vater als Schwächling verachtet.
Als Biff zu rebellieren beginnt, verrät ihm seine Mutter, dass sein Vater den Job verloren hat. Biff versucht in einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung seinen Vater zu der Einsicht zu zwingen, dass er seinen Traum, ein "Jemand" zu werden, begraben muss. Aber vergeblich.
In »Tod eines Handlungsreisenden« erzählt Miller die Geschichte eines Mannes, der an den amerikanischen Traum glaubt: Jeder kann es nach ganz oben schaffen, wenn er nur hart genug dafür arbeitet. Doch wird es für die Hauptfigur Willy Loman nachdem er seinen Job verloren hat immer schwieriger, den Lebensstandard seiner Familie zu halten.
Den einzigen Ausweg sieht er schließlich im Selbstmord. Das Stück wirkte wie eine Bombe, die man dem Kapitalismus untergeschoben hatte. Arthur Miller wurde für sein Werk mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und war mit einem Schlag berühmt.
Das Ergebnis ist ein packendes und unverfälschtes Stück über die Gefahren eines hemmungslosen Kapitalismus und seiner mangelnden Menschlichkeit, der Menschen wie Willy letztlich zum Opfer fallen.
Gelungen und unvergessen die Verfilmung von Volker Schlöndorff mit Dustin Hoffman. Arthur Miller wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Schlöndorff inszenierte den Film mit bewusstem Rückgriff auf das Theaterhafte. Dustin Hoffman verlieh der Rolle des tragischen Optimisten beklemmende Züge. Mit fahrigen Gesten, verzweifelter Hektik und erstarrtem Lächeln zeigt er die Kehrseite des amerikanischen Traums.
Weblink:
Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller
Freitag, 16. Oktober 2015
»Die Regenbogentruppe« von Andrea Hirata
Die Regenbogentruppe
»Die Regenbogentruppe« ist ein Roman des indonesischen Schriftstellers Andrea Hirata, der zu den meistgelesensten Büchern Indonesiens gehört. Das Buch wurde in 40 Sprachen übersetzt und hat sich allein in Indonesien über fünf Millionen Mal verkauft. Der Roman handelt von den Schwierigkeiten einer armen Dorfschule auf der indonesischen Insel Belitung, einer Zinn-Insel liegt vor der Ostküste Sumatras.
Und das ist kein Wunder, erzählt doch dieser faszinierende Roman nicht nur die Geschichte einer jungen, zu Beginn der Handlung gerade einmal 15 Jahre alten Lehrerin namens Bu Mus, von ihren Schülern ehrfurchtsvoll „Ibunda Guru“ genannt, die zusammen mit dem alten und erfahrenen Lehrer Pak Harfan eine alte muslimische Schule übernimmt, die Muhammadiya. Er erzählt auch die Geschichte von zehn Schülern, alle aus armen Familien von Bergarbeitern, die seit Jahrhunderten schon von den wechselnden Eigentümern der Zinkminen ausgebeutet werden.
Wenn der Morgen auf der Insel östlich von Sumatra graut, kann weder Hitze noch Krokodile sie aufhalten: Die Schüler der »Regenbogentruppe«, Söhne und Töchter von einfachen Fischern und Minenarbeitern. Keiner von ihnen will auch nur eine einzige Unterrichtsstunde verpassen. Da ist zum Beispiel Lintang, das Mathe-Genie, oder Mahar, der Künstler. Und Ikal, der seinen Weg gegen alle Widerstände macht: von der Armenschule über das Studium in Paris und London zum gefeierten Schriftsteller.
In seinem autobiographischen Roman eröffnet uns Andrea Hirata tiefe Einsichten in ein zerrissenes Land – seine Heimat Indonesien.
Indonesien ist das schönste und aufregendste Land ... es sind die wunderschönen Landschaften, die reiche Kultur und vor allem die freundlichen, offenen und liebenswerten Menschen. Wenn man neugierig auf Indonesien oder schon begeistert von Indonesien ist, sollte man diesen Roman lesen. Ein wunderbarer Roman über das Glück des Lernens - die Schule als Hinführung zu Würde und Selbstachtung
"Mach's einfach! Denk nicht zu viel nach" - Andrea Hirata schreibt über den Traum, durch Bildung der Armut zu entkommen. Viele Indonesier lesen jedoch lieber Ratgeber und religiöse Bücher. Eine 2000 Jahre alte Schrift- und Erzählkultur auf der einen Seite, eine sich im Aufbruch befindliche zeitgenössische Literaturszene auf der anderen .
Andrea Hirata, geboren auf Belitung, einer neben Sumatra gelegenen indonesischen Insel, erzählt in seinem autobiographisch geprägten Romandebüt von nichts anderem als von Schülern und Lehren und davon, wie sie gemeinsam unter primitivsten Bedingungen ein kleines Bildungswunder vollbringen. Das Wunder verdanken die zehn Schüler der Regenbogentruppe vor allem ihrer blutjungen Lehrerin, die sich hartnäckig dafür einsetzt, dass die seit Jahren geschlossene Schule für die Ärmsten der Armen überhaupt wieder eröffnet wird.
Die Behörden, denen das auch in der indonesischen Verfassung garantierte Recht auf Bildung ziemlich schnuppe ist, hatten die Schule längst aufgegeben und geschlossen. Das Geld für den weiten Schulweg auf die benachbarte Insel, geschweige denn die Schuluniformen können die armen Fischer- und Arbeiterfamilien von Belitung nicht aufbringen, und die örtliche Privatschule einer Bergbaugesellschaft
Weblink:
Die Regenbogentruppe von Andrea Hirata
Donnerstag, 15. Oktober 2015
»Der Träumer« von Andrea Hirata
Der Träumer
»Der Träumer« ist ein Roman des indonesischen Schriftstellers Andrea Hirata, der
sich wie ein modernes Märchen liest. Der Roman ist die Fortsetzung der charmanten »Regenbogentruppe«, die von den Schwierigkeiten einer armen Dorfschule auf der indonesischen Insel Belitung handelt. Diese Zinn-Insel liegt vor der Ostküste Sumatras .
Darin erzählt wird die einfühlsame Geschichte eines Jungen auf einer kleinen Insel im indonesischen Archipel. Seine Lehrer begeistern ihn für das Lernen und auch sein Vater, der selbst nicht lesen und schreiben kann, unterstützt ihn dabei. So erfüllt sich, nach langen schweren Jahren sein Traum eines Studiums in Paris. Ein weiteres Stipendium in Sheffield/England schließt sich an.
Sein Ziel heimzukehren und sein Wissen zum Wohle seiner Heimatinsel anzuwenden, verliert er nie aus den Augen. Dass, nach seiner Heimkehr, eine Wirtschaftskrise sein Land heimsucht und sein Wissen nicht gebraucht wird, trifft ihn schwer. Er jobbt in der Kaffeebar seines Onkels und bewirbt sich weiter..
Ikal ist zwölf – alt genug, um arbeiten zu gehen und seine Familie zu unterstützen, die zu den ärmsten auf der Insel Belitung in Indonesien gehört. Doch er will mehr – das ist er den Lehrern der Regenbogentruppe schuldig, die ihm beigebracht haben, für seine Träume zu kämpfen. Zusammen mit seinen Freuden Arai und Jimbron jobbt er als Hafenarbeiter, um die Oberschule besuchen zu können. In seiner unmittelbaren, sinnlichen Sprache erzählt Andrea Hirata, mit wie viel Mut und Lebensfreude Ikal seinen Weg macht.
Die Etappen dieses modernen Märchens von der Überfahrt nach Jakarta auf dem Viehtransporter über Elend und Obdachlosigkeit im Moloch der Millionenstadt bis zur Ankunft als Student in Paris lesen sich so lebendig wie berührend.
Weblink:
Der Träumer von Andrea Hirata
Sonntag, 11. Oktober 2015
Swetlana Alexijewitsch ist eine vielstimmige Mahnerin
Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch, eine namhafte literarische Chronistin des Leids und Alltags der zerfallenden Sowjetunion.
ie 67-Jährige bekommt den wichtigsten Literaturpreis der Welt „für ihr vielstimmiges Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“, wie die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm mitteilte. Es ist das 14. Mal, dass der Preis an eine Frau geht.
Die Literatur von Swetlana Alexijewitsch besteht aus Stimmen, den Stimmen des Volkes.
Swetlana Alexijewitsch sammelt Stimmen, hat ihr schriftstellerisches Leben lang Stimmen gesammelt. Mit einem eigenen literarischen Stil ist die Weißrussin zum moralischen Gedächtnis der zerfallenen Sowjetunion geworden.
„Romane in Stimmen“ nennt Alexijewitsch ihre Methode auch. Erstmals wandte die gelernte Journalistin sie 1983 im Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ an. Mit Interviews dokumentierte sie das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg. Das waren keine grandiosen Heldengeschichten, die alten Frauen erzählten vom Grauen des Tötens, vom schwierigen Überleben in der Männerwelt und von der schweren Rückkehr in das Alltagsleben. „Die Männer haben ihre Kampfgefährtinnen vergessen, haben sie verraten. Sie haben ihnen den Sieg gestohlen und nicht geteilt“, sagt die Autorin.
Sie hat Collagen geschaffen, die das ganze Leid, die Katastrophen und den harten Alltag der Menschen in ihrer Heimat aufarbeiten. 2013 erhielt sie dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Nun wird sie auch mit dem Literaturnobelpreis geehrt . Erstmals seit der Auszeichnung für den russischen Dichter Joseph Brodsky 1987 geht der Preis wieder in den früher sowjetischen Sprach- und Kulturraum.
Die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch wurde vor 65 Jahren am 31. Mai 1948 in Stanislaw, Ukraine, als Tochter einer Lehrerfamilie geboren. Ihre Mutter war Ukrainerin, ihr Vater Weißrusse.
Weblink:
Alexijewitsch: Großes Werk aus vielen Einzelstimmen - www.focus.de/kultur
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