Bismarck und Fontane waren zwei epochale Preußen, die sich allerdings nie persönlich begegnet sind. Aber beider Schicksale waren eng miteinander verknüpft. Fontane bekannte: "In fast allem, was ich seit 1870 geschrieben, geht der "Schwefelgelbe" um, es ist immer von ihm die Rede."
Allein das Beispiel des Romans "Effi Briest" würde genügen, um zu zeigen, wie sehr Fontane dem von ihm verehrten, zugleich aber auch als lächerlich empfundenen Fürsten anhing. Die Rede- und Schreibkunst seines Idols schätzte Fontane vorbehaltlos. Doch ließen Bismarcks Charakterschwächen "reine helle Bewunderung" bei ihm nicht aufkommen: "Etwas fehlt ihm und gerade das, was recht eigentlich die Größe leiht."
Den 80. Geburtstag des Kanzlers, in Berlin reichlich mit Fahnen bedacht - nicht aber im Hause Fontane - kommentierte er spöttisch: "Jude Neumann, uns gegenüber, hat auch nicht geflaggt und Arm in Arm mit Neumann fordre ich mein Jahrhundert in die Schranken." Und zwei Jahre später bekennt er: "Ich bin kein Bismarckianer, das Letzte und Beste in mir wendet sich von ihm ab, er ist keine edle Natur."
Fontanes lebenslange Ambivalenz gegenüber allem und jedem läßt sich in dem authentischen Satz zusammenfassen: "... nur Wien könnte mich verführen, wenn es nicht gerade wiederum Wien wäre." Der Dichter hat es selten gewagt, sicher mit gutem Grund, Gefechte gegen Bismarck direkt auszutragen. Die Entwürdigung seines Heros wird er den Briefen vorbehalten. 1895 schreibt er an seine Tochter Mete:
Bismarck-Tag mit wahrem Hohenzollernwetter ... Es ist Schade, daß dieser Tag - wenigstens in meinen Augen - doch nicht das ist, was er sein könnte. Und das liegt - noch einmal nach meinem Gefühl - an Bismarck. Diese Mischung von Uebermensch und Schlauberger, von Staatengründer und Pferdestall-Steuerverweigerer ... von Heros und Heulhuber, der nie ein Wässerchen getrübt hat, erfüllt mich mit gemischten Gefühlen ...
Wo Bismarck sich kleinlich, gehässig und rachsüchtig, ja sogar geldgierig zeigte, machte sich der Briefschreiber Luft: "Er hat die größte Aehnlichkeit mit dem Schillerschen Wallenstein: Genie, Staatsretter und sentimentaler Hochverräther." Fontane setzt hinzu: "Der historische war anders", und tatsächlich ist dieser Vergleich ja nicht ganz einleuchtend. Verrat an seinen drei Dienstherren hat der Kanzler nicht begangen. In seinem letzten Roman "Der Stechlin" läßt Fontane den alten Dubslav vernehmen: "Sehen Sie sich den alten Sachsenwalder an, unsern Zivil-Wallenstein. Aus dem hätte schließlich doch Gott weiß was werden können."
Wenn Bismarck in den Augen Fontanes als "Werkzeug der göttlichen Vorsehung" handelte, bewahrte er ihm strikt die Treue. Er war eben doch, wie Goethe gesagt hätte, gut bismarckisch gesinnt. Die Abtretung von Teilen Lothringens an das Reich 1871 sah der Hugenottensproß nur ungern; von "Mehrheitsbeschlüssen" aber hielt er, wie der Reichskanzler, nichts.
Weblink:
Heros und Heulhuber - www.spiegel.de
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