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Mittwoch, 2. September 2020

»September« von Hermann Hesse



Der Garten trauert,
Kühl sinkt in die Blumen der Regen.
Der Sommer schauert
Still seinem Ende entgegen.

Golden tropft Blatt um Blatt
Nieder vom hohen Akazienbaum.
Sommer lächelt erstaunt und matt
In den sterbenden Gartentraum.

Lange noch bei den Rosen
Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh.
Langsam tut er die großen
Müdgewordenen Augen zu.

»September« von Hermann Hesse

Der September ist, lyrisch gesehen, die beste Zeit zum Sterben. Und dieses Gedicht ist ein wunderschönes, gelassenes Einverstandensein mit dem Ende, das bei Hermann Hesse aber doch noch eine Weile ausblieb.


Hermann Hesse-Gedichte:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
»Das Lied des Lebens«:
Die schönsten Gedichte


Sämtliche Gedichte in einem Band
Sämtliche Gedichte in einem Band


Video:

Hermann Hesse "September" - YouTube



Donnerstag, 23. Juli 2020

»Der Sommer« von Friedrich Hölderlin



Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.

Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.

Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget,
Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.


Video:

Friedrich Hölderlin: Der Sommer - Youtube

Mittwoch, 15. Juli 2020

»Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen« von Clemens Brentano


Fischerboot an dem See

Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen,
Und Hoffnung bietet mir die Freiheit an;
Ich binde mich den heiligen Gesetzen,
Und alle Pflicht erscheint ein leerer Wahn.
Es stürzen bald des alten Glaubens Götzen,
Zieht die Natur mich so mit Liebe an.
O süßer Tod, in Liebe neu geboren,
Bin ich der Welt, doch sie mir nicht verloren.

»Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen« von Clemens Brentano



Literatur:

»Clemens Brentano: Gedichte«

Clemens Brentano: Gedichte


Weblink:

Ausgewählte Gedichte - www.zeno.org

Freitag, 22. Mai 2020

»Frühling« von Eduard Mörike



Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

Eduard Mörike (1828, Erstdruck 1832)






Donnerstag, 14. Mai 2020

»Alle Menschen seh ich leben« von Novalis



Alle Menschen seh ich leben
Viele leicht vorüberschweben
Wenig mühsam vorwärtsstreben
Doch nur Einem ists gegeben
Leichtes Streben, schwebend leben.

Wahrlich der Genuß ziemt Toren
In der Zeit sind sie verloren,
Gleichen ganz den Ephemeren[.]
In dem Streit mit Sturm und Wogen
Wird der Weise fortgezogen
Kämpft um niemals aufzuhören
Und so wird die Zeit betrogen
Endlich unters Joch gebogen
Muß des Weisen Macht vermehren.

Ruh ist Göttern nur gegeben
Ihnen ziemt der Überfluß
Doch für uns ist Handeln Leben
Macht zu üben nur Genuß.


»Alle Menschen seh ich leben« von Novalis




Novalis-Gdichte:

Gedichte
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von Novalis

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von Novalis

Gedichte
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von Novalis

Samstag, 9. Mai 2020

»Hoffnung« von Friedrich von Schiller


»Es reden und träumen die Menschen viel
von bessern künftigen Tagen;
nach einem glücklichen, goldenen Ziel
sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
sie umflattert den fröhlichen Knaben,
den Jüngling locket ihr Zauberschein,
sie wird mit dem Greis nicht begraben;
denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
erzeugt im Gehirne des Toren,
im Herzen kündet es laut sich an:
zu was Besserm sind wir geboren.
Und was die innere Stimme spricht,
das täuscht die hoffende Seele nicht.«


»Hoffnung« von Friedrich von Schiller





Donnerstag, 23. April 2020

Die Gedichte von Paul Celan

Paul Celan

Paul Celan ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.


Celan hat mit seiner Lyrik tief beeindruckt. Seine fast ätherdurchtränkten, schwergelben Bilder, die einen ähnlich an die eines Trakls, eines Georges, erinnern. Er gehört zu dem Triumvirat der deutschen expressiven, symbolistischen und impressionistischen Gedichte.

Paul Celan ist nicht nur der Meister der Schlangen, der Tod ist ein Meister aus Deutschland - seine Übertragungen zählen zu den wichtigsten unserer Zeit. Er wurde 1920 geboren. Wenn er sich nicht das Leben genommen hätte, hätte er sicher den Nobelpreis bekommen.

Literatur:

Die Gedichte

Die Gedichte von Paul Celan, 1.262 Seiten

Blog-Artikel:

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog



Montag, 20. April 2020

Paul Celan 50. Todestag

Paul Celan

Paul Celan, der heimatlose Sohn aus dem rumänischen Czernowitz, starb vor 50 Jahren in Paris. Celan nahm sich am 20. April 1970 in der Seine das Leben.

Er ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.

Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours/Frankreich, kehrte jedoch ein Jahr später nach Rumänien, zurück, um dort Romanistik zu studieren.

1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, publizierte in diesen Jahren erste Gedichte.

Im Juli 1948 zog er nach Paris, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann. Dass Ingeborg Bachmann und Paul Celan Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre ein Liebesverhältnis verband, das im Oktober 1957 bis Mai 1958 wieder aufgenommen wurde, wird durch den posthum veröffentlichten Briefwechsel Herzzeit zwischen den beiden bestätigt.

Einer der ersten öffentlichen Auftritte des damals noch weitgehend unbekannten Paul Celan fand im Mai 1952 auf der Tagung der »Gruppe 47« in Niendorf statt. Die Lesung kam auf Vermittlung der Wiener Freunde Ingeborg Bachmann, Milo Dor und Reinhard Federmann zustande, wurde allerdings zu einem Misserfolg.

Entdeckt wurde Paul Celan von der »Gruppe 47« 1952 bei einer Lesung. Die Linie der Gruppe war eine schnörkellose Prosa im Stile einer nüchternen Reportage. Celan vertrat jedoch eine andere Auffassung von zeitgemäßer Lyrik: "Die Dichtung muss eine graue Sprache haben."

Heinrich Böll setzte sich jedoch entschieden für den bislang unbekannten Lyriker ein und forderte, daß seine Lyrik Pflichtlekture im Schulunterricht werden sollte.

Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt.

In den 1950er Jahren begann sich Celan mit der Philosophie Heideggers auseinanderzusetzen und auch umgekehrt las Heidegger Celans Werke. Am 24. Juli 1967 begegneten sie sich in Freiburg und unternahmen am Tag danach einen Ausflug zu Heideggers Hütte in Todtnauberg. Todtnauberg wurde auch der Titel eines Gedichtes, das Celan am 1. August 1967 schrieb. Es folgten weitere Besuche und es entstand ein Briefwechsel. Celans Verhältnis zu Heidegger war zwar ambivalent, aber freundschaftlich.

Lesen war für Paul Celan immer auch Erlebnis: Seine vielfältigen Lektüren von Büchern, Zeitschriften und Tagespresse waren ihm ebenso Ausgangspunkt für Gedichte wie persönliche Begegnungen und politische Ereignisse.

Das Gefühl der inneren Zerissenheit, keine geistige Heimat zu finden, hat ihn Zeit seines Lebens nie verlassen.

Paul Celan wurde vor 90 Jahren am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz geboren.

Literatur:

Die Gedichte

Die Gedichte von Paul Celan

Blog-Artikel:

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog

Mittwoch, 15. April 2020

»Er ist's« von Eduard Mörike






Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!


»Er ist's« von Eduard Mörike (1828)



Frühlingsbücher, das man gelesen haben sollte:



Frühling: Ein Poesiealbum

von Günter Berg

Frühlingsgedichte
Frühlingsgedichte

von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell

Mittwoch, 11. März 2020

»Brod und Wein« von Friedrich Hölderlin



Friedrich Hölderlins Leben ist die Geschichte eines Einzelgängers, der keinen Halt im Leben fand, obwohl er hingebungsvoll liebte und geliebt wurde: Friedrich Hölderlin. Als Dichter, Übersetzer, Philosoph, Hauslehrer und Revolutionär lebte er in zerreißenden Spannungen, unter denen er schließlich zusammenbrach. Erst das 20. Jahrhundert entdeckte seine tatsächliche Bedeutung, manche verklärten ihn sogar zu einem Mythos. Doch immer noch ist Friedrich Hölderlin der große Unbekannte unter den Klassikern der deutschen Literatur. Der 250. Geburtstag im März 2020 ist eine gute Gelegenheit, sich ihm und seinem Geheimnis zu nähern.

»Brod und Wein« von Friedrich Hölderlin ist eines der berühmtesten Gedichte von Friedrich Hölderlin.
Die Elegie »Brod und Wein« entstand etwa um 1800 und ist nach Rüdiger Safranski und nach meiner Meinung das vielleicht schönste Gedicht Hölderlins. Die erste von neun Strophen lautet:

»Rings um ruhet die Stadt; still wird die erleuchtete Gasse,
Und, mit Fackeln geschmückt, rauschen die Wagen hinweg.
Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen,
Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt
Wohlzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,
Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.
Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß
Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann
Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen
Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.
Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,
Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.
Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,
Sieh! und das Schattenbild unserer Erde, der Mond,
Kommet geheim nun auch; die Schwärmerische, die Nacht kommt,
Voll mit Sternen und wohl wenig bekümmert um uns,
Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen,
Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.«


Literatur:

Gedichte
Sämtliche Gedichte und Hyperion
von Friedrich Hölderlin

Hölderlin



Blog-Artikel:

»Brod und Wein« von Friedrich Hölderlin - Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog

Mittwoch, 4. März 2020

»Hälfte des Lebens« von Friedrich Hölderlin


Friedrich Hölderlin mussten zu der Hälfte seines Lebens in überaus wachem Zustande bereits dunkle Vorahnungen über sein weiteres - sich verfinsterndes - Leben ergriffen haben, denn dieses Gedicht klingt wie eine düstere Prophezeiung seiner zweiten, dunklen Lebenshälfte, welche der Dichter in einem Schattenreich in einem hellen Turm am Neckarufer in der Obhut eines Schreiners verbracht hat, der ein überaus begeisteter Anhänger seiner berühmtesten appolinischen Dichtkunst »Hyperion« war.


»Hälfte des Lebens« von Friedrich Hölderlin ist eines der berühmtesten Gedichte von Friedrich Hölderlin.


Das Gedicht von Friedrich Hölderlin erschien erstmals 1804 in Friedrich Wilmans »Taschenbuch für das Jahr 1805«. Während der Text zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch vielfach auf Unverständnis stieß, etablierte er sich durch die Aufmerksamkeit, die ihm beispielsweise Trakl, Celan, George oder Benn im 20. Jahrhundert widmeten, zur Lyrik von Rang.


Heute zählt »Hälfte des Lebens« zu den bekanntesten Werken Friedrich Hölderlins. Sein Gedicht ist die Klage eines Einsamen, eines Losgelösten, der weder einen Platz in der Welt noch bei Gott gefunden hat. Mit großer Intensität gelingen dem Dichter Worte, die die Ursehnsucht des Menschen nach Ganzheit, einer tiefen Verbundenheit von Geist und Körper, lyrisch fassen. Das eigentlich Bedrückende dieses Textes ist die Erkenntnis einer absoluten Trostlosigkeit, wie sie in Hölderlins Poesie selten so scharf herausgearbeitet wurde.

Sein Gedicht ist die düstere Prophezeiung seines künftigen Lebens im Elfenbeinturm. Es ist so, als hätte der Dichter Hölderlin sein künfiges Schicksal bereits vorausgesehen.



Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

*****

Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.


Quellen:

Textquelle: [Stuttgarter Ausgabe] Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke. Hrsg. von Friedrich Beißner. Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer 1951. S. 117.

Rezension:

Friedrich Hölderlin: Hälfte des Lebens - https://www.zum.de


Literatur:

Gedichte
Sämtliche Gedichte und Hyperion
von Friedrich Hölderlin

Hölderlin



Weblink:

Hälfte des Lebens - Deutschland-Lese - www.deutschland-lese.de


Friedrich Hölderlin-Blog:

Friedrich Hölderlin-Blog
- http://friedrich-holderlin.blogspot.de


Blog-Artikel:

»Hälfe des Lebens« von Friedrich Hölderlin - Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog


Freitag, 14. Februar 2020

»Der Name« von Alexander Puschkin

Alexander Puschkin

Was läge dir an meinem Namen?
Er stirbt, wie’s laue Rauschen bald
Der Wellen, die am Strand zerschlagen,
Als nächt’ger Laut im dunklen Wald.

Auf einem Blättchen zum Gedenken
Bleibt er als tote Spur zu sehn,
So wie sich Grabinschriften schlenkern
In Sprachen, die wir nicht verstehn.

Was läge dran? Nur’s längst verdeckte
Vom neuen wilden Seelenrausch.
Er würde dir nicht neu erwecken
Erinn’rung, – zarten, reinen Hauch.

Am Trauertag jedoch, im Stillen
Sprich ihn beschwörend vor dich hin
Und sag: die Welt kennt noch ein Fühlen,
Es gibt ein Herz, wo ich noch bin.

»Der Name« von Alexander Puschkin, (1830)


Montag, 27. Januar 2020

»Todesfuge« von Paul Celan



Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith



»Todesfuge« von Paul Celan

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»Todesfuge« von Paul Celan - Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog

Mittwoch, 25. Dezember 2019

»Weihnachten« von Joseph von Eichendorff





Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in’s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!


»Weihnachten« von Joseph von Eichendorff


Weihnachten Gedicht


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»Weihnachten« von Joseph von Eichendorff - Gastbeitrag

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Donnerstag, 19. Dezember 2019

»Es gibt so wunderweiße Nächte« von Rainer Maria Rilke

Winternacht

Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.

»Es gibt so wunderweiße Nächte« von Rainer Maria Rilke

Donnerstag, 12. Dezember 2019

»Über die Dörfer« von Peter Handke


»Spiele das Spiel. Gefährde die Arbeit noch mehr. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Sei schlau, laß dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die anderen ins Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege.

Laß dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Vergiß die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, mißachte das Unglück, zerlach den Konflikt. Bewege Dich in deinen Eigenfarben; bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer. Ich komme dir nach.«

In diesem Gedicht bringt Peter Handke sein grundlegenes Verständis von Kunst und Kultur zum Ausdruck.

»Über die Dörfer« von Peter Handke,1980

gefunden auf dem Zitate-Portal Grosser Zitatenschatz

Freitag, 6. Dezember 2019

»Advent« von Theodor Fontane


Noch ist Herbst nicht ganz entfloh'n,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.

Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns hernieder sah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.

Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.


»Advent« von Theodor Fontane (1819 - 1898)

Mittwoch, 18. September 2019

»Morgenlied« von Heinrich Hoffmann von Fallersleben



»Die Sterne sind erblichen
mit ihrem güldnen Schein;
bald ist die Nacht entwichen,
der Morgen dringt herein.

Noch waltet tiefes Schweigen
im Tal und überall;
auf frisch betauten Zweigen
singt nur die Nachtigall.

Sie singet Lob und Ehre
dem hohen Herrn der Welt,
der überm Land der Meere
die Hand des Segens hält.

Es hat die Nacht vertrieben;
ihr Kindlein fürchtet nichts!
Stets kommt zu seinem Leben
der Vater allen Lichts.«


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798 - 1874), eigentlich A.H. Hoffmann, deutscher Schriftsteller, dichtete 1841 auf Helgoland »Das Lied der Deutschen«, dessen 3. Strophe die heutige Deutsche Nationalhymne ist.


»Morgenlied« von Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)

Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog


Samstag, 22. Juni 2019

»West-östlicher Divan« von Johann Wolfgang Goethe

West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819


Der »West-östliche Divan« von Johann Wolfgang Goethe ist eine orientalische Gedichtsammlung und ein berühmter Lyrikzyklus. Die Erstfassung aus dem Jahr 1819 wurde von Joseph Kiermeier-Debre herausgegeben. Der »West-östliche Divan« erschien erstmals 1819 und im Jahr 1827 in einem erweiterten Umfang. Es ist Goethes umfangreichste Gedichtesammlung. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert, der etwa von 1320 bis 1389 gelebt hat.

Der persische Dichter Hafis war ein erklärter Liebhaber der Sprache, und diesem Gedanken gab er im 14. Jahrhundert allegorische Gestalt: In seinem Diwan tritt die "Wortbraut" als mystische Verkörperung der Lyrik auf, um Gott, Wein und Liebe zu besingen:"Bräuten in der Locken Ranken,/ denen Schleier, leicht und licht, / Halb nur hüllen den Gedanken, / gleicht, o Hafis, dein Gedicht".

Die Noten und Abhandlungen zum besseren Verständnis seines West-östlichen Divans eröffnet Goethe mit den Worten: "Wer das Dichten will verstehen / Muß ins Land der Dichtung gehen; / Wer den Dichter will verstehen / Muß in Dichters Lande gehen."

Dieser wunderschöne Vierzeiler, den er dem prosaischen Teil des »Divan« vorausschickt, ist aber nicht nur für den Divan-Leser von Bedeutung, sondern auch für uns. Denn wenn wir verstehen wollen, an was sich die Orientbegeisterung Goethes manifestierte, wodurch sie sich bedingt und letztendlich in die Produktion eines seiner herausragendsten Werke mündete, muss der Mensch Goethe und natürlich die Zeit, in der er sich bewegt hat, ergründet werden.

Beflügelt von dem Toleranzgedanken der Aufklärung und wirkungsmächtigen Gestalten wie Voltaire, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit Goethes zeitlebens auf die Kunst. Er begeisterte sich für die schönen Dinge im Leben – solche, die ihm Freude bereiteten, die ihn auf intellektuelle Reisen schicken konnten und seine Wissbegierde nährten.



Berauscht von der Lektüre des »Diwans« im Juni 1814 übernahm Johann Wolfgang von Goethe auch das romantische Bild von der "Wortbraut" und stellte es als gleichnishaftes Motto dem Buch Hafis seines West-Östlichen Divans (1819/1827) voran: "Sei das Wort die Braut genannt" - eine Hommage an den persischen "Zwilling", die der Weimarer Geheime Rat auch als Verpflichtung für das eigene Schreiben verstand.


Tatsächlich ist Goethe in seiner Auseinandersetzung mit Hafis ein überaus sinnliches Stück Weltliteratur gelungen, dessen Verfasser das gesamte Spektrum literarischer Möglichkeiten wie ein Bräutigam umgreifen will und in souveräner Beherrschung von alltäglicher und gehobener, euphorischer und ironischer Rede die "Lieb-, Lied- und Weinestrunkenheit" im Harem der Worte zu vermählen sucht.



Die orientalische Gedichtsammlung ist in zwölf Bücher eingeteilt. Ein Anteil der Gedichte geht auf Goethes Briefwechsel mit Marianne von Willemer (1784 – 1860) zurück, von der auch unmittelbar einige Gedichte des Divan stammen, zum Beispiel: ‚Sag ihm, aber sag's bescheiden: / Seine Liebe sei mein Leben! / Freudiges Gefühl von beiden / Wird mir seine Nähe geben.‘ (Buch 8) Anders als der Dichter Rudyard Kipling (‚Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander kommen‘) begegnet Goethe dieser persischen Dichtung mit Gelassenheit: ‚Gottes ist der Orient! / Gottes ist der Occident! / Nord- und südliches Gelände / Ruht im Frieden seiner Hände!‘ (Buch 1).

Am deutlichsten wird diese quasi erotische Verbindung von Werk und Schöpfer im Buch Suleika, jenem autobiographisch an die 30jährige Marianne von Willemer gerichteten Meisterstück, das den Austausch mit der Geliebten zum leidenschaftlichen Dialog des 66jährigen Dichters auch mit der Sprache werden läßt: "Sich liebend aneinander zu laben / Wird Paradieses Wonne sein".

Daß Marianne - wie man inzwischen weiß - einige der schönsten Gedichte zum Buch Suleika beisteuerte, hebt das Zwiegespräch zwischen der jungen Suleika und dem greisen Hatem innerhalb der Sammlung auf ein neues, pikant-intimes Niveau.

"Den berauschendsten Lebensgenuß hat Goethe hier in Verse gebracht", schrieb Heinrich Heine 1836 in der Romantischen Schule, "und diese sind so leicht, so glücklich, so hingehaucht, so ätherisch, daß man sich wundert, wie dergleichen in der deutschen Sprache möglich war". Möglich war dieser unbeschreibliche Zauber des Divans nur als trunkene, raumzeitlich losgelöste Liebeserklärung des Dichters an die unendliche, Orient und Okzident, Geist und Humor, Jugend und Alter, Liebhaber und Geliebte in jeder Strophe neu vereinende Poesie.

Der Schwiegertochter Ottilie erläuterte Goethe am 21. Juni 1818 die Absicht seiner Dichtung: "Ihre Bestimmung ist es, uns von der Gegenwart abzulösen und uns für den Augenblick dem Gefühl nach in die grenzenlose Freiheit zu versetzen. Dies ist zu einer jeden Zeit wohltätig, besonders zu der unseren". Wenn dies mit einer derart lyrischen Virtuosität wie im West-Östlichen Divan gelingt, gilt dieser Auspruch bis heute.

Die orientalische Gedichtsammlung ist mehr als lyrische Spielerei, als tändelnde Liebelei, denn als kultureller Brückenschlag zu verstegen.


Literatur [ >> ]:

West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
West-oestlicher Divan: Stuttgart 1819
von Johann Wolfgang Goethe

Weblink:

Was den Dichter in die geistige Ferne trieb - Quantara.de

Donnerstag, 20. Juni 2019

»Mondbeglänzte Zaubernacht« von Ludwig Tieck



Caspar David Friedrich




Mondbeglänzte Zaubernacht ,
die den Sinn gefangen hält ,
wundervolle Märchenwelt ,
steig auf in der alten Pracht !

Liebe lässt sich suchen , finden ,
niemals lernen , oder lehren,
wer da will die Flamm entzünden
ohne selbst sich zu versehren ,
muß sich reinigen der Sünden .

Alles schläft , weil er noch wacht ,
wenn der Stern der Liebe lacht ,
goldene Augen auf ihn blicken ,
schaut er trunken vor Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Ludwig Tieck



Tieck war zu bewegt, er konnte nach Allem, was er heut erlebt hatte, nicht schlafen. Die Naturgeister wachten auf. Er öffnete das Fenster. Es war die laueste, herrlichste Sommernacht. Das Mondenlicht floß in vollen Strahlen auf ihn nieder. Da lag sie vor ihm, mondbeglänzte Zaubernacht, die Natur mit ihren uralten und ewig jungen Märchen und Wundern!

Quelle:

Zweites Buch. Dichterleben. 1792-1800. - www.gnu.franken.de
Video:

LUDWIG TIECK - MONDBEGLÄNZTE ZAUBERNACHT