Samstag, 19. Mai 2018

»Rot und Schwarz« von Henri Stendhal



»Rot und Schwarz« (»Le Rouge et le Noir«) ist ein 1830 entstandener Roman von Henri Stendhal, ein Sittengemälde des damaligen Frankreich. Darin erzählt wird die Geschichte des ehrgeizigen, hübschen Julien Sorel, der sich, aus ärmlichen Verhältnissen in der schönen Franche Compté stammend, nach gesellschaftlichem Aufstieg sehnt. Der für das Priesteramt bestimmte Jüngling erhält zunächst Privatunterricht bei einem Mönch, wo er die Bibel auf Lateinisch auswendig lernt. Heimlich liest er aber noch Napoleons Erinnerungen an St. Helena.

Mit dieser geistigen Ausstattung gelingt es dem Aufsteiger, eine Stelle als Hauslehrer der Kinder von Madame de Renal zu bekommen. Er bestimmt die Gage und setzt auch durch, daß er einen schwarzen Anzug erhält. Die Kinder lieben ihn und er liebt Mme de Renal, die wie eine dreißigjährige, aber immer noch hübsche Frau wirkt. Sie gesteht ihm ihr Alter, damit er sagen soll, das sehe man ihr nicht an. Insofern ist der Roman modern. Über hundert Seiten versucht Julien, ihren Arm zu berühren. Sie weinen viel. Schon bald wird er ihrer überdrüssig, geht aber nicht ins Priesterseminar, sondern über Besancon nach Paris. Er lernt u.a. Mathilde kennen, macht ihr ein Kind, liebt aber immer noch Mme de Renal. Er sucht sie heimlich auf, indem er ganz geschickt eine Leiter ans Fenster stellt.

Ein anderes Mal, als sie wieder recht zickig ist, feuert er in der Kirche einen Schuß von hinten auf die betende Angebetene ab. Das wird, obwohl sie ihm verzeiht, als Mordversuch gewertet. Auf Intervention hochstehender Persönlichkeiten wird er in ein hübsches Gefängniszimmer gesperrt, wo er all seine Lieben empfängt. Schließlich wird er verurteilt und guillotiniert. Vorher gibt er schon zu bedenken und bedauert, daß man das Verb nicht nicht vollständig beugen kann.

Julien Sorel ist für die damalige Leserschaft der unreife und sein Publikum kompromittierende Antiheld, der sich zwischen zwei Liebschaften zu entscheiden hat: eine, die seine Herzensliebe rührt und jene, die er nur durch Stärke und Vernunft gewinnen kann. Letztere kann seinen Aufstieg in höheren Adelsstand befördern, verunsichert ihn aber, da er ihr lediglich "en passent" verfallen ist.


Henri Stendhal


Stendhals Roman gleicht einem, je nach Betrachtungswinkel nüchtern oder romantisch gehaltenen Sittengemälde des damaligen Frankreichs; einer zu dicht fokussierten und zu nahegehenden Beschreibungskunst menschlichen Daseins und Innenlebens. Die Entwurzelung seiner Figuren, deren vehemente Zerrissenheit, sind Folgen gesellschaftlicher, epochaler Veränderung (wie die Rolle des Bürgers oder des Adels), liegen ursächlich in den Umwälzungen und im Zeitgeschehen jener postnapoleonischen Zeit, haben Auswirkungen auf Staat, Politik und individuelle Existenz.

Stendhals Zeit ist geprägt von Gegensätzen, die dem Roman - aber auch dessen Protagonisten - die historische Klammer geben: Republik oder Monarchie, Gleichheit oder Klassengesellschaft, kirchlich-provinzielle Moral oder weltmännisch-dekadenter Adelshochmut, Revolution oder Rückbesinnung. Rot oder Schwarz.

Roman ist ein Farbenspiel. Die Farben Rot und Schwarz stehen für zwei gesellschaftliche Mächte, von deren Einfluß der Roman handele: die Armee und die Kirche. Darüber hinaus ist Rot die Farbe der Liebe und der Leidenschaft, auch des Liebestodes, den Madame de Renal stirbt. Außerdem ist Rot die Farbe der Revolution, für Gewalttätigkeit und mililtärischen Ruhm.

Schwarz steht für den Tod, die Heuchelei, die Erziehung im Priesterseminar und politisch für die Reaktion des Bourbonenregimes, das Stendhal, dem Anhänger Napoleons verhasst war.

Literatur:

Rot und Schwarz. Chronik aus dem 19. Jahrhundert
Rot und Schwarz
von Henri Stendhal


Weblink:

Henri Stendhal-Biografie

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