Mittwoch, 25. Dezember 2024

»Weihnachten« von Hermann Hesse

Baum im Herbst

Ich sehn´ mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub´, ich hab´s einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.
Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei´s Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön
Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön´
ein´s jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd´ still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.
Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb´ bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!

»Weihnachten« von Hermann Hesse

Dienstag, 24. Dezember 2024

»Weihnachten« von Herrmann Hesse



»Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.

Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön

Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.

Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!

Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.

Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön

Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.

Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!«


Freitag, 13. Dezember 2024

Heinrich Heine - der Spötter unter den Dichtern (E)

Heinrich Heine

Heinrich Heine gilt als der Spötter unter den Dichtern.

Der Spötter unter den Dichtern war geboren. Mit Heinrich Heine entzündete sich die heilige Flamme der Literatur in einem neuen Gewand. Für Judenhasser und Nationalisten war er ein Quälgeist, für Zeitgenossen ein brillanter Analytiker und Chronist und für Journalisten ein Vorbild.

Weblink:

1 Wer war Heinrich Heine? - http://www.theeuropean.de/

Samstag, 16. November 2024

»Die toten Seelen« von Nikolai Gogol

Die toten Seelen


»Die toten Seelen« ist ein Roman von Nikolai Gogol. Das Thema dieses Buches stammt eigentlich von Puschkin, der mit Gogol befreundet war und der Meinung war, daß sein Freund dieses Thema besser umsetzen könne. 1835 erklärte Puschkin Gogol den Stoff. 1841 schloss Gogol das Thema in Rom ab. Die Moskauer Zensurbehörde lehnte den Druck ab. Mit Vermittlung eines Freundes genehmigte die Sankt Petersburger Zensurbehörde die Herausgabe mit geändertem Titel.

Die Hauptperson ist ein Mann namens Tschitschikow, ein umtriebiger und schlitzohriger Mensch, der tote Seelen kauft umso reich zu werden. Immer wieder hat er Rückfälle. Mit Disziplin rafft er sich immer wieder auf und beginnt. Am Ende scheint alles verloren. Er sitzt schon im Kerker und wird wieder befreit um neu beginnen zu können. Trotz der zentralen Figur des Tschitschikow ist es nicht nur ein Roman über ihn; es wird das Leben am Land und viele Gutsbesitzer beschrieben.



Tschitschikow reist in eine Bezirkshauptstadt in der Ukraine und trifft hier Grundbesitzer, denen er leibeigene Bauern abkauft. Jedoch möchte er nur solche Bauern kaufen, die bereits verstorben sind, aber noch in den Registrierlisten aufscheinen, die nur alle 10 Jahre erneuert werden. Da die Steuer jedoch nach den Registrierlisten eingehoben wird und Tschitschikow durch den Kauf die Steuerlast der Grundbesitzer übernimmt, ist sein Motiv nicht ganz verständlich.


„Bekanntlich gibt es viele Gesichter auf der Welt, bei deren Bearbeitung sich die Natur nicht lange aufgehalten und keinerlei feine Instrumente, wie Feilen, kleine Bohrer und dergleichen, verwandt hat: sie Holte einfach mit der Axt aus, ein Schlag – und fertig war die Nase, ein zweiter Schlag - und fertig waren die Lippen, mit einem Riesenbohrer wurden die Augen gemacht, und dann hieß es: „Er lebt!“, und der Mensch wurde mit ungehobeltem Gesicht in die Welt geschickt.“

Die ausführlichen und detaillierten Erzählungen der russischen Dichter des 19. Jahrhunderts geben eine Zeit wieder, die es nicht mehr gibt. Das Wesentliche im Buch ist aber nicht die Geschichte, sondern die Beschreibung der Menschen und der Gesellschaft, die Tschitschikow hier im zaristischen Russland von 1820 antrifft. Neben menschlichen Schwächen führen die Versuchungen des aufkommenden westlichen Einflusses zu Materialismus und Kapitalimus, zu Korruption und illegalen Machenschaften.

Obwohl Gogol deutlich moralische Stellung bezieht, nimmt er seine Protagonisten in Schutz und versteht ihre Schwächen. So wendet er sich immer wieder direkt an den Leser um auch ihn zu beschwichtigen und nicht böse oder verurteilend zu sein.

Das Buch ist satirisch, ironisch geschrieben und köstlich zu lesen. Diese Ausgabe ist die erste deutsche Übersetzung aus dem Jahre 1846 und in der damaligen Sprache und Orthografie verfasst, was einen zusätzlichen Reiz beim Lesen ausmacht - ich fühlte mich in die Zeit, in der das ganze Buch spielt, versetzt.

Literatur:


Die toten Seelen
von Nikolai Gogol

Literatur und die Beschreibung der Übel in der Welt

Karl Kraus war überzeugt, dass sich in jeder kleinsten Unstimmigkeit, die scheinbar eine höchstens lokal und zeitlich begrenzte Bedeutung hat, die großen Übel der Welt und der Epoche offenbaren. So konnte er in einem fehlenden Beistrich ein Symptom für jenen Zustand der Welt erblicken, der einen Weltkrieg erst möglich mache. Eines der Hauptanliegen seiner Schriften war es, mittels solcher kleiner Missstände auf die großen Übel aufmerksam zu machen.


In seinem Drama »Die letzten Tage der Menschheit« entwarf Karl Kraus ein gewaltiges Zeitpanorama des Ersten Weltkrieges, das in vielen grotesken Szenen die ganze Absurdität und Unmenschlichkeit des Kriegsgeschehens zu ermessen versucht. Dieses Antikriegsepos und Zeitpanorma ist ein furioser Augenzeugenbericht vom Untergang des alten Europa.

In seinem monströsen Weltuntergangskabarett "Die letzten Tage der Menschheit" stülpt Karl Kraus das vertraute Bild des Habsburgerreiches ins Infernalische um. Der Erste Weltkrieg erweist sich als apokalyptisches Völkergemetzel, angerichtet von bestialischen Militärs, idiotischen Beamten, zwei blödsinnigen Kaisern, einer vertrottelten Adelskaste, einer bornierten Kirche und einem gierigen Bürgertum im Verein mit einer gewaltgeilen Journaille von Kriegshetzern und Hyänen des Schlachtfelds.

Freitag, 8. November 2024

Kazuo Ishiguro 70. Geburtstag

Kazuo Ishiguro

Kazuo Ishiguro wurde am 8. November 1954 in Nagasaki geboren. Ishiguro ist ein britischer Schriftsteller japanischer Herkunft.

1960 wanderte seine Eltern aus Japan aus und er kam mit seiner Familie nach Großbritannien. Er studierte Anglistik und Philosophie, danach Kreatives Schreiben und war hauptberuflich Sozialarbeiter, bevor er sich ab 1983 rasch als freier Schriftsteller etablierte.

Kazuo Ishiguro ist ein Schriftsteller, der beides glänzend beherrscht: tiefgründig und zugleich packend zu erzählen. Er gilt als Meister der Melancholie.

Internationale Berühmtheit erlangte er durch seinen Bestseller „Was vom Tage übrig blieb“, für den er 1989 den renommierten Booker Prize erhielt und der ebenso erfolgreich verfilmt wurde wie sein 2005 veröffentlichter dystopischer Roman „Alles, was wir geben mussten“.

Nachdem Ishiguro mit seinem Debüt „Damals in Naga­saki“ beeindruckte, dem Porträt einer von späten Schuldgefühlen heimgesuchten Mutter, umfasst sein Œuvre nunmehr sieben Romane, Kurzgeschichten, daneben Drehbücher und Liedtexte.

Sein dritter und berühmtester Roman „Was vom Tage übrigblieb“ wurde 1989 mit dem Booker Prize ausgezeichnet.


Kazuo Ishiguro

Kazuo Ishiguro lebt heute in London.

Sonntag, 3. November 2024

Georg Trakl gilt als einer der bedeutendsten Dichter des Expressionismus

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e3/GeorgTrakl.jpg/220px-GeorgTrakl.jpg


Georg Trakl gilt neben Gottfried Benn (1886-1956) und Georg Heym (1887-1912) als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Epoche des Expressionismus.

Anders als die anderen Vertreter seiner Zeit, erschuf Trakl eine eigene, tiefsinnig-depressive und chiffrenhaltige Welt, die in ihren erzeugten Bildern eine typisch "schwermütige Grundstimmung" vermittelt.

Seine Gedichte spiegeln das Genie des Dichters wieder. Sie sind ein Spiegel der Zeit und exemplarisch für die Ideen ihrer Epoche. Sie bringen das vorherrschende Gefühl der Düsternis zum Ausdruck.

Trakls Schaffen lässt sich in vier Phasen untergliedern. Die erste Phase bezieht sich auf seine Jungwerke, welche durch zwei Einflüsse stark geprägt wurden, zum einen Nietzsche und die Strömungen des Jugendstils und zum anderen der Symbolismus.

In der zweiten Schaffensphase (ca. 1909–1912) ist der expressionistische Reihungsstil, den er selbst charakterisiert als „meine bildhafte Manier, die in vier Strophenzeilen vier einzelne Bildteile zu einem einzigen Eindruck zusammenschmiedet“.

Seine späteren Werke (ca. 1912 bis 914) liegen in seiner dritten Phase, welche durch die hohe poetische Suggestivität der Bilder eine großen semantischen Offenheit erzeugt. Dieser hermetisch-abstrakte Stil und das Bestreben Eindeutiges zu verunklaren, bildet einen Individualistil.

Die letzte Phase von 1914 bis zu seinem Ableben beinhaltet viele seiner postum veröffentlichten Werke. Sie ist geprägt durch seine Kriegserfahrung und einen archaisch-apokalyptischen Tenor wie beispielsweise in den drei Werken »Im Osten«, »Klage« und »Grodek«.

Weblinks:

Georg Trakl - Leben und Werk - www.georgtrakl.at

Georg Trakl Lyrik-Portal - www.georgtrakl.at

Biografien:<

Georg Trakl
Georg Trakl von Gunnar Decker

Georg Trakl: Dichter im Jahrzehnt der Extreme
Georg Trakl: Dichter im Jahrzehnt der Extreme
von Rüdiger Görner

Samstag, 19. Oktober 2024

»Faust - Der Tragödie erster Teil« von Johann Wolfgang von Goethe

Faust - Der Tragödie erster Teil


Goethe schrieb über 60 Jahre an seinem »Faust« und nannte "diese sehr ernsten Scherze" am Ende sein "Hauptgeschäft". Goethes »Faust« ist ein Klassiker.

1797 – also 22 Jahre nach dem »Urfaust« – nahm Goethe die Arbeit am »Faust« wieder auf, ermuntert durch Friedrich Schiller. Er fügte dem »Fragment« die einleitenden Szenen »Zueignung«, »Vorspiel auf dem Theater« und »Prolog im Himmel« hinzu. Aus der Geschichte um ein unglücklich gemachtes Mädchen und einen verzweifelten Wissenschaftler war ein Menschheitsdrama zwischen Himmel und Hölle geworden.

Die endgültige Fassung der bereits im »Urfaust« und im »Fragment« enthaltenen Szenen sowie die Ausführung der »Walpurgisnacht« erfolgt bis 1806. Das Werk ging als »Faust. Eine Tragödie« für die Ostermesse 1808 in Druck.
Dr. Heinrich Faust, ein wissbegieriger Akademiker, resigniert über die Tatsache nicht alles wissen zu können. Da kommt ihm das Angebot vom hinterlistigen Mephisto ganz gelegen: Er verjüngt den alten Faust und zeigt ihm die "kleine und die große Welt", in Teil I die irdischen Freuden der Liebe. Dafür soll Faust ihm im Jenseits dienen. Schade nur, dass der Plan nicht aufgeht, weil Gretchen das Opfer der Begierde ist.

In dem Buch »Faust - Der Tragödie erster Teil« geht es um den Herrn Magister Doktor Faust, welcher als Lehrer, Schwarzmagier und in vielen beriechen der Wissenschaften arbeitet und denkt er wisse sogut wie als über die Welt und ihre Funktions weisen, was ihn so sehr verzweifelt, dass er einen Selbstmord zu begehen versucht aber scheitert.

Faust, auf dem tiefsten Punkt seiner theoretischen Verzweilfung, hat beschlossen, sich umzubringen. Die Chöre der Osternacht halten ihn von seiner Absicht zurück, als er das Giftfläschen schon an den Lippen hat. Er kehrt ins Leben zurück.

Um diesen Doktor dreht sich auch eine Wette zwischen dem Herren und Mephistopheles, dem Teufel, der sich um die Dienste des Faustes für den Herren dreht. Mephistopheles schleicht sich dann als Pudel in das Haus des Faustes ein, zeigt ihm seine (fast) wahre Gestalt und versucht ihn zu verderben. Er bringt ihm dazu das Gebräu einer Hexe zu und Alkohol zu trinken. Der Geist hilft seinem Helden aus der Klemme.

Goethe legte seinem Faust, der zweifellos Züge Fichtes aufweist, die folgenden Worte in den Mund:


Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!«
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!




Ausserdem bringt Mephistopheles den Suchenden mit Magarete zusammen. Der Faust ist darauf hin in Magarete so verliebt, das er ihren Bruder Valentin in einem Duell umbringt. Worauf hin Magarete verrückt wird und in den Kerker wandert und als Faust versucht sie zu befreien stirbt.


Mephistopheles ist ein wahrer Verwandlungskünstler, der sich laufend verwandelt und andere Gestalt annimmt fluorezierendes Wesen, das ganz in seinen Wandlungen lebt. Er entsteigt einem Hund. Sloterdijk, S. 331 f.

Die Tragödie mit immer währenden Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hat bis heute nicht ihren Reiz verloren. Immer wieder ist der Mensch Versuchungen ausgesetzt und muss zwischen Kopf und Bauch abwägen.

Literatur:

Faust - Der Tragödie erster Teil
Faust - Der Tragödie erster Teil
von Johann Wolfgang von Goethe



Weblinks:

Faust – Der Tragödie erster Teil -
Drama von Johann Wolfgang von Goethe - www.inhaltsangabe.de

Wie "Faust" entstand - www.br.de/telekolleg

Blog-Artikel:

»Faust II oder Der Tragöde zweiter Teil«

»Verklärter Herbst« von Georg Trakl




Gewaltig endet so das Jahr
mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
das geht in Ruh und Schweigen unter.

»Verklärter Herbst« von Georg Trakl




Gedichte:

Georg Trakl - Sämtliche Gedichte

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Das Märchen "Hänsel und Gretel"

Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch von den Gebrüdern Grimm

"Hänsel und Gretel" gilt als das deutscheste und bekannteste aller Grimm-Märchen. In Märchen folgt der Leser den mutigen Kindern auf ihrem gefährlichen Weg durch den Wald und spürt auf, welche Alltags-, Tatsachen- und Geschichtskerne in dem Märchen verborgen sind.

Die Geschichte von "Hänsel und Gretel" beginnt mit einem Schock: Zwei Kinder werden von ihren Eltern im Wald ausgesetzt. Es herrscht große Not, eine große Teuerung und als Folge eine Hungersnot. Erfahrungen, die sich den Menschen tief ins Gedächtnis eingeprägt und sich im Märchen niedergeschlagen haben.

Das Märchen erzählt von einer Holzhackerfamilie – arm und missachtet wie viele andere in diesem einst weitverbreiteten Beruf. Menschen vom unteren Ende der sozialen Stufenleiter haben Krisen und Notzeiten naturgemäß am härtesten erfahren. Die Kinder von Holzfällern mussten mitarbeiten. Sie wussten alles über den Wald, aber Aufstieg durch Bildung – von dieser Möglichkeit waren sie weit entfernt. Überall herrschte Mangel.

Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch von den Gebrüdern Grimm

Das Märchen erzählt von den verzweifelten Versuchen, diesem Mangel zu entkommen. So enthält jedes der Märchen-Motive Nachrichten aus der Wirklichkeit. Mit wenigen Strichen wird die Lebenswelt der Kinder skizziert. Der Wald, in den sie gehen, steht für alles Bedrohliche. Dort gibt es wilde Tiere und unbekannte Gefahren. Aber der Wald kann auch zum Zufluchtsort werden. Und in der Zeit der Romantik, die auch Jacob und Wilhelm Grimm geprägt hat, wird der Wald idealisiert zum Reich der Fantasie. Das Hexenhäuschen aus Kuchen und Zucker, die Hexe selbst und ihre Hinterlist, all das kann jedes Kind mühelos verstehen.

Das Märchen "Hänsel und Gretel" hat entschlüsselt einen historischen Kern. Die Hexen waren in Wirklichkeit einsame, alte Frauen, die am Waldrand wohnten und zum Opfer von Hexenverfolgungen wurden, die erst kurz vor der Lebenszeit der Brüder Grimm ein Ende fanden. Und dann gibt es im Märchen noch einen Schock: Die Hexe will Hänsel fressen. Gab es so etwas wirklich? Die meisten Berichte über Kannibalismus, die in den Archiven liegen, sind übertrieben, sind böse Gerüchte, die zum Beispiel während des Dreißigjährigen Krieges verbreitet wurden, um den Gegner zu verleumden oder um das eigene Elend deutlich zu machen. Aber die Angst, dass es wirklich passieren könnte, reichte oft schon aus, um die Menschen in Atem zu halten.

Ist dieses Thema zu brutal für Kinder, also ganz unangebracht im Märchen? Nein, denn Kinder können das Geschehen im Märchen aus sicherer Distanz beobachten und nacherleben. Sie lernen dabei, wie andere Kinder große Gefahren und höchste Not meistern. Am Ende gewinnen sie – wie Hänsel und Gretel – Selbstvertrauen und Sicherheit. Auch diese Art von Ermutigung gehört zur Magie der Märchen. Die Märchen-Forscherin Sabine Wienker-Piepho sagt: "Märchen sind keine Ponyhof-Geschichten. Märchen gehen richtig zur Sache, da geht es wirklich um das Allerschlimmste. Märchen gehen richtig zur Sache, da geht es wirklich um das Allerschlimmste. Aber – und das macht einen Großteil ihres Erfolges aus – in aller Regel finden sie ein gutes Ende.

Märchen:

Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch Hänsel und Gretel: Vorlesebuch und Geschenkbuch von den Gebrüdern Grimm

Grimms Märchen. Vollständige Ausgabe
Grimms Märchen. Vollständige Ausgabe

»Die schlesischen Weber« von Heinrich Heine


Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch -
wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

»Die schlesischen Weber« von Heinrich Heine


Montag, 23. September 2024

Gedanken zu Herbst

Parkbank in der Herbstsonne

Ein Herbsttag ist ein sinnliches Ereignis, denn die Natur legt ihr Kleid ab und verwandelt sich in eine stille .
Immer wieder besungen von Dichtern. Kein Wunder also, daß die Poeten in dieser Jahreszeit ihre besten Gedichte schreiben.

Der Herbst ist die Zeit der Reife und der Ernte, in der die reifen Früchte vom Baum fallen. Die Natur legt ihr Kleid ab.
Diese kühle Jahreszeit ist eine Zeit des Überganges, in der die Sonne mühsam den Schleier des Nebels zerreißt, der auf dem Land liegt.
Die tiefer stehenden Sonne lässt das goldene Herbstlicht entstehen.

Der Herbst legte sich mit seinem bunten Farbenspiel auf die Landschaft. Die Natur zeigte sich verschwenderisch in der Pracht all ihrer Farben. Sie begann nun, ihre Früchte auszuschütten. Ein Früchteteppich überzog den Boden des Waldes.

Im Zusammenhang mit der tief stehenden Sonne entsteht das goldene Herbstlicht.
Das farbenprächtige Naturschauspiel kündigt aber schon langsam den Übergang von Herbst zum Winter an.

Wenn die Tage deutlich kürzer werden und die Temperaturen allmählich sinken, tritt ein farbenprächtiges Naturschauspiel auf.
Im Goldenen Oktober ist mit der Laubfärbung der Bäume der Höhepunkt des Herbstes erreicht.

Der Herbst hatte Einzug in der Natur gehalten. Diese Zeit war ein Abschied. Die Kraft der Natur lässt nach und alles richtet sich auf den nahenden Winter ein. Der Wind trieb sein Spiel mit den Blättern, wehte das Laub von den Bäumen und wirbelte es umher bevor es zu Boden fiel.

Samstag, 21. September 2024

"Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur" von Claudio Magris

Claudio Magris

Mit 24 Jahren veröffentlichte der Triestiner Jung-Germanist 1963 seine auf Italienisch geschriebene Doktorarbeit, die ihre Generalthese bereits im Titel trug: "Il mito absburgico nella letteratura austriaca moderna" (deutsch 1966: "Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur"). Kein Literat hat das Phänomen der Habsburger Monarchie in seiner ganzen Zwiespältigkeit zwischen Sehnsucht, Ablehnung und Spott früher, genauer und scharfsichtiger erkannt als der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2009, Claudio Magris. Auf ca. 361 Seiten wird der habsburgische Mythos der "guten alten Zeit" analysiert, wobei Claudio Magris oft zu dem Schluss kommt, dass sich viele Dichter nur in eine Scheinwelt flüchteten, während die Donaumonarchie unterging.



Diese enthält die bis heute wichtigste und einflussreichste Theorie, die bislang zur österreichischen Literatur entwickelt wurde; sie handelt vom habsburgischen Mythos in der modernen österreichischen Literatur. Den „habsburgischen Mythos“ konstituieren nach Magris grundsätzlich drei Elemente: Als ersten Teil sieht er die religiös aufgeladene Vorstellung eines im Zeichen einer höheren Idee gegründeten Reiches mit der Überlebenstaktik des defensiven Hinausschiebens und Sichtotlaufenlassens des Konfliktes („Das Fortwursteln, um einen Vielvölkerstaat zusammenzuhalten“).

Claudio Magris

Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur

Das weitere Element bezeichnet die positive bürokratische Mentalität und Qualität der Monarchie. Magris greift dabei auf Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil und Franz Werfel beziehungsweise auf das Leitmotiv des „theresianischen Menschen“ zurück und sieht die Donaumonarchie von einer „wenig fühlbaren, alle Spitzen vorsichtig beschneidenden Bürokratie“ verwaltet und bezeichnet als dessen verkörperte unbestechliche Dienstpragmatik den „Workaholic“ Kaiser Franz Joseph.

Als drittes Grundmotiv ortet Magris den Hedonismus der habsburgischen Untertanen zwischen Oper, Theater, Tanzsälen, Wirts- und Kaffeehäusern mit der musikalischen Grundstimmung der Fledermaus. Der Habsburg-Diagnostiker Magris hat mit dem u. a. Grillparzer, Hofmannsthal, Musil, Bernhard, Werfel, Zweig, Roth, Bachmann oder auch die Menasses beeinflussenden „Mythos“ der österreichischen Literatur ein Eigenrecht (weg vom alpenländisch-exotischen Anhängseldenken) in der deutschen Literatur zugebilligt und gegeben.

Magris' Buch ist bis heute die wichtigste, einflussreichste Theorie, die je zur österreichischen Literatur entwickelt wurde: ein Epochenbuch über eine sonderbare Epochenverschleppung, das frisch geblieben ist wie wenige: Die seither erschienene österreichische Belletristik bestätigt ungewollt, wie triftig die damals revolutionären Ansichten des Literatursoziologen immer noch sind.

Anstatt, wie bei deutschen Germanisten üblich, die Werke der Österreicher nur als alpenländisch-exotisches Anhängsel der deutschen Literatur wahrzunehmen, billigt ihnen Magris ein Eigenrecht zu.

Claudio Magris' Buch über den habsburgischen Mythos ist in den vierzig Jahren seit seiner Entstehung selbst zum Mythos geworden, zum "Lebensroman seines Autors", ja zur "Karte seiner geistigen und kulturellen Geographie", wie Magris nun im Vorwort zur Neuauflage schreibt.

In sechs Kapiteln - von der Zeit Maria Theresias über Nestroy und Grillparzer zu Hofmannsthal, Kraus und Musil - zeichnete der damals 20-jährige Triestiner die Geschichte der habsburgischen Kultur nach und versuchte, in der Vielfalt eine "große Linie zu finden". Magris' viel diskutiertes Buch legte damit den Grundstein zu der Wiederentdeckung des k.u.k. Österreich, seiner kulturellen Kontinuitäten und politischen Brüche. Neue, durchgesehene Ausgabe.

Literatur:

Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur
Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur
von Claudio Magris

Samstag, 14. September 2024

»Der Nachsommer« von Adalbert Stifter

Der Nachsommer

Der Nachsommer

»Der Nachsommer« mit dem Untertitel »Eine Erzählung (1857)« ist ein zwischen 1847 und 1857 entstandener Roman in drei Bänden von Adalbert Stifter. »Der Nachsommer«, Stifters vielleicht bekannteste Schöpfung, zählt gehört zu den großen Bildungsromanen des 19. Jahrhunderts. Im Stil des Biedermeier erzählt der Entwicklungsroman die Lebens- und Familiengeschichte seines Protagonisten, der im Verlauf des Buches zu einem reifen Mann wird.

Es gibt Romane, die sind wie eine nacherzählte Lebensgeschichte, welche das eigene Leben im milden Licht eines geglückteren Entwurfes erscheinen läßt. Der »Nachsommer« ist eine literarische Annäherung an Adalbert Stifter. Mit seiner durch und durch autobiografischen Grundierung ist das Werk an Stifters Leben entlanggeschrieben und vergegenwärtigt dieses Leben. Es ist der idealisierte Entwurf eines geglückten Lebens und zugleich auch die Korrektur von Stifters eigener Geschichte. Nachdem es das erste und eigentliche Mal ganz anders war, liefert der Autor, der ein Dichter und Träumer war, gewissermaßen die verbesserte Ausgabe. Dieses Mal glückt alles. Also kein vaterloses, gefährdetes Leben, gefolgt von einem lebnslänglichen Chaos wie bie Stifter, sondern eben ein Leben, das man ein glückliches nennen kann.

Ein junger Naturforscher bittet in einem abgelegenen, über und über mit Rosen bedeckten Landhaus um Unterschlupf vor einem drohenden Gewitter. Er wird von dem älteren Hausbesitzer freundlich aufgenommen, kehrt auf seinen Reisen immer wieder dorthin zurück und heiratet schließlich die Ziehtochter seines Gastfreundes. Mit diesen Sätzen wären die knapp 800 Seiten von Stifters „Nachsommer” schon so gut wie vollständig zusammengefasst.

Der Nachsommer
Der Nachsommer

Die Handlung dreht sich um die verschieden gearteten Leben zweier Paare, wobei das jüngere von beiden in Glück und frischer Liebe schwebt, das ältere hingegen durch seine Seelenreife und gemeinsamen Erlebnisse andere Empfindungen der Zufriedenheit verspürt - gewissermaßen einen Nachsommer ihrer Liebe durchlebt. Dabei gelingt es der jungen Beziehung, von den Erfahrungen des älteren Paares zu lernen und zu profitieren.

Zwei liebende Paare stehen im Vordergrund dieses warmherzigen Romans: Das jüngere beschließt nach schüchterner Annäherung schließlich zu heiraten, das ältere erlebt eine späte Liebe »in Glück und Stetigkeit, gleichsam einen Nachsommer ohne vorhergegangenen Sommer.«

Adalbert Stifter

Entschleunigung ist der Schlüssel zu diesem Buch. Wer dieses Tempo nicht annehmen kann oder mag, dem muss »Der Nachsommer« als Krönung der Langeweile erscheinen. Allerdings entgeht diesem Leser dann auch ein Kunstwerk des humanen Entwicklungs- und Bildungsideals, welches eben die Seele des Werkes ist.

Natürlich ist dieses Bildungsideal in der jetzigen Welt, in der Bildung rein marktwirtschaftlich wettbewerblich verstanden wird und nicht die Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zum Zweck hat, so weit außerhalb unseres Radars, dass dieses Buch heute wohl kaum noch die Leser findet, die es verdient.

Der Entwicklungsroman ist an der Biografie seines Autors entlanggeschrieben. Er ist ein idealisierter Gegenentwurf zu seinem tatsächlichen Leben.

»Der Nachsommer« wurde gerade von Schriftstellern bewundert und geliebt. Die Bewunderer Stifters unter den Lesern, die selbst schreiben, sind und waren zahlreich. Schließlich geht es hier um die Sprache als seine Weise der Vergegenwärtigung der Welt.

Stifters Nachsommer ist kein schlechtes Werk, doch ist es wahrlich nur für sehr geduldige Leser geeignet. Ich mag Bildungsromane, die meist durch eine gewissen Stille geprägt sind. So fand ich zum Beispiel Hesses Glasperlenspiel sehr schön. Auch die ersten paar hundert Seiten des Nachsommers fand ich noch ansprechend. Ich mochte die Atmosphäre, die Sanftheit, die Naturbeschreibungen. Aber irgendwann fand ich es einfach zu übertrieben.

Die immer wiederkehrende Beschreibung unwesentlicher Details, die endlosen Monologe über Kunst, Kultur und Politik sowie das vollständige Ausbleiben von Handlungsfortschritten waren mir irgendwann zu viel. Dann begann ich, die Seiten enttäuscht zu überfliegen. Ich hatte den Eindruck, Stifter versuchte hier krampfhaft, seine gesamte Weltsicht en detail in einen Roman zu pressen. So entstand aber ein Missverhältnis zwischen der mangelnden Handlung und dem Übermaß an Darlegung der Weltanschauung.

"Ein Klassiker ist ein Buch, das jeder lobt und niemand liest.", sagte Mark Twain einmal.
Dieses Buch ist ein Klassiker und verdient es, nicht nur gelobt, sondern auch gelesen zu werden.
In der Tat macht es der Autor dem Leser nicht leicht, in erster Linie deswegen, weil man zur Lektüre braucht, was vielen in der heutigen Zeit abgeht, Zeit und Muße. Wie jedes große Kunstwerk erschließt sich das Buch nicht sofort und nicht beim flüchtigen Lesen.

Literatur:

Der Nachsommer


Der Nachsommer von Adalbert Stifter - Gebundene Ausgabe - 1. Januar 2007

»Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch« von Jean Paul


Es ist ein Reisebericht, in dem der Luftschiffer, Jean Paul als dessen Sprachrohr, die Montgolfiere aufsteigen lässt, zu fantastischen, skurrilen Ausflügen über Deutschland, bis in die Schweiz und die Schweizer Berge. Dabei schaut Giannozzo, über den Dingen schwebend, jedoch noch nah genug, um alles Wesentliche zu sehen, mit einem spöttischen, höhnischen, teilweise auch beseelten, ja extrem sentimentalen Blick auf seine Zeitgenossen und karikiert den damaligen kleinbürgerlichen, ich-bezogenen Zeitgeist.


Die Luftschiffausflüge entstehen in der Imagination und sind Zeugnis dafür, dass der Autor sowohl unter der Betrachtungsweise, Metaphorik als auch Mystik, seiner Zeit weit voraus war. Jean Paul erweist sich darüber hinaus auch in diesem Werk wieder einmal als ganz genialer Sprachschöpfer, als Meister des ironischen, satirischen und humoristischen Sprachstils.

»Noch sonnen die goldgrünen Alpen ihre Brust, und herrlich arbeiten die Lichter und die Nächte in den aufeinander geworfenen Welten der Schweiz durcheinander; Städte sind unter Wolken, Gletscher voll Glut, Abgründe voll Dampf, Wälder finster, und Blitze, Abendstrahlen, Schnee, Tropfen, Wolken, Regenbogen bewohnen zugleich den unendlichen Kreis.«


»Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch«, Jean Paul (1803)

Jean Paul kennt drei Wege, glücklicher zu werden: »Der erste, der in die Höhe geht, ist: so weit über das Gewölke des Lebens hinauszudringen, der zweite ist: gerade herabzufallen ins Gärtchen und da sich so einheimisch in eine Furche einzunisten, der dritte endlich ist der, mit den beiden andern zu wechseln.« Für den ersten Weg entscheidet sich Giannozzo, der sich mit seinem Luftschiff über die Erde erhebt und den Jean Paul einem Freund gegenüber als sein Sprachrohr bezeichnete.


Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch

Der Luftschiffer Giannozzo schwebt über den Dingen, im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinne. Er sieht die Welt aus einer Perspektive, die anderen verschlossen bleibt, nämlich von oben - und dabei zum Beispiel den Herrn Zensor bei außerehelichen Anbahnungen. Er nimmt regen Anteil - gerne auch als Sensation und Hauptperson - an den schalen Vergnügungen der Gesellschaft in Deutschlands Duodezfürstentümern – und hat meistens der Vorteil der uneinholbaren Flucht, wenn er es zu toll getrieben hat.

Jean Paul, 1763 geboren und 1825, gestorben steht literarisch gesehen zwischen Klassizismus und Romantik und spiegelt in seinen Werken das gesamte weltanschauliche Spektrum seiner Zeit wieder. Er war ein sehr eigenwilliger und extrem sentimentaler Autor, ein Zeitgenosse Goethes, aber sein Verhältnis zu Goethe und Schiller war immer ambivalent. Jean Paul interessierte sich für andere Wissenschaften, darunter vor allem für die Astronomie. Letzteres brachte ihm häufig den Ruf ein, er sei ein Träumer und Phantast.

Zwischen klassischem Ernst und romantischer Ironie zeichnen sich seine Werke vor allem dadurch aus, dass er mit geistreicher Ironie, in einem Potpourri von wohlwollendem Humor und beißender Satire, auch Gesellschaftskritik fokussierte, wie in dem Klassiker »Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch«. Der nicht leicht zu lesende Klassiker, 1801 geschrieben, 1803 erschienen,, ist eigentlich ein „ komischer Anhang“ ,so Jean Paul, zu seinem 900 seitigen Kardinal- und Kapitalroman »Titan«. Die bildreiche und für die damalige Zeit sehr witzige Sprache aus dem Werk »Titan« findet sich in wesentlichen Fragmenten auch in diesem „Anhang“ wieder.

Literatur:


Des Luftschiffers Gianozzos Seebuch
von Jean Paul

Der historische Roman und die Realität

Mehr als jede andere Gattung muss sich der historische Roman seit jeher, in diesem Fall also seit gut zweihundert Jahren, mit der Frage herumschlagen, wie er es denn jeweils mit der Realität hält - mit dem, was wir von der Epoche insgesamt und von den Ereignissen konkret zu wissen glauben, von denen er erzählt oder die den Hintergrund seiner Handlung bilden. Populär wurde die Gattung mit den Romanen Walter Scotts, mit "Waverley" (1814) und "Ivanhoe" (1820), und geprägt sind diese Werke von einer großen Liebe des Autors zu exakt umrissenen Schauplätzen und historisch verorteten Handlungen.

"Ivanhoe" etwa beginnt mit: "Des glücklichen Englands lieblicher Bezirk, durch den der Fluss Don seine Wasser führt, trug in alten Zeiten mächtigen Wald, der mehr als die Hälfte der anmutigen Täler und Hügel zwischen Sheffield und dem freundlichen Städtchen Doncaster bedeckte", dann folgt der Hinweis auf den "Zeitabschnitt gegen Ende der Regierung Richards I., da seine im Joch der Unterdrückung schier verzweifelnden Untertanen des Königs Rückkehr aus langer Gefangenschaft heiß ersehnten, doch kaum erhofften".

Alles soll stimmen, alles soll Wirklichkeit und aus den Quellen belegt sein, und schon der frühe deutsche "Ivanhoe"-Übersetzer Karl Immermann klagte über Faktenhuberei, "müßige historische Expositionen und übel angebrachte Gelehrsamkeit", denn Scott sei "halb Historiker, halb Poet, diese Spaltung wirkt erkältend auf sein bildendes Vermögen". Immermanns Frage nach dem Verhältnis von Welt und Dichtung ließe sich jedenfalls an unsere Gegenwartsliteratur mit dem gleichen Recht, vielleicht sogar noch etwas dringlicher stellen.

Gerade in Deutschland machte Scotts Beispiel Schule, aber natürlich wirkte auch die Kritik daran nach. So betonen umgekehrt die Autoren heutiger historischer Romane gern ihre Zeitgenossenschaft durch gezielte Anachronismen oder Verweise auf die Gegenwart, indem sie ihre Protagonisten ausgesprochen modern denken und argumentieren lassen. Oder sie nutzen die Freiheit des Romanciers noch sehr viel weitergehend.

Am schönsten bringt das der englische Autor Lawrence Norfolk auf den Punkt. Im Nachwort zu seinem 1991 erschienenen Roman "Lemprière's Wörterbuch" erläutert er, dass ein Geranientopf, der in seinem Roman an einem bestimmten Moment in einer bestimmten Straße vom Fensterbrett fällt, selbstverständlich authentisch sei. Zugleich ist sein oberirdisch so überkorrekt reproduziertes London auf einem gigantischen Saurierskelett errichtet, das den gesamten Untergrund der Stadt ausfüllt.


"Mein Name sei Gantenbein" von Max Frisch - ein Spiel mit der Identität


Max Frisch

In seinem Roman "Mein Name sei Gantenbein" wendet sich Max Frisch seinem Thema der Identitätsfindung zu. In "Mein Name sei Gantenbein" spielt er virtuos mit Rollen und Personen auf der Meta-Ebene.

Frisch lässt die Hauptfigur sich in immer wieder verschiedene Situationen hineindenken, ohne daß der Roman eine wirkliche Handlung hätte.

Bitter die Ironie, daß Gantenbein erst zum glücklichen Menschen wird, nachdem er der Welt vorspielt, blind zu sein und so zu tun, als sähe er deren Fehler nicht.

Mein Name sei Gantenbein

Ist ein imaginiertes Leben denkbar - ist der Mensch gar Meister seiner selbst, frei entscheidender Erzähler seines Lebens? Gewisse Lifestyle-Bücher mögen es in teils amerikanischer Manier einfach behaupten; Max Frisch macht die Probe aufs Exempel. Gantenbein ist nur eine der Identitäten des Autors. Blind ist er scheinbar, um die anderen besser zu beobachten. Die Handlung verdient den Namen kaum; komplex geht es zu, doch zieht Frisch den Leser immer mehr in den Bann.

Frisch setzt sich in diesem Roman vermutlich stärker und deutlicher als zuvor mit dem Problem der Identitätsfindung auseinander: indem das erzählende Ich verschiedene Situationen als einer der drei Protagonisten ,,durchspielt", sucht es nach seiner eigenen Identität. Dabei findet es besonders Gefallen an Gantenbein, deshalb der Titel. Gantenbein ist in der Lage seine Rolle zu wechseln, sein Spiel mit der Gesellschaft hat Erfolg.

Max Frisch führt in "Mein Name sei Gantenbein" die Brüchigkeit menschlicher Identität vor. Das geht so weit, dass er seine Personen im Roman immer wieder neu erfindet. Der Erzähler selbst tritt in das Geschehen ein, überlegt sich, welche Rolle er annehmen will, und spielt mit der Identität der anderen Personen. Erzählung und Erzähler, Geschichte und Wirklichkeit, wahres und falsches Ich fließen auf verwirrende Art ineinander.

In keinem anderen Roman hat Max Frisch das Spiel mit der ldentität, die Frage: Was wäre, wenn ...?, mit solch leichter Hand durchgespielt wie in dem Roman "Mein Name sei Gantenbein".

Der Ich-Erzähler erfindet sich neu, nachdem er von seiner Frau verlassen wurde - er wird zum (scheinbar) blinden Theo Gantenbein. Eine besondere ldentität Wunderbar beschreibt Frisch, wie ungeniert sich Menschen benehmen, wenn sie glauben, das Gegenüber sähe sie nicht.

Eine nette Pointe: Der "blinde" Gantenbein verblüfft die Umwelt mit der Fähigkeit, bei Tisch Fische zu zerlegen. Trotzdem ein nachdenklich stimmendes Buch.

Literatur:

Mein Name sei Gantenbein

Mein Name sei Gantenbein

Samstag, 7. September 2024

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch


Niemand hat das versunkene Habsburgerreich mit zärtlicherer Sympathie wie eine rückwärtsgewandte Utopie mythisiert als Joseph Roth (1894 bis 1939), der große Erzähler, Trinker und Monarchist aus dem Kronland Galizien. Seine Romane »Radetzkymarsch« (1932) und »Die Kapuzinergruft« (1938) halten eine delikate Balance zwischen tragischer Ironie und Sentimentalität, sie schweben zwischen Zerrbild und Musterbild.

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth ist ein Marsch des Abgesangs der Donaumonarchie. Mit seinem Roman »Radetzkymarsch« gelangte Joseph Roth zu internationalem Ruhm. Roth zeichent drain die Veränderungen in der Habsburger Monarchie beginennd mit der Schlacht von Solferino 1865 bis zum Ende nach.

Mit Leib und Seele ist der feinfühlige Offizier Carl Joseph Trotta ein Kind Österreich-Ungarns: Der Großvater, der als Soldat dem damals noch jungen Franz Joseph I. das Leben rettete, ziert als 'Held von Solferino' die Geschichtsbücher, der Vater steht als Beamter ganz im Dienst des Kaiserreichs.

Während die einst mächtige Donaumonarchie ihren schleichenden Niedergang erlebt, keimen in dem Sohn Schwermut und Schuldgefühle. Joseph Roths kunstvoll-melancholischer Roman von 1932 zählt wegen seiner stilistischen Brillanz zu den Glanzstücken der europäischen Literatur.

Bei Roth vollzieht sich das Schicksal des Beamten- und Offiziers-Clans derer von Trotta übrigens parallel zum Untergang der Monarchie: Bezirkshauptmann Franz von Trotta, ein treuer Staatsdiener, der seinem Kaiser bis hin zur Backenbartmode untertänigst nacheifert, stirbt nicht zufällig am Tag der Beisetzung Franz Josephs im Jahr 1916.

Ein sehr schöner Klassiker, der die Zeiten des alten Österreichs noch einmal aufleben lässt und anhand der sehr schön gestalteten Charaktere ein tolles Sittengemälde von damals wiedergibt.

Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Literatur:

Radetzkymarsch


Radetzkymarsch von Joseph Roth

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch


Niemand hat das versunkene Habsburgerreich mit zärtlicherer Sympathie wie eine rückwärtsgewandte Utopie mythisiert als Joseph Roth (1894 bis 1939), der große Erzähler, Trinker und Monarchist aus dem Kronland Galizien. Seine Romane »Radetzkymarsch« (1932) und »Die Kapuzinergruft« (1938) halten eine delikate Balance zwischen tragischer Ironie und Sentimentalität, sie schweben zwischen Zerrbild und Musterbild.

»Radetzkymarsch« von Joseph Roth ist ein Marsch des Abgesangs der Donaumonarchie. Mit seinem Roman »Radetzkymarsch« gelangte Joseph Roth zu internationalem Ruhm. Roth zeichent drain die Veränderungen in der Habsburger Monarchie beginennd mit der Schlacht von Solferino 1865 bis zum Ende nach.

Mit Leib und Seele ist der feinfühlige Offizier Carl Joseph Trotta ein Kind Österreich-Ungarns: Der Großvater, der als Soldat dem damals noch jungen Franz Joseph I. das Leben rettete, ziert als 'Held von Solferino' die Geschichtsbücher, der Vater steht als Beamter ganz im Dienst des Kaiserreichs.

Während die einst mächtige Donaumonarchie ihren schleichenden Niedergang erlebt, keimen in dem Sohn Schwermut und Schuldgefühle. Joseph Roths kunstvoll-melancholischer Roman von 1932 zählt wegen seiner stilistischen Brillanz zu den Glanzstücken der europäischen Literatur.

Bei Roth vollzieht sich das Schicksal des Beamten- und Offiziers-Clans derer von Trotta übrigens parallel zum Untergang der Monarchie: Bezirkshauptmann Franz von Trotta, ein treuer Staatsdiener, der seinem Kaiser bis hin zur Backenbartmode untertänigst nacheifert, stirbt nicht zufällig am Tag der Beisetzung Franz Josephs im Jahr 1916.

Ein sehr schöner Klassiker, der die Zeiten des alten Österreichs noch einmal aufleben lässt und anhand der sehr schön gestalteten Charaktere ein tolles Sittengemälde von damals wiedergibt.

Roth, das nomadisierende Chamäleon, unterlag dabei zahlreichen Wendungen in seinem Leben: Er begann als Gefühlssozialist und endete als kakanischer Monarchist, ja Legitimist: Die Unantastbarkeit des habsburgischen Geschlechts stand für ihn außer Frage.

Literatur:

Radetzkymarsch


Radetzkymarsch von Joseph Roth

Erzählkunst des Joseph Roth

Joseph Roth


Joseph Roth war ein in Gallizien geborener bekannter österreichischer Schriftsteller, Erzähler und Journalist des 20. Jahrhunderts. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Erzähler. Roth war ein Schiffbrüchiger, ein Gestrandeter.

Joseph Roth (1894-1939) gilt manchen als ein Wunderrabbi im Kleid des Gentlemans, der mit dem Alphabet heilen konnte, anderen als schiffbrüchiger österreichisch-ungarischer Monarchist, der seinen Kummer über den Niedergang der Habsburger in Hektolitern Alkohol ersäufte. Selbst charakterisierte sich der galizische Jude, österreichische Dichter und katholische Trinker Roth als »böse, besoffen, aber gescheit« und traf damit wohl ins Schwarze.

Roth war - mit einem gern gebrauchten Wort - ein Dichter des Heimwehs, nicht der Heimat. „Ich habe keine Heimat, wenn ich von der Tatsache absehe, dass ich in mir selbst zu Hause bin und mich bei mir heimisch fühle“, bekannte er in einem Brief. Der erste Teil dieses Satzes war seine ewige Klage, der zweite eine glatte Lüge. Zerrissener als Roth improvisierte kein Schriftsteller sein Leben zwischen Starjournalismus und Dauersuff.

Joseph Roth


Roth, dessen Texte zum Feinsten zählen, was die deutsche Literaturgeschichte zu bieten hat, wurde durch seine Romane »Hiob«, »Radetzkymarsch« und »Kapuzinergruft« berühmt. In der Vor-Hitler-Zeit war er einer der bestbezahlten Zeitungsschreiber Deutschlands, im Exil galt er als einer der kompromisslosesten Gegner des Nazi-Terrors. Doch die politische Entwicklung gab ihm den Rest und machte aus einem fröhlichen Zecher einen zerrütteten Alkoholiker. Schluck für Schluck beging er Selbstmord und verbrannte wie ein bengalisches Feuerwerk. Ein jetzt vorliegender Band mit seinen gesammelten Erzählungen lädt ein, sich mit Joseph Roth zu beschäftigen.

Die Erzählungen
Die Erzählungen


Die scharfe Beobachtungsgabe und minutiöse Prosa, die seine Romane und Feuilletons auszeichnen, lassen sich auch in seinen kunstvollen Erzählungen bewundern. Als »eine der schönsten Legenden, die im 20. Jahrhundert gedichtet wurde« (Marcel Reich-Ranicki) hinterließ Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«, die kurz vor seinem Tod entstand.

Der chronologische Aufbau der zwischen 1916 und 1939 entstandenen Erzählungen vermittelt ein genaues Bild von der literarischen Entwicklung Joseph Roths: Der Bogen seiner Erzählkunst spannt sich vom Frühwerk Der Vorzugsschüler über »Die Legende vom heiligen Trinker«, »eine der schönsten Legenden, die im 20. Jahrhundert gedichtet wurde« (Marcel Reich-Ranicki), zur Novelle »Der Leviathan«, Roths letzter gleichnishafter Erzählung vom Korallenhändler Nissen Pizenik.

»Es gibt Dinge, die muss man vergessen. Sie sind zu schön, um wirklich zu sein.«

Joseph Roth »Die Legende vom heiligen Trinker«


Joseph Roth erzählt lauter alltägliche Geschichten, bevölkert von lauter traurigen Figuren, die lauter unglückliche Schicksale haben. Wie er diese Verliebten und Sonderlinge, diese Schmuggler und Rittmeister, Huren und Eisenbahner, Briefträger und Lehrer mit leichter Hand in unvergessliche Figuren verwandelt, grenzt an Zauberei und ist doch nichts als große Literatur.

Roth war ein Schriftsteller, der seine Heimat und auch seine Sprache verloren hatte. Joseph Roth starb vor 80 Jahren am 27. Mai 1939 an seinen Pariser Exil.


Sämtliche Erzählungen des »größten Schriftstellers, den Österreich je hervorgebracht hat« :

Die Erzählungen


Die Erzählungen von Joseph Roth

Samstag, 17. August 2024

»Madame Bovary« von Gustave Flaubert

Madame Bovary

»Madame Bovary: Sitten der Provinz« von Gustave Flaubert ist das Hauptwerk des französischen Realisten Gustave Flaubert. Der Roman handelt von den Sitten in der Provinz und der Zerstörung des bürgerlichen Lebens durch seine Ideale. Der Roman erzählt vom Schicksal einer unglücklich verheirateten, ehebrechischen Frau, die aus den traditionellen Konventionen der Gesellschaft ausbrechen will und aufgrund ihrer Treulosigkeit scheitert.

Madame Bovary: Sitten der Provinz
Madame Bovary: Sitten der Provinz



Die junge, ein wenig verträumte Emma Rouault heiratet den biederen Landarzt Charles Bovary in der Hoffnung auf ein beschauliches Leben. Schon bald aber nimmt ihr die erdrückende Enge dieser Ehe die Luft zum Atmen. Erst flüchtet sie sich in die berauschende Scheinwelt der Literatur, dann gibt sie den Verheißungen nach, findet aber auch in ihren Abenteuern mit wechselnden Liebhabern nicht, was sie sucht. Ihr Leben gerät aus der Bahn. Der Roman führte nach seinem Erscheinen 1856 zum Skandal. Mitreißend und brisant ist er bis heute geblieben. (Flaubert, Gustave 1821 - 1880)

Madame Bovary, verheiratet mit dem Arzt Charles Bovary, bewohnt sie bis an ihr Lebensende die Einöde in Frankreichs Provinz. Sie träumt von dem magischen Ort Paris, ihren ritterlichen Romanhelden und sucht Befriedigung in der Liebe, die ihr ihr Mann nicht geben kann. Sie wird von den Männern viel umworben, sie ist ein Anziehungspunkt und eine Augenweide.

Madame Bovary

Bald beginnt sie Affären mit Léon und Rodolphe. Dabei fühlt sie sich wie beflügelt, frei und dennoch trägt sie Verantwortung für ihren Ruf, ihren Mann und ihr gemeinsames Kind. Letztendlich wird sie von Unmengen an Schulden heimgesucht und gibt sich dem Gift hin, um ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Flauberts Roman erregte viel Aufsehen, da er - so der Untertitel des Buchs - "ein Sittenbild der Provinz" aufweist, einen Maßstab an Moral und Werten, der für die damalige Gesellschaft maßgebend war und eingehalten werden musste, wenn man nicht verstoßen werden wollte. Doch Emma Bovary durchbricht diese Regeln, sie schafft ihr eigenes Leben, um vollauf befriedigt zu werden, um der Gesellschaft zu trotzen, um sich den eigenen Freuden hinzugeben.


»Madame Bovary« ist eine Revolution, ein klassisches Werk, das dennoch in der heutigen Zeit stets aktuell ist und die unermüdlichen Bedürfnisse der Menschheit wiederspiegelt, die, unter gegebenen Umständen zu Problemen führen und letztendlich ins Verderben.



Die Geschichte vom unglücklichen Schicksal der Emma Bovary löste Mitte des 19. Jahrhunderts einen Sturm aus. Flaubert hatte die zeitgenössische Bourgeoisie mitten ins Herz getroffen und eine der großartigsten Figuren der Weltliteratur geschaffen.

Sein Roman »Madame Bovary«‹ löste bei seinem Erscheinen 1857 einen literarischen Skandal aus, in dessen Folge Flaubert vor Gericht erscheinen musste. Der einzige Kontakt zur Außenwelt war ein reger Briefwechsel mit seiner Geliebten Louise Colet und zahlreichen Schriftstellerkollegen wie z.B. Ivan Turgenjew.

Dem Romancier Gustave Flaubert ist der eigentliche Durchbruch zum Realismus dem mit seinem Roman »Madame Bovary«, einer Alltagsgeschichte der Desillusionierung einer an romantischen Idealen orientierten Ehefrau in der Provinz, welche im Ehebruch und Selbstmord endet, im Jahre 1857 gelungen.


»Das neunzehnte Jahrhundert glänzt mit dem französischen Roman, wie das sechzehnte von italienischen Bildern und Palästen strahlt.Von 1850 bis 1880 sitzt Flaubert auf dem Lande, oft monatelang ohne Menschen, und schreibt seine sechs Bücher. Hier vollzieht sich die letzte Anstrengung, die repräsentative Kunstgattung der Zeit auf ihren Gipfel zu führen.«

Beginn von Heinrich Manns Essay aus dem Jahre 1905: »Gustave Flaubert und George Sand«; zitiert nach: Heinrich Mann: »Geist und Tat«, dtv 100, München 1963; S. 74

Für Maupassant, Zola, Proust, Heinrich Mann und andere wurde »Madame Bovary« zum absoluten Maßstab des eigenen Schaffens, für alle Späteren - auch für Kritiker wie Sartre - zu einem Bezugspunkt, an dem die Entwicklung des modernen Romans gemessen werden kann.

Als diese lang erwartet Neuübersetzung von »Madame Bovary« erschien, dem Hauptwerk des französischen Realisten Gustave Flaubert, bescheinigte ihr die Kritik, die »beste, die am meisten Flaubertsche« zu sein.

Weltliteratur, die man gelesen haben sollte:

Madame Bovary: Sitten der Provinz
Madame Bovary: Sitten der Provinz
von Gustave Flaubert



Samstag, 3. August 2024

Herman Melvilles "Moby Dick"

Herman Melville

Den Roman »Moby Dick« schrieb Herman Melville im Jahr 1851.

In Herman Melvilles Roman "Moby Dick" geht es im Wesentlichen um die schicksalhafte Fahrt des Walfangschiffes Pequod, dessen Kapitän Ahab mit blindem Hass den weißen Pottwal Moby Dick jagt, der ihm ein Bein abgerissen hat. Seit er auf hoher See im Kampf mit dem legendären weißen Wal ein Bein verloren hat, ist Ahab, der selbstherrliche Kapitän des Walfängers "Pequod", von grenzenlosem Hass erfüllt. Von Rachegelüsten getrieben und ohne Rücksicht auf Verluste macht sich Ahab auf die erbitterte Jagd nach seinem gespenstischen Widersacher.

Die dramatische Jagd des zu allem entschlossenen Kapitäns Ahab auf den weißen Wal Moby Dick ist eine der wildesten, mitreißendsten und gedankenreichsten Lektüren - die Geschichte einer Obsession.

Das Walfangschiff "Pequod" läuft 1814 unter dem Kommando von Kapitän Ahab zu einer verhängnisvollen Reise aus. Ahab hat nur ein Ziel: den weißen Wal zu jagen, der ihn zum Krüppel gemacht hat.

Bevor der junge Ishmael zusammen mit dem Eingeborenen Queequeg an Bord der "Pequod" geht, prophezeit ihnen ein Landstreicher, dass sie dem Tode geweiht sind.

Auf der langen Reise lässt sich der geheimnisumwitterte Kapitän Ahab zunächst nicht blicken. Den Kontakt zu den Walfängern hält sein Steuermann Starbuck. Eine erste Walsichtung führt zu einem erfolgreichen Fang. Danach will Kapitän Ahab in den Indischen Ozean und schließlich von dort in den Pazifik zum Bikini-Atoll segeln.

Moby Dick


Moby Dick

Im Lauf der Fahrt, in der seine Männer unter Windstille und sengender Sonne leiden und Ahab eine mögliche große Beute ziehen lässt, enthüllt sich der Mannschaft das wahre Ziel ihrer Reise: die Suche nach Moby Dick. Bei Neumond im April will Ahab Moby Dick stellen und alle offenen Rechnungen begleichen - koste es, was es wolle.

Mit "Moby Dick" schuf Herman Melville im Gewand eines packenden Seefahrer- und Abenteuerromans eine grandiose Allegorie auf die Unbezwingbarkeit der Natur und des Schicksals.

Dabei entsteht das eindringliche Bild einer Tier-Mensch-Beziehung: Nach dem Verlust seines Beins macht Ahab aus dem Walfisch ein vernunftbegabtes, verschlagenes Wesen mit menschlichen Zügen. Das wahre Wesen des Tiers verschwindet hinter der fanatischen Projektion des Mannes, der im Wal nur das eigene Spiegelbild, seinen eigenen Hass und seine Ängste zu entdecken vermag.

Herman Melvilles Roman "Moby Dick", der 1851 erschienen ist, gehört zu den großen Werken der Weltliteratur. John Hustons packende Verfilmung mit Gregory Peck und Orson Welles nutzt die abenteuerlichen Elemente des Romans, ohne seine hintergründige Symbolik preiszugeben.

Literatur:

Moby Dick


Moby Dick oder Der weiße Wal von Herman Melville

Moby Dick


Moby Dick oder Der weiße Wal von Herman Melville