Dienstag, 15. Juni 2021

Tolstoi und die Sonne von Austerlitz


Die Sonne über Austerlitz, die Tolstoi aus dem Nebel emporsteigen sah, und der Himmel, den er sich über dem verwundeten Andrej Bolkonski öffnen sah, entsprangen Beobachtungen, die er selbst im Kampf gemacht hat.

Aus seinen Beobachtungen auf dem Schlachtfeld entstand später das Panorama einer Schlacht und ein Blick ins Innere der Kämpfenden, deren Begeisterung zunächst ins Hurra der Kolonne einstimmte, um in der Trance des letzten Lebensaugenblicks zu verstummen. Nicht der Held interessiert Tolstoi, sondern die innere Karriere seiner Tapferkeit.

Die extreme Erfahrung des Krieges lässt Tolstoi auch im Frieden nicht los. Der Krieg war Tolstois Trauma, weil sich in ihm immer wieder die Frage nach dem Sinn des Daseins stellte.

Auf die frühen Erzählungen „Wie russische Soldaten sterben“ (1854) und die drei Erzählungen über „Sewastopol“ folgen die „Kosaken“ und „Hadschi Murad“, die Geschichte eines Outlaw und „Menschenschlächters“, der an der Seite der Russen seinen eigenen tschetschenischen Stamm bekämpft. Der Krieg war Tolstois Trauma, weil sich in ihm immer wieder die Frage nach dem Sinn des Daseins stellte.

Die ausgeruhte Darstellung der leidvollsten Epoche der russischen Geschichte, Napoleons Einmarsch in Russland und sein Rückzug konnte erst gelingen, nachdem Tolstoi sein unruhiges Soldatenleben mit der ungefährdeten Existenz eines Ehemannes vertauscht hatte.

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