Samstag, 8. September 2018

»Selige Zeiten, brüchige Welt« von Robert Menasse

Robert Menasse hat ein Faible für Literaur, in der Philosophie als Grundierung eingebunden ist und in der über ein philosophisches Leben erzählt wird. Der Roman erzählt eine Liebesgeschichte, in der die Politik hineinreicht, so daß das Bild einer Epoche entsteht.

Menasse erzählt in »Selige Zeiten, brüchige Welt« von den Nöten seines Protagonisten Leo Singer, als Philosoph durch’s Leben zu gehen. Zusammen mit seinen Eltern aus dem brasilianischen Exil nach Wien zurückgekehrt, ist der junge Philisophiestudent zunächst finanziell abhängig vom Elternhaus. Mit dem Traum, eine Fortsetzung von Hegels berühmtem Werk »Phänomenologie des Geistes« zu schreiben und dem Anspruch, durch die Beschreibung der Welt die Welt zu verändern, studiert er in Wien und lernt bald Judith kennen, mit der er sein Leben lang verbunden sein sollte.

Judith ist der Mittelpunkt in Roberts Leben. Mit Judith verbindet ihn eine Hassliebe. Er braucht sie als Inspiration für seine Essays. Sie dient ihm dabei als Projektion seiner Gedanken. Judiths Wesen bleibt in der Darstellung schleierhaft. Die Beziehung zwischen den beiden wird kompliziert. Viel Kopf, wenig Herz. Die Beschäftigung mit seinem Werk lassen Leo nur wenig Raum, z.B. für eine Reiseerfahrung nach Venedig und Eifersucht. Mit dem Tod des Vaters wird Leo von dem Zwang befreit, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Was für eine Arbeit könnte er auch tun, um nicht für immer unzufrieden zu sein – außer als Lehrender seines eigenen Werkes.

"Leo hatte immer davon geträumt, ein bedeutender Mann zu werden, der in die Geschichte eingreife, die Welt verändere, und kaum hatte er diesen kindlichen Traum aufgegeben, erlangte er völlig unvorbereitet eine öffentliche Bedeutung.".

Das Erbe des Vaters verschlägt ihn zurück nach Brasilien, wo er eine neue Existenz aufbaut - und doch nicht, denn er nimmt sich selbst mit. Durch die Militärdiktatur um seine Universitätskarriere gebracht, lebt er als Schützling eines alten Bekannten, Kunstsammler Löwinger und ehemaliger Bankier seines Zeichens. Mit der Nachricht über Judiths Tod, die – wie sich später herausstellte – fingiert war, gelingt es dem mittlerweile ewigen Studenten Leo, zu arbeiten. Denn auch nach den vielen Jahren ist noch immer kein Werk entstanden, außer einem kurzen Aufsatz über Sittlichkeit und Bildung. Voraussetzung zum Arbeiten scheint für ihn der permanente Zustand der Sehnsucht zu sein.

Nach einem Wiedersehen mit Judith in Brasilien ziehen die beiden nach langem Zögern ihrerseits zusammen. Doch der Zustand der Zweisamkeit dauert nur sechs Wochen an, dann lebt Judith wieder allein. Von nun an zergeht Leo in dem Bestreben, für perfekte Arbeitsbedingungen zu sorgen. Es gelingt ihm nicht. Er kommt mit seinem geplanten Hauptwerk nicht voran und verzettelt sich immer wieder. Am Ende „rettet“ er sein Werk, das Judith anhand mündlicher Vorträge Leos heimlich niedergeschrieben hat.


Literatur:

Selige Zeiten, brüchige Welt

Selige Zeiten, brüchige Welt

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