Samstag, 14. Juni 2025

»Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine












Das Buch der Lieder


Das »Buch der Lieder« ist Heines berühmteste Gedichtsammlung, sie erschien erstmals 1827 und erlebte noch zu seinen Lebzeiten 13 Auflagen, die er teilweise selber redigierte und veränderte. Das »Buch der Lieder« begründete Heines Weltruhm als Dichter. Es ist seine früheste Sammlung, erschienen 1827.

Das »Buch der Lieder« enthält in fünf Zyklen chronologisch geordnet, 237 Gedichte, das Fazit von Heines lyrischem Jugendleben. Dieses wurde - bei aller Originalität - angeregt von unterschiedlichen literarischen Traditionen. Deren wichtigtste, auch im Selbstverständnis des Autors, ist die des Volksliedes.

Viele der knapp 240 Gedichte wurden vertont, darunter die Lorelei (»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«) oder »Im wunderschönen Monat Mai«. Vielfach greifen sie auf altes Volksliedgut zurück und sind ihrerseits zu Volksliedern geworden.

Das Thema der Lieder, Sonette, Romanzen und Gedichte in freien Rhythmen ist fast ausnahmslos die unerfüllte Liebe, der Schmerz, die Sehnsucht, der Traum. Unerreicht ist ihre Mischung aus Ironie und tiefem Gefühl.



Das Buch der Lieder

Das Buch der Lieder




Heinrich Heine, der deutsche Dichter der Romantik, legt sein wahrscheinlich schönstes Buch vor. In unzähligen Variationen erforscht und durchleidet Heine das wohl intensivste Gefühl des Menschen. Die Angebetete stellt sich dabei in den unterschiedlichsten Gestalten dar, erscheint mal als verlockende Kindfrau, mal als unnahbare Göttin, mal als Dame, "schön und hold", mal als "banges, bekümmertes Weib".


Durch alle Stadien der Liebe, von der ersten Verliebtheit in Kindertagen zum besinnungslosen Taumel der Jugend, über Enttäuschungen, Wirrungen und Verwirrungen des Herzens hindurch, bis hin zur völligen Taubheit desselben, verzaubert uns Heine mit jeder Zeile, jedem Vers aufs Neue und hinterlässt bei seinen Lesern nichts als ein tiefes Säufzen der eigenen Seele.

Heines Gedichte erweichen selbst versteinerte Herzen, angesichts der ehrlichen wie auch hoffnungslosen Zuneigung des Liebenden, und malt uns so ein Bild von der Zerbrechlichkeit der (meist ungleichen) Liebe. Die Eindringlichkeit seiner Verse ist unübertroffen und für mich der unumstritten beste Dichter, nicht nur der Liebeslyrik.

Im Stile der griechischen Poeten ruft Heine im Vorwort die Götter an: "Lasst mich ein Greis werden, der die Jugend liebt und trotz der Altersschwäche noch immer teilnimmt an ihren Spielen und Gefahren!"

Heine Volkslieder zählen zum schönsten Liedgut der Deutschen. "Ich weiß nicht was soll es bedeuten... ", mit diesen Worten beginnt das Lied über die schöne Jungfrau Loreley, durch deren Gesang Schiffer samt Kahn in den Wellen versinkt. Wessen Gedanken wandern bei diesen Strophen nicht zu Homers Helden, der, an den Mast gekettet, dem unwiderstehlichen Gesang der Sirenen lauscht.


Literatur:

Das Buch der Lieder
Das Buch der Lieder
von Heinrich Heine

Videos:

»Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine - Youtube - www.youtube.de

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Reise durch Arkadien

Das Maskenspiel der Genien
Das Maskenspiel der Genien

Der 1929 abgeschlossene Roman »Das Maskenspiel der Genien« von Fritz Herzmanovsky-Orlando ist sein Hauptwerk und zugleich ein Hauptwerk der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts – die phantastische Schwester von Musils »Mann ohne Eigenschaften«, eine Alice im Wunderland, die durch Kafkas Schloss stolpert, ein von Einfällen und Witz überquellender, wunderschöner Alptraum.

»Das Maskenspiel der Genien« ist eine Mischung aus antikem Mythos und Commedia dell` arte. Wiederauferstehung des Mittelalters mit seinen Gauklerfiguren unter der Maske der Commedia dell` arte. Der Roman ist ein wahres Königtum des phantasievollen Einfallsreichtums und frechen Gauklertums. Die K.u.K.-Groteske spielt in der Tarockei. Der zu Lebzeiten unveröffentlichte und zunächst deutlich gekürzt publizierte Großroman »Das Maskenspiel der Genien« wurde 2011 in einer unkommentierten "Volksausgabe" veröffentlicht.

Den zweiten Teil der Reise führt Pizzicolli nach Arkadien, eine Landschaft im Zentrum der Peloponnes. Arkadien ist ein ägäisches Wunderland voller mondäner Feste, bizarrer Einsiedler, berückender Landschaft und undeutlicher politischer Zugehörigkeit – die Türken werden nicht wirklich geleugnet, spielen aber nur eine untergeordnete dekorative Rolle.

Die Arkadier galten im Altertum als raues Hirtenvolk. Gewisse Charakterzüge Arkadiens lassen sich durch seine isolierte geographische Lage erklären. Seine Einwohner sehen sich als das älteste griechische Volk überhaupt an. Schon in der Zeit des Hellenismus wurde Arkadien verklärt zum Ort des Goldenen Zeitalters, wo die Menschen unbelastet von mühsamer Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck in einer idyllischen Natur als zufriedene und glückliche Hirten lebten.


Samstag, 24. Mai 2025

»Hedda Gabler« von Henrik Ibsen (E)

Henrik Ibsen


Die Generalstochter Hedda Gabler hat geheiratet. Ihrem Ehemann, dem aufstrebenden Historiker Jörgen Tesman, winkt eine Professur. Er hat sich daraufhin Geld geliehen und eine Villa gekauft, um seiner anspruchsvollen Frau etwas bieten zu können. Doch Hedda kehrt schon aus den Flitterwochen ernüchtert zurück. Sie findet weder im bürgerlichen Lebensentwurf noch beim Ehemann Befriedigung.

Als Tesman berufliche Konkurrenz von dem begabteren Løvborg bekommt, mit dem Hedda eine Jugend-Liaison hatte, sieht sie eine vermeintlich letzte Möglichkeit zu einem erfüllteren, aufregenderen Leben. Hedda beginnt ein gefährliches Spiel, in dem nicht zufällig die Pistolen ihres Vaters eine verhängnisvolle Rolle spielen.

Mit »Hedda Gabler« hat Ibsen ein hochpsychologisches Sex-and-Crime-Drama geschrieben, in dem er die Möglichkeiten eines autonomen weiblichen Lebensentwurfs auf seine abgründigen Seiten hin abklopft.

Literatur als Flucht aus der menschlichen Gesellschaft

Es gibt keinen Realismus mehr in der Belletristik. Der Realismus ist aus der Literatur nahezu verschwunden. Immer mehr Autoren flüchten sich in künstliche Phantasie- und Scheinwelten. Was lernen wir daraus? Nur eine armselige Literatur lehrt uns die Flucht aus der menschlichen Gesellschaft.

Eine Dilemmasituation: Welcher Autor könnte es heute wagen, durch Literatur offen oder verdeckt Sozialkritik zu üben und damit gleichzeitig auf literarischen Erfolg zu hoffen? - So kommt es, wie es kommen muss: die Gesellschaft verhindert die Entstehung von Gesellschaftsromanen. Dabei gibt es doch genug Themen, über die es zu schreiben lohnt! Ausbeutung, Niedriglohn, Armut.

„Die Literatur kann es sein, die der

Gesellschaft ihre noch ungelösten Aufgaben stellt.“


Wolfgang Hilbig

Gesellschaftliche bzw. sozialkritische Themen sind auf dem recht eintönig gewordenen Literaturmarkt nicht gefragt. Die Autoren flüchten sich lieber in Phantasy- und Kriminalwelten und schreiben lieber Phantasy-Geschichten oder Krimis, um die Leser in ihren Bann zu ziehen und somit das Bedürfnis des Lesers zu decken.

Dabei täte mehr Realismus dem Büchermarkt gut. Mit dem Realismus ist auch die Erzählkunst verlorengegangen. Die heutigen Autoren beherrschen diese Erzählkunst des Realismus nicht mehr. Es herrscht eine gewisse gewollte literarische Eintönigkeit vor, die auch noch medial unterstützt wird.

Mit dem Verschwinden des Realismus einher geht auch der Niedergang des Gesellschaftsromans. Wer heute als Schriftstller ein Buch über die Gesellschaft schreibt, liegt bei der Thematisierung der Wirklichkeit meist (gewollt) daneben. - Also Vorhang auf für die Wirklichkeit!

Literatur:

Realismus - www.literaturwelt.com

Freitag, 4. April 2025

Bettina von Arnim 240. Geburtstag

Bettina von Arnim

Bettina von Arnim wurde vor 240 Jahren am 4. April 1785 in Frankfurt am Main geboren. Bettina von Arnim war eine deutsche Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik.

1810 verlobte sich Arnim mit Bettina, das Paar heiratete am 11. März 1811. Die Arnims hatten sieben Kinder: Freimund, Siegmund, Friedmund, Kühnemund, Maximiliane, Armgart, und Gisela von Arnim. Das Paar lebte meist getrennt, sie in Berlin, er auf seinem Gut Wiepersdorf. Bald nach der Hochzeit reisten sie gemeinsam nach Weimar, um Goethe zu besuchen. Ein heftiger Streit Bettinas mit Goethes Frau Christiane führte zu einer lebenslangen Entfremdung zwischen Goethe und Arnim. 1813 während der Befreiungskriege gegen Napoleon befehligte Arnim als Hauptmann ein Berliner Landsturmbataillon.

Es war eine der großen Liebesgeschichten der deutschen Romantik: Bettine Brentano und Achim von Arnim. Ihre Ehe dauerte von 1811 bis 1831 und verband zwei eigenwillige, gegensätzliche Gefühlsmenschen in einer höchst modern anmutenden Melange aus Zärtlichkeit und Konflikten, idealistischen Höhenflügen und profanen Sachzwängen.

Auf den ersten Blick steht Bettina für das Bunte, Spontane, Prächtige, auch für das moralisch und emotional Offene. Sie war überzeugt, dass Autoritäten aller Art es so genau nicht nehmen, weil sie jederzeit bereit sind, ihr liebes Kind, das es ja nicht schlimm gemeint hat, wieder in die Arme zu schließen. Armin dagegen war geprägt von der preußischen Pflichtauffassung, […] Er war ernst, schmal, streng und verlangte viel von sich und anderen.
Bettina von Arnim Der Witwenstand führte zu einer Verstärkung ihres öffentlichen Wirkens. Sie wurde zur Herausgeberin seiner »Gesammelten Werke«. Während der Cholera-Epidemie 1831 in Berlin engagierte sie sich für soziale Hilfsmaßnahmen in den Armenvierteln und pflegte Erkrankte. Aus Anlass der Thronbesteigung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. veröffentlichte sie 1843 die Sozialreportage Dies Buch gehört dem König. Das aus fiktiven Dialogen zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des preußischen Königs bestehende Werk wurde in Bayern verboten.

In der Ernüchterung, die der gescheiterten Revolution von 1848 folgte, verfasste sie 1852 die Fortsetzung »Gespräche mit Dämonen«, in der sie für die Abschaffung der Todesstrafe und die politische Gleichstellung von Frauen und Juden eintritt. Ihre weitreichende Korrespondenz zur Ermittlung statistischer Angaben für ihr Armenbuch erregte großes Aufsehen.

1854 erlitt Bettina von Arnim einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholte.
Bettina von Arnim starb am 20. Januar 1859 im Kreise ihrer Familie in Berlin. Sie wurde neben ihrem Mann an der Kirche von Wiepersdorf beigesetzt.


Literatur:

»Bettine und Achim von Arnim: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Ehe«

Bettine und Achim von Arnim: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Ehe von Hildegard Baumgart

Dienstag, 4. März 2025

"Der Name der Rose" und das Verdikt des Lachens

Der Name der Rose
Der Name der Rose

Umberto Eco thematisiert in seinem Roman "Der Name der Rose" die Feindschaft des mönchischen Mittelalters gegenüber Komödie und Gelächter. Der greise Klosterbibliothekar Jorge von Burgos, ein kompromißloser Vertreter asketischer Mönchstradition, beteuert da: "Die Komödien wurden von Heiden geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht. Unser Herr Jesus hat weder Komödien noch Fabeln erzählt, ausschließlich klare Gleichnisse, die uns allegorisch lehren, wie wir ins Paradies gelangen, und so soll es bleiben!"

William von Baskerville, der gebildete, weltoffene und menschenfreundliche Franziskaner aus England, kontert: "Ich frage mich, warum Ihr so abweisend gegen den Gedanken seid, daß Jesus gelacht haben könnte. Ich für meinen Teil halte das Lachen durchaus für ein gutes Heilmittel, ähnlich dem Baden, um die schlecten Körpersäfte und andere Leiden des Körpers zu kurieren, insbesondere die Melancholie."

In diesem von Kroeber herausgeg. Buch mit Aufsätzen über Ecos "Der Name der Rose“ wird der Kernsatz dieses Romans: "Vielleicht gibt es am Ende nur eins zu tun, wenn man die Menschen liebt, die Wahrheit zum Lachen zu bringen, denn die einzige Wahrheit heißt: lernen, sich von der krankhaften Leidenschaft für die Wahrheit zu befreien!" (Eco 624) mit großer Skepsis behandelt.

Die ausführlichste Kritik bei U. Wyss , der einschränkend sich auf das Lachen bezieht: "Auf das Lachen würde ich mich nicht verlassen, wenn es darum geht, daß wir uns frei machen. Die Wahrheit zu verlachen, ist das wirklich der Weg ins Freie?"

Literatur:

Der Name der Rose
Der Name der Rose
von Umberto Eco

Weblink:

Nicht lachen - Philosophie Runde

Freitag, 28. Februar 2025

Yasar Kemal 10. Todestag

Yasar Kemal

Yasar Kemal ist am 28. Februar 2015 im Alter von 92 Jahren in einem Krankenhaus in Istanbul gestorben. Kemal war einer der bedeutendsten zeitgenössischen Romanciers der Türkei. Er war kurdischer Abstammung.

Kemal wurde 1955 mit seinem Roman »Memed, mein Falke« berühmt. Das Werk, das in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurde, machte ihn zum meistgelesenen Schriftsteller der Türkei. Der Romanheld, der "schmächtige Memed", lehnt sich darin gegen die Herrschaft der Großgrundbesitzer in Anatolien auf und zieht als Bandit in die Berge.

Die Sprache werde die Menschheit retten - davon war Kemal überzeugt. "Ich glaube tief an die Magie der Sprache", schrieb er im Unionsverlag. "Noch immer bin ich davon überzeugt, dass die Sprache neue Universen erschaffen, andere vernichten kann."

Aus dieser Macht der Sprache leitete Kemal die Verantwortung der Schriftsteller in der Gesellschaft ab. Eine Rolle, die er selbst sehr ernst nahm: Widerstand gegen empfundenes Unrecht und der Kampf für Freiheit und Menschenrechte ziehen sich als roter Faden durch das Werk des Schriftstellers.

Yasar Kemal war ein unbequemer Schriftsteller. Einer, der Schreibende als die "Verantwortlichen unserer Zeit" bezeichnete. Der türkische Schriftsteller Yasar Kemal kämpfte in seinen Büchern für Freiheit und Menschenrechte, die er bis zuletzt in seiner Heimat bedroht sah.

Kemal kam im südanatolischen Dorf Gökcedam in der Provinz Osmaniye als Sohn eines früheren Großgrundbesitzers auf die Welt. Sein genaues Geburtsdatum ist unklar. Der Schriftsteller sagt, er sei wahrscheinlich 1923 geboren worden.

Literatur:

Memed mein Falke
Memed mein Falke
von Yasar Kemal

Literaturkritiker Fritz J. Raddatz 10. Todestag

Literaturkritiker Fritz J. Raddatz

Er war einer der streitbarsten und eloquentesten Literaturkritiker des Landes. Nun ist Fritz J. Raddatz im Alter von 83 Jahren gestorben. Der langjährige Feuilleton-Chef der "Zeit" schrieb mehrere Romane und gilt als Entdecker einiger berühmter Schriftsteller.

Tagebücher 1982-2001

Fritz J. Raddatz war ein legendärer und begnadeter Feuilletonist und Großkritiker, der intellektuelle Schärfe stets mit seinem Willen zur Eleganz und Eitelkeit auf das Beste zu paaren wusste. Er war ein wahrhafte Geistesgröße, doch im Kulturbetrieb dieses Landes wirkte er jedoch eher wie ein Unruhestifter.

Raddatz war nicht nur eine brilliante Geistesgröße, sondern er polarisierte auch in der Medienlandschaft. Legendär ist auch sein Hang zur Eitelkeit, der nicht nur das Feuilleton ungemein bereicherte, sondern ihn auch verletzlich machte. Heute wirkt er wie der Vertreter einer anderen Gesellschaft.

Fritz J. Raddatz wurde nach dem Krieg fast vom Schulhof weg Journalist, Lektor, Kultur im "besseren Deutschland", das er wie der etwas jüngere Wolf Biermann in Ost-Berlin vorzufinden glaubt. Er war ehrgeizig und tatendurstig und scheiterte doch an den vorherrschenden Alt-Kommunisten, ging schließlich 1958 in den Westen, wo er seinen atemberaubenden Aufstieg im Kulturbetrieb begann.

Berühmt wurde der Intellektuelle Fritz J. Raddatz vor allem als Feuilletonchef der Wochenzeitschrift "DIE ZEIT". Selten hat eine Geistesgröße soviel Einfluss auf das Feuilleton ausgeübt. Raddatz hat in seinen acht Jahren als Feuilletonchef der "Zeit" das literarisch-politische Feuilleton neu erfunden - er hat das Feuilleton politisiert.

2014 beendete der Literaturkritiker und Publizist Fritz J. Raddatz nach mehr als 60 Jahren seine journalistische Tätigkeit. "Ich habe mich überlebt", schrieb er in einem Beitrag für die Tageszeitung "Die Welt".


Literatur:


Tagebücher 1982-2001
Tagebücher 1982-2001
von Fritz J. Raddatz

TUnruhestifter: Erinnerungen
Unruhestifter: Erinnerungen
von Fritz J. Raddatz

Sonntag, 26. Januar 2025

»Die Ermittlung« von Peter Weiss


Es war das bis dahin grösste Gerichtsverfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte: Am 20. Dezember 1963 begann der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Angeklagt waren 21 Mitglieder der Wachmannschaften des Konzentrationslagers Auschwitz wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord. Insgesamt wurden 360 Zeugen befragt. Sechs Beschuldigte erhielten nach einem über zweieinhalbjährigen Prozess lebenslange Zuchthausstrafen. Drei Angeklagte wurden freigesprochen. Der Prozeß endete im August 1965. Bereits zwei Monate später wurde der Prozeß in einem Theaterstück bearbeitet.

»Die Ermittlung« ist ein Theaterstück des Dramatikers Peter Weiss von 1965, das den ersten Frankfurter Auschwitzprozess von 1963 bis 1965 mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters thematisiert. Es wurde am 19. Oktober 1965 im Rahmen einer Ring-Uraufführung an fünfzehn west- und ostdeutschen Theatern sowie von der »Royal Shakespeare Company«, London, uraufgeführt. Die Ermittlung trägt den Untertitel „Oratorium in elf Gesängen“. Weiss selbst nahm als Zuschauer am Auschwitzprozess teil und entwickelte sein Stück aus den Protokollen Bernd Naumanns.

Das Theaterstück »Die Ermittlung« des deutsch-schweizerischen Schriftstellers Peter Weiss (1916 - 1982) hat den Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main (Dezember 1963 - August 1965) zum Inhalt. Das Bühnenspiel, es wird dem dokumentarischen Theater zugeordnet, wurde 1965 gleichzeitig an 15 Orten uraufgeführt. Von der Rampe bis zur Todeskammer, in einem "Oratorium in 11 Gesängen" lässt Peter Weiss die Vertreter der Anklage und der Verteidigung, die Angeklagte und Zeugen über die "Hölle auf Erden", meint Auschwitz, verhandeln. Die von den Nationalsozialisten maschinell betriebene Tötung von Millionen völlig unschuldiger Menschen bleibt unfassbar.

Die Ermittlung sollte Teil eines umfassenderen „Welttheater“-Projekts werden, das der Struktur der »Göttlichen Komödie« von Dante Alighieri folgte. Das dreiteilige Dramenprojekt sollte die Jenseitssphären Hölle, Paradies und das dazwischen liegende Fegefeuer umfassen. In Umkehrung der Überzeugungen Dantes sollte »Die Ermittlung« dabei dem „Paradiso“ der Dante-Konzeption entsprechen und das Paradies der Ort der Verzweiflung für die Leidtragenden sein.

Das 1964 verfasste Drama »Inferno«, das erst 2003 aus dem Nachlass publiziert wurde, führte das abzubildende Jenseitsreich auch im Titel. Aufgrund der zeitgeschichtlichen Bedeutung des Auschwitz-Prozesses wurde das Divina-Commedia-Projekt jedoch zurückgestellt und der dritte Teil als Die Ermittlung separat veröffentlicht.

Das Stück stellt die Aussagen der von Weiss anonym gehaltenen Zeugen denen der namentlich genannten Angeklagten KZ-Aufseher gegenüber. Die Aussagen der Zeugen bieten einen Einblick in die Grausamkeit des Lagerlebens und die Details der Greueltaten, sie öffnen den Blick auf das nackten Grauen. Demgegenüber wirken die Rechtfertigungs- und Distanzierungsversuche der Angeklagetn angesichts der Faktenlage zynisch und die decken die Widersprüche in den Aussagen schonungslos auf.

Literatur:


Die Ermittlung
von Peter Weiss


Die Ermittlung
von Peter Weiss

Samstag, 11. Januar 2025

»Der Richter und sein Henker« von Friedrich Dürrenmatt

Der Richter und sein Henker
Der Richter und sein Henker

Hans Bärlach ist ein alter Kriminalkommissar in Bern - ein Kommissär, wie es Bernerischen heißt. Sein bester Mitarbeiter, Ulrich Schmied, wird auf einer Landstrasse vor Twann erschossen aufgefunden. Dürrenmatts Kommissar bärbeißiger Bärlach gehört nicht zu den strahlenden Helden der Kommissars-Zunft. Er ist ein schwerkranker Misanthrop aus Erfahrung, der im günstigsten Fall noch ein Jahr zu leben hat. Friedrich Dürrenmatts Kommissär Bärlach ist eine Kriminalfigur, die stark autobiographische Elemente offenbart.

Ein junger und ehrgeiziger Polizist ist erschossen worden. Ort des Verbrechens ist die Twannbachschlucht in der beschaulichen Westschweiz. Kommisär Bärlach sucht den Mörder seines geschätzen Kollegen. Abgründe tun sich auf, auch bei den polizeilichen Ermittlungen.

»Sie haben Schmieds Mörder festzustellen,
ohne Rücksicht darauf, daß ich einen bestimmten Verdacht habe.
Wenn der, den ich verdächtige, der Mörder ist, werden sie Selbst auf ihn stoßen.«

Kommissar Bärlach hat einen unbegründeten Verdacht, dem er nachgeht und von dem er weiß, dass er möglicherweise richtig liegt. Im Laufe des Romans sammelt Kommissar Bärlach Indizien, deren "Sammlung" beim ersten Lesen unbegründet erscheint, da sich Bärlachs Vorgehensweise erst am Ende des Romans aufklärt.



Schnell begreift der Leser, dass Bärlach viel mehr weiß und mit äußerster Berechnung vorgeht. Unbeantwortet bleibt, wie er über die Hintergründe der Tat im Bilde sein kann. Dieser kantige, eigenbrödlerische Polizist lockt den faszinierten Leser immer tiefer in den Roman hinein. Atemlos verfolgt der Leser Schritt um Schritt den beharrlichen Kömmisär.

Da auf der ersten Seite ein Mordopfer entdeckt wird, glaubt der Leser, dass es in "Der Richter und sein Henker" um die Aufklärung der Tat und die Überführung des Verbrechers geht. Aber Kriminalkommissar Bärlach, der die Ermittlungen leitet, weiß von Anfang an, wer der Mörder ist und verfolgt ein ganz anderes Ziel

In »Der Richter und sein Henker«, seinem ersten Kriminalroman, verstößt Friedrich Dürrenmatt bewusst gegen die in dem Genre geltenden Regeln: Normalerweise funktionieren Kriminalromane, weil das menschliche Handeln berechenbar ist, aber Friedrich Dürrenmatts Kommissar Hans Bärlach will seit vierzig Jahren beweisen, dass unkalkulierbare Zufälle das perfekte Verbrechen unmöglich machen und zur Überführung der Täter beitragen.

Da auf der ersten Seite ein Mordopfer entdeckt wird, glaubt der Leser, dass es in „Der Richter und sein Henker“ um die Aufklärung der Tat und die Überführung des Verbrechers geht. Aber der leitende Ermittlungsbeamte weiß von Anfang an, wer der Mörder ist und verfolgt ein ganz anderes Ziel. Hans Bärlach ist kein Held, sondern ein todkranker älterer Mann, der hilflos wirkt und doch die Fäden zieht. Anders als man es in einem Kriminalroman erwarten würde, stellt sich dieser moralisch ambivalente Kommissar außerhalb des Gesetzes, indem er einen kleinen auf einen großen Verbrecher ansetzt, sich selbst zum Richter aufschwingt und einen ahnungslosen Mörder als Henker missbraucht.

Mit kurzen, sachlich-trockenen Sätzen und lapidaren Dialogen führt Friedrich Dürrenmatt seine Leser mehrmals in die Irre und erzählt eine originelle, raffinierte und spannende Kriminalgeschichte ohne simple Schwarz-Weiß-Muster.

Nach zwei Theaterstücken und zwei Erzählungen veröffentlichte Friedrich Dürrenmatt 1950/51 den Kriminalroman „Der Richter und sein Henker“ als Fortsetzungsgeschichte in der Zeitung »Der Schweizerische Beobachter«“. 1952 erschien die Buchausgabe. Damit schaffte er den Durchbruch.

Samstag, 4. Januar 2025

Carlo Levi 50. Todestag

Carlo Levi

Carlo Levi starb vor 50 Jahren am 4. Januar 1975 in Rom. Carlo Levi war ein italienischer Schriftsteller, Maler und Politiker.

Schon früh war Carlo Levi politisch aktiv. Weil er zusammen mit Carlo und Nello Roselli 1929 die antifaschistische Gruppe Giustizia e Libertà („Gerechtigkeit und Freiheit“) gegründet hatte und sie zusammen mit Leone Ginzburg leitete, wurde Levi von der faschistischen Regierung im Frühjahr 1934 für zwei Monate in Rom inhaftiert und im Mai 1935 in die süditalienische Region Lucania (Lukanien, heute Basilicata) verbannt.

Dort verbrachte er, nach einiger Zeit im Städtchen Grassano, die Zeit von September 1935 bis Mai 1936 in dem Dorf Aliano, wo er wegen des Elends der Einwohner unentgeltlich und mit geringen Mitteln als Arzt praktizierte, bis die Provinzverwaltung ihm auch dies untersagte und Behandlungen nur noch heimlich möglich waren. Nebenbei malte er Menschen und Landschaft und erkundete die Bräuche der Einwohner, besonders Magie und Aberglauben.

"Erfahrungen sind Maßarbeit.

Sie passen nur dem, der sie macht."


Nachdem er 1936 vorzeitig durch eine Generalamnestie freikam, die der faschistische Staat zur Feier der Einnahme von Addis Abeba ausgerufen hatte, ging Levi ins Exil und übernahm von Paris aus die Leitung der Gruppe "Giustizia e Libertà". 1941 kehrte er nach Italien zurück, wurde in Florenz festgenommen und eingekerkert. Nach Mussolinis Gefangensetzung wurde er freigelassen, suchte Zuflucht im Palazzo Pitti und schrieb dort 1943/1944 sein Buch »Cristo si è fermato a Eboli« (1945), in dem er seine Erinnerungen an die Zeit in Aliano festhielt, wobei er für Aliano den leicht verschlüsselten Namen "Gagliano" wählte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog Levi nach Rom und arbeitete einige Zeit als Herausgeber der Zeitschrift »Italia libera«, die zum Partito d'Azione („Partei der Aktion“) gehörte. Er malte weiter (seine Bilder wurden in verschiedenen Ländern Europas und sogar in den USA ausgestellt) und schrieb weitere Bücher. 1963 wurde er als Kandidat der Kommunistischen Partei in den Senat gewählt, dessen Mitglied er bis 1972 blieb.

Carlo Levi starb 1975 in einem römischen Krankenhaus an Lungenentzündung. Gemäß seinem ausdrücklichen testamentarischen Wunsch wurde er auf dem Friedhof von Aliano bestattet, der während seiner Verbannung dort einer seiner liebsten Aufenthaltsorte war.

Carlo Levi wurde am 29. November 1902 in Turin geboren.


Literatur:

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli
von Carlo Levi


Weblinks:

Das Reisetagebuch (2): Christus kam nur bis Eboli - Silencers Blog - http://silencer137.com

»Christus kam nur bis Eboli« von Carlo Levi